Hallo liebe Community,
als eifriger Mitleser der letzten Monate habe ich mich heute entschlossen mich zu registrieren und mich aktiv zu beteiligen. Damit ihr wisst mit wem ihr es zu tun habt stelle ich mich kurz (könnte auch lang werden ) vor.
Also, ich bin Markus, 39 Jahre alt und bin wenn auch vielleicht nicht Alkoholiker, so bin ich doch einen beständigen Weg in diese Richtung gegangen. Ob ich die Bremse rechtzeitig (gerade noch) oder nicht rechtzeitig eingelegt habe ist auch gar nicht meine Frage. Wochen, Monate, vielleicht Jahre hab ich darüber nachgedacht ob ich Alkoholiker bin oder noch nicht. Habe Tests im Internet gemacht, versucht kontrolliert zu trinken, mir Maßstäbe gesucht und immer Menschen gefunden die mehr tranken als ich, aber WIE egal ist das??? Ich habe ein einziges Leben wie wir alle und der Alkohol hat mich unglücklich, zu einem Jammerlappen, zu einem Aufschieber, zu einem teilweise agressiven und von Verfolgungswahn und schlechten Gedanken getriebenen Mann gemacht, der ständig mehr Mühe aufbringen musste um die Fassade eines Menschen der im Leben steht aufrechtzuerhalten. DAS reicht, DAS ist der Grund aufzuhören und DAS ist der Grund mehr verändern zu wollen als das Trinkverhalten. Völlig egal, wie ein Arzt oder Psychologe meinen Stand des Trinkens heute definieren würde.
Rückblick: Hier im Forum gleichen sich die Geschichten, so auch bei mir: Aussenseiter in der Schule, wenige bis gar keine Freunde und ein Familienumfeld in dem alles "funktioniert" hat. Nach außen schöner Schein aber Liebe, Zuneigung, Vertrauen, Reden über Gefühle...das waren Fremdwörter - auch zwischen meinen Eltern. Es wurde auf Menschen gezeigt die ganz offen große Probleme mit Alkohol hatten - mein Opa hatte aber selbst immer ne Flasche Eierlikör auf dem Tisch stehen und mein Vater fand es auch ganz normal sich jeden Abend ein paar Bier - alleine in der Küche stehend - reinzuschütten. Ich erinnere mich wie ätzend ich das lallende Reden fand wenn ich meinen Vater mal nach 22:00 Uhr angetroffen habe...als Kind will man sowas nicht.
Was ich wollte waren Freunde - und mit 17 gab es auf einmal die ersten Gelegenheiten zu trinken. Abschlussparty der Schule, Klassenfahrt usw. Der Alkohol liess mich lachen und fröhlich sein, er liess mich Mädels ansprechen, er liess mich meine Sorgen vergessen und er liess die anderen denen ich doch eigentlich egal war zu Freunden werden. Damit wurde er selbst auch mein Freund. Die Wochenenden waren wir zwei von jetzt an unzertrennlich. Eine Nebenjob in einer Disco liess mich Freitags und Samstags Gast einer Flatrate Party sein - zu Zeiten wo das Wort noch gar nicht erfunden war. Kurz, ich war Freitags und Samstags voll. Jedes Wochenende. Das dieses der direkte Weg in den Alkoholismus sein kann - ich hab nicht eine Sekunden darüber nachgedacht mit 20 Jahren. Ich hatte Freunde, ich hatte Spass und mein Leben fühlte sich auf einmal gut an.
Dann kam ein Umzug 300km entfernt von meinem Heimatort. Neue Freunde, neue Kneipen, neue Discos. Bin dann mal für 5 Jahre aufs Gras rauchen umgestiegen und habe in dieser Zeit weniger getrunken, aber der Alkohol blieb immer präsent. Es änderte sich aber die Art des Konsums. War ich am Anfang in der Woche grundsätzlich nüchtern und "nur" am Wochenende voll, hatten jetzt auf einmal immer mehr Freunde feste Partnerschaften und die Wochenenden wurden alleine verbracht. Deshalb wurde am Wochenende "weniger" getrunken, aber die Zeiträume wurden kürzer. Der Donnerstag wurde zum Wochenende hinzugefügt, dann der Sonntag. Irgendwann der Mittwoch um die Pause zu verkürzen und dann wars jeden Tag 3 Bier oder so. Bis 2002.
Ich versuche es kürzer zu machen ;)...2002 in eine Partnerschaft gekommen die 9 Jahre halten sollte. Sie konnte mit Alkohol nichts anfangen, aber nach den ersten 2 Jahren in denen ich wenig getrunken habe, hab ich sie irgendwie eingelullt. Sie fand es dann auch ganz normal dass ich ständig Bier getrunken habe. Ich war schnell wieder bei 3 Bier am Abend. Das schöne verdiente "Feierabendbierchen" halt, dass man sich ja nicht verbieten lassen will und das doch ganz normal ist. Ich glaube rückblickend betrachtet hatten wir beide unsere Probleme. ich mit dem Alkohol, sie andere. Ich konnte saufen und sie hat es hingenommen. Konnten wir doch beide so einfach unser Ding machen und die wichtigen Probleme konnten verborgen bleiben.
2011 war dann die Beziehung vorbei. Der Alkoholkonsum von mir war nicht DAS einzige Problem warum die Beziehung auseinanderging, aber es war rückblickend betrachtet EIN Problem, das weiss ich jetzt. Beruflich bin ich 2012 dann nochmal umgezogen und was dann kam, hätte ich mir in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können:
Ich also 2012 mal wieder ohne Freunde am neuen Ort. Ich weiss ja aber wo und wie ich Freunde finde. Alkohol verbindet...und dann gabs da diese Kneipe in der Strasse meiner neuen Wohnung. Mal gucken was da für Leute sind. Die sind aber nett, der Wirt auch, nach 3 Tagen mit "Hallo Markus altes Haus" begrüsst...und wie die da saufen können, Wahnsinn. Das Bier floss in Strömen. Von Ende 2012 bis Anfang 2014 hab ich meine neue Arbeit nur noch mit Mühe gemacht. Abends nicht nach hause sondern erstmal in die Kneipe. Jeden Abend. Jeden Abend 5 kleine Bier, 2 - 3 Schnäpse. Danach zum Penny gegenüber. Unter dem Deckmantel sich was zu essen kaufen zu wollen noch 4 große Bier der billigen Sorte für zuhause mitgenommen. Nach hause gefahren, Lebensmittel in den Schrank und die Bier getrunken. Dabei eine Chatsucht entwickelt - geht ja auch besoffen super und um 24:00 Uhr ins Bett. Am nächsten Morgen wie gerädert aufgestanden und das Spiel von vorne. Als würde es nicht reichen im November in der Kneipe die Spielautomaten entdeckt und "gerne" abends 10 Euro reingesteckt. An besonders "tollen" Abenden auch 50 Euro. Post ungelesen in die Rundablage oder in Plastiktüten in die Untiefen eines Schranks für "später mal" :-[
...Toast und Würstchen wenn der Hunger zu groß wurde. Gedanken die nur noch um Alkohol und Glücksspiel kreisten. Angefangen Geld zu leihen...achja, Zigarettenkonsum auch gesteigert und was soll ich sagen, ich hätte 2014 zu meinem persönlichen Absturzjahr machen können. Zu meiner persönlichen Niederlage und meinem "ganz unten" aber warum auch immer - ich wollte es nicht.
Anfang Januar hab ich das Glücksspiel von heute auf morgen beendet. Ich ekel mich inzwischen davor. Der Gedanke da jemals Geld reingesteckt zu haben kommt mir inzwischen abstrus und bekloppt vor. Ich werde es sicherlich nie mehr tun. Waren zum Glück auch nur ein paar Monate in denen ich sowas gemacht habe. Was aber viel wichtiger ist:
Anfang März habe ich mir gesagt: So geht es nicht und seitdem keine Kneipe mehr aufgesucht. Ich habe von Anfang März bis heute insgesamt an 4 Samstagen je 1 Flasche Wein getrunken und letzten Samstag haben meine Eltern mich besucht und mein Vater hat mich gedrängt doch ein bisschen Bier und Schnaps zu kaufen :(. Ich hab beim Schnaps abgelehnt und dann gesagt ok, 6 Bier kaufen wir. 4 für dich, 2 für mich und das wars. Hab die 2 kleinen Bier getrunken und das wars. Selbst sowas will ich in Zukunft nicht mehr. Es schmeckt mir nicht mehr.
Insgesamt hab ich seit Anfang März über 100!!! nüchterne Tage verbracht und 5 Abende an denen ich was getrunken habe. Nie bis zum Vollrausch. Der Gedanke in der Woche zu trinken kommt mir inzwischen komisch vor. Ich habe meine Unterlagen sortiert. Ich koche für mich, ich renoviere meine Wohnung. Ich habe angefangen Fahrrad zu fahren und ich möchte noch soviel tun. Manchmal fehlt mir einfach die Zeit soviele Interessen fallen mir ein.
Manchmal - aber ganz selten habe ich am Wochenende das Gefühl mich mit ein bisschen Unterstützung ins dieses "Land wo alles leicht ist" bringen zu wollen. Aber ich merke dass auch diese Tage weniger werden und ich immer besser widerstehen kann. Der Suchtdruck wird kleiner und das Leben bekommt seine Farben zurück. Ich bin mir auch im klaren darüber, dass Probleme auch ohne Alkohol da sind. Glaubt mir, ich habe genug. Aber ich kann sie nüchtern jedenfalls lösen. Besoffen kann ich sie nur vergessen und verdrängen - und morgen sind sie immer noch da - nur größer.
Ich möchte hier schreiben wie mein Weg weitergeht. Eure Meinungen lesen und eure Ratschläge hören. Ich würde mich freuen, hier im Forum gleichgesinnte zu treffen mit denen ich mich austauschen kann. Ich möchte hier schreiben können wenn ich nüchtern bin, aber auch - sollte ich mal wieder was trinken. Gerade das ist wichtig und da brauch ich dann auch nicht nur Verständnis. Aber ich werd alles tun dass diese Tage nicht kommen - und bis dahin hör ich jetzt mal auf...es ist lang geworden.
Danke fürs Lesen