Spiegel Bericht

  • Hallo,

    vor einiger Zeit stand im Spiegel ein sehr interessanter Bericht.
    Dort wurde bemängelt, dass es in Deutschland nur Alkoholgruppen für die richtig "Härtfälle" gibt und nichts für die "mittlere Schicht", die zwar zuviel trinkt, aber nicht körperlich abhängig ist. In einigen Städten würde es daher Beratungseinrichtungen für diese Art von "Trinkern" geben, um das Trinken nicht zu verbieten, aber ein gesunden Umgang zu lernen.
    Ist Euch sowas schon bekannt?

    Gruß

  • Hallo Conny
    Ohne einen passenden Link zum Artikel wird deine Anfrage wohl im Sande verlaufen.
    Brant

  • Hallo Conny,

    ist es eventuell dieser Artikel den du meinst?
    http://www.spiegel.de/gesundheit/dia…z-a-844209.html

    Solche Ansätze finden in den letzten Jahren tatsächlich immer mehr Anklang in der offiziellen Suchthilfe. Es ist mittlerweile erwiesen dass je früher man ein problematisches Trinkverhalten ernst nimmt und ansetzt, es oft umso besser ist. Die Zeiten in denen man gemeinhin sagte daß ein Süchtiger erst über sehr viele leidvolle Jahre hinweg völlig am Boden zerstört sein muss bevor man ihm helfen kann sind schon lange vorbei und Schnee von gestern. Man kann immer und an jedem Punkt einer Alkoholproblematik und/oder Sucht ansetzen - wenn man es wirklich will.

    Allerdings ist es mitunter (noch) schwierig in Plattformen wie diesen hier, in denen sich oft rein abstinenzorientierte Menschen und User finden über diese neuen Ansätze offen und rein sachlich zu diskutieren und schnell entstehen darüber hitzige Debatten. Grundsätzlich aber habe ich dieses Forum hier als recht offen kennen gelernt.

    LiS

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (19. November 2015 um 23:22)


  • Es ist mittlerweile erwiesen dass je früher man ein problematisches Trinkverhalten ernst nimmt und ansetzt, es oft umso besser ist. ... Man kann immer und an jedem Punkt einer Alkoholproblematik und/oder Sucht ansetzen - wenn man es wirklich will.

    M.E. liegt hier der eigentliche Hase im Pfeffer - der Mensch muss von sich aus und für sich das Problem erkennen und etwas ändern wollen. Doch solange "andere ja noch viel mehr trinken" und man "daher ja also kein wirkliches Problem hat" und "man ja jederzeit aufhören kann" ... ;( nixweiss0

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Ich glaube, das hier ist das einzige deutschsprachige Alkoholforum im World Wide Web, in welchem solche Diskussionen überhaupt "erlaubt" sind. Und ich danke dem Himmel dafür. :)

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Hallo zusammen,

    genau "Land in Sicht", das ist der Artikel, den ich mein.
    Ich war eigentlich sehr erstaunt, dass es diesen Ansatz gibt. Früher hieß es immer, einmal abhängig gewesen, dann würde jeder Schluck wieder zum totalen Absturz führen, daher die Empfehlung zur absoluten Abstinenz. Aber wenn man noch am Anfang steht und die Möglichkeit hat, durch bewusstes Wahrnehmen "wann trinke ich, warum dann, was kann ich stattdessen tun" einen moderaten Umgang wieder lernen kann, klingt das doch mal zunächst positiv.

    Gruß

  • Wer sagt den Menschen, wo genau sie stehen: kurz vor der Abhängigkeit, relativ frisch abhängig geworden oder schon so was von abhängig ...??

    Denn selber kann man es nicht sehen/merken - oder will es einfach nicht.

    Okay - ICH wusste aus eigener Erfahrung, woran ich war: ich war/bin komplett abhängig. Ich bin nicht nur ein bißchen schwanger ... Aber da war es schon zu spät - Reduktion hat nicht mehr funktioniert.
    Und darum gibt es für mich nur die Abstinenz. "Versuch macht kluch" - mich hätte es beinahe in den Abgrund getrieben, von daher weiß ich es. Und habe nicht vor, es noch einmal zu testen ...

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    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (20. November 2015 um 14:53)

  • Ich glaube, das hier ist das einzige deutschsprachige Alkoholforum im World Wide Web, in welchem solche Diskussionen überhaupt "erlaubt" sind. Und ich danke dem Himmel dafür. :)


    Ich danke nicht dem Himmel dafür :) Denn ich finde, wir haben oder sollten noch Meinungsfreiheit haben. Und wenn ich das Gefühl habe, das geht oder ginge hier nicht (weil eine Art Zensur zum Thema selbst besteht), dann poste ich eben da (in demjenigen Forum) nicht mehr.

  • Doch solange "andere ja noch viel mehr trinken" und man "daher ja also kein wirkliches Problem hat" und "man ja jederzeit aufhören kann" ...

    Jeder betrachtet die Sache logischerweise aus seiner ureigenen Perspektive.

    Beispielsweise bestand meine Perspektive darin, dass mir durchaus klar war, dass ich ein riesiges Problem hatte und das Trinken nicht einfach sein lassen konnte. Ich ging allerdings davon aus, dass ich ein noch weitaus größeres Problem bekommen würde, wenn ich ohne den „Freund“ Alkohol zu leben versuchte.
    Dass andere Menschen durchaus mehr tranken als ich zum damaligen Zeitpunkt, war mir kein Trost.
    Ich hätte gerne mit dem Saufen aufgehört, hatte aber keine Ahnung, wie ich ohne den Alkohol mein Leben hätte meistern können.

    Was ich gebraucht hätte, wäre eine Bestärkung dahingehend gewesen, dass letztendlich nur ein Leben ohne Abhängigkeit ein lebenswertes Leben ist.
    Diese Erfahrung, also dass die Welt nicht untergeht, wenn ich nicht mehr saufe, hätte ich beispielsweise über das Erlernen des kontrollierten Trinkens machen können. Hätte ich davon gewusst und hätte man mir dabei geholfen, wäre das sicherlich für mich ein Grund gewesen, weitaus früher, als ich es dann tatsächlich tat, mit dem Saufen aufzuhören und diesen neuen Weg zu probieren.

    Da ich jedoch auf mich allein gestellt war, soff ich so lange weiter, bis ich über den Ausstieg aus der Nikotinsucht die Erfahrung machte, dass eine überwundene Abhängigkeit zu einem enormen Zuwachs an Lebensqualität führt.

    Für mich besteht der „Charme“ der neuen Ansätze darin, der Alkoholsucht das Stigma zu nehmen, so dass sich Betroffene frühzeitig ihres Problems annehmen (können) und nicht über Jahre hinweg die Augen verschließen, damit sie sich so lange wie nur irgendmöglich nicht als Alkoholiker sehen und bezeichnen müssen.

    Bassmann

  • Für mich besteht der „Charme“ der neuen Ansätze darin, der Alkoholsucht das Stigma zu nehmen, so dass sich Betroffene frühzeitig ihres Problems annehmen (können) und nicht über Jahre hinweg die Augen verschließen, damit sie sich so lange wie nur irgendmöglich nicht als Alkoholiker sehen und bezeichnen müssen.

    Hmm - kann denn nicht heute schon (und auch früher) sich jeder jederzeit seines Problems/seiner Probleme annehmen, also auch schon sehr früh?? nixweiss0

    Das Problem des Problems ist es doch, das Problem als Problem zu erkennen - und es lösen zu WOLLEN, etwas ändern WOLLEN!

    Um es mit Mario Barth zu sagen: Nicht quatschen - machen!

    Und dass nicht jeder Versuch zum Erfolg führt, ist ja wohl bekannt. Also einen neuen Versuch mit einem anderen Lösungsansatz versuchen!
    Wer es schafft, kontrolliert weniger zu trinken - super. Wer es nicht schafft, trinkt eben unkontrolliert - oder gar nicht mehr. Wem Hypnose hilft - fein, wem ein Apfel hilft (statt saufen) - fein.
    Jeder muss seinen eigenen Weg finden - das kann ein ganz neuer Weg sein oder auch eine bewährte Straße ...

    Aber wenn man noch am Anfang steht und die Möglichkeit hat, durch bewusstes Wahrnehmen "wann trinke ich, warum dann, was kann ich stattdessen tun" einen moderaten Umgang wieder lernen kann, klingt das doch mal zunächst positiv.

    Wichtig ist m.E. diese bewusste Wahrnehmung gepaart mit dem Willen, etwas zu ändern.

    Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen das schon durchgezogen haben - bevor sie abhängig geworden sind.
    Eine Abhängigkeit fördert aber nicht gerade den Willen, das Ziel seiner SehnSUCHT zu leugnen, zu ignorieren und zu "verdammen"...

    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!


  • ...das Problem als Problem zu erkennen...

    Für mich persönlich war es so, dass ich über sehr viele Jahre hinweg durchaus schon wusste daß ich ein recht großes Problem hatte. Und ich wollte das natürlich auch ändern, vor allem in den Momenten in denen ich wieder mal verzweifelt vor einem Scherbenhaufen stand den ich selbst angerichtet hatte.
    Allein, ich fand keinen Lösungsansatz...

    Als ich mich etwa sechs Jahere vor meinem Suchtausstieg an die Suchthilfe wandte, war da noch die bedingungslose Voraussetzung bereit zu sein lebenslange und strikte Abstinenz zu `schwören´, und das bevor da auch nur irgendwelche anderen Fragen gestellt wurden.

    Ich war nicht bereit diesen Schwur zu leisten.
    Bin ich, auch wenn ich nun bereits weit über anderthalb Jahre sehr zufrieden nüchtern und abstinent lebe, immernoch nicht.
    Das hat mehrere Gründe. Zum einen habe ich bei einem mir sehr nahestehenden Menschen als Angehöriger miterleben müssen, daß das reine 'auswendig lernen' und nachsprechen solcher Formeln so ziemlich garnichts bringt wenn man der Sucht nicht an den eigentlichen Kern, an die Wurzel rückt. Zum anderen hoffe ich natürlich innigst, und TUE mein Bestmögliches dafür, daß ich auch in fünf, zehn und noch mehr Jahren ein weiterhin gesundes und glückliches Leben führen werde. Aber ganz realistisch betrachtet, weiß ich es de facto einfach nicht was genau in zig Jahren sein wird. und ich will es ganz ehrlich auch nicht wirklich wissen - denn ich lebe und handle HIER und JETZT.

    Um nochmal einen kleinen Kreis zum oben genannten Lösungsansatz zu schließen,
    ich glaube ich habe, über anfängliche Zieloffenheit, nicht durch Abstinenz meinen Suchtausstieg gefunden - sondern eher umgekehrt, über meinen aktiven Suchtausstieg nach und nach in die Abstinenz gefunden und diese hat sich dann immer mehr gefestigt.

    Manche/r mag im erfolgreichen Weg aus der Sucht Gleiches, Manche/r Anderes finden.

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (23. November 2015 um 23:58)

  • Hallo alle zusammen,

    in der Beratungs- und Behandlungsstelle, in der ich meine Therapie gemacht habe, bietet man auch Seminare zum kontrollierten Trinken an. Ich habe mitbekommen, dass es dabei allerdings nur in zweiter Linie darum geht, den Konsum der Klienten zu reduzieren. In erster Linie geht es darum, diesen Menschen die Tür zur Beratungsstelle zu öffnen.

    Hier wird ihnen gezeigt, dass ihnen der Alkohol nicht weggenommen wird und hier werden sie auf dem Weg begleitet, auf dem sie herausfinden, was mit ihnen los ist. Dabei sind es nur sehr wenige Klienten, die dann da noch trinkend raus gehen. Die Überzahl findet schließlich heraus, ein Alkoholproblem zu haben und fasst selbst ganz für sich den Entschluss, mit dem Trinken aufzuhören.

    Mir hätte ein solcher Versuch vermutlich nichts gebracht, außer eben mir auch genau diese Tür zu öffnen. Ich bin mit der Vorstellung da rein gegangen, dass da nur total strenge Nonnen sitzen, die nur deshalb meine Sauferei nicht mit dem Rohrstock bestrafen, weil es ihnen gesetzlich verboten ist. Ohne Witz, ich hatte echt diese Vorstellung. Entsprechend groß war auch meine Angst, da hinzugehen, meine Verzweiflung glücklicherweise aber auch.

    Und da haben wir schon den Punkt: Von der These, dass ein Alkoholiker erst völlig am Boden liegen muss, halte ich nur bedingt was. Bei mir war es die Waage, die kippen musste, zwischen dem Leid, das mir durch den Alkohol beschert wurde, und der Angst vor Beratungsstelle, Gruppen, Krankenhaus und Therapie, sowie dem Leben ohne Alkohol. So ein Kurs hätte mir da dann doch schon mal ein anderes Bild geben können.

  • Man könnte einen kT-Kurs auch als Test sehen - krieg ich das hin oder muss ich einen anderen Weg suchen.
    Der "Placeboarm" der Selincro-Zulassungsstudien hat ja gezeigt, dass zumindest körperlich (noch) nicht abhägige Trinker allein dadurch, dass sie sich mit ihrem Trinkverlangen auseinandersetzen mussten, weniger tranken: Ist heute ein "gefährlicher" Tag? Will ich mich heute wirklich betrinken? Kann ich jetzt noch aufhören oder nehme ich lieber eine Pille?.
    Die Reduktion von Trinkmenge und Trinktagen betrug immerhin 40% gegenüber 60% im "Verum-Arm"! Und diese Reduktion war stabil und nahm üder die Studiendauer zu!
    Und nicht zu vergessen: Alkoholismus ist in erster Linie eine biologische Krankheit, bei der jenseits einer individuell unterschiedlichen Schwelle medikamentöse Behandlung notwendig ist - wie bei Diabetes oder Bluthochdruck. Und ein gescheiterter kT-Versuch beweist erst einmal, dass diese Schwelle überschritten ist. Sobald die körpereigene Produktion bestimmter Neurotransmitter auch nach einer langen Trinkpause nicht mehr ausreicht, das innere Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, wird Abstinenz zum täglichen Leiden und Kampf für viele Jahre.
    Die biochemische Erklärung würde hier den Rahmen sprengen - aber Baclofen und einige neue Substanzen in der "Pipeline" der Pharmaindustrie können hier effektiv Hilfe leisten.

    LG

    Praxx

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