• Hallo ihr Lieben,

    Ich melde mich mal wieder mit einem meiner seltenen Beiträge.
    Ich habe ja längere Zeit abstinent gelebt und leider wieder angefangen zu trinken. Zwischendurch hatte ich mal eine, zwei Situationen in denen ich kurz davor war, aber ich konnte mich immer irgendwie retten. Aber seit Corona...

    Ich konnte den Homeoffice-Stress mit den Kindern nicht anders bewältigen. Überhaupt die ganze Endzeit-Stimmung, die seit Mitte März herrschte belastete mich unfassbar stark. Ich hatte das Gefühl, dass in einigen Wochen die halbe Menschheit ausgestorben sein wird - meine Familie und ich sowieso. Was solls also?
    Ich begann wieder, in Gesellschaft mitzutrinken. Abends in Garten zum Grillen, hier und da mal.
    Überhaupt nicht vergleichbar mit meinen Trinkgewohnheiten vorher aber durchaus regelmäßig und auch zwischendurch mal mehr als ein Glas. Ich war nie wieder in der Situation, dass ich mich körperlich schlecht gefühlt habe, war nie verkatert, aber ich fühle mich jedes Mal seelisch so was von mies. Ich habe ein schlechtes Gewissen, grüble den ganzen Tag darüber nach ob ich doch schon einen körperlichen Schaden habe, könnte die ganze Zeit heulen. Mir ist klar, das ist es doch nicht wert!
    Aber: Ich hab das Gefühl ich krieg die Kurve nicht mehr.
    Ich habe mich die ganze Zeit in der ich abstinent war so gut gefühlt!
    Neulich saß ich im Auto und dachte: Okay, du hast so großen innerlichen Stress weil du gestern was getrunken hast, machst dir so einen Kopf, warum lässt du es nicht einfach? - Weil ich trinken WILL! Mein Problem ist nicht weg, es war die ganze Zeit da. Wie komm ich da jetzt raus? Beim ersten Mal habe ich vom einen auf den anderen Tag gesagt: Ende! Es reicht! Ohne Probleme. Aber jetzt gerade schaffe ich es nicht. Das Verrückte ist, aber das habe ich durchaus schon öfter gelesen oder gehört: Mein Umfeld reagiert total positiv darauf, dass ich "wieder normal" bin. Wir wussten, dass du kein echtes Alkoholproblem hast, sagte die Oma meines Mannes neulich. Mal ein Glas, das gehöre doch dazu usw.

    Vielleicht ist jetzt mal die Zeit für die reale Selbsthilfegruppe gekommen.
    Jedenfalls tat es schon einmal gut, das hier loszuwerden.

    Eure Lali

  • Hallo Lali,

    ich habe jetzt mal Deine alten Beiträge nachgelesen. Du bist ja irgendwann Mitte 2018 hier angekommen.

    Mir fallen dabei zwei Dinge auf und das will ich Dir jetzt einfach mal schreiben. Was Du dann damit machst ist natürlich Deine Sache.

    Also, erstmal fällt mir auf, dass Du m. E. ein ziemliches Problem mit Ängsten unterschiedlicher Art hast. Nachdem Du ja eine Riesenangst vor Folgeschäden Deiner Trinkerei hattest oder noch hast kommen jetzt noch Ängste dazu, dass Weltbevölkerung in Kürze coronabedingt ausgestorben sein könnte. Du nennst das ja selbst Endzeitstimmung. Vielleicht hast Du noch weitere Ängst über die Du hier noch gar nicht berichtet hast, es würde mich überhaupt nicht wundern.

    Falls Du denkst ich würde das ins Lächerliche ziehen wollen: Weit gefehlt - Du hast da was an der Backe was Du dringend behandeln lassen solltest. Und zwar mit allen Möglichkeiten und aller Kraft. Ich vermute das hier ein psychisches Problem vorhanden ist, welches Dich stark belastet und Dir auch einen Trinkgrund bietet.

    Zum Zweiten meine ich aus Deinen Zeilen heraus lesen zu können (korrigiere mich bitte wenn ich falsch liegen sollte), dass Du zwar eine ganz schön lange Zeit keinen Alkohol mehr getrunken hast, mehr jedoch nicht. Nun ist es ja mal eine absolut tolle Geschichte, wenn man lange keinen Alkohol mehr trinkt. Das dürften bei Dir ja dann irgendwas um die 2 (oder fast 3?)Jahre gewesen sein. Aber, wie viele langzeittrockene Alkoholiker immer sagen (und schreiben): Nur nicht mehr trinken reicht i. d. R. auf Dauer nicht aus.

    Meine Erfahrung ist, und die beruht zum Teil auf eigenen Erfahrungen und zum Teil auf Gesprächen mit anderen Betroffenen, dass man bei "nur nicht mehr trinken" an Situationen scheitert, die einen Stress bereiten. Also immer dann, wenn eine Situation eintritt die nicht "normal" ist und die z. B. eine besondere Belastung darstellt, dann greift man früher oder später zum bewährten Mittel: Und das ist bei uns Alkoholikern nun mal der Alkohol.
    Es müssen übrigens nicht immer nur die schlechten Situationen sein. Es können auch mal ganz besonders tolle Situationen oder Ereignisse sein, die einen Alkoholiker der "nur nicht mehr trinkt" wieder zurück zum Alkohol bringen können. Schließlich gibt's ja was zu Feiern und das tun wir Alkoholiker dann mit dem Mittel unserer Wahl und das ist: Bingo! Der Alkohol.

    Wie kannst Du das also ändern?

    Nun, jetzt gehts wohl erst mal darum, dass Du erneut mit dem Trinken aufhörst. Solange Du aktiv trinkst kannst Du nämlich gar nichts verändern. Gleichzeitig wirst Du Deine Angstphobie damit noch verstärken denn jetzt hat Deine Leber ja wieder richtig was zu tun.... Die große Frage ist natürlich ob Du überhaupt aufhören WILLST. Denn wenn nicht, dann trink einfach weiter. Das ist Dein gutes Recht und niemand kann Dich daran hindern.

    Du schreibst ja:

    Zitat

    Weil ich trinken WILL! Mein Problem ist nicht weg, es war die ganze Zeit da.


    Du scheinst es also zu wollen. Vielleicht hättetst Du in der langen abstinenten Zeit die Chance gehabt Dir Alternativen zum Alkohol zu erarbeiten. Das wäre dann mehr gewesen als einfach nicht mehr zu trinken. Ich schreibe Dir das jetzt nicht um meinen Finger in die Wunde zu legen oder zu sagen: Selber Schuld, hättest halt an Dir gearbeitet - nein, ich schreibe Dir das, damit Du bei einer Möglichen neuerlichen Trinkpause vielleicht einen anderen Weg gehst.

    Ich bin mir nur nicht sicher ob Du dazu (schon) bereit bist. Wenn Du bereit wärst, dann würdest Du nicht das hier schreiben:

    Zitat

    Vielleicht ist jetzt mal die Zeit für die reale Selbsthilfegruppe gekommen.

    Sondern Du würdest schreiben: ES IST jetzt mal die Zeit für eine reale SHG gekommen und ich habe auch bereits eine gefunden wo ich am xy hingehen werde.

    Ich schreibe Dir hier meine Meinung ganz ehrlich. Damit will ich Dich keinesfalls verletzen oder Dir zu nahe treten aber das ist eben genau das was ich gerade bei Dir heraus lese.

    Zitat

    Jedenfalls tat es schon einmal gut, das hier loszuwerden.

    Jetzt bist Du es los aber das wird Dir nicht helfen. Es wird nicht reichen. Wenn Du da wirklich raus und weg kommen willst, dann musst Du es kompromisslos wollen. Da wären wir dann wieder beim viel zitierten persönlichen Tiefpunkt angelangt. Vielleicht hattest Du einen solchen, wenigstens einen gefühlten, beim ersten mal. Wo es Dir dann recht leicht fiel und Du ja auch eine lange Trinkpause eingelegt hast. Vielleicht erreichst Du ihn ja bald wieder und kannst erneut aufhören.

    Wenn Du es schaffen solltest das Trinken wieder einzustellen, was ich Dir wirklich von Herzen wünsche, dann überlege Dir was Du daraus machst. Überlege Dir, ob Du nicht versuchst Deinen Trinkgründen auf die Spur zu kommen. Überlege Dir, ob Du dann nicht wirklich ganz tief in Deine Suchtgeschichte einsteigen möchtest um heraus zu finden warum Du das Zeug konsumieren wolltest. Und dann beseitige die Gründe. Einer könnte Deine Angst sein. Ich hatte eine Frau mit einer Angststörung (etwas anders ausgeprägt als bei Dir) und ihr hat ein Psychologe wunderbar geholfen. Sie ist dauerhaft geheilt. Aber sie wurde aktiv und sie wollte das los werden. Und sie hat es geschafft, bis heute.

    Also, wie gesagt, die Gründe weshalb man trinkt sind meist mehr als "weil ich Stress habe" oder "weil ich überfordert bin" oder "weil mir alles über den Kopf wächst" oder "weil ich ohne nicht so lustig sein kann" - das alles sind "nur" die einfachen, die offensichtlichen Gründe. Am geht es meist um Dinge die viel tiefer stecken und die eben dafür verantwortlich sind, dass man Stress nicht bewältigen kann, dass man gehemmt ist ohne Alkohol, etc. Natürlich trinkt man irgendwann dann weil man süchtig ist und es muss. Aber es gab immer auch einen ursprünglichen Grund dafür das man da überhautp hinein gerutscht ist. Und wenn man dann mal wieder draußen ist, dann ist es hilfreich diesen Grund (oder Gründe) zu kennen. Für die Zukunft. Ich hoffe Du vestehst was ich meine.

    Das wollte ich jetzt mal los werden. Vielleicht kannst Du damit was anfangen.

    Ansonsten wünsche ich Dir wirklich von Herzen, auch wegen Deiner Familie, dass Du ganz schnell wieder weg kommst von dem Zeug. Lass Dir damit keine Zeit, jetzt ist Deine abstinente Phase noch richtig präsent. Mach jetzt Nägel mit Köpfen. Hol Dir jetzt auch Hilfe von außen, also jenseits dieses Forum hier. Alles alles Gute von mir.

    LG
    gerchla

  • Hallo Gerchla,

    ich fürchte, du hast mit allem, was du schreibst uneingeschränkt Recht.
    Ich lese ja eigentlich immer still mit und es beeindruckt mich oft, was du für Beiträge schreibst. Auch in meinem Fall. Ich habe tatsächlich mit vielen Ängsten zu kämpfen und ich muss das angehen.
    Danke für deine Nachricht und die Zeit, die du dir dafür genommen hast!

  • Hallo Lali,

    Zitat

    ich fürchte, du hast mit allem, was du schreibst uneingeschränkt Recht.

    Ok, ich hatte Recht, das ist mir aber gar nicht wichtig. Ich möchte Dir einfach nur sagen: Steh auf und kämpfe! Erst mal kämpfen damit Du nicht weiter trinkst oder wieder tief hinein rutscht und dann klug handeln. Dann nicht einfach nur Tag für Tag ohne Alkohol überstehen sondern den Tag / die Tage ohne Alkohol nutzen um diese sch....ß Sucht dauerhaft los zu werden.

    Ich weiß ja nicht ob ich Dich mit meinen Zeilen überhaupt erreichen kann. Aber gib Dich nicht auf und schiebe auch nichts auf. Nicht "ich muss", nicht "ich müsste", kein "eigentlich müsste", NEIN, sondern "ICH WILL" und "ICH WERDE JETZT" und dann zieh es durch.

    Mir scheint ja auch, dass Du sogar ein gutes Umfeld dazu hast. Ich schreibe "sogar", weil das auch nicht selbstverständlich ist. Oft ist auch das Umfeld ein großes Problem. Bei Dir scheint es so als ob dieses Umfeld zu Dir steht, Dich unterstützt, etc. Worauf wartest Du noch?

    Es geht, man kann zufrieden und auch glücklich ohne Alkohol leben und das alles ohne ihn auch nur eine Sekunde zu vermissen. Auch, ich sage sogar, schon gar nicht in schwierigen Situationen. Kein Zweifeln wenn es einem mal richtig schlecht geht, kein Zweifel auch dann, wenn man mal auf einer ausgelassen Feier ist, einfach nie ein Zweifel. So erlebe ich das bei mir und so haben es mir auch schon viele andere erzählt. Das geht und das geht sehr gut. Es ist eben ein Weg und man muss daran arbeiten. Anfangs richtig viel, später dann eher punktuell. Und immer wieder geht es um die persönliche Entwicklung und darum für sich selbst Sorge zu tragen. Achte immer darauf das Du mit Dir im Reinen bist (in guten wie auch in besch**enen Zeiten), dann hat der Alkohol normalerweise keine Chance. Erst wenn Du beginnst zu zweifeln, wenn Du mit Dir selbst nicht mehr klar kommst, wenn Du Dich selbst überforderst, Dir zuviel abverlangst und nicht mehr achtsam gegenüber Dir selbst bist, dann steht er wieder vor der Türe. Das zu verhindern ist die Aufgabe. Und das geht ganz gut, wenn man mal das eigene Suchtverhalten verstanden hat und wenn man seinen Weg gefunden hat.

    Und bleib' hier doch auch erst mal ein bisl aktiver. Schreib' was Dich umtreibt, wie es Dir geht, welche Zweifel Du hast. Schreib und tausche Dich aus, immer wieder. Lass Dir helfen, such Dir auch anderweitig Hilfe. Es geht doch um nicht weniger als um Dein Leben. Du kannst es so oder so leben. Selbstbestimmt und frei oder fremdbestimmt durch die Sucht.

    Aber Du hast es doch verdient ein selbstbestimmtes Leben zu leben und am Ende wirst Du es Dir nicht nur selbst danken sondern Deine ganze Familie wird davon profitieren. Die können am allerwenigsten dafür und leiden am allermeisten.

    Also, aufstehen, Krone richten und Neustart!

    LG
    gerchla

  • Guten Morgen,

    ich denke mal, dass das Bewusstsein, dass es Zeit wird, schon in mir war, sonst hätte ich wahrscheinlich gestern gar nicht ins Forum geschrieben - denn die Reaktion, die man auf so eine Nachricht bekommt, ist ja vorhersehbar. Also, gestern habe ich wieder den Entschluss gefasst, abstinent zu leben.
    Es hätte im Zweifel tatsächlich nicht allzu lange gedauert und ich wäre wieder in meine alten Trinkgewohnheiten zurückgefallen.

    Jetzt habe ich die Chance, noch heile da raus zu kommen. Ich ergreife sie.

    Was mache ich diesmal anders, damit es nicht wieder nur eine lange Pause wird?
    Ich habe gestern Kontakt zu einer Psychologin aufgenommen, mit der ich nach den Sommerferien einen Gesprächstermin habe. Schon während des Telefonats sagte sie, das höre sich für sie nach generalisierter Angststörung an, was man aber gut in den Griff bekommen könne. Das Thema Alkohol muss dann auch auf den Tisch.

    Ich verfolge ein Podcast in dem die Verfasserin in einer der ersten Folgen sagte, sie habe eigentlich gar kein Problem gehabt, eine Bilderbuchkindheit, absolut kein Grund um irgendwie süchtig zu werden - der bloße Konsum habe das gemacht, denn Alkohol sei nun mal eine süchtig machende Substanz. Ja, dachte ich, ist so, auch ich habe ja "eigentlich" keine "größeren" Probleme. In der letzten Folge berichtete sie dann über Suchtverlagerung und dann war plötzlich eine Magersucht in der Jugend, noch eine Substanz - ich bin nicht sicher was genau es war..- ja, also da war offensichtlich doch noch was anderes los. Und so ist es bei mir natürlich auch.
    Ich habe nicht von ungefähr angefangen zu trinken. Ich wollte dieses leichte Gefühl. Und das ist es auch, was ich heute in den Situationen, in denen ich trinke bzw trank, haben wollte. Ich will entspannt sein und nicht so viel denken.

    Als ich das erste Mal aufhörte zu trinken war ich ehrlich schockiert über die Gespräche, die um mich herum geführt wurden. Ich konnte mit den Leuten nichts mehr anfangen. Das war immer dasselbe Bla Bla, in erster Linie wurde über andere geredet bzw getratscht. Ich hatte das als ich selber noch trank gar nicht bemerkt. Und plötzlich hatte ich keinen Bock mehr auf meine Freunde / Bekannte. Was doof war. Ich ging dann immer früher, hatte Kopfschmerzen, was auch immer. Am liebsten wäre ich zuhause geblieben. Ja, natürlich, ich weiß, dann muss man sich andere Freunde suchen, aber das ist ja alles nicht so leicht.
    Ich bin ja auch Mutter. Mein älteres Kind fordert mich von Anfang an sehr stark und ich habe meine Bedürfnisse immer untergeordnet, was glaube ich auch normal ist. Nichts trinken klappte bis auf vereinzelte Situationen, in denen ich mal drüber nachdachte wie es wäre wieder anzufangen, gut, also gabs da keinen Grund weiter Aufwand zu betreiben. Ich war ja so mit Kindern, Arbeit und Haushalt abends schon total erschlagen. Ich war froh wenn ich mich mal aufraffen konnte zum Sport zu gehen.

    Die Einschätzung, dass mein Unfeld mich unterstützt ist nur zum Teil richtig. Klar, als ich damals sagte, dass jetzt Schluss sei mit Alkohol, hatten alle plötzlich alkoholfreie Getränke für mich zuhause, also nicht nur Wasser sondern alle möglichen Säfte etc, aber eigentlich dachten alle, dass ich spinne. Selbst meine Eltern, denen gegenüber ich ganz ehrlich gesagt habe, was für Mengen ich in mich reingekippt habe. Ich glaube die dachten immer, dass ich total übertreibe weil sie selbst die Gefahr unterschätzen.

    In meinen Elternhaus wird übrigens auch regelmäßig Alkohol getrunken, deshalb hatte ich als Jugendliche auch gar kein Bewusstsein für die Schädlichkeit von Alkohol. Ich dachte immer, wenn Mama und Papa das machen ist das doch nicht weiter wild. Hört sich doof an, ich weiß.
    Meine Eltern sind beruflich sehr erfolgreich gewesen, haben viel Geld verdient und bei uns Zuhause wurden immer die teuersten Weine und dergleichen getrunken. Dass auch der natürlich krank und süchtig macht ist klar, aber ich habe Alkohol nicht als das wahr genommen, was er eigentlich ist.

    Das ist jetzt eine ganze Menge gewesen. Ich merke es tut gut zu schreiben, werde ich mal weiter machen.

    Eure Lali

  • Hallo Lali,

    Will mich nur kurz melden. Ich war heute den ganzen Tag unterwegs und hatte keine Gelegenheit Dir zu schreiben. Und jetzt bin ich platt! Ich werde Dir morgen schreiben, ich hab viele Gedanken zu dem was Du geschrieben hast. Und auch Parallelen zu mir.

    Aber eines will ich Dir gleich sagen: ich freue mich sehr dass Du noch da bist und dass Du nicht aufgibst. Ich freue mich wirklich sehr, obwohl ich Dich gar nicht kenne. Bis dann und

    LG
    Gerchla

  • Hallo Lali,

    ich mal wieder.

    Ich will mal versuchen meine Gedanken hier runter zu schreiben.

    Erst mal möchte ich Dir dazu gratulieren, dass Du den Entschluss gefasst hast Deinen Rückfall sofort zu beenden und dass Du gleich wieder in ein abstinentes Leben hinein finden möchtest. So ganz selbstverständlich ist das nämlich nicht, ich kenne einige Alkoholiker die nach einer längeren Trockenphase und erfolgtem Rückfall dann erst mal wieder ein paar Jahre getrunken haben. Und die allergrößte Anzahl derer mit Rückfall finden überhaupt nicht mehr zurück. Oft passieren diese Rückfälle ja in den ersten Wochen oder Monaten des abstinenten Lebens. Da kann man zwar streiten ob das dann ein Rückfall war oder "nur" die Beendigung einer Trinkpause aber wenn Du Dir dazu mal die offiziellen Zahlen ansiehst, dann siehst Du, dass es erst mal recht wenige sind die es schaffen dauerhaft ein Leben ohne Alkohol zu leben. Und dabei waren es ja schon sehr wenige, die das überhaupt erst mal versucht haben. Das zeigt auch einfach nur, wie gefährlich und schwer diese Krankheit eigentlich ist.

    Und es ist eben auch so, dass viele langzeittrockene Alkoholiker es nicht aufs erste Mal geschafft haben. Deshalb bezeichnet man unsere Krankheit auch oft als "Rückfallkrankheit", weil der Rückfall eher die Regel ist als die Ausnahme. Mir persönlich gefällt diese Bezeichnung nicht sonderlich, denn sie impliziert für mich, dass ein Rückfall quasi dazu gehört. Und das stimmt nun aber auch nicht. Aber, und das ist das was ich Dir eigentlich sagen möchte: Wenn Du jetzt daraus lernst, dann kannst Du bald zu der Gruppe gehören, die nach einem Rückfall ein dauerhaft abstinentes Leben erreicht haben. Und das sind gar nicht so wenige.

    Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass Du Dich damit beschäftigst warum es dazu gekommen ist. Und mit dem was Du geschrieben hast, auch die Tatsache das Du bereits einen Termin bei der Psychologin vereinbart hast, gehst Du genau in diese Richtung. Vielleicht hast Du das jetzt also auch einfach nochmal gebraucht um wirklich Deinen Weg finden zu können. Die Zeit wird es zeigen.

    Ich will noch auf ein paar Dinge direkt eingehen:

    Zitat

    Schon während des Telefonats sagte sie, das höre sich für sie nach generalisierter Angststörung an, was man aber gut in den Griff bekommen könne. Das Thema Alkohol muss dann auch auf den Tisch.


    Schau mal, Du wurdest aktiv und schon tut sich da was. Erst mal hast den Termin, auch wenn es noch lange hin ist (war bei mir übrigens genauso) und dann bekommst Du auch gleich noch eine positive Aussage mit auf dem Weg, nämlich "kann man gut in den Griff bekommen". Na also, dann freu Dich drauf, wenn Du Deine Ängste los wirst und auch weiter ohne Alkohol lebst wirst Du ein anderer Mensch sein. Es wird Dir viel viel besser gehen und wenn es Dir wirklich gut geht, dann wird der Alkohol an Bedeutung verlieren. Ich meine das mit "gut geht" nicht so, dass immer um Dich herum die Sonne scheinen muss. Nein, ich meine es grundätzlich im Sinne "im Reinen mit Dir sein".

    Zitat

    Und so ist es bei mir natürlich auch.
    Ich habe nicht von ungefähr angefangen zu trinken. Ich wollte dieses leichte Gefühl. Und das ist es auch, was ich heute in den Situationen, in denen ich trinke bzw trank, haben wollte. Ich will entspannt sein und nicht so viel denken.


    Und siehst Du, sich damit zu beschäftigen, das meine ich mit "Trinkgründe" finden. Warum willst Du dieses leichte Gefühl? Oder besser: was verhindert denn aktuell das Du dieses leichte Gefühl nicht auch ohne Betäubung spüren kannst? Oder, kannst Du dieses leichte Gefühl auch mit anderen Mitteln (ich meine jetzt aber nicht Drogen, gell ;) ) erreichen. Und woher kommt das eigentlich alles, wann ging es los, was könnten die Auslöser gewesen sein?

    Und warum willst Du nicht soviel denken? Was sind das denn dann für Gedanken vor denen Du Angst hast? Warum hast du vor denen Angst? Was müsstest Du denn tun um diese Gedanken (oder Ängste) zu beseitigen? Ist da irgendwas in Deinem Leben mit dem Du seit Jahren lebst das da eigentlich gar nicht hin gehört? Das Du eigentlich gar nicht willst? Aber Dir fehlt die Kraft (oder Du hast Angst davor) es zu beseitigen?

    Bitte mir hier nicht auf diese Fragen Antworten. Das sind nur fiktive Fragen von mir die Dich zum Nachdenken anregen sollen. Denn ähnliche Gedanken waren es, die ich mir (im Rahmen meiner damaligen Probleme) auch gemacht habe. Und auf Frage folgte Frage und so gings immer tiefer. Und irgendwann kamen dann auch die Antworten. Und die Lösungen.

    Am Ende stellte ich mir dann auch viele Sinnfragen: z. B. was ist denn für mich der Sinn des Lebens? Wer will ich denn eigentlich sein? Wer war ich und was hat mir daran so gestört. Wie kann ich das ändern? Etc. da wird's, das gebe ich zu, dann auch mal ein wenig philosophisch. Und diese Fragen kamen bei mir eher gegen Ende meiner Aufarbeitungsphase, als die akuten Geschichten schon erledigt waren. Aber ich bin wirklich froh, dass ich sie mir gestellt und auch beantwortet habe.

    Zitat

    Als ich das erste Mal aufhörte zu trinken war ich ehrlich schockiert über die Gespräche, die um mich herum geführt wurden. Ich konnte mit den Leuten nichts mehr anfangen. Das war immer dasselbe Bla Bla, in erster Linie wurde über andere geredet bzw getratscht. Ich hatte das als ich selber noch trank gar nicht bemerkt. Und plötzlich hatte ich keinen Bock mehr auf meine Freunde / Bekannte.


    Das ist erschütternd, gell? Da merkt man erst mal was da eigentlich ab geht und das man da selbst ja genauso war. Ich kann diese Erfahrung nur bestätigen. In solchen Momenten dachte (und denke) ich mir oft scherzhaft: Das kann man ja nur besoffen ertragen - oder eben die Veranstaltung verlassen. Aber, wenn Du diesen Weg wirklich konsequent gehst und eben vielleicht auch ein wenig anders gehst als beim ersten Mal, dann wird sich Dein Umfeld langsam verändern. Es MÜSSEN diejenigen wegfallen, bei denen das gemeinsame Trinken der Hauptgrund für ein Treffen oder eine Freundschaft war. Und wenn Du das jetzt der Freundschaft zuliebe alles aufrecht erhalten hast, obwohl es Dir ja nicht gefallen hat, dann war das wirklich falsch. Und klar, Du hast irgendwelche Krankheiten vorgetäuscht oder anderweitige Ausreden gebraucht. ABER: genau das verhindert doch, dass Du mit Dir ins Reine kommst. Es stresst einfach nur, es belastet und es verschafft ein schlechtes Gewissen. Alles nicht gut für den Seelenfrieden eines Alkoholikers. Meine Erfahrung war, dass es bestimmte Veränderungen braucht. Vor allem ist es aber wichtig, dass man nur das tut, was einem selbst auch gut tut. Ganz besonders in der Anfangszeit. Da sind wir wieder bei diesem "gesunden Egoismus". Den braucht es wirkich und der hat nichts dem klassischen Egoisten zu tun.

    Denn oft ist es bei uns Alkoholikern so, dass wir es recht machen wollen. Warum auch immer, vielleicht weil wir ein permanent schlechtes Gewissen aufgrund unseres Trinkens (=Versagens) haben. Ich habe die Erfahrung gemacht das es enorm wichtig ist zu sagen was man will und was man nicht will. Ohne Ausreden. Und wenn man ein paar mal deutliche (ich spreche aber ausdrücklich nicht von verletzenden) Worte gesprochen hat, dann verändert sich das Umfeld automatisch. Wenn Du sagst "ich möchte nicht mit Euch ausgehen weil ich selbst keinen Alkohol mehr trinke und es nicht schön für mich ist Euch beim Trinken zuzusehen" dann wirst Du merken was passiert. Entweder es kommt ein: oh , war uns gar nicht bewusst. Wir legen viel Wert auf Deine Gesellschaft und verzichten selbst gerne auf Alkohol" oder es kommt was in Richtung "Spaßbremse" oder was in Richtung "echt? warum denn, so viel trinkst Du doch gar nicht, blablabla". Echte Freunde oder einfach auch nur Menschen mit etwas Bewusstsein werden einfach akzeptieren dass Du nicht mehr trinkst und werden sich Dir gegenüber auch entsprechend verhalten. Andere werden aus Deinem Umkreis verschwinden. Und neue Freunde suchen muss man sich auch nicht unbedingt. Durch veränderte Interessen und veränderte Gewohnheiten können die auch einfach so kommen.

    So jedenfalls meine Erfahrung. Und am Ende ist es dann normal, dass Du nicht mehr trinkst. Keiner spricht Dich mehr an, niemand nimmt Anstoss daran.

    Außer vielleicht:

    Zitat

    In meinen Elternhaus wird übrigens auch regelmäßig Alkohol getrunken, deshalb hatte ich als Jugendliche auch gar kein Bewusstsein für die Schädlichkeit von Alkohol. Ich dachte immer, wenn Mama und Papa das machen ist das doch nicht weiter wild. Hört sich doof an, ich weiß.
    Meine Eltern sind beruflich sehr erfolgreich gewesen, haben viel Geld verdient und bei uns Zuhause wurden immer die teuersten Weine und dergleichen getrunken. Dass auch der natürlich krank und süchtig macht ist klar, aber ich habe Alkohol nicht als das wahr genommen, was er eigentlich ist.

    und

    Zitat

    Selbst meine Eltern, denen gegenüber ich ganz ehrlich gesagt habe, was für Mengen ich in mich reingekippt habe. Ich glaube die dachten immer, dass ich total übertreibe weil sie selbst die Gefahr unterschätzen.

    Das liebe Elternhaus. Oft eine ganz besondere Herausforderung. Übrigens auch bei mir. Hier hast Du ja schon wieder einen Ansatzpunkt für Dein Trinkverhalten. Und wenn Du noch ein wenig tiefer gräbst, findest Du dort vielleicht noch mehr. Und vielleicht sogar die Auslöser Deiner Angststörung. Und das alles ohne das Deine Eltern fürchterlich schrecklich Eltern gewesen sein müssen. Vielleicht haben sie einfach nur "vergessen" Dir ein paar Dinge mit auf den Weg zu geben. Vielleicht hat einer der beiden selbst ein Problem gehabt (bezüglich Angst) und hat Dich geprägt, wie sie es wohl auch im Bezug auf Alkohol getan haben. Vielleicht haben sie Dir in entscheidenden Phasen Deines Lebens einfach die falschen Antworten gegeben oder etwas falsches vorgelebt. Ich schreibe das alles ohne Vorwürfe. Ich bin selbst mehrfacher Papa und ich mache sicher auch nicht alles richtig, mache Dinge falsch obwohl ich das gar nicht möchte und vielleicht noch nicht mal merke.

    Du merkst schon, mein Geschreibe kommt nicht von ungefähr. Diesbezüglich bin ich bei mir und meinem Verhältnis zu meinen Eltern recht tief eingestiegen. Was ich heute dazu sage: Meine Eltern sind meine Eltern und ich weiß das sie mich lieben. Und ich liebe sie. Auch wenn sie meine Sucht oft komplett ignorieren und nicht in der Lage sind mit mir darüber zu sprechen. Auch wenn mein Vater nach wie vor ein kritischen Trinkverhalten an den Tag legt und es ihm völlig wurscht ist ob ich daneben stehe oder nicht. Sie leben ihr Leben und ich glaube zu sehen, dass sie glücklich miteinander sind. Ich grenze mich ab wenn es sein muss und ansonsten habe ich einfach meinem Frieden geschlossen. Und ich versuche sie nach Besuchen immer so zu verlassen als ob es der letzte Besuch gewesen wäre. Ein paar Jahre haben sie ja jetzt auch schon auf dem Buckel und mir ist es wichtig immer meinen Frieden mit ihnen geschlossen zu haben. Denn irgendwann wird mal der Moment kommen wo ich das nicht mehr nachholen könnte, auch wenn ich noch so gerne möchte.

    So, ich hoffe es ist was für Dich dabei. Bleib konsequent! Lass Dich jetzt nicht mehr aus der Bahn werfen. Wenn Du erst mal in Behandlung bist, wenn Du erst mal richtig an Dir arbeitest, dann wirst Du auch spüren wie Du voran kommst. Eventuelle Rückschläge sind nicht ausgeschlossen (ich kam z. B. mit meinem Psychologen nicht zurecht), aber dann ist es wichtig weiter zu gehen und andere,neue Wege zu finden. Aber soweit bist Du noch nicht. Eines nach dem anderen. Du machst keinen Sprint, das ist ein Langstreckenlauf.

    Alles alles Gute und bis bald mal.

    LG
    gerchla

  • Lieber Gerchla,

    dankeschön für deine aufbauenden Worte!

    Ich wollte eigentlich heute noch schreiben aber ich merke, dass ich doch ganz schön müde bin - verschiebe ich lieber auf morgen.

    Aber eins kann ich sagen: Alleine der Umstand, dass ich eine Entscheidung getroffen habe, erleichtert mich total.

    Liebe Grüße
    Lali

  • So.

    Ich bewege das alles schon länger in meinem Kopf, das Verhältnis zu meiner Mutter, meine eigene Rolle als Mutter, den nicht besonders guten Start in diese Rolle - es ging mir nach der Geburt meines ersten Kindes gesundheitlich sehr schlecht.

    Worüber ich mich wirklich wundere ist, dass ich gar kein so großes Problem damit habe, dass ich einen Rückfall hatte. Eigentlich bin ich ja der Typ, der alles gedanklich bis ins Kleinste zerlegt und zergrübelt.
    Überhaupt bin ich ein Mensch, der immerzu denkt. Mein Kopf ist immer in Bewegung, was wirklich kein Geschenk ist.
    Gestern habe ich zwei Stunden mit meiner Tochter Perlen aufgezogen, ich denke, das könnte mein neues Hobby werden. In dem Moment bin ich echt mal zur Ruhe gekommen.

    Ich wünschte ich könnte auch sagen, dass ich Frieden mit meinen Eltern oder eigentlich mit meiner Mutter geschlossen habe. Es ist teilweise ein schwieriges Verhältnis, was glaube ich auf ganz frühen Erfahrungen beruht. Meine Mutter hatte nach meiner Geburt eine Wochenbettdepression. Es gibt Fotos von ihr, wie sie mich im Arm hält und tieftraurig guckt. Das trifft mich schon, wenn ich das sehe, auch wenn ich weiß, dass weder sie noch ich etwas dafür kann.
    Aber ich weiß halt auch, dass ein schwieriger Start in die Mutter-Kind-Beziehung Auswirkungen auf die Gefühle der Mutter zu ihrem Kind hat.
    Und es tut mir weh zu sehen, was für ein inniges Verhältnis meine Mutter zu meinen Geschwistern hat.

    Mein jüngerer Bruder kam zu früh zur Welt und musste eine Zeitlang im Brutkasten liegen. Meine Mutter fuhr natürlich jeden Tag zu ihm. Ich wurde von der Oma oder der Nachbarin betreut. Wieder ist das nichts, was man jemandem zum Vorwurf machen kann, aber das macht natürlich auch Eindruck auf ein zweijähriges Mädchen.

    Ich fühle mich fast schon schlecht, dass ich da ein Thema von mache angesichts der vielen Menschen hier und überall, die wirklich furchtbare Erlebnisse in ihrer Kindheit hatten, was ich definitiv nicht hatte. Dennoch habe ich immer so ein Gefühl in mir, dass ich nicht richtig bin. Das konnte ich als Kind nicht greifen. Ich war halt immer entweder nicht genug oder zu viel.
    Ich denke schon, dass meine Mutter mich liebt, ich bin ja ihr Kind, aber ich fühle das häufig nicht . Ich weiß nicht, ob ich da übertreibe bzw. über-empfindlich bin.
    Ein Bespiel, das ich nenne um zu verdeutlichen was ich meine:
    Ihre Reaktion darauf, dass ich erzählte, dass ich ein Problem mit Alkohol entwickelt habe und ab jetzt abstinent leben möchte war nicht "ach du meine Güte, gut, dass du das so machst, wir unterstützen dich natürlich" sondern "ach du meine Güte, pass bloß auf, dass du den armen Franz (mir fällt grad kein besserer Name für meinen Mann ein) nicht damit nervst. Nicht, dass du ihm das jetzt madig machst wenn er mal was trinken möchte".
    Das hat mich irgendwie getroffen weil ich dachte: Hey, was ist denn jetzt wichtig für dich? ICH ja wohl jedenfalls nicht!
    Aus Außenstehender würde man aber wahrscheinlich denken: Meine Güte, was ist denn daran so schlimm? Stell dich doch nicht an! Für mich ist es aber ein Stich.
    Während ich das hier schreibe denke ich: Na und? Ist doch egal was ein Außenstehender denkt! Darum geht's ja gar nicht. Wenn ich das so fühle dann ist es für mich wahr und nicht übertrieben.

    Ich bin wirklich guter Hoffnung und deine Worte , Gerchla, verstärken das, dass mir die Aufarbeitung dieser Themen helfen werden auf meinem Weg.

    Lali

  • Liebe Lali,

    ganz lieben Dank für Deine offenen Zeilen.

    Schau mal, schon jetzt kommst Du der "ganzen Angelegenheit" immer näher. Schon jetzt sieht man auch ohne psychologische Ausbildung, dass da was vergraben liegt was wahrscheinlich mal ausgegraben werden muss um es dann beseitigen zu können. Dauerhaft.

    Und genau da will ich mich jetzt auch zurück halten. Ich will Dir keine schlauen Ratschläge geben, denn ich denke das ist die Aufgabe von jemanden, der davon auch wirklich was versteht. Aber diesen Termin hast Du ja bereits vereinbart. Und hier wird dann wahrscheinlich ein Termin den nächsten ergeben. Wichtig ist aus meiner Sicht erst mal nur, dass Du offen bist. Damit meine ich, dass Du dazu bereit bist Dir helfen zu lassen und dass Du Hilfe willst und suchst. Wenn Du dann noch darüber im Klaren bist, dass diese Hilfe von außen trotz allem immer "nur" einen Anstoss geben kann, dass es dabei also quasi um Hilfe zur Selbsthilfe handelt und Du auch selbst an Dir arbeiten musst, dann wirst Du das schaffen. Ganz bestimmt, ich lese Dich wirklich als sehr reflektiert und klar. Ich glaube Du bringst alle Voraussetzungen mit.

    Noch ein paar Gedanken zu Deinen Zeilen:

    Zitat

    Ich fühle mich fast schon schlecht, dass ich da ein Thema von mache angesichts der vielen Menschen hier und überall, die wirklich furchtbare Erlebnisse in ihrer Kindheit hatten, was ich definitiv nicht hatte. Dennoch habe ich immer so ein Gefühl in mir, dass ich nicht richtig bin.

    Es ist klar, dass Du Dich nicht schlecht fühlen brauchst. Das weißt Du auch. Man muss sich nicht dafür schlecht fühlen, weil man keine schlechte Kindheit hatte. Man kann vielleicht dankbar sein das es so war. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein. Aber der zweite Satz, dass Du das Gefühl hast Du wärst nicht richtig, das ist der Satz der es eigentlich so richtig in sich hat. Denn das ist ein Gefühl, dass Dein Leben, vor allem Dein Denken und Dein Handeln extrem beeinflussen wird. Da bin ich mir sicher. Da musst Du ran. Das muss weg. Ich wiederhole mich wenn ich sage, dass es dafür Menschen gibt die etwas davon verstehen. Mit diesen zusammen wirst Du das hinbekommen.

    Zitat

    Ich weiß nicht, ob ich da übertreibe bzw. über-empfindlich bin.


    Das spiegelt Deine Selbstzweifel wider. Das geht auch in die "ich bin nicht richtig"-Richtung. Da hängt alles mit allem zusammen. Und am Ende dann auch Deine Angstörung und ganz hinten dran dann auch Deine Suchterkrankung. Wichtig ist, dass Du jetzt nicht mehr trinkst. Denn selbst wenn Deine Suchterkrankung aus all diesen psychischen Belastungen heraus entstanden ist, so kannst Du diese psyschischen Belastungen (und damit den eigentlichen Grund für Dein Trinken) nur beseitigen wenn Du nicht aktiv trinkst. Daran scheitert es oft. Menschen trinken z. B. weil sie unter Depressionen leiden und je länger sie trinken desto schlimmer werden die Depressionen und desto tiefer rutschen sie in die Sucht. Um die Depressionen effektiv bekämpfen zu können müssten sie aber erst mal mit dem Trinken aufhören, also ihre Sucht (wenigstens mal temporär) besiegen. Das schaffen aber viele nicht, weil die Sucht sich bereits manifestiert hat und sie keine andere Möglichkeit sehen als gegen die Depressionen anzutrinken.

    Also nur mal so ein Beispiel. Ich glaube darüber musst Du Dir keine große Sorgen machen. Wichtig ist nur, dass Du Dir ganz darüber im Klaren bist, dass Du Deine psychischen Probleme nur aufarbeiten kannst, wenn Du abstinent lebst. Und ich bin mir sicher, dass sich damit auch die Aussicht auf einer dauerhaftes Leben ohne Alkohol für Dich erheblich verbessert. Und Dir nicht mehr das passiert, was Dir jetzt passiert ist. Weil Du nämlich eine Riesenbelastung von Dir genommen hast. Das wird dauern, sei Dir darüber im Klaren. Aber dieser Weg lohnt sich sowas von.

    Zitat

    Ihre Reaktion darauf, dass ich erzählte, dass ich ein Problem mit Alkohol entwickelt habe und ab jetzt abstinent leben möchte war nicht "ach du meine Güte, gut, dass du das so machst, wir unterstützen dich natürlich" sondern "ach du meine Güte, pass bloß auf, dass du den armen Franz (mir fällt grad kein besserer Name für meinen Mann ein) nicht damit nervst. Nicht, dass du ihm das jetzt madig machst wenn er mal was trinken möchte".


    Naja, weißt was meine Mama damals zu mir gesagt hat als ich mich geoutet habe: "Da kommt der Christian durch" - Erklärung: Christian war mein Opa ihr Vater. Der war Alkoholiker aber trotzdem mein Lieblingsopa. Sie sagte diesen Satz obwohl ich ihr vorher sozusagen erzählt habe, dass meine Welt jetzt in Trümmern liegt. Dass ich mich von meiner Frau, Ihrer Schwiegertochter, trennen werden, dass damit meine Kinder ihren "Papa" verlieren und dass ich nicht weiß, wie das jetzt alles weiter gehen soll.

    Ach, und wenn Du denkst darauf folgten dann aber doch noch tiefgreifendere oder ernstere Gespräche dann hast Du weit gefehlt. Sowohl meine Mama als auch mein Papa haben versucht möglichst schnell das Thema zu wechseln. Für mich war das damals ja ein Gang nach Canossa. Ich war bis dahin ja der treusorgende, heldenhafte Superfamilienvater der nebenher noch eine super Karriere gemacht hat. Am Ende war ich aber nichts anderes als ein über 10 Jahre langer Heimlichtrinker der seine Familie belogen und betrogen hat und der die letzten Jahre ein fürchterliches Doppelleben führte.

    Aber für mehr als diesen Spruch hat es nicht gereicht. Nun, ich hatte damit zu kämpfen. Es beschäftigte mich immer wieder. Ich hätte auch Kritik oder Vorwürfe verkraftet, irgendwas halt. Und auch später, wenn mir mein Vater erklärte das die Soße zum Braten von ihm mit Rotwein "verfeinert" wurde und ich sagte: äh, aber Du weißt doch das ich...." und er das komplett ignorierte, bekam ich immer wieder mein Päckchen mit. Heute sage ich, sie können es einfach nicht anders. Und einer meiner Trinkgründe war z. B., dass ich nie gelernt hatte mit Problemen umzugehen. Denn bei uns gab es keine Probleme weil es keine zu geben hatte. Versehst Du? Sie können gar nicht anders, sie wollen nichts böses.

    Aber ich denke, liebe Lali, auch dazu wirst Du Hilfe erhalten. Auch das wirst Du aufarbeiten können. Mit entsprechender Hilfe. Du kannst das alles für Dich lösen, wenn Du es nur willst und dazu bereit bist. Und das wird Dich zu einem neuen, zu einem anderen Leben führen. Ein besseres für Dich. Davon bin ich überzeugt.

    Alles alles Gute für Dich!

    LG
    gerchla

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