Akzeptanz und Veränderungschance

  • Was macht es einem Alkoholiker eigentlich so schwer, sich selbst einzugestehen, dass er in eine Abhängigkeit vom Alkohol geraten ist?

    Ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube, dass dieses totale Aufbauschen der Alkoholsucht als ausnahmslos chronische, tödlich verlaufende Krankheit, die man nicht heilen, sondern nur stoppen kann sowie die nicht bewiesene Behauptung, dass ein Alkoholiker nie wieder normal mit Alkohol umgehen kann, einen nicht unerheblichen Anteil daran hat. So eine Krankheit möchte keiner haben. Und so übt er sich oft so lange in Verdrängung seiner Abhängigkeit, bis er tatsächlich so krank ist, dass er bedingungslos handeln oder untergehen muss.

    Doch was ist an der Alkoholsucht eigentlich so schlimm?

    Man ist in eine Abhängigkeit von einem Suchtmittel geraten, das von vielen Menschen im Rahmen eines sozialen Trinkens und nicht in dem Bewusstsein konsumiert wird, eine Droge zu sich zu nehmen. Viele haben Glück und werden nicht abhängig. Man selbst hatte Pech.
    Na und? Geht die Welt jetzt unter?
    Sie muss es nicht, denn es gibt keine Abhängigkeit, aus der man sich nicht befreien kann. Dazu braucht man eine entsprechende Strategie, ggfs. Hilfsmittel in Form von Medikamenten und/oder eine gewisse Portion Sturheit.

    Und wenn der Ausstieg dann vollzogen ist, guckt man weiter. Wer alkoholabstinent leben will, übt sich in Abstinenz. Wer sich eine Abstinenz nicht vorstellen kann oder will, trainiert die Methode des kontrollierten Trinkens. Wer nach dem Ausstieg wieder normal mit Alkohol umgehen kann, der geht normal mit Alkohol um usw. usf..

    Und wenn bei dem einen oder anderen tatsächlich nur ein Weg funktioniert, dann muss er eben genau diesen Weg gehen. Je früher er das erkennt und tut, desto leichter wird es ihm fallen.

    Es wäre deshalb wünschenswert, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, in dem der Einzelne sensibilisiert wird, einen problematischen Alkoholkonsum schnellstmöglich zu erkennen und bereits bei einer beginnenden Abhängigkeit in dem Bewusstsein zu handeln, etwas Machbares in Angriff zu nehmen und nicht -wie es so schön heißt- über Jahre hinweg herum zu eiern, weil er nicht weiß, dass er eigentlich ganz gute Chancen hat, die Sache zu einem guten Ende zu bringen.

    Katro

  • Interessanter Gedankenansatz...

    Ich frage mich seit längerem auch schon, ob diese "Totale Abstinenz" für jeden Betroffenen der richtige Weg ist. Man darf es nur nie aussprechen, wenn man nicht sofort verbale Prügel beziehen will. Ich bewundere jeden Alkoholiker, der die totale Abstinenz lebt, aber ich denke mittlerweile auch, das dies nicht unbedingt der einzige Weg sein kann. Als Angehöriger bemerke ich mit Erstaunen, das es einem Abhängigem jetzt bereits über mehrere Jahre möglich ist, seine Trinkmenge zu kontrollieren und durchaus in einem Rahmen zu halten, die für tausende von "Normalbürgern" normal ist. Auch liegen zwischen den Rückfällen immer wieder mehrere Tage, manchmal sogar zwei Wochen Abstinenz. Das dürfte ja dann nach der "Schulmedizin" gar nicht möglich sein. Nur leider liegt der Trinkzeitpunkt oftmals ungünstig, also sprich nicht erst am Abend sondern manchmal auch schon tagsüber. Das ist die Kehrseite und ein deutliches Zeichen für die Abhängigkeit. Ich bin ehrlich, ich bin damit bis jetzt nicht klar gekommen, war auch immer der Meinung, der einzige Weg ist die totale Abstinenz. Die kann man einem Abhängigem aber nicht draufdrücken, dass muss er selber wollen. Da ich das Ganze sowieso nicht beeinflussen kann, überlege ich mir ernsthaft, mal ein wenig umzudenken. Ich werde keinesfalls zum kontrollierten Alkoholkonsum ermutigen aber vielleicht sollte ich zukünftig die Rückfälle nicht als "Weltuntergang" ansehen...

    Lieber nüchtern und lustig, als besoffen und dooooof...


  • Ich frage mich seit längerem auch schon, ob diese "Totale Abstinenz" für jeden Betroffenen der richtige Weg ist. Man darf es nur nie aussprechen, wenn man nicht sofort verbale Prügel beziehen will.

    Mag sein.
    Aber man sollte es immer wieder aussprechen, denn der richtige Weg kann nur ein solcher sein, der den Alkoholiker nachhaltig aus seiner Abhängigkeit herausführt. Ob dieser Abhängige auf und/oder am Ende seines Weges aus der Sucht dem Alkohol komplett die kalte Schulter zeigt oder nicht, ist letztendlich unerheblich.

    Katro

  • Ich denke, dass die totale Abstinenz für manche Trinkertypen einfach weniger mühsam ist als das Kontroll-Ge-eiere.
    Wer nach dem ersten Glas einfach nicht aufhören kann, der sollte sich eher so verhalten wie ein Allergiker. Der meidet sein Allergen halt freiwillig und konsequent, da er weiß, dass es ihm schadet. Und wenn ich noch so gerne Haselnüsse esse, so lasse ich es bleiben, da ich ansonsten in Gefahr gerate zu ersticken.
    Tja - beim Alk dauert es nur etwas länger bis zum Exitus.
    Es gibt aber auch tatsächlich Leute die die Kurve kriegen und ab und zu mal wieder ein Glas vertragen ohne gleich ins Elend abzuschmieren.

  • Sicher ist die totale zufriedene Abstinenz der beste Weg, das steht außer Frage. Leider funktioniert sie aber anscheinend nicht bei jedem Betroffenem. Vielleicht gibt es ja doch einen anderen Weg? Ich bin momentan ratlos...

    Lieber nüchtern und lustig, als besoffen und dooooof...

  • Sicher ist die totale zufriedene Abstinenz der beste Weg, das steht außer Frage.

    Ein Recht auf Zufriedenheit gibt es nicht (sorry).


    Leider funktioniert sie aber anscheinend nicht bei jedem Betroffenem. Vielleicht gibt es ja doch einen anderen Weg? Ich bin momentan ratlos...

    Stimmt. Wobei es darunter solche gibt, die zwar abstinent sind, aber durchaus nicht zufrieden und solche, die zufrieden weiter trinken

    Vielleicht gibt es ja doch einen anderen Weg? Ich bin momentan ratlos...


    Vielleicht schaust Du einfach mal hier (ich pers. halte nix davon, wenn denn erst einmal die Diagnose „Alkoholkrank“ fest steht http://www.alkoholtherapie.net/kontrolliertes-trinken/ ).

    Ansonsten:

    http://www.spiegel.de/gesundheit/dia…z-a-844209.html ,

    http://www.kontrolliertes-trinken.de


    Es gibt auch Bücher (z.B. vom ersten deutschen Vertreter dieser Form der Verhaltenstherapie: http://www.amazon.de/Kontrolliertes-Trinken-reduzieren-Ihren-Alkoholkonsum/dp/3830469233/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1408966147&sr=1-1&keywords=körkel+joachim ) , Selbsthilfeliteratur und ganze Kuren, zum Erlernen des KT .


    lg alkascha

    Einmal editiert, zuletzt von alkascha (25. August 2014 um 15:49)


  • Wer nach dem ersten Glas einfach nicht aufhören kann, der sollte sich eher so verhalten wie ein Allergiker. Der meidet sein Allergen halt freiwillig und konsequent, da er weiß, dass es ihm schadet.

    Ich musste das Zitierte erst einmal eine Weile sacken lassen, weil dieser Gedanke für mich auf der einen Seite so unglaublich einleuchtend klingt, obwohl ich ihn auf der anderen Seite von Anfang an ablehnte.

    Man lässt das „Böse/Schlechte“ einfach weg… und alles wird gut?
    Ja, das kann funktionieren.
    Doch was ist, wenn ich irgendwann doch wieder mit dem Allergen in Berührung komme oder kommen muss? Habe ich dann eine Chance, halbwegs heil aus diesem Zusammentreffen heraus zu kommen?
    Erhöhe ich meine Chancen, wenn ich dem Bösen/Schlechten nicht einfach nur aus dem Weg ging, sondern lernte, mit ihm umzugehen (oder mich desensibilisierte)?

    Ich gehe vom zweiten Fall aus. (Aber ich bin kein Experte und kann den Erfolg dieses Vorgehens nur an mir selbst festmachen!)

    Katro


  • Doch was ist, wenn ich irgendwann doch wieder mit dem Allergen in Berührung komme oder kommen muss?

    Das musst Du mir jetzt mal erklären: Wer oder was sollte mich zwingen, Alkohol zu trinken??

    Ennasu's Vergleich mit einem Allergen finde ich gut! Auch, wenn er natürlich wie alle Vergleiche hinkt - wie sich ja an katro's "Argumentation" (sorry) zeigt.
    Wenn ich weiss, dass ich nach einem Glas nicht aufhören kann, dann lasse ich eben das erste Glas stehen (hört sich leichter an, als es manchem fällt) und lasse damit das Böse einfach weg.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hi Greenfox,


    Das musst Du mir jetzt mal erklären: Wer oder was sollte mich zwingen, Alkohol zu trinken??

    dann erkläre ich mal:
    Zwingen bzw. dich dafür entscheiden, deinem Allergen nicht aus dem Weg zu gehen, kannst natürlich nur du selbst.
    So war ich im letzten Sommer in der Mongolei einer Situation ausgesetzt, in der ich Alkohol zu mir nehmen oder meinen seiner Tradition verhafteten Gastgeber vor den Kopf stoßen musste.
    Es ging um gegorene Stutenmilch.
    Man kann das alkoholische Getränk natürlich ablehnen und dank der vorhandenen Sprachprobleme eine mittlere Katastrophe auslösen.
    Ich trank die Milch.
    Ich konnte sie trinken, weil ich mich zuvor desensibilisiert hatte und deshalb darauf vertrauen konnte, dass ich durch das Trinken der Milch nicht wieder zum Säufer werde.

    Katro

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