moderater Umgang?

  • Hallo Pit,

    vielen Dank für diesen lesenswerten, aufschlussreichen Artikel. Mir war der Versuch mit den Ratten in ihrem schönen Käfig schon bekannt - und dennoch brachte mich das alles wieder erneut zum Nachdenken.

    Der Autor schlussfolgert aus den diversen Experimenten, dass soziale Bindungen und menschliche Nähe eine Voraussetzung zur Suchtfreiheit sind. Nun wirft das bei mir die Frage auf, ob Menschen mit Suchterkrankungen zwangsweise bindungsunfähig sind oder ein Nähe-Distanz-Problem haben. Bei mir selbst ist das so und in Gedanken schweife ich ab zu allen süchtigen Menschen, die mir jemals im Leben begegnet sind und überlege, ob das "passen" könnte. Doch so tief in andere hineinzuschauen ist mir naturgemäß versagt.

    Vielleicht meint der Autor aber auch, dass es die Umgebung an sich ist, denn die Ratten sind ja wohl nicht nur glücklich, wenn sie Gesellschaft haben, sondern vor allem, wenn sie in einer Art "Paradies" sind, also in einem harmonischem Umfeld. Dies wirft bei mir wiederum eine Menge Fragen auf. Jeder Mensch hat andere Werte. Für den einen mögen soziale Kontakte und Bindungsfähigkeit existenziell für die eigene Glücksfähigkeit sein, für den anderen ist das womöglich Anerkennung, Erfolg. Manchen Menschen ist es wichtiger, anderen zu helfen und etwas in der Welt beizutragen usw. usf.....

    Und eigentlich hinkt doch da die Suchtforschung bzw. Suchthilfe gar nicht allzu weit hinterher.... Denn soweit ich weiß versucht ja jede Suchthilfe zu ergründen, was dem Einzelnen mit seinem Drogenproblem zu seiner Droge greifen lässt und was ihm tief im Herzen und auf dem Grund seiner Seele wirklich fehlt. Wie oft ist es so, dass Menschen nach einer Psycho- oder Suchttherapie ihre alten Strukturen verlassen oder zerbrechen, um sich ihren ganz eigenen, schönen "Käfig" aufzubauen. Nur wenige kommen aus einer Therapie und lassen alles beim Alten. Oft ist mit dem Ausstieg auch ein Berufswechsel oder eine Trennung vom Partner verbunden bzw. es zieht das nach sich.

    Früher hieß es immer "Jede Sucht ist eine Sehnsucht." Dann kamen wieder Leute, die sagten: "Sucht hat nichts mit Sehnsucht zu tun. Sucht hat seinen Ursprung im Wort "Siechen" "Siechtum"....

    Nach dem Lesen dieses Artikels bin ich aber wieder 100% der Meinung, dass sich hinter jeder Sucht eine Sehnsucht verbirgt. Diese Sehnsucht ist der Ruf des Herzens, den wir geflissentlich zu ignorieren versuchen... Wir brauchen wirklich keine Drogen mehr, wenn wir unsere Welt so gestalten, dass wir uns darin zu Hause fühlen.

    Liebe Grüße
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Ich fand den Artikel sehr bemerkenswert - vielen Dank für's Einstellen.

    Ja, es stimmt schon: die Umwelt formt den Menschen. Und wenn es kalt ist, sucht man Wärme, wenn man Stress hat Entspannung ...

    Aber etwas stimmt mich sehr nachdenklich: Was ist mit all den Menschen, die eine (anscheinend/scheinbar) intakte Umgebung haben: guter Job, der ihnen Spaß macht, Familie etc??? Ist diese "heile Welt" dann nur Schein? Warum trinken sie dann - warum habe ich dann getrunken??

    Eine Antwort - viele Fragen?! nixweiss0

    Aber irgendwo ist es mir egal, was die Ursache für meine Sucht ist/war:


    Letztendlich hat der folgende Satz in meinen Augen uneingeschränkte Geltung: Es kann mir ohne Drogen(missbrauch) niemals so schlecht gehen, wie es mir mit Drogen(missbrauch) gehen würde. Oder positiv ausgedrückt: Es wird mir langfristig ohne Drogen immer besser als mit Drogen gehen.

    Also lasse ich die Finger davon!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!


  • Was ist mit all den Menschen, die eine (anscheinend/scheinbar) intakte Umgebung haben: guter Job, der ihnen Spaß macht, Familie etc??? Ist diese "heile Welt" dann nur Schein? Warum trinken sie dann - warum habe ich dann getrunken??

    Das meinte ich mit meinen Sätzen, dass ein Leben von außen betrachtet durchaus positiv erscheinen mag und es objektiv vielleicht sogar ist, subjektiv aber als freudlos erlebt wird.

    Wenn ich beispielsweise nicht der lockere Typ bin, der ich gerne sein möchte, aber die Erfahrung mache, dass ich mich nach dem Konsum von Alkohol in die Richtung meiner Vorstellung vom lockeren Menschen entwickele, erscheint mir mein Leben ohne Alkohol freudlos. Und so wird mir der Alkohol sehr wichtig, weil er mir die Möglichkeit gibt, mich auf Knopfdruck in genau den Menschen zu verwandeln, der ich gerne sein möchte.

    Zum Glück klappt das nicht, zumindest klappt das nicht langfristig. Ich schreibe bewusst „zum Glück“. Denn wenn es tatsächlich funktionieren würde, würden wir nicht mehr wirklich leben, sondern die durch den Alkohol oder andere Drogen provozierten und produzierten Illusionen für Leben halten.

    Wenn meine objektive Wirklichkeit (Bsp: Soldaten im Vietnamkrieg) furchtbar und durch mich nicht veränderbar ist, mag die durch Drogen produzierte Illusion eine sinnvolle Möglichkeit sein, diese Wirklichkeit zu ertragen. Wenn ich meine Wirklichkeit aber verändern kann, verbaue ich mir jegliche Änderung zum Positiven, wenn ich Drogen konsumiere.

    Und wenn es so ist, dass Sucht überhaupt nicht an irgendeinen Stoff gebunden ist, kann dieser Stoff auch kein Feind sein, vor dem ich Angst haben muss. Ich habe es selbst in der Hand, meine objektive und subjektive Wirklichkeit zum Positiven zu verändern. Und der allererste Schritt besteht darin, mich von der Vorstellung zu verabschieden, dass mir der Alkohol dabei eine Hilfe sein kann.

    Ich kann ihn links liegen lassen, ich kann ihn in Maßen trinken, falls mir sein Geschmack gefällt (um mal wieder den Bezug zum Threadtitel „moderates Trinken“ herzustellen); ich kann ihn vielleicht sogar in Massen trinken, sofern ich darin einen Sinn sehe. Solange ich mich nicht davon abhängig mache, dass mir der Alkohol die Illusion liefert, dass meine Wirklichkeit anders ist, als sie tatsächlich ist, kann mir nichts passieren. Dann bin ich der Kapitän meines Schiffs und bleibe es auch.

    So zumindest erlebe ich mich und den Alkohol seit meinem Ausstieg. Ich suche nicht mehr mit seiner Hilfe nach einer schnellen Möglichkeit, meine Realität für mich anders erlebbar zu machen als sie ist.

    Katro

  • Hab heute einen Versuch gewagt...
    Ich war wirklich neugierig so nen Monat nachdem ich aufgehört habe. Was würde passieren wenn... Da ich nun einmal einfach so bin wie ich bin, bin ich in den Getränkemarkt nebenan gelatscht und habe mir eine Flasche Sekt geholt. Ich weiß dass das riskant ist, aber ich war zu 100% sicher dass nichts schlimmes passieren wird. Ich saß also zu Hause mit dieser Flasche, hab sie geöffnet, dran gerochen...nichts. Es war nicht so dass mein Körper danach geschrien hat, es roch nicht wirklich gut, Sekt halt. Habe mir ein Glas eingeschenkt und getrunken...nichts, außer, dass nach ca. 20 Minuten meine Finger angeschwollen sind. Habe weiterhin gemerkt dass der Alk mir nicht wirklich was nützt. Ein zu schneller Puls und dicke Finger, juhuu... Ich musste das einfach tun und bin mir jetzt wirklich sicher dass ich das Zeug nicht brauche.
    Werd jetzt mal Zähne putzen gehen...lange... ;)
    Eure Flauschi

  • Phuuuuh......

    das Spiel mit dem Feuer... schwitz.

    ....weiß grad echt nich so ganz was ich dazu sagen soll....

    Hab ich irgendwo was davon gelesen dass Du den Rest inn Ausguss weggeschüttet hast??
    Und ich mein, ich bin mir jetzt wirklich sicher dass ich das zeug nicht brauche soll ja wirklich jeder machen wie er das selbst für richtig hält, also ICH weiß das auch wenn ich ehrlich in mich reinhorch ... ich weiß wie das Zeug riecht, wirkt, schmeckt ... aua ...(!)

    Ich mein, wenn ich mir sicher bin, warum muss ichs dann testen?

    ...die nächste Gedankenfalle wartet jedenfalls dann direkt hinter der nächsten Ecke auf einen. dassde irgendwann dazu verleitet sein kannst zu denken dass es dir ja nichtsmehr ausmacht und du dir auchmal was ´aufquasseln´ lassn kannst oder so ...kannste dich glaub schonmal drauf vorbereiten. oder?? ....na ich mag garnich weitermachen mit Kopfkino....

    Ich will Dir echt nich reinreden!

    Wenns gut is is gut!
    Wenn aber nich dann isses jedenfalls richtig dumm.....

    Und eins muss noch:

    [Blockierte Grafik: http://www.smileygarden.de/smilie/Huepfend/huepfend_028.gif]LIEBE KINDER ZUHAUSE VORM BILDSCHIRM! - BITTE NICHT NACHMACHEN!![Blockierte Grafik: http://www.smileygarden.de/smilie/Huepfend/huepfend_028.gif]


    [ich schreib das hier echt nicht weil ich dich irgendwie bevormunden will oder so...das steht mir garnicht zu. Du bist alt genug und DANKE für deine Offenheit!! Aber Du schreibst es ja hier um es zum Austausch zu stellen und daher meine Gedanken...]

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (31. Januar 2015 um 07:26)

  • Flauschi, das Warum hab ich noch nicht verstanden. Bist du sicher, dass du dich nicht selber verschaukelt hast ? Also ich bin kein bisschen neugierig, wie das bei mir nach einem Monat wirken würde. Und ich glaube auch ehrlich gesagt nicht, dass es so war. wie du schreibst, das mit der Neugier kann ich einfach so nicht glauben.

  • Ich habe das ähnlich wie Flauschi gemacht und nach einem knappen Monat der Abstinenz eine kleine Menge Alkohol getrunken. Mich leitete dabei weniger die Neugierde als vielmehr das allmähliche Anzweifeln der Aussagen zum „Point of no Return“ und der Bedingungslosigkeit des Kontrollverlusts.

    Für mich war dieses „Experiment“ gut (auch wenn es mir mehrere Tage die Sorge bescherte, dass die Behauptungen in Bezug auf das Suchtgedächtnis vielleicht doch richtig sein könnten und mich mein Suchtgedächtnis somit mit zeitlicher Verzögerung zum willenlosen Opfer machen könnte), weil es mir eindeutig klar machte, dass ich -und nur ich- es in der Hand habe, ob ich den Alkohol zur Befriedigung einer Sucht missbrauche oder ob ich alles daran setze, mich meiner Sucht (also dem, was den Alkoholmissbrauch auslöst) zu entledigen.

    Katro

  • ... unser ehemaliges Forumsmitglied gerd48 hat in diesem Zusammenhang sinngemäß einmal wie folgt formuliert:

    " ... warum soll ich ohne Seilsicherung auf dem Geländer einer Talbrücke balancieren, wenn ich auch ganz bequem auf dem normalen Fußweg die Schlucht überqueren könnte ... ?"

    In diesem Sinne ein schönes Wochenende
    und beste Grüße

    keppler

  • ...hmm, ich glaub muss mich bissle zurückhalten da mir tastächlich nochmehr so Bilder einfallen. Ich bin zum Beispiel eher son Holztyp - und manchmal erwisch ich mich dabei wie ich mit Daumen und Zeigefinger an die Spitze vom Lötkolben fasse um zu testen ob der schon heiß ist. Nun ja, wenns Brüllt isser heiß..... ???

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (31. Januar 2015 um 09:53)

  • Auch ich habe diesen Test nach einiger Zeit gemacht, weil ich nicht ein Leben lang Angst davor haben wollte, beim kleinsten Schluck rückfällig zu werden. Es wurschtelte sich ein wenig rum anfangs, aber richtig rückfällig bin ich nicht geworden. Ich wollte mir einfach SICHER sein, dass mein Kopf keinen Rausch mehr will, ich also nach einem Glas aufhören kann und nicht jeden Tag aufs Neue kämpfen muss.

    Natürlich, hätte das nicht funktioniert, hätte ich gekämpft .. oder wieder verloren. Dann wäre ich innerlich aber vermutlich noch nicht bereit dazu gewesen, wie die vielen Jahre zuvor. Von daher hat der Käptn schon recht, nicht einfach so nachmachen. Vor allem nicht dann, wenn es einem nach dem Zeuch giert .. mich gierte es nicht. Aber hätte ich es nicht probiert, hätte es mich vermutlich irgendwann zerrissen innerlich, allein schon wegen des immerwährenden Verbots in meinem Kopf .. denn mit Verboten kann ich schlecht umgehen.

    Bei mir hat das Experiment also auch was Gutes bewirkt, denn heute bin ich wirklich frei. Nicht "trocken", aber suchtfrei. Und das kann ich aussprechen, ohne auch nur den geringsten Zweifel daran zu hegen.

  • Katro und Hups - euch meinte ich überhaupt nicht. Ich glaube, dass ihr da mit einer anderen Einstellung rangegangen seid. Flauchi, bei dir hab ich eher das Gefühl, dass was anderes dahintersteckt. Ist aber nur mein Bauchgefühl. Und ich möchte es momentan lieber wie gerd halten (übrigens ein schönes Bild, das gefällt mir).

    Und der Gefahr "hätte das nicht funktioniert, hätte ich wieder gekämpft und vielleicht verloren" würde ICH mich nach so kurzer Zeit nicht aussetzen.

  • Hurra, ich brauche das Zeugs nicht...ist ja gar nichts passiert...mir wird nur ein bisschen warm...und es waren auch nur ein paar Schluck Bier...und ich hab den Rest auch weggeschüttet....
    Was daraus dann nach bereits 1,5 Jahren Abstinenz geworden ist, kann man in meinem Vorstellungsthread nachlesen.
    @Flauschi :
    Ich masse mir nicht an Dir irgendwie reinzureden, das steht mir gar nicht zu.
    Nur, ich kann den Sinn und Zweck dieses Experimentes nicht nachvollziehen.
    Meine Befürchtungen was das angeht sind folgende (aus Deiner Sicht) :
    1.Nun habe ich gemerkt, dass ich das nicht brauche und kann also zur Not immer mal ein Glas trinken.
    2.Mir hat es nicht geschmeckt, aber vielleicht schmeckt es nächstes oder übernächstes Mal...
    3.Ein Glas Sekt hat mir jetzt nichts genützt , hm....wenn ich mal richtig unter Stress bin, trinke ich eben zwei oder drei...

    Wenn es denn nicht so sein sollte, ist ja alles prima.

    Aber schon nach 4 Wochen so eine Übung?
    Mir wäre es wichtig, dass sich Körper und Geist erstmal richtig erholen, sich eine angegriffene Leber mit Nebenaggregaten
    regenerieren kann und überhaupt eine Selbstfindung angestrebt wird , und nicht schon wieder zu dem Teufel in den Ring gestiegen wird.

    Nun gut, jeder geht eben seinen eigenen Weg und ich unterstreiche noch einmal, dass dies nur meine Gedanken sind ; ich wüsste, dass ich mir mit so einem Ding selbst den Stöpsel aus dem Schlauchboot auf der hohen See ziehen würde.

    Grüsse
    Freeway

  • Nun, ich hab ja hier den dankbaren admin/mod-Job und bin gerade in so einem, ich nenns mal `Top-Thema´ dann halt drauf bedacht immer auch jeweilig ein stückweit auszugleichen. So will ich mich mal aufs Positive konzentrieren...

    Ich finde von Herzen vor allem wirklich sehr gut dass Flauschi einfach mutig und aufrichtig frei raus schreibt was Sie bewegt; und sie uns ihr Erlebnis, ihr `Experiment´ hier offen zum Gedankenaustausch stellt! Andere würden, so wie Hups das ja auch schon angedeutet hat, solche Gedanken vielleicht ´deckeln´, ewig in sich anstauen und verheimlichen, nach außen hin das erzählen was alle andern ´hören wollen´ mit dem möglichen Ergebnis dass genau dieses Pulverfass dann irgendwann knallt. Durchaus auch möglich das gedanklich in die Richtung weiterzuspinnen… Jeder macht letztenendes seine eigenen Erfahrungen vor denen man ihn eigentlich auch kaum bewahren kann. Flauschi alleine wird es wirklich genau erspüren können was ihr Weg ist bzw. wie sie ihn findet und geht.

    Flauschi, du bist ja auch recht neu hier bei uns und ich fände es wirklich sehr schön wenn Du auch weiterhin mit uns schreibst was dich bewegt. Ich bin sogar echt gespannt ob Du vielleicht einzwei Gedanken mehr erzählen möchtest? Bitte sieh die Beiträge hier nicht in der Art dass wir dir irgendeine Meinung aufdrücken wolln, sondern eher dass wir uns halt Gedanken um Dich machen und Anteil an der von Dir beschriebenen Situation haben … o.k.?

    Gute Grüße an Dich und Alle!
    Land-in-Sicht


  • " ... warum soll ich ohne Seilsicherung auf dem Geländer einer Talbrücke balancieren, wenn ich auch ganz bequem auf dem normalen Fußweg die Schlucht überqueren könnte ... ?"

    Auch wenn solche bildmäßigen Vergleiche immer irgendwie hinken, passen sie auch immer irgendwie.

    Die breite Fahrbahn zu nehmen, erscheint auf den ersten Blick als die sicherere Alternative, während das Balancieren auf dem Geländer mehr Spaß und vielleicht sogar Nervenkitzel verspricht. Außerdem dürfte ich mich beim Balancieren in aller Regel umsichtiger und konzentrierter verhalten, da ich um die Gefahren weiß. Und genau das kann mir bei der vermeintlich sicheren Fahrbahn zum Verhängnis werden. Dass plötzlich eine Planke durchbricht, weil sie morsch ist, habe ich nicht erwartet. Und so lande ich ebenso plötzlich wie unerwartet auf der Nase.

    Und nun zum Sinn des Experiments (aus meiner subjektiven Sicht):

    1) Wenn es schief geht, ist zunächst einmal nur bewiesen, dass ich meine Sucht noch nicht besiegt habe. Ich brauche dann den Alkohol anscheinend noch immer, um mich in eine bestimmte Gefühlslage zu versetzen, die mir sehr wichtig ist, die ich aber auf anderem Weg (noch) nicht erreichen kann. Ich werde also entweder lernen müssen, diese Gefühlslage auf andere Art und Weise herbeizuführen oder auf sie zu verzichten.
    Ich kann aber auch dieses Scheitern zum Anlass nehmen, die Alkoholabstinenz auf meine Fahnen zu schreiben. (Wenn ich voll und ganz vom Sinn dieses Verhaltens überzeugt bin und zusätzlich die Erfahrung mache, dass meine Sucht nachlässt, ist das sicherlich ein guter Weg aus dem Dilemma.)

    2) Wenn das Experiment klappt, habe ich entweder meine Sucht besiegt oder so vom Alkohol abgekoppelt, dass ich mich jetzt voll auf die Bekämpfung meiner Sucht konzentrieren kann und mich nicht mehr um den Nebenkriegsplatz Alkohol kümmern muss. (Warum sollte ich jetzt immer wieder herauszufinden versuchen, ob mir der Alkohol schmeckt oder wie viel ich trinken kann, bevor ich meine Kontrolle aufgebe? Wenn ich das tue, ist das ein klares Anzeichen dafür, dass meine Sucht nach wie vor vorhanden ist. Und das wäre kein Signal für weiteres Trinken, sondern für ein komplett anderes Verhalten.)

    Sinn macht ein solches Experiment m.E. jedoch nur dann, wenn ich mich aus vollem Herzen danach sehne, meine Sucht loszuwerden und deshalb ständig daraufhin überprüfe, ob das, was ich tue, diesem Ziel dient.

    Katro

  • Wenn sich DAS durchsetzt bzw. wenn
    DAS ankommt, in den Suchtberatungsstellen, bei Ärzten und Kliniken,
    dann ist das eine REVOLUTION.

    Es würde vielen Menschen helfen, die sich bisher nicht getraut hatten, einen Schritt in die Genesung zu wagen.

    Es ist ein Paradigmenwechsel, in der Tat.

    Die Wissenschaft sollten sich dem "Ganz oder gar nicht", dem "Entweder Oder" abwenden, zumindest am Anfang und Raum schaffen für ein "Sowohl als auch". Die Mitte anzustreben versuchen. Falls dies nicht gelingt, hat man noch immer die Möglichkeit der radikalen Abstinenz. Doch alleine schon durch diesen Ansatz, durch diese Möglichkeit, erreicht man mehr Menschen.

    Diese "Wälzer" von denen gesprochen wird, würde ich mir gerne mal anschauen und querlesen.

    Es ist doch so, dass die Datenlage löchrig ist. Natürlich ist es so, dass durch die Bank durch ALLE in Selbsthilfegruppen oder in Suchttherapien mindestens ein Mal in ihrem Leben, ein reduziertes Trinken angestrebt haben und darin versagten. Das lässt natürlich den Schluss nahe, dass Alkoholiker nicht in der Lage seien, reduziert zu trinken (ich vermeide bewusst die Definition des "kontrollierten Trinkens").

    Die Trinker oder Alkoholmissbräuchler, die aber ihr Trinken drastisch reduziert haben, sind nirgends erfasst, leben "unauffällig". Wer soll schon von ihnen wissen? Sie tauchen ja in keiner Suchtberatung auf.

    Das macht Hoffnung. Mir gefällt diese Art Umdenken. Vor allem weil es den Blick auf die Erfolge des Patienten lenkt. Wenn jetzt jemand wie ich "nur" noch 6-8 Mal im Jahr trinkt, wo er/sie vorher die selbe Menge in zwei Wochen eines Jahres getrunken hat, so darf man das als Erfolg verzeichnen und nicht als Versagen. Genau das ist mein Thema. Und das ist auch meine Kritik an der momentanen Suchthilfe (s. meinen Thread "Suchthilfe unter dem Mikroskop"). Ich habe mich selbst kleingemacht bzw. klein machen müssen, da ich die Ansprüche der "anderen" nicht erfüllt hatte. Dabei habe ich einen großen Schritt nach vorne gemacht: ich BRAUCHE den Alkohol nicht mehr.

    Aber jetzt gehe ich zu sehr ins Persönliche. Eigentlich war es mir nur ein Anliegen, Pit für diesen Link zu danken, da er mich optimistisch stimmt. Viel mehr Menschen, denen es schlecht geht mit ihrer Sucht, könnten erreicht werden, weil die Hürden schrumpfen.

    Hoffentlich setzt sich dieses Konzept kurz- oder längerfristig durch.

    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Die Trinker oder Alkoholmissbräuchler, die aber ihr Trinken drastisch reduziert haben, sind nirgends erfasst, leben "unauffällig". Wer soll schon von ihnen wissen? Sie tauchen ja in keiner Suchtberatung auf.

    Stimmt - und in den SHG findet man sie auch nicht. Dieses wahrscheinlich deshalb, weil bei uns ja die Abstinenz propagiert wird. Und dieses wiederum deshalb

    Natürlich ist es so, dass durch die Bank durch ALLE in Selbsthilfegruppen oder in Suchttherapien mindestens ein Mal in ihrem Leben, ein reduziertes Trinken angestrebt haben und darin versagten. Das lässt natürlich den Schluss nahe, dass Alkoholiker nicht in der Lage seien, reduziert zu trinken (ich vermeide bewusst die Definition des "kontrollierten Trinkens").

    ich habe es versucht - und bin kläglich gescheitert. Wer es aber schafft - ich freu mich für ihn/sie :D

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Pit!

    Auch dieser Artikel findet umgehend seinen Weg in die Net Artikel der Linksammlung hier im Forum.

    Ich hatte von solchen Ansätzen in den letzten Jahren immer wieder munkeln gehört (z.B. meine Hausärztin) und das gab mir dann letztenendes den Anstoß mich wirklich einmal eingehend mit meiner Sucht zu beschäftigen und das ganze Abstinenzdingens dabei als eher ´nebensächlich´ auszublenden, was mir persönlich in dieser Richtung etwas ´Druck´ aus der Sache genommen hat, und mir Fokus auf die eigentlich wirklich wichtigen Dinge in meinem Leben gibt. Allerdings der ´Nebeneffekt´: seit ich das so angehe lebe ich tatsächlich zufrieden abstinent...

    Danke fürs Einstellen!

    - LiS -

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