Als mich gestern Vormittag die Nachricht ereilte, dass Du tod in Deiner Wohnung aufgefunden worden bist, hat mich das wirklich geschockt. Wirklich überrascht war ich hingegen nicht wirklich!
Knapp über fünfzig bist Du nun also geworden und hast davon mehr als dreißig Jahre alles dafür getan, dass es nun so zu Ende gegangen ist!
Als sich unsere Wege vor über fünfzehn Jahren das erste Mal gekreuzt haben, hattest Du Deine exzessive Kokainsucht seit einiger Zeit bei Seite geschoben - tausende von Mark sind durch Deine Nase gezogen worden, die schillernden und glamorösen Zeiten auf den Showbühnen Europas waren vorbei, der finanzielle Kollaps zwangsläufig und Du ein einzigesHäufchen Elend. Freunde - echte Freunde - haben Dir aus der Scheiße geholfen und Dir das Versprechen abgerungen, zukünftig die Finger von dem weißen Pulver zu lassen. Du hast Dich wieder berappelt, noch einmal von vorne angefangen, Dir eine kleine, wesentlich bescheidenere Existenz aufgebaut. Und gekokst hast Du nur noch äußerst selten - dafür aber die andere, wesentlich billigere, aber für Dich erst einmal äußerst wirksame Medizin kennen und schätzen gelernt - Du hast angefangen zu saufen!
Anfangs nur am Wochenende, natürlich auf Partys, im Urlaub, an freien Tagen - da hast Du den Wodka in Dich hineingeschüttet, wie andere Menschen Leitungswasser. Und wenn Du arbeitsbedingt nicht saufen konntest, hast Du gekifft. Du hast Dich zwar nicht zugedröhnt, aber die kleine Konische war Dein ständiger Wegbegleiter ...
Später, als ich vor gut siebeneinhalb Jahren meine Alkoholsucht zum Stoppen brachte, habe ich mich immer gefragt, was Dich eigentlich umgetrieben hat. Du hattest einige wirklich gute Freunde, viele gute Bekannte, wurdest bewundert, Dir ist vieler Orts Anerkennung widerfahren, hattest noch immer Zugang zur Glitzerwelt und doch schien das immer nicht wirklich genug zu sein. Immer häufiger folgte ein Totalabsturz dem nächsten, die Saufexzesse nahmen an Intensität und Dauer zu und der nächste finanzielle Kollaps ließ nicht lange auf sich warten.
Genervt warst Du, wenn Deine Freunde Dich auf Deine Saufeskapaden ansprachen, hast dann zeitweilig jeglichen Kontakt abgebrochen und Dich in Deine Schmollecke zurückgezogen - um dann irgendwann, völlig am Boden liegend, vor Selbstmitleid triefend, doch um Hilfe zu betteln. In Deiner eigenen Kotze liegend hast Du eingewilligt, zu entgiften, eine Therapie zu beginnen und Deinen Süchten zu entsagen.
Zumindest hast Du einem kleinen Kreis Dir wohlgesonnener Menschen gegenüber irgendwann eingeräumt, dass Du Dich selber als Alkoholiker siehst - immerhin! Irgendwann hast Du sogar Dein Suchtverhalten verändert. Du hast wochenlang alkoholabstinent gelebt, bist regelmäßig in Gruppen gegangen, hast Dich von Deinen Partykreisen ferngehalten, hast Deine geliebte Szene gemieden - aber immer nur bis zu dem Zeitpunkt, wo Du für Dich beschlossen hattest, es sei einmal wieder an der Zeit, Dich ausgiebig für die Entsagungen der letzten Zeit zu belohnen. Und dann gab es für Dich kein Halten mehr! Eine Woche Durchsaufen - bis wirklich nichts mehr ging - war entwickelte sich zu Deiner Hausnummer. Ich weiß nicht, wie viele trockene Entzüge Du in den letzten Jahren gemacht hast - die von Deinem Hausarzt medikamentös begleiteten einmalgar nicht mitgerechtnet.
Du bist im Vollsuff über die Balkonbrüstung gestürzt und hast Dir all die Knochen in Deinem Körper gebrochen, die mensch sich so brechen kann. Du bist besoffen in Deiner Wohnung gestürzt, und eine Deiner gebrochenen Rippen har sich in Deine Lunge gebohrt, so dass Du fast erstickt wärst. Und bei einem Deiner letzten kalten Entzüge, hattest Du einen Krampfanfall, der Dich fast umgebracht hat. Ich bin davon von überzeugt, dass diese Ereignisse nur die Spitze des Eisberges sind - sie ließen sich halt nicht verheimlichen und vertuschen ...
All das hat Dich nicht dazu gebracht, Deiner Sucht endgültig lebe wohl zu sagen! Du hast immer wieder den Tanz auf dem Vulkan gesucht, und gestern bist Du nun über den Kraterrand gestürzt.
Wenn Sucht von Suche kommen soillte, frage ich mich, was Du eigentlich immer und immer wieder gesucht hast. Zuneigung, Anerkennung, Wertschätzung und Liebe ist Dir entgegen gebracht worden - vielleicht fehlte es Dir ja einfach an Selbstliebe ... ?
Du wirst unsere Fragen nicht mehr beantworten können und Dich einreihen in das Heer derjenigen, die einen völlig sinnlosen Tod gestorben sind -
und Du läßt Menschen ratlos zurück, die Dich wirklich gern gehabt haben und Dich wertschätzten.
Dagegen, dass ich Deine Geschichte hier erzähle, kannst Du Dich jetzt nicht mehr wehren - sorry. Und ich werde sie wieder erzählen - wann immer versucht wird, Alkoholismus und Sucht mit ihren möglichen tödlichen Konsequenzen zu relativieren. "Mindestens 70.000 Alkohol-Direkt-Tote pro Jahr - bei hoher Dunkelziffer" - solche Meldungen sind abstrakt und rühren wahrscheinlich kaum jemanden an - Geschichten wie Deine bieten zumindest die Chance, Menschen emotional zu berühren und zum Nachdenken zu bewegen ...
Mach es gut Manu!
keppler