Selbsthilfegruppen - wozu eigentlich?

  • Ich habe hier mal meine Gedanken zu diesem Thema aufgeschrieben und bin gespannt, was Ihr dazu sagt. Ich mache nun schon seit einiger Zeit regelmäßige Krankenhausvorstellungen für "meinen" Verein und da werden einem ja von den Patienten der Entgiftungsstation oftmals viele Frage zu diesem Thema gestellt...

    Selbsthilfegruppe – wozu brauche ich die eigentlich? (Ungeordnete Gedanken eines trockenen Trinkers)

    Vorweg: Ich bin Alkoholiker und habe nur Erfahrungen mit dem Suchtstoff Alkohol. Daher beziehe ich mich hier auch nur darauf. Gespräche in einer psycho-therapeutischen Klinik mit anderen Menschen/Süchtigen (Medikamentenabhängige, Arbeitssüchtige [Workoholics] mit „Burn out“, Spielsüchtige etc.) haben mir aber gezeigt, dass die Ursachen meinen sehr ähnlich waren: Keine Ahnung, wie man mit (wachsenden) Problemen/Stress umgehen soll – also sucht man Erleichterung in/mit einem bestimmten Medium. Oder anders herum: man „belohnt“ sich für die erfolgreiche Bewältigung dieser Probleme. Und irgendwann schleicht sich dann der Kontrollverlust ein …
    Bei (fast) jeder Krankenhausvorstellung taucht die Frage auf, die sich wohl die meisten von uns zu Beginn ihrer Trockenzeit gestellt haben:
    „Was bringt mir eine Selbsthilfegruppe?“
    Ich denke mal, das Wichtigste ist doch, erst einmal für sich selbst zu klären: "Will ich überhaupt von meinem Suchtstoff wegkommen?" Und wenn die Antwort „JA“ lautet, sollte ich jede Hilfe annehmen, die ich kriegen kann! Irgendwo habe ich mal gelesen:

    „Sich von der Sucht lösen kann nur der Süchtige alleine –doch alleine schafft er es nicht!“

    (oder so ähnlich). Für mich habe ich erkannt, dass das sehr wahre Worte sind!!

    Ich habe festgestellt, dass es schon sehr „beruhigend“ ist, dass ich mit meinen Problemen, trocken zu werden bzw. zu bleiben, nicht alleine bin. In der Gruppe wissen die Menschen, von welchen Problemen ich rede. Denn über viele Sachen kann ich nicht mit anderen Leuten, die kein Suchtproblem haben, reden. Auch nicht mit meiner Frau oder meinen Verwandten. Denn die wissen und verstehen nicht, was ich meine, wenn ich z.Bsp. von „innerlicher Unruhe“, „Händeflattern“, „Trockenkotzen“ oder „Saufdruck“ rede. „Trink weniger! Hör doch einfach auf, zu trinken!“ Wenn das so einfach wäre – dann gäbe es keine Alkoholiker!
    Nicht nur ich hatte mit meiner Scham zu kämpfen, mal wieder versagt zu haben, meinen Vorsatz, heute nicht zu trinken, doch wieder gebrochen zu haben. Wenn ich den Menschen zuhöre, die von ihrer „nassen“ Zeit, von ihrem Verhalten, ihren Verhaltensmustern damals berichten, dann habe ich sehr oft das Gefühl, einen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Ja, so habe ich mich auch verhalten – den Alk an allen möglichen und unmöglichen Stellen versteckt, um „Reserven“ zu schaffen; andere belogen, dass sich die Balken bogen („Ich? Ich habe doch nichts getrunken!“); heimlich getrunken, damit es meine Umwelt nicht merkt (dachte ich zumindest); eine regelrechte Logistik aufgebaut, um mir meinen Stoff zu besorgen – aber auch, um die leeren Falschen zu entsorgen; und, und, und …
    Und vor allem habe ich mich immer wieder selbst betrogen, indem ich mir einredete, dass ja keiner mitkriegt, dass ich „ein bisschen zu viel“ trinke – und vor Allem, dass ich ja kein Alkoholiker bin. Schließlich sind Alki’s ja die Leute, die völlig verdreckt und verwahrlost vor den Supermärkten, auf den Parkbänken oder unter den Brücken rumlungern und sich den billigen Fusel in den Kopf schütten. Im Nachhinein habe ich dann gesehen, dass meine Umwelt sehr viel mehr von meiner Sucht bzw. meinem Trinkverhalten mitbekommen hat, als ich dachte/mir eingeredet habe/mir lieb war. Schließlich ist ja der Begriff „Alkoholiker“ in unserer Gesellschaft sehr negativ belegt. Also habe ich den Gedanken, einer zu sein, weit – sehr weit – von mir wegschoben (obwohl er im „Hinterstübchen“ schon ab und an mal aufblitzte).

    In den Selbsthilfegruppen trifft man Menschen, die dieselben bzw. sehr ähnliche Probleme haben/hatten.
    Jeder Einzelne hat zwar seinen eigenen Weg hinter sich – aber wir treffen uns ja, damit andere von unseren Erfahrungen profitieren können. Wenn in den Gruppen bestimmte „Regeln“ für die Zeit der Trockenlegung/ Trockenheit erzählt werden, so sollte man vorher wissen, dass diese kein MUSS, keine Dogmen sind, keine Allgemeingültigkeit haben. ABER: sie resultieren aus den Erfahrungen von Vielen, denen sie geholfen haben. Jeder, der in der Gruppe von seinen Problemen erzählt und von seiner Art, damit umzugehen, zeigt individuelle Möglichkeiten auf. Und wenn ich mir das anhöre, kann ich mich entscheiden, welche Möglichkeit für mich die Richtige wäre. Auch, wenn mich ein bestimmtes Problem an dem Tag, an dem es zur Sprache kommt, vielleicht nicht unbedingt tangiert – sollte ich mal die eine entsprechende Situation kommen, habe ich aber schon einmal davon gehört und ich kann mich daran erinnern, wie andere Menschen damit umgegangen sind.
    Die Hilfe der Selbsthilfegruppen besteht also meines Erachtens hauptsächlich darin, dass man sich – wie in einem Selbstbedienungsladen – der gesammelten Erfahrungen Anderer bedienen kann (sie aus der Gruppe „mitnehmen“), um seine eigenen Probleme zu bewältigen – ohne Alkohol. Aber auch in der aktiven Hilfe bei akuten Problemen.
    Eines erscheint mir aber noch sehr wichtig: In der Gruppe werden nicht nur Probleme besprochen – ein anderes wichtiges Thema sind natürlich auch die Erfolge, die erreicht wurden!

    Auf einer Internet-Seite (http://www.a-connect.de/shg.php) habe ich etwas – wie ich finde – sehr Treffendes gefunden:

    „Eine Selbsthilfegruppe ist mehr, als nur ein wöchentliches Treffen. Die Ziele sind:
    • aus der Verzweiflung herauszufinden und neuen Mut zu fassen
    • der Wunsch, sich selber in der Begegnung mit anderen Menschen kennenzulernen
    • Informationen zu bekommen
    • Unterstützung und Verständnis bei Menschen zu finden, die eine ähnliche Lebenssituation aus eigener Erfahrung her kennen
    • einen neuen Kreis von gleichgesinnten Freunden zu finden
    • gemeinsame Aktivitäten zu planen und durchzuführen“

    Aber warum soll ich nun regelmäßig eine Selbsthilfegruppe besuchen? Was bringt mir das?
    Nun, aus meiner eigenen Erfahrung heraus (und den Gesprächen mit vielen Menschen, sowohl in der Gruppe als auch bei Vorstellungen im Krankenhaus) weiß ich, dass der regelmäßige Gruppenbesuch mir hilft, „am Thema“ zu bleiben, mir in regelmäßigen Abständen meine „Problem“ bewusst zu machen, nicht leichtsinnig zu werden.
    Bereits vor meiner jetzigen Trockenzeit hatte ich eine Selbsthilfegruppe besucht. Aber als ich diese aus organisatorischen Gründen nicht mehr besuchen konnte, habe ich mir auch keine neue Gruppe gesucht – schließlich war ich ja der „Größte“, immerhin schon ein Jahr „trocken“ und ab jetzt schaffe ich es auch alleine! Pustekuchen! Nach ungefähr einem halben Jahr hing ich wieder an der Flasche. Und bis zum (hoffentlich) letzten Absprung hat es ganz schön lange gedauert und mich und meine Familie unheimlich viel Kraft gekostet.
    Und genau DAS (die Gruppenbesuche werden aus den unterschiedlichsten Gründen eingestellt – und dann dauert es meist nicht mehr lange bis zum Rückfall) höre ich bei Gesprächen sehr oft.

    Dann habe ich mir wieder eine Gruppe gesucht und auch gefunden, in der ich mich wohl fühle. Zumindest in der ersten Zeit war es hauptsächlich das schöne Gefühl sagen zu können: „Diese Woche habe ich nicht getrunken!“ Später, mit der Zeit, hat sich dann allmählich der Gruppenbesuch zu einem „Bedürfnis“ entwickelt, habe ich mich gefreut, die Leute wiederzusehen und mit ihnen zu reden. Okay – wir reden in der Gruppe nicht nur über Themen, die offensichtlich mit Alkohol zu tun haben. Aber auch Probleme auf Arbeit oder in der Familie können dazu führen, dass „die Flasche näher rückt“. Also muss man auch darüber reden, wie mit solchen Problemen umgegangen werden kann.
    Auch wenn „Neue“ in die Gruppe kommen und von ihrer Geschichte erzählen oder ihre Fragen stellen, u.a. zu möglichen weiteren Hilfen (Langzeittherapie ja/nein, wenn ja: Wo? Welche? Was passiert da überhaupt?) – alles das hält die Erinnerungen an das eigene Erleben wach und hilft, stets wachsam und nicht leichtsinnig zu sein.

    Aber auch denjenigen, die in die Gruppe kommen und eigentlich noch nicht so recht wissen, wo sie stehen, ob sie nur ein Problem im Umgang mit Alkohol haben oder vielleicht doch abhängig/Alkoholiker sind, kann die Gruppe bei der „Findung helfen. Auch ich konnte/wollte früher nicht wahrhaben, dass ich Alkoholiker bin. Bis ich es, nach etlichen langen Gesprächen in der Gruppe und den Gruppenfreunden doch einsehen/mir selbst eingestehen musste. Das tat weh – aber heute bin ich froh darüber. Denn nur so konnte ich etwas dagegen unternehmen. Schließlich haben wir mit unserer „Krankheit“ – im Gegensatz zu vielen anderen Krankheiten – Glück: Wir können unsere Krankheit zwar nicht selbst heilen, aber sie selbst stoppen!
    Die Frage, ob man nun Alkoholiker ist, kann einem übrigens niemand aus der Gruppe beantworten – dass muss man schon selbst „herausfinden“. Und dafür braucht man lediglich (wie leicht das klingt) Ehrlichkeit sich selbst gegenüber.

    Selbsthilfegruppen sind kein Allheilmittel
    Sie schützen nicht vor einem Rückfall! Denn sonst gäbe es ja keine Rückfälle mehr. Aber sie erleichtern den Kampf gegen die Sucht ungemein und helfen, einen Rückfall zu vermeiden. Sollte es doch einmal zu einem solchen Rückfall kommen –auch das geschieht leider hin und wieder -, kann man mit ihrer Hilfe wieder aufstehen und wieder weiter etwas gegen seine Sucht tun. Nichts tun hilft nicht!
    Es muss aber die „richtige“ Gruppe sein!
    Grundvoraussetzung ist jedoch, dass man sich nicht irgendeine, sondern eine „passende“ Gruppe sucht, in der man sich wohl fühlt, wo auch „die Chemie“ stimmt. Es gibt so viele unterschiedliche Formen von Selbsthilfegruppen: Monolog, Dialog, (von Therapeuten) angeleitete Gruppen, reine Betroffenengruppen … etwas Passendes sollte zu finden sein.

    Ich persönlich habe nach meiner letzten Entgiftung und dem Entschluss, nun endlich „Nägel mit Köpfen“ zu machen, 14 Tage lang jeden Tag eine andere Gruppe besucht und mich umgeschaut. Und dann habe ich mich entschieden. Für diese Entscheidung war es mir jedoch vollkommen unwichtig, wie sich der Verein nennt oder ob und welcher Konfession er angehört oder, oder, oder … Wichtig und entscheidend war lediglich, dass ich mich wohl und verstanden und gut aufgenommen/aufgehoben fühlte!
    Diese Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut. Und mittlerweile habe ich das Gefühl, wenn ich mal einen Gruppentermin - aus welchen Gründen auch immer – versäume, dass mir etwas fehlt.
    So soll es sein – und noch lange bleiben.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (28. Juni 2022 um 10:35)

  • Hallo Greenfox!

    Danke für diesen tollen und ausführlichen Beitrag von Dir! In Einigem was Du schreibst kann ich mich Selbst und auch eigene Beobachtungen wiederfinden. Er enthält auch persönliches von Dir und weiterhin viele Denkanstöße. Das Thema der SHG taucht hier immer wieder mal, auch in Anfragen von ´Neulingen´, auf. Ich bin mir sicher auch hier im öffentlichen Bereich wird der Thread auf Resonanz stoßen. Ich jedenfalls werde mir in den kommenden Tagen ebenfalls mal Gedanken dazu machen und diese sowie meine bisherigen Erfahrungen hier posten...

    Danke nochmal für Deine Zeilen,
    Alles Gute Dir!

    Land-in-Sicht

  • Selbsthilfegruppe – wozu brauche ich die eigentlich?

    Diese Frage habe ich mir auch oft gestellt und ich habe letztendlich keine zufriedenstellende Antwort darauf gefunden.

    Wenn es so ist, dass der Alkoholismus eine unheilbare Krankheit ist und der „trockene“ Alkoholiker sein Leben lang Gefahr läuft, sich in einen „nassen“ Alkoholiker zurückzuentwickeln, wenn er nicht permanent wie ein Luchs aufpasst und vor allen möglichen Fallstricken auf der Hut ist, haben Selbsthilfegruppen als Präventivmaßnahme ihren Sinn.

    Wenn die Grundannahmen zur Alkoholsucht nicht stimmen, sind Selbsthilfegruppen im besten Fall unnötig. Im schlimmsten Fall produzieren sie mit ihrem Gedankengut verängstigte und unsichere Menschen, die sich selbst nicht vertrauen können.

    So wie ich meinen Ausstieg aus Alkohol- und Nikotinsucht erlebte, basierte beides zum einen auf der Erkenntnis, dass der Konsum von Suchtmitteln zu einem unerträglichen Zwang führt, und zum anderen auf der (endgültigen) Entscheidung, mein Leben ab sofort selbstbestimmt zu leben. In diesem Leben können mir Alkohol und Nikotin nichts (mehr) geben.
    Ich erlebte dies als Tatsache, nachdem ich einmal dem Suchtdruck nachgab und eine Zigarette rauchte. Und um diese Tatsache komme ich nicht herum. Ich muss und darf zur Kenntnis nehmen, dass meine Zeit als Raucher und Säufer vorbei ist. Diese und sicherlich auch andere Suchtmittel können mir nichts (mehr) geben, weil sie mich stets in die Unfreiheit führen und so eine nicht zu akzeptierende Unzufriedenheit auslösen.

    Dieser letzte Satz gibt eine Erkenntnis wieder, die ebenso keine Veränderung zulässt wie bestimmte moralische Vorstellungen, die zu mir gehören.
    So wie ich mir nicht vorstellen kann, meine ureigenen moralischen Vorstellungen von der Meinung einer Gruppe abhängig zu machen, kann ich mir auch nicht vorstellen, meine Erkenntnis immer und immer wieder in einer Gruppe zu diskutieren. Ich möchte sie gern verbreiten, weil ich am eigenen Leibe erfahre, wie unglaublich schön es ist, einen jahrelang ertragenen Zwang nicht mehr spüren zu müssen.
    Aber dazu reicht mir dieses Forum.

    Katro

  • Das ist ja das Schöne - so viele Menschen, so viele Erfahrungen. Und ich freue mich (für Dich), wenn Dir dieses Forum reicht, um Deine Ziele (suchtmittelfrei zu leben) zu erreichen.
    Ich habe für mich feststellen müssen, dass dies mir nicht reicht/reichen würde. Also gehe ich zu meiner SHG.
    Mir ist klar, dass kein Weg eine Garantie bietet. Also nehme ich JEDE Hilfe an (von der ich der Meinung bin, sie könnte mir helfen).

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (26. Juli 2014 um 14:08)

  • Schade - hatte mir irgendwie mehr Resonanz erhofft ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo,

    ich kann für mich sagen, dass ich die SHG brauche und davon überzeugt bin, dass ich es alleine garantiert nicht schaffen würde. Ich habe sie im Herbst letzten Jahres schon besucht, als ich noch "gut drauf war mit Wein, Likör...". Vielleicht haben sie auch mit dazu beigetragen, dass ich mich entschloss aufzuhören und mich in Therapie zu begeben. Ich denke, nur Betroffene, die wissen wovon man redet, verstehen einen. Außenstehende können es nicht verstehen - wie auch? Nicht umsonst glaubt mein Bruder, ich sei als geheilt aus der Klinik entlassen worden. Er hat halt keine Ahnung. Ich versuchte es ihm zu erklären, aber ich glaube nicht, dass er es wirklich verstanden hat. Aber was soll's?

    Ich freue mich jeden Freitag aufs Neue auf meine Gruppe und bin gespannt, was sie berichten und freue mich für sie und mit ihnen wenn es ihnen gut geht und kann mir von ihnen Unterstützung holen. Ab und zu unternehmen wir auch in der Freizeit etwas miteinander (ca. alle 2 Monate).

    Ich glaube fest daran, dass es alleine - ohne die Unterstützung Gleichgesinnter - keiner schaffen kann.

    Mauka

  • Zitat

    ich sei als geheilt aus der Klinik entlassen worden


    Ja, das ist ein weit verbreiteter Trugschluß - bei den Nicht-Betroffenen. Aber Du hast Recht - woher sollen sie es auch wissen.
    Manchmal kommt dieses Thema auch in meiner SHG auf und wir kommen eigentlich immer zu dem Schluß, dass wir uns (als Alkoholiker) nicht zu wichtig nehmen sollten. Nur weil wir betroffen sind, muss sich nicht der Rest der Menschheit auch mit diesem Thema beschäftigen. Ich finde es ja schon okay, wenn es die nächsten Angehörigen tun (mehr oder weniger zwangsweise ;)).
    Hauptsache, wir sind am Thema/Ball und können uns gegenseitig unterstützen.

    Zitat

    Ich glaube fest daran, dass es alleine - ohne die Unterstützung Gleichgesinnter - keiner schaffen kann.


    So würde ich es nicht ausdrücken - auch wenn ich ebenfalls ein Verfechter von SHG bin. Aber ich kenne auch einige (wenige), die nach ihrem Austieg nie eine Gruppe besucht haben. Und wer weiss, wieviele ich nicht kenne ...
    Ich würde es vielleicht eher so ausdrücken: "... dass es alleine ... ungleich schwerer ist, es zu schaffen." Auf jeden Fall aber so: "... dass ich es alleine ... nicht schaffe."

    Auch für mich ist der Freitag ( :)) ein fester Bestandteil meines Lebens geworden. Wenn ich mal mehr als einmal nicht zur Gruppe kann, dann fehlt mir direkt etwas ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Greenfox,


    Manchmal kommt dieses Thema auch in meiner SHG auf und wir kommen eigentlich immer zu dem Schluß, dass wir uns (als Alkoholiker) nicht zu wichtig nehmen sollten.

    bei manchen "Trockenen" habe ich den Eindruck, dass sich ihr ganzes Leben nun nicht mehr um das Saufen dreht, sondern um die Abstinenz* . Das kann aber meiner Meinung nach auch nicht Sinn der Sache sein ;)

    LG
    Walker

    * wobei ich damit nicht dich meine :)

  • Die sind dann aber nicht "trocken", sondern "staubtrocken" :-\
    Und so möchte ich nicht werden - kenne auch ein paar dieser "Exemplare".
    Für die ist es ja schon ein Rückfall, wenn sagt, dass man früher mal ein "Bierchen" getrunken hat (wegen der Verniedlichung) ...

    Ich fühle mich als "zufriedener Trockener".

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo zusammen,

    da in der Therapie immer wieder die SHG empfohlen wurde, habe ich mich auch mit der Frage beschäftigt. Die (wenigen) Erfahrungen, die ich mit SHG gemacht habe, habe mich veranlasst darauf zu verzichten. Ich habe hier auch zuviele getroffen, die den Alkoholkonsum durch schon fanatischen Alkoholverteufelung ersetzt haben.

    Ich möchte dem Alkohol in meinem Leben keinen so großen Platz mehr einräumen.

    Die Alternative zur SHG ist nicht, wie in einigen Posts erwähnt, es alleine zu schaffen. Der übermäßige Alkoholkonsum hat zumindest bei mir u.a. zu einer Veränderung meines Selbstbildes und einer Veränderung meines Sozialverhaltens geführt. Um beides wieder zurechtzurücken, bin ich auf andere angewiesen, mit denen ich über mich reden kann, von denen ich mich verstanden fühle und die mir verbal oder nonverbal eine Rückmeldung zu meiner Person geben.

    SHG´s können diese Erwartungen erfüllen. Ich habe aber überwiegend verbiesterte Alkoholhasser oder missionierende Heilsprediger hier kennengelernt. Inhaltlich ging es meistens darum Situationen oder Produkte aufzuzählen, in denen der Feind Alkohol lauert. Oder, noch schlimmer, zu erzählen das man letzthin auf der goldenen Hochzeit von Oma (oder Besuch einer Gaststätte oder oder) kein Problem damit hatte keinen Alkohol zu trinken obwohl alle anderen getrunken haben.

    Dann erlebe ich mich lieber mit trinkenden oder nichttrinkenden Mitmenschen, die sich beim Skat über Fußball unterhalten, über Politik, Musik oder anderes was mich interessiert.

    Ich weiß, das ich auf soziale Kontakte angewiesen bin. Aber da ich ein soziales Umfeld habe, in dem ich mich als trockener Alkoholiker neu erleben und erfahren kann, muß ich mir das nicht bei einer SHG suchen.

    Wichtig ist nicht die SHG, wichtig sind die sozialen Kontakte. Und die SHG bieten nunmal eine Möglichkeit sich relativ schnell und einfach ein neues soziales Umfeld zu schaffen.

    Eine angenehme Nacht noch

    Pit

  • Toller Beitrag Pit. Direkt und Ehrlich!
    So habe ich das Forum kennen gelernt und so mag ich es…

    Ich teile Deine Meinung dass offene Gespräche mit sehr nahe stehende Menschen ebenfalls sehr hilfreich sind absolut. Ich habe ebenfalls das Glück dass ich da so meine ´Anlaufstellen´ habe, das geht leider nicht jedem so. Ich empfinde es mitunter für mich aber in manchen Situationen auch so, dass Verwandte oder enge Freunde schnell mal sagen: „Das machst Du alles ganz toll so!“ Das ist dann ja auch absolut lieb gemeint und soll auch Mut machen, aber selbst Betroffene haben in manchen betreffenden Bereichen doch mehr Erfahrungen und auch ganz andere ´Antennen´ mit denen sie manchmal förmlich spüren können wenn Jemand z.B. grad dabei ist sich selbst und andere zu ´verarschen´.

    Hier meine persönlichen top 3 Punkte zum Thema:


      [li]Ich lerne es erstmals mich nach außen hin über meine Problematik zu öffnen, meine Probleme zu kommunizieren. Sehr lange Zeit über (seit meiner frühen Jugend) haben nicht mal meine mir nahestehendsten Menschen über die Abgründe in meinem Inneren gewusst.[/li]
      [li]Ich kann, wenn mich konkrete Fragen bewegen diese in der Runde stellen und es findet sich eigentlich immer Einer oder gar Mehrere die diesbezügliche Erfahrungen oder Anregungen haben. So konnte ich mich z.B. eingehender über Therapieformen und –inhalte informieren, aber auch alltägliche Dinge finden meist Antwort.[/li]
      [li]Am Punkt meines Ausstieges vor etwa vier Monaten habe ich mir geschworen dass ich nun ALLES(!) mir mögliche dafür tun werde um wieder zu gesunden und ein suchtfreies und glückliches Leben führen zu können. Dazu gehört für mich auch nach Außen zu gehen und Hilfe anzunehmen. Immer wenn ich vorher doch mal keine rechte Lust habe zur Gruppe zu gehen erinnere ich mich an diesen Punkt und gehe dann fast immer doch hin. An solchen Abenden kann es durchaus mal sein dass ich in der Gruppe sitze und nur zuhöre und gar nichts weiter sage. Es ist aber für mich eine Art deutliches ´Zeichen´ an mich selbst dass ich dieses ´ALLES´, nun da es mir etwas besser geht dennoch nicht vernachlässige. Denn ich denke so würde ich meinen Ausstiegspunkt verwischen.
      [/li]

    Ich habe hier eine Gruppe gefunden die recht ´lebensnah´ ist. Es ist dort kaum dogmatisch sondern läuft eher in lockerem und offenem Gespräch ab.
    Ich weiß es natürlich jetzt noch nicht, aber ich denke dass der Besuch der SHG bei mir auch irgendwann mal in der Intensität nachlassen wird. Ganz aufgeben werde ich es aber glaub ich nie. Ich habe in dieser Form Hilfe erhalten als ich sie brauchte, und ich möchte zumindest versuchen einen Teil davon von mir aus zurückzugeben. Ich kenne aber z.B. einen älteren Herren, der geht selbst nach Jahren noch jede Woche(!) in die Gruppe. Das ist gut für Ihn und er hat auch immer sehr gute Ratschläge parat die er niemandem aufzwingt sondern preisgibt wenn er gefragt wird.

    Beste Grüße,
    LIS

  • Man, habe ich ein Glück mit meiner Gruppe :)

    Denn wenn ich das so bei Pit lese

    Zitat

    Ich habe aber überwiegend verbiesterte Alkoholhasser oder missionierende Heilsprediger hier kennengelernt.


    dann wird mir schlecht und ich kann ihn verstehen. Ich glaube, dann hätte ich auch keinen Bock mehr auf eine SHG...

    Aber genau deshalb "predige" ich immer wieder bei den Krankenhausvorstellungen: "Leute, schaut euch mehrere Gruppen mehrmals an - nicht jedes Gruppentreffen läuft gleich ab. Und entscheidet euch dann für eine Gruppe, wo ihr euch wohl und verstanden fühlt. Gebt nicht auf und sucht weiter, wenn ihr nicht sofort eine findet." Das "ganze Paket" muss stimmen - die Chemie zu den Leuten und das Konzept der Gruppe ...

    Ich habe damals aus mehreren Gründen aufgehört, meine damalige Gruppe zu besuchen und habe mir keine neue gesucht. Ich wollte es alleine schaffen - schließlich war ich ja auch schon über ein Jahr trocken und überhaupt der Größte und Schärfste. Und wo bin ich gelandet? Ziemlich schnell im Dreck.

    In meiner Gruppe läuft es ab wie bei LiS:

    Zitat

    Es ist dort kaum dogmatisch sondern läuft eher in lockerem und offenem Gespräch ab.


    Und deshalb fühle ichmich dort wohl. Das heisst noch lange nicht, dass diese Gruppe für jeden das Richtige wäre. Manche mögen eben mehr den Monolog, die Selbstgeisselung.

    Im Endeffekt ist es doch völlig egal, ob man eine Monolog-, Dialog- oder gar keine SHG besucht - Hauptsache ist doch, dass man etwas tut, etwas für sich tut! Und dadurch "trocken" bleibt - noch besser: "zufrieden trocken"!

    Oder??

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Greenfox, https://alkoholforum.de//index.php?act…0;last_msg=6394

    ich gebe Dir Recht mit der Aussage, das es notwendig ist sich mehrere Gruppen anzuschauen, damit man überhaupt die Möglichkeit hat die richtige Gruppe zu finden. Natürlich hilft diese Gruppe auch weiter. Nur wenn es aus räumlichen, zeitlichen oder sonstigen Gründen keine Gruppe gibt, dann ist es sinnvoll sich die Inhalte, Gefühle von Geborgenheit usw, die einem die Gruppe gibt, anders zu holen.

    Ich rate auch jedem sich unbedingt ein soziales Umfeld aufzubauen, das ihm das gibt. Es ist aber hilfreich zu wissen was man braucht und was eine SHG im Optimalfall leistet. Ich möchte nochmal betonen: keine SHG heißt nicht alleine den Weg zu gehen.

    Sondern keine SHG bedeutet:
    Ich muß mir ein soziales Umfeld suchen, das mir das Gleiche gibt, was mir eine (für mich optimale) SHG geben könnte.

    Vieles geht nicht alleine!!!! Nur die SHG´s sind nicht die einzige Möglichkeit sich neu sozial einzubinden und genau das zu bekommen was andere in SHG´s bekommen.

    Deswegen ist es sinnvoll, hier zu erfahren was andere an SHG´s gut finden und was an der SHG jedem weitergeholfen hat. Wenn jeder von uns weiß was er oder sie an sozialen Kontakten braucht, dann kann man das in SHG´s oder anderswo suchen.

    Die meisten von uns haben sich, durch die Folgen des Alkoholkonsums, auch im Sozialverhalten verändert, bis hin zur totalen sozialen Isolation. Die bloße Abstinenz schaftt keine sozialen Kontakte.

    Die Frage des Thread heißt: Selbsthilfegruppen - wozu eigentlich?

    Wenn wir über das "WOZU" reden dann ergeben sich eine Reihe von Dingen, die ich im Optimalfall in SHG´s finde, benennen. Ich erkenne mögliche Defizite. Diese Defizite können zum Teil nur in einem sozialen Umfeld beseitigt werden.

    Deswegen bin auch ich der Meinung: Alleine ist es verdammt schwer! Das haben wohl auch die meisten Forenmitglieder erkannt, sonst wären sie nicht hier.

    Was kann man also jemandem raten, der, aus welchen Gründen auch immer, keine passende SHG findet oder auch nicht finden will? Pauschal gesagt wäre das: Bau Dir ein soziales Umfeld auf, das Dir genau das gibt, was LiS und Greenfox, in SHG´s gefunden haben.

    Es wäre schön, wenn diese Diskussion dazu beiträgt, das herauszufinden.

    Einen lieben Gruß an einem verregneten Tag


    Pit

    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (29. August 2015 um 16:13)


  • Pauschal gesagt wäre das: Bau Dir ein soziales Umfeld auf, das Dir genau das gibt, was LiS und Greenfox, in SHG´s gefunden haben.

    Pit, ich verstehe was Du meinst.
    Aber ich habe ehrlichgesagt bisher noch garnicht dran gedacht mir in meinem direkten sozialen Umfeld nun Freunde zu suchen die ex-süchtig sind. Wenn das sich mal so ergäbe dann wäre das zwar auch gut so, aber eher Zufall.

    Wie ich schon erwähnt habe, ich habe zum Glück (zum Ende der Sucht hin minimiert aber dennoch) sehr empathiefähige Menschen um mich mit denen ich auch ausgedehnt sehr tiefgreifende Gespräche führen kann wenn ich das will. Ich denke aber dennoch dass Menschen die einmal eine Sucht durchlebt haben das ganze Thema nochmal von ganz anderer Seite her betrachten und man mit ihnen nochmal (zusätzlich) auf ganz anderen Ebenen Erfahrungen austauschen kann.

    Ich habe durchaus schon entstehende Freundschaften in SHG´s gesehen, habe sogar schon von gefundenen Partnerschaften gehört. Ich selbst habe bisher allerdings noch nie mit Jemandem aus der SHG mal Telefonnummer getauscht oder mich so mal auf ´nen Kaffee/Tee oder sonstwie privat mal getroffen... Hat sich einfach noch nicht ergeben.

    Aber ich bin eigentlich ein recht kontaktfreudiger Mensch und auch mein direktes soziales Leben wird durch meinen Ausstieg und meine derzeitige Problembewältigung enorm bereichert.

    Beste Grüße,
    Land-in-Sicht

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (9. Juli 2014 um 21:37)

  • Nachträgliche Anmerkung:


    Was kann man also jemandem raten, der, aus welchen Gründen auch immer, keine passende SHG findet oder auch nicht finden will? ... Es wäre schön, wenn diese Diskussion dazu beiträgt, das herauszufinden.

    @Pit
    ...ganz sicher tut sie das. Denn der von Dir angesprochene Punkt des ´sozialen Umfeldes´ ist ja durchaus ein wichtiger. Und es stimmt auch was Du sagst. Auch dort kann man im Idealfall die Dinge finden die man für die Suchtbefreiung braucht.

    SHG ist im Prinzip eine weitere angebotene Hilfe zur Selbsthilfe. Man kann diese annehmen, muss aber nicht. Sie ist keine Pflichtveranstaltung.


  • Ich habe sie im Herbst letzten Jahres schon besucht, als ich noch "gut drauf war mit Wein, Likör...". Vielleicht haben sie auch mit dazu beigetragen, dass ich mich entschloss aufzuhören und mich in Therapie zu begeben.

    Ich kann für mich sagen, dass meine erste Gruppe, die ich besuchte, "Schuld" ;) daran ist, dass ich erkannte, dass ich Alkoholiker bin - und heute trocken bin.

    Zu dem Besuch dieser Gruppe hatte mich damals mein Arbeitgeber verdonnert. Nicht, weil ich auffällig geworden bin, sondern weil bei einer ärztlichen Untersuchung festgestellt wurde, dass meine Leberwerte zu hoch waren. Da hiess es erst mal: "Kommen Sie in einem halben Jahr wieder - und trinken in dieser Zeit keinen Alkohol!" :-\ Habe ich natürlich nicht geschafft. Da haben sie mir nochmal 3 Monate Zeit gegeben - auch das habe ich natürlich nicht gebacken gekriegt. Also kam die Auflage, die firmeninterne Gruppe zu besuchen.

    Zu Anfang dachte ich noch wie eine kleine beleidigte Leberwurst: "Was wollen die denn von mir hier? Nur weil ich abends mein Bierchen trinke?" Nach einiger Zeit und diversen Gesprächen mit den Leuten da in der Gruppe dachte ich schon: "Was wollen die denn von mir hier? Nur weil ich abends meine 2-3 Bier trinke?" Einige Zeit später: "... Nur weil ich abends meine 5-6 Bier und ein paar Kurze trinke?" Irgendwann dann: "Ja, die haben Recht - ich habe ein Problem mit dem Alkohol." :-[ Und schließlich kam dann die Erkenntnis "Ja, ich bin Alkoholiker!" ;(

    Oh man - das tat weh! Das tat so scheiße weh, mir eingestehen zu müssen, dass ich Alkoholiker bin - man glaubt es kaum ...

    Aber: Das war der Anfang vom Ende - in positivem Sinne! Mit Hilfe der Jungs und Mädels habe ich mich dann um eine Therapie bemüht und sie auch bekommen.

    Bei mir hat's leider nicht gleich beim ersten Anlauf geklappt (siehe https://alkoholforum.de//index.php?topic=228.0).
    Aber das ich heute trocken bin, habe ich im Endeffekt doch dieser Gruppe zu verdanken ... 44.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Habe mal wieder ein wenig rumgeschnöckert und auf der Seite von A-Connect (http://www.a-connect.de/warumshg.php) einen Beitrag zu diesem Thema gefunden (Verfasser steht leider nicht da).
    Das spricht mir dermaßen aus der Seele, dass ich diesen Beitrag mal hier mit reinstellen möchte:

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (28. Juli 2014 um 08:51)

  • Hallo Greenfox

    Ich hab diesen Beitrag von dir doch erst jetzt gesehen, dachte zuerst du hättest deine andere Antwort an mich verlinkt.

    Denn über viele Sachen kann ich nicht mit anderen Leuten, die kein Suchtproblem haben, reden. Auch nicht mit meiner Frau oder meinen Verwandten. Denn die wissen und verstehen nicht, was ich meine, wenn ich z.Bsp. von „innerlicher Unruhe“, „Händeflattern“, „Trockenkotzen“ oder „Saufdruck“ rede. „Trink weniger! Hör doch einfach auf, zu trinken!“ Wenn das so einfach wäre – dann gäbe es keine Alkoholiker!

    Das kenn ich auch, wenn auch nur die innerliche Unruhe, ohne körperliche Symptome. "Saufdruck" kommt wohl auch noch irgendwann, war immer so bei den bisherigen Versuchen.

    Schließlich sind Alki’s ja die Leute, die völlig verdreckt und verwahrlost vor den Supermärkten, auf den Parkbänken oder unter den Brücken rumlungern und sich den billigen Fusel in den Kopf schütten.

    Das ist auch mein Bild von einem "richtigen" Alkoholiker.

    Also habe ich den Gedanken, einer zu sein, weit – sehr weit – von mir wegschoben (obwohl er im „Hinterstübchen“ schon ab und an mal aufblitzte).

    Das was so nicht stimmt, weiss auch ich. Trotzdem - bin ich eine? Oder an der Grenze? Spielt es überhaupt eine Rolle? Ich habs nicht im Griff, das habe ich endlich eingesehen.

    Aber warum soll ich nun regelmäßig eine Selbsthilfegruppe besuchen? Was bringt mir das?
    Nun, aus meiner eigenen Erfahrung heraus (und den Gesprächen mit vielen Menschen, sowohl in der Gruppe als auch bei Vorstellungen im Krankenhaus) weiß ich, dass der regelmäßige Gruppenbesuch mir hilft, „am Thema“ zu bleiben, mir in regelmäßigen Abständen meine „Problem“ bewusst zu machen, nicht leichtsinnig zu werden.

    Das wär mein Grund oder Hauptgrund überhaupt. Ausser jetzt in diesem Forum kenn ich keine anderen Leute, die ein Problem mit Alkohol haben. Und mich auch mal real Austauschen könnte.

    Ich persönlich habe nach meiner letzten Entgiftung und dem Entschluss, nun endlich „Nägel mit Köpfen“ zu machen, 14 Tage lang jeden Tag eine andere Gruppe besucht und mich umgeschaut. Und dann habe ich mich entschieden.
    Diese Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut. Und mittlerweile habe ich das Gefühl, wenn ich mal einen Gruppentermin - aus welchen Gründen auch immer – versäume, dass mir etwas fehlt.

    44. Und ich find das super, wie aktiv du das Problem angegangen bist. Und jetzt diese Gruppe sogar leitest.

    Danke für deine Gedanken,
    Lg Mira

  • Und hier ist noch ein Grund, warum ich SHG als (für mich) wichtig erachte:
    Momentan mache ich eine für mich schwierige Zeit durch (Trennung von meiner Frau, und damit sind ja auch die Kinder verbunden).

    Auch wenn es nicht direkt etwas mit Alkohol zu tun hat - aber durch die ganzen Probleme und den Stress rückt die Flasche ja doch ein Stück näher. Aber auch hier werde ich von der Gruppe aufgefangen. Ich kann mich "auskotzen" und kriege nicht nur theoretische Hilfe und praktische Tipps (sind ja schließlich genug Berufe in der Gruppe vertreten), sondern auch ganz konkrete Hilfe in Form von "helfenden Händen" beim Umzug.

    In meinem Eingangs-Post schrieb ich ja auch:

    Zitat

    In den Selbsthilfegruppen trifft man Menschen, die dieselben bzw. sehr ähnliche Probleme haben/hatten.
    ...
    Selbsthilfegruppen sind kein Allheilmittel

    Und dafür ist mein Problem von oben ein gutes Beispiel, dass dies nicht nur, aber auch, mit dem Alkohol zu verbinden ist:

    Von einem guten Gruppenfreund habe ich nützliche Tipps bekommen, da er auch gerade seine Trennung hinter sich hat.
    Und gestern hat er sich bei mir gemeldet, weil er selber Hilfe braucht: er hat den kürzlichen Hochzeitstag nicht "verkraftet" und hat wieder angefangen zu trinken ;(
    Aber unsere Gespräche in der Gruppe haben ihm auch den/einen Weg gezeigt: Hilfe suchen und annehmen!
    So hat er inzwischen über seinen Hausarzt eine Einweisung für eine Entgiftung, den Termin dafür hat er auch schon und da dieser erst in 3 Wochen ist, kommt er erst mal trotzdem weiter zur Gruppe. Auch wenn es ihm vielleicht schwer fallen wird, dort nüchtern hinzukommen:

    Zitat

    In den Selbsthilfegruppen trifft man Menschen, die dieselben bzw. sehr ähnliche Probleme haben/hatten.

    Wohl wahr - oft in mehrfachem Sinne ...

    Vielleicht ist das ja eine kleine Verdeutlichung aus dem "wirklichen Leben", was ich mit dem Thread hier ausdrücken möchte.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!


  • So hat er inzwischen über seinen Hausarzt eine Einweisung für eine Entgiftung, den Termin dafür hat er auch schon und da dieser erst in 3 Wochen ist, kommt er erst mal trotzdem weiter zur Gruppe.

    Neuer Stand: Er ist hartnäckig geblieben und hat - da er unbedingt aus der "nassen Phase" raus will - weiter rumtelefoniert.
    Mit Erfolg: Er kann am kommenden Montag (also übermorgen) bereits in einer anderen Klinik "einreiten" 44. :D

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!