... die, die den schwarzen Winkel trugen ...

  • Die, die den schwarzen Winkel trugen ...
    27. Januar 2015 - 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz / Birkenau
    durch die Rote Armee

    ALKOHOLIKER - die vergessenen Opfer des deutschen Faschismus[size=10]

    Millionen von Menschen wurden in der Zeit von 1933 - 1945 Opfer des deutschen Faschiosmus. Verfolgt, gequält, gefoltert, durch Zwangsarbeit in den Tod getrieben oder schlichtweg ermordet.

    Neben der größten Opfergruppe, den europäischen Juden, verfolgten die Nationalsozialisten und ihre Helfer zahlreiche Menschen: Kommunisten, Sozialdemokraten, Anarchisten, Freidenker, bürgerliche und religiös motivierte Widerständler, Sinti und Roma, Homosexuelle, psychisch Kranke, Behinderte und

    "ASOZIALE".

    "Er (der völkische Staat ) muss dafür Sorge tragen, dass nur wer gesund ist, Kinder zeugt, dass es nur eine Schande gibt: bei eigener Krankheit und eigenen Mängeln dennoch Kinder in die Welt zu setzen ... " (AH "Mein Kampf" 1923).

    Natürlich galten Alkoholiker in der NS-Zeit als Menschen mit "Mängeln". Dementsprechend fanden Maßnahmen zur Bekämpfung und Ausmerzung dieses "unwerten Lebens" unverzüglich nach der Machtübertragung Widerklang in der einschlägigen Reichsgesetzgebung - mit der Folge, dass Alkoholiker zunächst in "Trinkerlisten" und "Sippenakten" landeten um dann zu tausenden in deutschen und später auch in österreichischen Euthanasieanstalten ermordet zu werden.
    In der Regel wurden Kinder von Alkoholikern während der Zeit des Faschismus entsprechend der geltenden "rassenhygienischen Massnahmen" zwangssterilisiert ...

    Alkoholiker, die dem Euthanasietod entkamen, ereilte jedoch kaum ein besseres Schicksal. Als "Asozial" stigmatisiert, galten sie als "Volksschädlinge" - als "lebensunwertes Leben". "Asoziale" war ein Sammelbegriff der NS-Ideologie für Nichtsesshafte, Fürsorgeempfänger, Bettler, Prostituierte, Kriminelle fremdrassige Asoziale ((Sinti und Roma), und eben ALKOHOLIKER. Die Verschleppung in Konzentrationslager war damit vorprogrammiert - ihr Zeichen der
    SCHWARZE WINKEL.

    Während anfangs, die, die den schwarzen Winkel trugen in den KZs der Nazis gegenüber ihren Mithäftlingen mit gelbem Doppelwinkel, roten oder rosa Winkeln noch gewisse "Vorteile" "genießen" konnten ( die SS-Wachmannschaften bedienten sich gerne der subversiven Dienste insbesonderer krimineller Insassen) - änderte sich das ab 1942 schlagartig. Die "Asozialenfrage" sollte fortan umgehend gelöst werden - "unnütze Esser", "ressourcenverbrauchende Volksschädlinge" wurden der "Vernichtung durch Arbeit" zugeführt. Insbesondere Alkoholiker, durch ihren plötzlichen kalten Entzug während der Haft ohnehin schwer geschwächt und oftmals schon als körperliche Wracks im KZ angekommen, überlebten die Sklavenarbeit in den, den KZs angeschlossenen "Arbeitsstellen" oftmals nur wenige Tage ...

    Die Zahl, der durch die Faschisten ermordeten oder in den Tod getriebenen Alkoholiker lässt sich nur schwer ermitteln. Die meisten Forschungen zu Opfern befassten sich nach 1945 zunächst mit den religiös oder "rassisch" Verfolgten sowie den politisch Verfolgten. Die übrigen Opfergruppen blieben lange Zeit außen vor. Hinzu kommt natürlich, dass die betroffenen Alkoholiker weder zur Zeit ihrer Verfolgung noch in der Zeit nach 1945 eine wie auch immer geartete Interessensvertretung hatten. Dass zehntausende Alkoholkranke Europa von den Nazis und ihren europäischen Gesinnungsgenossen ermordet wurden, lässt sich jedoch erahnen.

    Anzumerken bleibt auch, dass die wenigen überlebenden alkoholkranken "Schwarzwinkler" nach ihrer Befreiung in Deutschland nicht auf eine auch nur geringfügig ausfallende Entschädigung hoffen durften - weder für ihre Verschleppung, noch für ihre erlittenen Qualen, noch für die geleistete Zwangsarbeit. Ähnlich wie Homosexuelle, Zwangssterilisierte, Sinti und Roma und eine Reihe anderer Opfergruppen hatte die Öffentlichkeit nach 1945 kaum Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung. Während es den Verbänden der Homosexuellen, der Sinti und Roma, und anderen Opferverbänden nach jahrzehntelangem erbitterten Kämpfen mittlerweile gelungen ist, wenigstens als Verfolgtengruppe anerkannt zu werden, bleiben die verfolgten und ermordeten Alkoholkranken im NS-Staat weiterhin

    VERGESSENE OPFER - und das auch noch siebzig Jahre nach der Befreiung ...

    Auch die vergessenen Opfer mahnen uns gerade heute:

    NIE WIEDER FASCHISMUS - NIE WIEDER KRIEG !!!

    beste Grüße
    keppler

    Einmal editiert, zuletzt von keppler (26. Januar 2015 um 22:50)

  • 44. Guter Beitrag!

    Es gab und gibt viele Opfer, die "vergessen" bzw. nicht wahrgenommen wurden/werden. Und das betrifft nicht nur die braune Zeit ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Danke für diese Erinnerung, für diese Mahnung, lieber keppler. Ich bekam Gänsehaut. Obwohl ich schon ganze Wälzer über das Dritte Reich gelesen hatte, wusste ich nichts über den schwarzen Winkel.... Es hat mich erschüttert, obwohl es natürlich nicht wirklich überraschend ist, dass Alkoholiker ebenfalls "Asoziale" waren.

    Zudem ist es ein außerordentlich gut verfasster Text. Hast Du ihn selbst geschrieben? Wenn ja, dann alle Achtung. Du kannst wirklich sehr, sehr gut schreiben. Da könnte ich fast neidisch werden.

    Auch ich bin Pazifistin. Nie wieder Krieg!

    "Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen."

    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Dies ist ein großer Artikel, ich danke Ihnen für Ihren Beitrag.

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (30. Januar 2015 um 04:04)

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