Disi stellt sich vor :)

  • Hallo Disi,

    herzlich Willkommen hier bei uns im Forum.

    Ich gehöre nicht zu den Angehörigen sondern zur anderen Seite. Ich habe weit über 10 Jahre abhängig getrunken, die meiste Zeit davon heimlich. Es gelang mir recht gut, meine Abhängigkeit auch gegenüber meiner Familie zu verheimlichen. Trotzdem merkte meine Familie, vor allem auch meine Tochter (damals im Grundschulalter), dass mit Papa irgendwas nicht stimmen kann. Auch meine Frau machte sich natürlich Gedanken, jedoch "legte" sie sich andere mögliche Gründe zurecht, was denn da mit mir los sein könnte. Und das, obwohl es durchaus, wenn auch sehr selten, mal Situationen gab, wo ich nicht richtig "aufgepasst" habe. Aber einerseits hatte ich in solchen Situationen immer hervorragende und ausgefeilte Lügen parat, selbst wenn ich ganz spontan reagieren musste und andererseits, so glaube ich jedenfalls, will man als Angehöriger / Partner / Kind auch nicht so leicht glauben, dass z. B. der eigenen Papa ein Alkoholproblem haben könnte.

    Letzteres spielt am Ende aber eigentlich nur der Sucht in die Hand. Denn wenn man den Betroffenen direkt anspricht, gibt es wenigstens die Chance, das sich da "in ihm/ihr" irgendwas bewegt. Wenn man die Augen zu macht und sich selbst damit beruhigt, dass es gar nicht sein kann, dann ist zumindest für den Trinkenden die Welt ja soweit in Ordnung. Meine Welt jedefalls war diesbezüglich soweit in Ordnung, ich wurde nie darauf angesprochen, ob ich vielleicht ein Alkoholproblem haben könnte. Allerdings war das dann schon so ziemlich das Einzige, was "in Ordnung" war. Mein Leben war aufgrund meiner Sucht total kaputt, ich war total kaputt, vor allem seelisch und besonders meine Frau litt enorm darunter, weil sie zusehen musste, wie unsere Beziehung mehr und mehr zerbrach, ohne dass sie genau wusste, warum das so ist. Und sie musste auch feststellen, dass all ihre Versuche unsere Ehe irgendwie zu retten, immer zum Scheitern verurteilt waren.

    Mittlerweile bin ich 51 Jahre alt, meine beiden Kinder aus erster Ehe, die das miterleben mussten, sind Erwachsen und ich lebe jetzt glücklich und schon lange ohne Alkohol. Ich habe wieder geheiratet und nochmal eine kleine Tochter bekommen, welche jetzt aber einen Papa hat, der ein Leben ohne Alkohol führt.

    Deine Gedanken, auch was das Schweigen betrifft, kann ich voll und ganz nachvollziehen. Darum habe ich Dir auch diese etwas ausführlichere Vorstellung meinerseits geschrieben. Was ich sagen will: Im Grunde tut man den Betroffenen keinen Gefallen damit, wenn man so tut als wäre alles in bester Ordnung. Bei mir war es sicher eine Ausnahme, weil ich scheinbar wirklich ein sehr guter Lügner und Täuscher war. Wenn man aber weiß, dass z. B. der Partner trinkt, dann sollte man das auch thematisieren. Nur davor haben viele dann auch Angst, denn wie wird der Betroffene dann reagieren? Und welche Konsequenzen wird man selbst schlussendlich ziehen?

    Was ich damit sagen will: An der Sucht eines einzigen Familienmitgliedes, in Deinem Fall Dein Papa, geht schnell mal eine ganze Familie zugrunde. Es ist nicht selten, dass ganze Familien, also Partner und Kinder, an der Sucht einer Person innerhalb dieser Familie mit "unter gehen". Und zwar genau deshalb, weil sie die Sucht des Betroffenen verheimlichen und versuchen irgendwie mit ihr zu leben. Sie organisieren ihr Leben um den Süchtigen herum und ihr eigenes Wohlbefinden ist elemental vom Wohlbefinden (oder dem aktuellen Alkoholstatuts) des Betroffenen abhängig. Dabei ist dieses Leben dann geprägt von Angst und auch von Hoffnung, welche aber immer wieder enttäuscht wird.

    Liebe Disi, Du bist jetzt ausgezogen aber ich bin mir sicher, damit ist es für Dich noch lange nicht vorbei. Wenn's "dumm" läuft, wird Dich die Sucht Deines Papas Dein ganzes Leben lang begleiten. Ich glaube, das ist sogar ziemlich wahrscheinlich. Was Du aber aus meiner Sicht unbedingt verhindern solltest ist, dass sie Dich auch ein Leben lang belastet. Und da wären wir dann beim Punkt: Du kannst Deinen Papa nicht retten, auch nicht Deine Mama. Aber Dich kannst Du retten! Und genau das ist es, was Dein Ziel sein sollte.

    Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass Du mit Deinem Papa und/oder Deiner Mama brechen musst. Das will ich damit nicht sagen. Aber Du brauchst Strategien, wie Du damit gut zurecht kommst. Das wollte ich Dir einfach mal schreiben, ich will und kann da jetzt auch gar nicht ins Detail gehen, weil ich ja im Grunde fast nichts von Dir und Deiner aktuellen Situation weiß. Ich finde es auf jeden Fall super, dass Du über dieses Thema sprechen möchtest und für Dich erkannt hast, dass es wichtig ist, hier etwas zu unternehmen. Mir ist es wichtig Dir zu sagen, dass dabei nicht Dein Papa im Fokus stehen sollte, nicht die Frage "wie kann ich meinem Papa helfen", sondern die Frage "wie kann ich mir helfen", "was kann ich für mich tun".

    Dazu kannst Du Dich hier im Forum austauschen, wobei ich nicht genau weiß, wieviele Angehörige gerade hier aktiv sind. Du kannst Dir aber auch überlegen, ob Du diesbezüglich nicht auch mal eine analoge SHG besuchen möchtest oder Dir auch anderweitig Hilfe suchen möchtest. Das hängt bestimmt auch davon ab, wie belastend die Situation für Dich ist und wie gut oder schlecht es Dir aktuell damit geht. Vielleicht hast Du ja bereits einen "guten" Umgang mit dieser Situation und es geht bei Dir eher darum, noch besser klar zu kommen, vielleicht auch darum, das ein oder andere besser verstehen zu können. Oft verstehen Angehörige auch nicht, warum sie so machtlos sind, warum sie dem Trinkenden nicht helfen können und projezieren das dann auch sich selbst. Meinen dann, sie würden irgendwas falsch machen, oder sie würden gar versagen. Nicht selten wird das durch den Trinkenden selbst dann sogar noch "befeuert", durch sein Verhalten, durch Vorwürfe, etc.

    Aber wie gesagt, ich habe keine Ahnung was da bei Dir eigentlich Sache ist. Deshalb belasse ich es jetzt dabei. Wenn Du Fragen hast, ich beantworte sie Dir gerne aus meiner Sicht heraus. Jedoch bin ich kein Angehöriger, Du bekommst von mir also immer die Sicht eines Menschen, der selbst mal abhängig getrunken hat.

    Alles alles Gute für Dich und einen guten Austausch hier im Forum wünsche ich Dir.

    LG
    gerchla

  • Hallo Disi,
    herzlich Willkommen in diesem Forum, schön, dass du zu uns gefunden hast.

    Ich selbst bin Ende 40 und ebenfalls Tochter eines alkoholabhängigen Vaters und einer Co-anhängigen Mutter und von dieser dysfunktionalen Familienkonstellation für mein Leben geprägt worden. Vor gut acht Monaten ist mir klar geworden, dass ich selbst alkoholabhängig geworden war und seither abstinent. Inzwischen darf ich sogar sagen, zufrieden abstinent.

    Mein Vater starb, als ich 15 Jahre alt war, aber bis dahin hatte ich schon so viel erlebt, dass es tiefe Spuren in mir hinterlassen hat. Ich habe im Laufe meiner Kindheit und Jugend Denk- und Verhaltensweisen erlernt und verinnerlicht, die mir im Laufe meines weiteren Lebens sehr geschadet haben und letztlich auch dafür verantwortlich sind, dass ich psychisch krank geworden bin.

    Durch dieses Forum bin ich auf die sogenannten EKAs (Erwachsene Kinder aus alkoholkranker Familie) gestoßen. Als ich mich näher darüber informiert habe, stieß ich darauf, dass ich bestimmte Persönlichkeitsmerkmale habe, die typisch für erwachsene Kinder aus dysfunktionalen Familien sind. Das half mir erstmal, mich nicht mehr so alleine mit meinen Problemen zu fühlen. Das sich in anderen Wiederfinden tat mir irgendwie gut.

    Du hast für dich erstmal den ersten Schritt gemacht und dich hier angemeldet, um dich auszutauschen. Das ist nach meiner eigenen Erfahrung ein guter Schritt, um nun endlich für dich zu sorgen.

    Ja, tatsächlich ist durch die Alkoholkrankheit nicht nur der daran Erkrankte, sondern in der Regel die gesamte Familie betroffen und du erkennst ganz richtig, dass du eine Prägung erhalten hast, die nicht ganz gesund für dich ist. Hier im Forum gibt es Erfahrungsberichte des einen oder anderen erwachsenen Kindes aus alkoholkranker Familie. Lies dich in Ruhe ein bisschen ein, vielleicht erkennst du dich in dem einen oder anderen Erfahrungsbericht wieder. Vielleicht ergeben sich für dich daraus auch Fragen, die du hier teilen möchtest.

    Ich wünsche dir einen guten Austausch hier.

    Herzliche Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Vielen Dank für die Antworten :)
    Ich gehe als erstes einmal auf Gerchla ein.

    Bei uns ist es so, dass mein Vater immer so ab 15 Uhr in seinem ausgebauten Kellerraum verschwindet. Richtige Abstürze hab ich nie erlebt. Er hat sich auch schon etwas gebessert. Früher war es jeden Tag, mittlerweile nur noch am Wochenende. Ich muss sagen, dass ich das Thema noch nicht einmal bei ihm angesprochen habe. Meine Mutter schon oft. Aber da reagiert er ziemlich typisch empfindlich, schuldzuweisend und ablehnend. Dass er ein Problem hat weiß er selbst, aber er belügt sich immer wieder selbst, indem er meiner Mutter zum Beispiel sagt, dass es okay so sei und sie ihn bitte damit in Ruhe lassen soll. Da er sich nichts sagen lässt, lässt sie ihn auch einfach immer machen. So saß ich meistens in meinem Zimmer, meine Mutter im Wohnzimmer. Ich habe gelernt mich abzuschotten von den Problemen meiner Eltern. Ich finde es nur so verdammt schmerzhaft mich damit abzufinden, dass ich nichts anderes kann als abwarten bis sie sich komplett selbstzerstört haben. Ein trauriger Gedanke über die Menschen, die ich liebe.

    Ich habe vorher schonmal ein bisschen hier rumgestöbert. Das Muster ähnelt sich in so verdammt vielen Fällen. Ich finde die ganzen parallelen wirklich krass.

  • AmSee, danke für deine Antwort. Ich finde es irgendwie gut von Jemandem zu lesen, dem es ähnlich geht. Und ich finde es schön, dass du dich selbst jetzt besser verstehst. Ich muss aber auch sagen, dass ich die "andere Seite" interessant finde. Vielleicht kann ich das Verhalten meines Vaters dann ein bisschen besser verstehen. Ich bin häufig wütend darüber gewesen wie er meine Mutter behandelt hat. Man möchte einfach ein paar Antworten finden. Irgendeinen Weg muss man ja finden. Ändern kann ich Menschen ja nicht


  • Ich finde es nur so verdammt schmerzhaft mich damit abzufinden, dass ich nichts anderes kann als abwarten bis sie sich komplett selbstzerstört haben. Ein trauriger Gedanke über die Menschen, die ich liebe.

    Hallo Disi,
    ja, das ist auch fürchterlich schmerzhaft und es ist grauenvoll das mitanzusehen.
    Da du dich hier schon ein wenig eingelesen hast, ist dir der Rat der immer wieder gegeben wird, gegeben werden muss, bereits bekannt.
    Die Schwierigkeit besteht darin, das zulassen zu müssen und aushalten zu müssen. Und ich weiß gut, wovon ich da spreche.

    Deine Eltern sind erwachsene Menschen, die für IHR Leben IHRE Entscheidung getroffen haben. Dein Vater hat gewählt und deine Mutter hat gewählt.
    Es ist fürchterlich traurig, aber wahr, dass sich an der Situation deines Vaters und auch an der deiner Mutter nur etwas ändern lässt, wenn sie selbst das wirklich ernsthaft wollen.

    Wir Kinder aus solchen Familienkonstellationen rutschen ganz häufig in die Rolle, die unsere Eltern selbst übernehmen müssten. Wir übernehmen teilweise völlig unbewusst die Verantwortung für unsere Eltern. Das aber ist eine Rolle, die uns vollkommen überfordert.

    Sie überfordert nicht nur, weil wir uns noch in unserer eigenen Entwicklung befunden haben, als das losging, sondern wir überfordern uns auch, weil unsere Eltern mit dem, was sie tun oder eben nicht tun, gegen uns arbeiten.

    Wenn du ehrlich mit dir bist, bist du versucht, auch jetzt noch diese Verantwortung übernehmen zu wollen, vielleicht hast du‘s in der Vergangenheit schon ab und zu getan. Jedenfalls deute ich das bei dir so. Von mir weiß ich, dass ich‘s schon ziemlich früh getan habe.


    Wer bei all dem wirklich zu kurz kommt, das sind wir selbst. Und dabei sind wir selbst die einzigen, um die wir uns wirklich erfolgreich kümmern können.

    Liebe Grüße

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.


  • Ich muss aber auch sagen, dass ich die "andere Seite" interessant finde. Vielleicht kann ich das Verhalten meines Vaters dann ein bisschen besser verstehen. Ich bin häufig wütend darüber gewesen wie er meine Mutter behandelt hat. Man möchte einfach ein paar Antworten finden. Irgendeinen Weg muss man ja finden. Ändern kann ich Menschen ja nicht

    Das ist auch ok, dass du die „andere Seite“ interessant findest. Ich kenne die von mir selbst ja inzwischen auch. Ich verstehe auch, warum du ihn besser verstehen möchtest.

    Ich versuche noch heute, zu verstehen, was mit meinem Vater gewesen ist, der immer und immer und immer wieder fürchterliche Abstürze hatte und uns in furchtbare Existenznöte brachte und dann wieder trocken wurde, Langzeittherapien machte, mühevoll wieder aufbaute, was er zuvor kaputt gemacht hatte, und wieder tief in die Sauferei abstürzte, obwohl der schon 33 Jahre tot ist.

    Ich bedaure meinen Vater sehr und ich traure, weil er seine Erkrankung nicht in den Griff bekommen konnte und weil seine Krankheit unsere Familie kaputt gemacht hat. Er hat das nicht gewollt, da bin ich mir ganz sicher, aber er kam da nicht raus und meine Mutter kam da auch nicht raus.

    Die Sache ist nur die. Alkoholismus ist eine vielschichtige Krankheit. Es kann so viele Gründe geben, warum dein Vater trinkt. Trinkende Alkoholiker können eine ganze Reihe von Gründen anführen, aber diese Gründe sind in der Regel nur vorgeschoben.
    Vielleicht liegt der Grund bei deinem Vater viel tiefer und er könnte selbst nicht mal benennen, was des ist.

    Wenn du mit ihm darüber sprechen möchtest, kannst du das natürlich tun. Das könnte für dich vielleicht sogar wichtig sein, dass du’s zumindest versucht hast. Warte dafür aber einen Moment ab, in dem er wirklich nüchtern ist. Ich hab es so oft bei mir selbst beobachten können und ich beobachte es bei anderen, die trinken, noch heute, sie verändern sich unter Alkoholeinfluss. Sie denken irgendwie anders. Ich war da, wie gesagt keine Ausnahme. Geistig wirklich klar bin ich erst, seit ich dauerhaft abstinent bin.

    Liebe Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Guten Morgen Disi,

    Zitat

    Ich finde es nur so verdammt schmerzhaft mich damit abzufinden, dass ich nichts anderes kann als abwarten bis sie sich komplett selbstzerstört haben. Ein trauriger Gedanke über die Menschen, die ich liebe.


    Ich kann Dir soooo nachempfinden. Es ist wirklich sehr traurig. Wenn man da von außen drauf blickt, selbst keine Suchterfahrung hat, dann ist das nur schwer oder vielleicht auch gar nicht zu verstehen, dass ein Betroffener nicht in der Lage ist, etwas gegen sein Sucht zu unternehmen. Oder noch schlimmer, dass er scheinbar auch gar nichts dagegen unternehmen will. Das es so scheint, als wolle er trinken und das selbst das Leid der nächsten Angehörigen, das Leid des eigenen Partners oder sogar der eigenen Kinder ihn nicht dazu bewegen können, etwas gegen die Sucht zu unternehmen.

    Ich kann mir auch vorstellen, dass man sich schnell denkt, vor allem auch als Kind eines alkoholkranken Elternteils: bin ich ihm/ihr nicht wert, dass er/sie mit dem Trinken aufhört? Oder auch: was mache ich falsch, dass mein Papa/meine Mama trinken muss?

    Ich kann Dir von mir sagen, dass ich meine Kinder immer über alles geliebt habe. Auch in meiner schlimmsten Trinkerzeit. Und ich dachte mir oft, dass ich das meinen Kindern doch nicht antun kann. Aber all diese Liebe reichte nicht aus, um mit dem Trinken aufzuhören. Das ist selbst für mich, wo ich ja selbst erlebt habe, wo ich ja selbst der Täter war, im Nachhinein jetzt schwer zu verstehen. Und selbstverständlich, und das ist auch ganz wichtig für Dich zu wissen, hatten weder meine Kinder noch meine Frau irgendeine Schuld an meinem Trinken. Der Trinker ist IMMER selbst für sein Verhalten verantwortlich, auch wenn viele versuchen, die Schuld für die eigene Sucht, für das "trinken müssen" auf andere zu schieben. Nein, das kann ich sagen: Man ist IMMER selbst verantwortlich dafür. Die Gründe, warum man letztlich in die Sucht gerät, die sind individuell und vielfältig. Und nicht immer, hat man all diese Gründe selbst zu verantworten. Da liegt oft auch viel in der eigenen Kindheit verborgen oder was auch immer die Gründe sein mögen. Die Tatsache aber, dass man zu scheinbaren lösen seiner Probleme die Flasche an den Mund führt, die hat man selbst zu verantworten. Denn andere Menschen, die meisten anderen Menschen, haben auch Probleme, haben auch schlimmes erlebt, etc. und trinken nicht!

    Jetzt könntest Du natürlich sagen: Aber Du hast es ja letztlich geschafft mit dem Trinken aufzuhören! Wieso hast Du es geschafft und mein Papa trinkt immernoch? Ja, das stimmt, ich durfte frei werden vom Alkohol. Aber ich kann Dir noch nicht mal genau sagen, warum ich es letztlich dann doch geschafft habe. Weißt Du was ich damit sagen möchte? Es war nicht so, dass ich den Plan hatte, ich höre jetzt auf, weil es mir so schlecht geht und weil meine Familie darunter leidet. Im Gegenteil, diese Gedanken hatte ich zwar vor allem in der mittleren Phase meiner Sucht und diese Gedanken führten dann auch dazu, dass ich es schaffte immer wieder mal Trinkpausen einzulegen. Die letzten Jahre meiner Sucht verliefen aber ganz anders. Da war ich soweit, dass ich mir dachte, es hat alles sowieso keinen Sinn mehr. Ich trinke einfach so lange weiter, bis irgendwann mal irgendwas passiert. Und wenn das dann halt mein Tod sein soll, dann ist es halt so. So waren meine Gedanken, total kaputte Gedanken.

    Trotzdem kam der Tag x, wo ich aus dem Nichts heraus aufgehört habe. Ein Abend, an dem ich mich geoutet habe und wo ich ab diesem Zeitpunkt an keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken habe. Nicht das Du jetzt denkst, darauf hin wäre alles gut geworden und es folgte ein Happyend. Nein, es folgte die Trennung von meiner Frau und eine lange Phase des traurig seins und vor allem der Aufarbeitung. Sowohl meine Familie als auch ich begannen sich ein neues Leben aufzubauen. Heute geht es beiden Seiten besser als vorher. Meiner Familie, weil sie es geschafft haben ein neues Leben ohne mich zu gestalten, welche jetzt einfach ein selbstbestimmtes Leben ist ohnen einen Alkoholiker an der Seite, der ihr Leben so viele Jahre lang so stark belastet hat.

    Und mir geht es auch besser, ehrlich gesagt so gut wie noch nie, weil ich eben auch mit mir ins Reine kam und heute ein glückliches Leben ohne Alkohol führen darf. Und auch, weil ich das große Glück habe, jetzt wieder eine gute Beziehung zu meiner ersten Frau zu haben und auch eine sehr gute Beziehung zu meinen Kindern habe.

    Nur, wie auch Am See schon schrieb, Alkoholismus ist so vielschichtig und das was bei mir passiert ist, ist bei mir passiert. Es passiert bei anderen so nicht. Da passiert was anderes, gerne auch etwas positives aber leider passiert bei den meisten gar nix in diese Richtung, will sagen, die trinken bis es eben irgendwann mal vorbei ist. Diese Sucht ist so verdammt stark, leider. Es gibt keinen Kompass, keine Regeln die man als Angehöriger befolgen könnte um dann den Trinker irgendwie vom Trinken weg zu bringen. Ich weiß ja selbst nicht mal so genau, warum das bei mir dann letztlich so gekommen ist. Ich kann nur eines sagen, ich hätte auf mich selbst keinen Cent gesetzt, dass ich es mal schaffe vom Alkohol weg zu kommen und so ein Leben zu führen, wie ich heute führe.

    Liebe Disi, ich freue mich, dass Du mit AmSee jetzt hier jemanden an der Seite hast, die beide Seiten kennt. Sie kennt vor allem auch Deine Seite ganz genau. Vom Austausch mit AmSee wirst Du sicher sehr viel profitieren können. Wenn Du irgendwelche Fragen speziell an mich haben solltest, dann frag einfach. Ich antworte Dir sehr gerne. Ansonsten glaube ich, vor allem auch bezogen auf das Gefühlschaos in Dir, werden Dir die Erfahrungen von AmSee viel Klarheit und Hilfe geben können.

    Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du Dein Leben so leben darfst und kannst, wie Du Dir das wünscht.

    LG
    Gerchla

  • Liebe Disi

    Erstmal willkommen im Forum. Ich bin auch jemand, der beide Seiten kennt. Mein Vater war Alkoholiker - und ich bin es auch geworden.

    Ein Leben in einer Familie, wo ein Elternteil alkoholkrank ist ist sehr schwierig und meiner Erfahrung nach ist es nicht vorbei, wenn man ausgezogen ist. Aber vielleicht magst du genauer schreiben, was für dich im Moment schwierig ist? Dass es schwierig ist, zuzuschauen, wie jemand sich zugrunde richtet den man mag, das kann ich sehr gut verstehen. Wie schon Gerchla dir geschrieben hat, glaube ich, das wichtigste ist, dass du für dich selbst sorgst. Das ist das, was du in der Hand hast. Der Rest liegt leider nicht in deiner Kontrolle.

    Mir hat es auch geholfen zu sehen, dass ich nicht alleine bin. Jede Geschichte ist anders, aber in so einem Forum zum Beispiel sieht man auch, wie sehr sie sich gleichen und das kann eine Verbundenheit auslösen die sehr beruhigend ist. Man ist nicht allein.

    Ich würde mich freuen mehr von dir zu lesen.
    Und ich wünsche dir, dass du dein Leben lebst, frei von Sucht und Abhängikeit.

    Liebe Grüsse
    Schotterblume

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