Viele Wege führen aus der Sucht !/?

  • Ich habe mit mir gerungen, ob ich hier nochmal meinen Senf dazugebe oder es doch lieber wieder lasse.
    Aber angesichts des letzten Todesfalls (ein Gruppenfreund hat doch wieder zugeschlagen und sich innerhalb weniger Tage totgesoffen) kann ich mich doch nicht zurückhalten.

    Natürlich kann man es auch "Wahloffenheit" o.ä. nennen, wenn man einem Alki sagt: "Hör erst mal auf - und in einiger Zeit kannst Du ja dann mal schauen, ob das etwas ist für Dich."
    Wenn ich aber sage "Wenn Du erst einmal abhängig/süchtig geworden bist, solltest Du überhaupt keinen Alkohol mehr trinken!" und dazu von meinen auch erst ungläubigen Versuchen erzähle, die in die Hose gingen - dann ist das für mich einfach nur ehrlich!

    Ein Gruppenfreund hat mal erzählt, wie es ihm gegangen ist: Er hat gemerkt, dass er wahrscheinlich ein bisschen viel trinkt ::) und hat deshalb beschlossen, mal eine kleine Trinkpause von 6 Wochen einzulegen. Das ist ihm gelungen. Und da es ihm ganz gut damit ging, hat er die Trinkpause verlängert. Nach 12 Jahren (!!) dann war er der Meinung, mal bei seiner Frau am Glas kostenderweise nippen zu können. Am nächsten Tag hat er sich schon ein eigenes Glas bestellt und noch einen Tag später eine Flasche gekauft. Und kurz darauf waren es wieder 2-3 Flaschen täglich (mindestens). Das war dann für die nächsten 2 Jahre sein tägliches Pensum ...

    Niemand kann uns verbieten, Alkohol zu trinken. Aber jede Entscheidung ist eine Entscheidung - auch, keine Entscheidung ist eine. Und jede Entscheidung zieht Konsequenzen nach sich, die man dann tragen MUSS.
    Mein Gruppenfreund hat für sich die Entscheidung getroffen - und die Konsequenz daraus habe ich ja schon geschildert.

    Ich halte es wie keppler.

    Wer Abhängigen diese Handlungsalternativen als gleichwertig aufzeigt, handelt aus meiner Sicht grob fahrlässig

    Auch ich war am Mittwoch wieder im Krankenhaus, in der Entgiftungsstation ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Auch ich wollte HIER nichts mehr posten.

    Was mich jedoch umtreibt ist die Frage, warum es bei mir im Gegensatz zu Anderen geklappt hat, zu einem neuen Trinkverhalten zu finden. Es kann natürlich sein, dass ich nie so abhängig war, wie ich mich fühlte. Tatsächlich kommt es mir aber so vor, dass ich ganz tief in mir drin eine komplett andere Einstellung zu Suchtmitteln entwickelt habe. Ich gehe nicht mehr davon aus, dass mir ein Suchtmittel bei irgendetwas eine Hilfe sein kann. Stattdessen vertraue ich darauf, dass mein Körper alles zur Verfügung stellt, was ich für ein gutes Leben benötige. Ich gehe sogar davon aus, dass es der Körper alleine besser kann. Und ich scheine in meiner Ablehnung von Abhängigkeit so weit zu gehen, dass ich in diesem Forum von Süchtigen schon belächelt werde, wenn ich mir z.B. Gedanken über das Suchtpotential von Zucker mache.
    Vielleicht macht das den Unterschied aus?

    Bassmann

  • In den Jahren der Sucht hatte ich selbst auch mehr als nur einmal einen Schutzengel dabei. Etwa bei Stürzen oder teils kreuzgefährlichen Nachhausewegen im Vollrausch.
    Und ja, ich habe auch Menschen durch Alkohol und andere Drogen unwiederbringlich verloren. Darunter auch nahe Freunde. Sogar meinen Vater, den ich sehr liebe, habe ich durch/an den Alkohol verloren. Mein Vater hat übrigens nie versucht kontrolliert zu trinken. An der Wand über seinem Küchentisch hing jahrelang ein selbstgemaltes Bild mit dem Schriftzug: Das erste Glas bleibt stehen.

    Mir ist also genau so an einem ernsthaften, verantwortungsbewussten Austausch gelegen wie allen anderen hier auch. Mein Beitrag gestern hier im Thread vor allem im Sinne des Titels -viele Wege-.

    Mein Anliegen ist hier auch, zu zeigen dass sich die Suchthilfe in Deutschland in den letzten Jahren (endlich!) auch gegenüber vielen anderen Ansätzen mit geöffnet hat, und diese nun offiziell in den Beratungen und Einrichtungen mit Anwendung finden. Um Menschen Hoffnung zu machen die vielleicht immer wieder an der Abstinenz scheitern, oder diesen Weg nicht gehen wollen, oder vielleicht (noch) gar nicht gehen müssen, oder sich noch nicht sicher sind welcher Weg für sie der Richtige ist,... Abstinenz natürlich weiter als oberstes Ziel, vor allem für schwer Abhängige. Aber wie viele Menschen erreichte man mit diesem Weg bisher überhaupt? Lediglich etwa 2% der Abhängigen begaben sich in Behandlung in rein abstinenzorientierte Programme.

    So werden jetzt mehrere andere Wege (nicht nur die der Abstinenz und des KT) durchaus mit in die Programme der Suchthilfe als eventuell mögliche Handlungsmöglichkeiten mit einbezogen. Welcher Weg für wen der Richtige ist, das ist jeweils eine individuelle Einzelfallentscheidung weil die Sucht unzählig viele Gesichter hat.

    Die große Hoffnung liegt vor allem darin, die Menschen in den Anfangsphasen einer Problematik oder Abhängigkeit zu erreichen, bevor sie ihre Sucht noch weiter ausprägen und manifestieren. Den Menschen Handlungsansätze zu geben möglichst bevor sie in die fortgeschrittene / kritische und später chronische Phase der Alkoholkrankheit kommen, und bevor sie deswegen (immer wieder) in Entgiftungskrankenhäuser müssen.

    Wenn man sich ein wenig mit der Thematik befasst (auch mit dem was hier so verlinkt ist) wird schnell deutlich dass das durchaus sehr verantwortungsbewusste und in der Suchthilfe äußerst engagierte Menschen sind die sich damit auseinandersetzen. Und dass dort meist auch eine etwas differenziertere und sehr eingehende Betrachtung vorgenommen wird als nur ein einfaches Schwarzweiß denken.

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