Völlig im Mustopf

  • Ich brauche eure Hilfe.
    Vor drei Monaten habe ich mich in einen Mann verliebt, der 230 km entfernt wohnt. Er hat mir direkt mitgeteilt, dass er psychisch krank ist, depressiv und Angststörung. Mehrere Psychiatrie Aufenthalte. Und er trinkt "wenn in meinem Kopf alles durcheinander ist, dann muss ich das, damit ich wieder klar werde, das ist so." Die Frequenz seines Trinkens war mir nicht klar :-\.

    Ich habe mehrere Noteinsätze (500 km) gefahren, um da zu sein, wenn es ihm nach einem Exzess schlecht ging und er hilflos war. Er lebt alleine, keine sozialen Kontakte, keine Bindungen. Er ist erwerbsunfähig seit 1998...er ist nicht belastbar. Schon ein Einkauf kann ihn vor riesige Probleme stellen. Er nimmt keine Tabletten, keine anderen Drogen, außer einer Schlaftablette abends, weil er seit 20 Jahren überhaupt nicht alleine einschläft.

    Jetzt kann man sich fragen, wie man sich in so ein Einen verlieben kann?
    Ja. Das geht. Er kann sehr witzig sein, er ist intelligent, männlich, liebevoll, fürsorglich, humorvoll...mit einem schönen Gesicht...wenn er nicht getrunken hat.

    Im Laufe der Monate haben wir uns regelmäßig für einige Tage gesehen.Zusammen gelebt. Bei ihm oder bei mir. Plötzlich ging vieles, das für ihn auf grund seiner Krankheit überhaupt nicht zu gehen schien: ICE fahren stundenlang.Lange spazieren gehen. Schöne Sachen machen. Konzerte besuchen. Wir waren glücklich. Er war vor allem glücklich. Und ich Idiotin dachte. Sieh an, was die Liebe so alles bewirkt. Das sind ja Welten, die er bewegt.

    Dann der regelmäßige Absturz- es ist kein "sich betrinken". Es ist tagelanges exzessives saufen (Wodka, Ouzo, Jägermeister, Wein, Bier, alles was geht...alles) bis zur Ohnmacht und Bewußtlosigkeit. Der Turnus ist: Jede Woche ein zwei Tage lang...maximal war er 5 Tage am Stück volltrunken. Das habe ich nicht direkt miterlebt, aber am Telefon...das hat gereicht, weil ich ihn gar nicht mehr verstanden habe.
    Natürlich habe ich ihm mehrfach gesagt: "Du bist schwerer Alkoholiker und du brauchst Hilfe." "Mach mir bloss keine Vorwürfe! Es reicht! Ich will nicht darüber reden." Und aus ist das Thema.

    Nun war er mehrere Male bei mir. Das letzte Mal endete damit, dass ich die Bundespolizei holen musste auf einem Bahnhof, da er so derart betrunken war, dass ich mir keinen Rat mehr wusste. Sie haben ihn abgeholt, in eine Zelle gesperrt, ihn geschlagen und verletzt und morgens früh auf die Strasse geworfen. Er war im schlimmen Zustand- den er selbst verursacht hat. Konnte nicht gehen, nicht stehen. Ist mehrfach ohnmächtig geworden. So ist das eben mit 2,6 Promille...
    Ich habe in den drei Monaten mit ihm vier schlimme Nächte erlebt...sehr schlimm. Wenn er betrunken ist, beschimpft er mich auf das Übelste. Widerlich. Böse. :( Das letzte Mal war er unberechenbar, da hatte ich das erste Mal Angst vor ihm. Er kann sich am nächsten Tag an nichts erinnern und will auch nicht hören, was er getan hat im Rausch.

    Ich muss mich trennen und zwar schnell.

    Ich habe keine Chance. Er ist nicht einsichtsfähig. Hält sich überhaupt nicht für einen schweren Alkoholiker. Ist er aber...Er will keine Hilfe, keinen Entzug (war vier mal in Psychiatrie ohne Erfolg). Er sagt, dass ich das aushalten muss, wenn ich ihn liebe. Er sei einfach so und er könne da nichts für. Ärzte hasst er.- Psychologen auch.

    Ich bin kein Schaf- nein. Ich habe mich mehrfach getrennt von ihm. Immer wieder packt mich die Liebe :-[ zu ihm wenn er nüchtern ist und dann Kontakt aufnimmt. Er macht mich fertig und ich mach mich fertig. vor Sorge um ihn. Er zieht mir alle Energien ab und so, wie er sich zerstört, so löse ich mich auch langsam auf in dieser intensiven Beziehung.

    Was kann ich tun, um da raus zu kommen? Wie schaffe ich es, von jetzt auf gleich ihn nicht mehr zu lieben. Jeden Kontakt sein zu lassen.

    Vor vier Tagen habe ich mich zurück gezogen. Heute rief er an und sprach völlig breit auf den AB bei mir. Ich habe nicht mit ihm gesprochen aber ich sorge mich schrecklich um ihn. Kein Kontakt mehr aber trotzdem die Sorge um sein Leben.

    Ich bin ziemlich fertig und mit den Nerven durch und weiß nur eins: Schnell weg von diesem Mann. Da gibt es keine Rettung.

    Ich bin für jeden Tipp dankbar, wie ich es vermeiden kann, Kontakt rückfällig zu werden und an das Gute- was ich immer wieder gesehen habe- in ihm zu glauben. Das GUTE nützt mir nichts, wenn 90% einfach nur entsetzlich sind. Er wird sich umbringen, früher oder später und dann will ich ihn nicht mehr lieben. Das macht mich kaputt.

    Wer Hilfe weiß:Bitte antworten.

  • Liebe onemoretime,

    erst einmal "Herzlich willkommen"

    Ich würde dringend Kontakt aufnehmen mit einer Suchtberatung für Angehörige. Du scheinst mit den Nerven ja auch vollkommen fertig zu sein. Dein Hausarzt/in vielleicht auch kontaktieren, damit du dich aussprechen kannst. Vielleicht bekommst du auch da schon einen Hinweis an wen du dich wenden kannst. Ich bin weder Arzt noch Psychologe, aber eine Kompletttrennung sehe ich hier als unabdingbar. Du gehst daran zu Grunde sonst. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Stärke, dass du erst einmal eine Anlaufstelle bekommst. Hilfe von außen ist immer gut, weil Außenstehende viel objektiver an die Sache herangehen. Und Hilfe annehmen ist gut (kenne es aus eigener Erfahrung). Vielleicht schaffst du es ja, erst einmal dein Telefon abzustellen??? Und könntest du dir für das Wochenende etwas vornehmen, was dich ablenkt. Hast du Freunde, die dir helfen können?

    Und hier schreiben, kannst du ja auch zu jeder Zeit. Bestimmt gibt es den einen oder anderen Rat.

    Viele liebe Grüße von Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo onemoretime

    ein herzliches Willkommen hier im Forum.Du findest hier Mitbetroffene. die Dir einiges an Tipps geben werden. Von meiner Seite erstmal dies: Ganz wichtig. das was Betty geschrieben hat; Kontakt zu anderen aufnehmen und halten,

    Auch ganz wichtig:
    Dein Freund ist erwachsen und hat sich dafür entschieden zu trinken. Das mußt Du aktzeptieren. Du hast mit dieser Entscheidung nichts zu tun. Du kannst Dich dazu entscheiden nicht zu zugucken, wie er sich zurichtet. Hilfe unbedingt ja, bei jedem Schritt die Sucht zu überwinden.

    und auch wichtig: Informiere Dich über Alkoholsucht und Co Abhängigkeit. Hier ein Einstieg:

    http://www.alkoholsucht.eu/praktische-rat…er-angehoerige/

    Alles, alles Gute und viel Kraft
    Ich glaube Du bist auf dem richtigen Weg

    Pit

  • q Pit und Betty:

    Danke für Eure Antworten. ja, das habe ich schon gemacht. Ich war schon in einer Beratungsstelle. ergebnis: WEG. Von ihm.- So schnell ich kann.
    Ist mir klar. Heute macht er es mir leicht: Von 1 Uhr morgens bis 8 Uhr die übelsten Beschimpungen auf allen Kanälen. Nun habe ich alles dicht gemacht. Rigoros. Es kommt nichts mehr an.
    Das ist die einzige Möglichkeit, erst mal Abstand zu gewinnen. Sosehr, wie ich "fuck the distance" geflucht habe noch vor wenigen Tagen, so sehr bin ich nun erleichtert, das 500 km zwischen uns liegen.

    Ich werde an mir arbeiten und alle Möglichkeiten nutzen, diesen Mann auch innerlich loszulassen. Helfen kann ihm niemand. Das habe ich eingesehen.
    Ich bin nicht so fertig, dass ich ärztliche Hilfe brauche. Ich habe gar keinen Hausarzt, weil ich ziemlich fir bin. Mein Vorteil ist eine große Resilienz in sehr schwierigen Situationen. Ich zieh mich schon raus aus dem Liebessumpf. Über Alkohol, Sucht, Wirkung und Auswirkung bin ich sehr gut informiert. Darum bleibe ich ja nicht länger. Mache mir Null Illusionen. Und das ist gut so.
    Wer noch Tipps hat, darf gerne schreiben. Danke.

  • Hallo und herzlich Willkommen hier im Forum!

    Das Problem, das Du hast und hier schilderst, kenne ich leider auch aus beruflicher (polizeilicher) Sicht zur Genüge :-\
    Einerseits kann ich nachvollziehen, dass unsereiner als Betroffener auch sehr charmant und liebenswürdig sein kann, wenn wir nüchtern und nicht "Spiegeltrinker" sind. Nur: Wenn der Betroffene gar keine Hilfe WILL (und Du schreibst ja, dass es bei ihm so ist), dann hilft wirklich nur ein bedingungsloser Cut. Und hier trifft das Sprichwort: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" leider voll ins Schwarze...

    Genau wie Betty es schrieb: Such Dir Hilfe und Unterstützung - entweder bei einer Suchtberatung oder einer Angehörigen-Selbsthilfegruppe in Deiner Nähe. Oder bei einer besten Freundin/einem besten Freund vielleicht ...
    Vielleicht findest Du auch hier ein paar Tipps: http://www.a-connect.de/hilfea.php

    Aber: Du musst stark bleiben, damit Du nicht selbst kaputt gehst!

    Ich wünsche Dir die Kraft dazu!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo und guten Abend

    wie ich erlesen kann, hast du dir die Antwort schon selbst gegeben - und das ist gut so.
    Beine in die Hand nehmen und auf Abstand gehen so schnell wie möglich.

  • @ Greenfox und Ennasu: Vielen Dank.

    Bedingungsloser CUT. Ja. Das habe ich gemacht. Und das mache ich weiter so. Es geht mir von Tag zu Tag etwas besser.

    Ja. Das ist eine harte Nummer sich in so jemanden zu verlieben. Ich könnte schreien, wenn ich an die guten Tage und Stunden denke die wir hatten. Ich könne schreien, wenn ich daran denke, dass ich wirklich ab und an gedacht habe: Geduld. Es geht ja. Er macht Fortschritte. Aber das war eine Illusion. Eine Fata Morgana. Die Hilflosigkeit ist einfach schlimm. Akzeptanz. einsehen, das jeder mit seinem Leben (oder dem Rest davon) machen kann, was er will. Ich bin dabei, das auch in diesem Fall zu begreifen. Loslassen heißt die Übung und das möglichst nicht im Hass. Sondern mit Vergebung für all die Scheiße, die ich durch und von ihm erlebt habe. Momentan bin ich noch vorwiegend wütend. Aber das vergeht. rückfällig werde ich nicht. Ich habe begriffen, dass es hier wirklich um MEIN Leben- mindetens aber um meine Qualität des Lebens geht. Die ist gerade bei minus 10 angekommen.

    ICh habe mir heute ein Ritual überlegt und gehandelt. Fotos mitgenommen zu einer Stelle am Fluss, an der wir oft gesessen haben. Alles an mir vorbeiziehen lassen, all das Gute. Dann all das Schlechte, Schlimme. Ich habe die Bilder verbrannt und Aufnahmen davon gemacht. Es zelebriert. Die Asche zusammengepackt und in den Fluss geworfen. Es war schwer, aber danach ging es mir viel besser. Als hätte ich einen Teil von ihm auch in mir verbrannt. Seit dem kann ich klarer denken. Besser handeln und spüre so was wie winzige Energie im Körper. Rituale. Manchmal sind sie vielleicht nötig, um sich selbst zu helfen.

  • 44.
    Gut gemacht. Jetzt aber auch "hart"/konsequent bleiben und nicht wieder umfallen.
    Aber da er ja so weit weg wohnt, dürfte es ja halbwegs leicht fallen...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    können wir nur selber tun!

  • Hallo onemoretime,

    also eigentlich brauch ich ja nix mehr schreiben. ;)
    Du hast das Problem erkannt....Gefahr gebannt und das mit dem Ritual finde ich eine super Idee. Immer wieder interessant, was für Ideen so aufkommen, um mit unglücklichen Situationen umzugehen...Toll.
    Ich denke auch, dass du jetzt da dran bleiben solltest dich um dich - trotzdem - zu kümmern und gern auch mit Hilfe von Außen. Da kommt bestimmt manchmal noch was hoch und dann stehst du wenigsten nicht alleine damit da.
    Einflüße von seiner Seite scheinen ja ausgebremst zu sein...ich empfehle aber gern Plan B....für alle Fälle. ;)

    Alles Gute dir!

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