Meine Freundin trinkt und ich leide sehr darunter...

  • Ich habe mich angemeldet, damit ich hoffentlich Hilfe bekomme.

    Folgende Situation:
    Ich bin mit meiner Freundin zwei Jahre zusammen, als wir uns kennengelernt haben, war mir bekannt das Sie getrunken hatte (das will auch ganz klar sagen).
    Aber seit 8 Monaten hat sich die Situation sehr verschlimmert. Sie trinkt den ganzen Tag ununterbrochen. Sie fängt morgens an und trinkt 4 Dosen Bier 0,5 l , dann am Nachmittags geht es mit Sekt oder Wein los 1 Flasche und Abends nochmals das gleiche, manchmal auch nur noch die halbe Flasche. An manchen Tagen nachmittags Likör 1 Flasche. Oder die Wodka Mischgetränke in Dosen. Das sind für mich Mengen zwischen von jenseits Gut und Böse.
    Ich liebe meine Freundin sehr und wünsche mir das Sie vom Alkohol wegkommt. Sie war schon dreimal in einer Entgiftung und wurde jedes Mal wieder rückfällig (Zweimal zuvor als wir zusammen waren).
    Ich komme nicht mehr richtig an Sie dran, aber ich hänge sehr an Ihr. Ich möchte Sie auch nicht alleine lassen. Meine Freundin hat meines achtens schon gesundheitliche Schäden.
    Sie schläft häufig Mittags und ist Müde. Sie hat einen dicken Bauch, wir waren schon beim Arzt und dieser untersuchte es und sagte: Es ist kein Wasser. Am nächsten Morgen ging meine Freundin nicht zur Blutabnahme. Sie hat rote Füße, ich mache mir große Sorgen…..
    Wie soll es weiter gehen? Meine Freundin ist nicht beziehungsfähig! Häufig ist Sie Abends aggressiv.
    Sie kann einige Situationen nicht mehr richtig einschätzen.
    Ich bin häufig an meiner Schmerzgrenze oder darüber. Sie sagt fast immer, ich brauche Ruhe und das schon seit 8 Monaten.
    Was ich auch sagen muss: Ich habe nie zuvor nie mit Alkoholproblemen konfrontiert. Deswegen würde ich mehr sehr, wie Ihr die Situation einschätzt?! Gibt es noch Hoffnung ? Hat es Sinn so eine Beziehung zu führen, von der Belastung?
    Ich habe keine klaren Gedanken und mein Kopf ist leer, bitte um Hilfe!

  • Hallo lieber Thomas,

    ich darf mich Dir zunächst kurz vorstellen:

    Peter, 41 Jahre alt, trockener Alkoholiker seit nunmehr über 14 Jahren.

    Willkommen bei uns im Forum und vielen Dank für Deine offenherzige Erläuterung.

    Dein von Dir beschriebenes Schicksal, die Sucht Deiner Freundin, Deine Liebe zu Ihr, Deine Hoffnungen, das Verhalten Deiner Freundin im Rausch, dass ist alles kein Einzelfall bei Angehörigen. Du befindest Dich quasi in guter Gesellschaft.

    Und genau darin, liegt Dein Vorteil: Du kannst auf unzählige Erfahrungen und Hilfe anderer zugreifen. Wie das geht, dazu gleich mehr...

    Die schlechte Nachricht für Dich:

    Nur Deine Freundin alleine, kann ihre Sucht beenden. Nur sie alleine kann den Schalter umlegen. Nur sie kann "Wollen".

    Du hingegen bist bis zu diesem Zeitpunkt, mehr oder weniger zum Zuschauen verdammt. Du kannst Deine Freundin erst unterstützen, wenn sie ihre Sucht wirklich beenden möchte...


    Nun komm ich zu den Möglichkeiten und der Hilfe von der ich oben geschrieben habe:

    Zunächst einmal solltest Du Dir bewusst werden, dass Du über kurz oder lang nicht herum kommen wirst Deine Freundin vor die Wahl zu stellen: Entweder der Alkohol oder ich - entscheide Dich!
    Irgendwann ist nämlich Deine Frusttrationsgrenze derartig überschritten, dass Du von selbst diesen Schritt gehen wirst, vielleicht sogar gehen musst - um nicht an einer alkoholkranken Frau zu zerbrechen!

    Desweiteren stelle ich gar nicht in Abrede, dass Du Deine Freundin liebst und sie Dich. Aber ich bitte zu bedenken:
    Der Lebensmittelpunkt Deiner Freundin bist nicht (mehr) Du, sondern es ist (krankheitsbedingt) der Alkohol!

    Du hast Dich hier im Forum angemeldet, das war schon mal richtig und wichtig! Hier können wir Dir nämlich unsere Erfahrungen berichten und Dir Deine Fragen beantworten. Hier bekommst Du schon mal einen Teil der Hilfe...

    Einen weiteren Teil, dazu rate ich Dir, kannst Du von einer Alkohol-Selbsthilfegruppe in deinem Wohnort oder der Umgebung holen - schau mal in unsere Linksammlung.


    Du fragst wie wir bzw ich die Situation einschätze und ob es Hoffnung gibt?

    Ganz ehrlich und unverblümt:

    Du bist mit einer Säuferin zusammen die nur noch für den Alkohol lebt und sich mit ihrer Sauferei primär selbst und sekundär Eure Beziehung zerstört! Hoffnung gibt es, aber nur wenn Deine Freundin die prikäre Situation selbst erkennt und einsieht, dass es nur einen Ausweg gibt: nämlich die dauerhafte Abstinenz!

    Und wie gesagt, weiter oben steht der Satz über was Du über kurz oder lang nicht herumkommen wirst...

    Deine Freundin...

    ...arbeitet sie (noch)?
    ...hat Kontakt zu Eltern/Freunden?
    ...wie denkt sie über ihre Situation?

    Was sagt Dein Umfeld zu Eurer Beziehung?


    Was sind Deine Wünsche und Deine Hoffnungen Thomas?


    Freue mich auf Deine Antwort...

    LG

    Peter

  • Hallo Thomas,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum. Gut das Du Dir Hilfe suchst!

    Ich stelle mich kurz vor: Ich bin 50 Jahre alt, Alkoholiker und trinke jetzt schon lange keinen Alkohol mehr.

    Ich möchte Dir etwas sagen, was Dir wahrscheinlich nicht sonderlich gefallen wird: Es geht hier um Dich! Es geht nicht um Deine Freundin. Du hast Dich hier angemeldet, was ich wirklich ganz hervorragend finde. Du kannst Dich hier mal in Ruhe einlesen, vor allem auch im Angehörigenbereich und wirst feststellen, dass Du nicht alleine bist.

    Aber nochmal: Du brauchst Hilfe, deshalb bist Du hier. Proky hat es Dir ja schon geschrieben: Deiner Freundin kann nur geholfen werden, wenn sie das möchte. Ich schreibe Dir das als Alkoholiker mit weit über 10 Jahren "Erfahrung" als abhängig Trinkender. Und jeder andere Alkoholiker hier im Forum wird Dir genau das gleiche schreiben: Deine Freundin kann sich nur selbst helfen. Und erst wenn sie das tut, erst wenn sie wirklich weg will vom Alkohol, erst dann könntest Du begleitend unterstützen. Aber mehr auch nicht. Begleitend unterstützen, das bedeutet das sie selbst ihre Sucht bekämpft, eine Therapie macht oder was auch immer sie mit den Ärzten zusammen vereinbart und Du sie auf ihrem Weg begleitest. Du lenkst sie nicht, Du steuerst sie nicht, Du läufst nebenher uns zeigst ihr, dass Du zu ihr hältst, wenn sie diesen Weg weiter geht. Selbstverantwortlich weiter geht.

    Aber, davon bist Du oder besser: davon ist Deine Freundin ja meilenweit entfernt und es sind, rein statistisch gesehen, nur sehr sehr wenige Alkoholiker, die diesen Schritt überhaupt gehen. Also den Schritt etwas gegen die eigene Sucht zu unternehmen. Und von denen die diesen Weg antreten sind es wiederum nur wenige, die es dann auch dauerhaft schaffen.

    Ich denke das wird Dir Dich vielleicht nachdenklich machen oder gar erschüttern, ich schreibe es Dir aber trotzdem um Dir die Situation ganz klar zu machen. Was Du also tun kannst ist auf Dich und Dein Leben zu achten. Und das ist dann auch wirklich das einzige, gleichzeitig aber auch das wichtigste, was Du tun kannst. Denn tust Du es nicht, gehst Du zusammen mit Deiner Freundin unter. Dann hat ihre Sucht nicht nur ihr Leben zerstört sondern auch Deines. Was leider sehr häufig passiert, besonders in Co-Abhängigen Beziehungen.

    Und da wären wir schon beim Thema. Wenn ich Dich so lese, dann beschleicht mich schon das Gefühl, dass Du bei aller Liebe die Du sicher für Deine Freundin empfindest in einer Co-Abhängigkeit steckst. Und damit bist Du selbst psychisch krank, genau wie Deine Freundin auch. Falls Du Dich damit noch nicht beschäftigt hast, dann lese gerne mal hier im Forum darüber oder Google einfach mal. Das ist eine sehr ernstzunehmende Krankheit die unbehandelt i. d. R. bestens dazu geeignet ist ein Leben zu ruinieren.

    Darum möchte ich Dir auch dringend sagen: Hol Dir bitte noch professionelle Hilfe. Es ist schön, es ist super das Du hier bei uns bist. Aber wir ersetzen nicht diejenigen, die ihren Beruf als Psychologen, Therapeuten, etc. professionell erlernt haben. Was Dir auch gut helfen kann wäre eine reale (analoge) SHG für Angehörige. Also genau wie es da ja bei uns Alkoholikern gibt, gibt es auch Gruppen für Angehörige. Das kann Dir sehr viel bringen.

    Ich will' s jetzt mal dabei belassen. Bitte verstehe mich nicht falsch. Ich wollte Dir hier jetzt nicht den Mut nehmen oder so. Aber ich habe einfach eigenen Erfahrungen, wir alle hier haben diese Erfahrungen und dadurch wissen wir auch, wie diese Krankheit funktioniert. Wir wissen, was sie aus uns gemacht hat, wie wir gedacht und gehandelt haben als wir selbst noch getrunken haben. Darum einfach der Apell an Dich: Kümmere Dich um Dich und Dein Leben und lass Deiner Partnerin ihr Leben. Wenn Deine Co-Abhängigkeit das verhindert, dann versuche das zu erkennen und kümmere Dich darum. Hol Dir unbedingt Hilfe. Ansonsten wirst Du an ihr kleben bleiben und zusammen mit ihr ihre Sucht leben. Was das bedeutet erlebst Du ja gerade. Und es wird sicher nicht besser werden.

    Alles alles Gute wünsche ich Dir und einen guten und hilfreichen Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

  • Hallo lieber Peter,
    erstmal Danke für Deine Antwort.

    Um zuerst Deine Fragen zu beantworten...


    ...arbeitet sie (noch)? ….meine Freundin arbeitet nicht und sagt auch immer das Sie schwach ist.
    ...hat Kontakt zu Eltern/Freunden?.....Sie telefoniert mit Ihrer Mutter diese lebt im Ausland.....und einige Freude trinken selbst.....und sie nicht trinken haben keine Lust mehr auf Sie...
    ...wie denkt sie über ihre Situation?....Sie sagt ganz klar, das der Alkohol sehr wichtig ist und Sie lässt sich nicht vorschreiben, dass Sie damit aufhört - ich bin kein kleines Kind!

    Was sagt Dein Umfeld zu Eurer Beziehung? Viele haben Angst was zu sagen und das verstehe ich nicht wirklich. Wenn man diese Person Nahe steht und etwas bedeutet sollte man doch
    versuchen zu helfen !


    Was sind Deine Wünsche und Deine Hoffnungen Thomas?...heute war Sie auch wieder aggressiv und man kann nicht vernüftig mit Ihr sprechen. Mein Wunsch natürlich das Sie aufhört, aber
    das bleibt wohl ein Märchen (Gebrüder Grimm). Und die Hoffnung stirbt langsam....ich stelle mir immer mehr die Frage: Ob man sowas auf Dauer überhaupt möchte? 0,00% Einsichtig und
    einen Dickkopf. Eines kommt auf mich zu und zwar das ich bald eine Endscheidung treffen muss und werde.

    Ich hätte niemals gedacht, dass es so eine Belastung sein kann - die Botschaft ist: Ich würde mir niemals mehr eine Freundin nehmen die trinkt!

    Und danke für Deine offenen Worte: Ja, ich bin mit einer richtigen Säuferin zusammen und das schlimme ist....ich liebe Sie.....wahrscheinlich die Macht der Gewohnheit.
    Ich kann auch nicht richtig loslassen, weil ich weiß das Sie ohne mich komplett untergehen wird und das tut so weh....

    Vielem Dank nochmals für Deine Hilfe und freue mich auf Deine Antwort

    lg
    Thomas

  • Hallo gerchla,
    auch Dir vielen Dank für Deine Antwort und Bemühungen. Es ist schön wenn man in einer solchen Situation jegliche Hilfe bekommt.
    Du hast es sehr rational / unverhüllt geschrieben, ich muss es einsehen das ich ohne große Opfer nicht mehr aus der Nummer rauskomme.
    Ja vielleicht bin ich schon Co Abhängig aber wie soll ich loslassen, wenn ich diesen Menschen liebe?!?! Es ist sehr schwer für mich!
    Die Situation belastet mich sehr, weil ich weder die Lösung kenne noch ein Ende möchte. Ich sehe immer den Menschen vor 2 Jahren vor mir,
    der noch so nett war und den Alkohol noch kontrollierte. Ich bin immer ganz ehrlich, auch wenn andere vielleicht darüber lachen:
    Ja ich würde bei meiner Freundin bleiben, wenn diese weniger trinken würde, ich würde es akzeptieren. Aber die jetzige Situation ist sehr
    hart für mich. Und mir ist jetzt auch bekannt, dass ich selbst krank werden kann. Diese Belastung ist manchmal unerträglich.
    Wenn ich was zum Thema sage: Ich will nicht darüber sprechen, Basta ! Ich habe keine Chance.
    Die Frage die ich mir wohl stellen muss: Möchtest Du das wirklich Thomas, so weiter leben?? Und ich möchte nicht so weiter leben.
    Meine Freundin hat auch keine richtigen Gefühle mehr, Sie ist kalt geworden, unfreundlich und frech....unglaublich wie sich ein Mensch verändern kann.

    Ich habe zu Ihr gesagt: Es ist so ob Du schon gestorben bist, ohne Seele und Gefühle. Nur noch Dein Körper ist da, aber diesen Menschen den ich damals kennengelernt
    habe, gibt es nicht mehr!!!

    Was soll ich machen, ich liebe Sie und auf der anderen Seite ist mein Untergang....

    Auch Dir nochmals Danke für Dein Beitrag und würde auch über eine Antwort freuen.

    lg
    Thomas

  • Lieber Thomas,

    ich will mal versuchen auf Deine Zeilen einzugehen.

    Zitat

    Ja vielleicht bin ich schon Co Abhängig aber wie soll ich loslassen, wenn ich diesen Menschen liebe?!?! Es ist sehr schwer für mich!

    Ich glaube, aber das ist nur meine persönliche Meinung, Du kannst das "vielleicht" streichen. Ich möchte Dir aber auch sagen, dass ich mir darüber im Klaren bin, dass ich mich natürlich sehr leicht rede. Wenn ich Dir schreibe, dass Du auf Dich achten sollst und Dich um DEIN Leben kümmern sollst, dann schreibe ich das aber nicht, weil es ja so einfach für mich ist sowas zu schreiben, sondern ich schreibe es Dir, weil ich meine eigenen Erfahrungen im Kopf habe.

    Nein, ich will jetzt damit nicht sagen, dass ich auch Co-Abhängig gewesen bin. Gar nicht. Aber ich war abhängig und ich habe dadurch selbst erlebt, was passiert, wenn man sich nicht um sich selbst und um sein eigenen Leben kümmert. Ich habe auch erlebt, was es bedeutet, wenn keine Verantwortung für sich selbst und für sein eigenes Handeln übernimmt. Ich habe auch erlebt was passiert, wenn man sein eigenes Wohlergehen nicht an sich selbst sondern an anderen Menschen fest macht. Ich wollte z. B. immer, dass andere, hier insbesondere meine Familie, nicht unter meiner Sucht litten. Und habe versucht alles mögliche zu tun, um das irgendwie hinzubekommen.

    Dazu muss ich Dir sagen, dass ich heimlich trank, 10 Jahre heimlich und meine Familie das nicht wusste. Trotzdem ging meine Ehe langsam den Bach runter und meine Frau litt sehr unter meiner Sucht. Ich nahm das natürlich wahr und mein Restgewissen sorgte dafür, dass ich das versuchte zu kompensieren. Was dazu führte, dass ich die wenige Zeit in der ich noch zurechnungsfähig war mit irgendwelchen schwachsinnigen Aktionen ausfüllte, von denen ich glaubte, sie könnten mein Gewissen erleichtern und meiner Frau helfen.

    Das Gegenteil war aber der Fall. Ich nahm mich und meine eigenen Bedürfnisse noch weniger wahr und meine Frau wollte eigentlich nur den Mann zurück, den sie irgendwann mal geheiratet hatte. Sie hat überhaupt nichts von mir erwartet außer einfach nur das ich da bin. Also nicht nur körperlich, schon gar nicht als putzender und schuftender Derwisch, sondern als vollwertiger Partner. Aber der war ich schon lange nicht mehr. Denn ich hatte ja längst eine andere Priorität und das war der Alkohol, die Flucht in eine Parallelwelt.

    Was damit eigentlich sagen will: Ich weiß wie es ist, wenn man in so einer Spirale hängt und keine Chance sieht, da wieder heraus zu kommen. Oder sagen wir mal, sich nicht vorstellen kann, wie das alles überhaupt gehen soll..... Genau das hat mich wahrscheinlich daran gehindert meiner Sucht viel früher den Kampf anzusagen. Ich wusste, ich spürte, dass ich ein Leben komplett verändern muss, wenn ich eine Chance haben wollte, zurück zu einem zufriedenen oder glücklichen Leben zu finden, welches dann natürlich ohne Alkohol stattfinden müsste. Und ich spürte oder ahnte auch, dass ich das wohl nur dann erreichen kann, wenn ich mich von meiner Frau trennen würde und wirklich komplett neu beginne. Gleichzeitig aber das für mich absolut ausgeschlossen, denn damit würde ich ja meine von mir über alles geliebten Kinder "verlieren". Und diese darüber hinaus noch zutiefst verletzten. Und das konnte ich mir schon gar nicht vorstellen, es war sozusagen völlig ausgeschlossen. Und somit verging Jahr um Jahr, und ich soff und soff und es wurde immer noch schlimmer und noch schlimmer.

    Bis ich es dann eben doch "getan" habe. Und es kam alles, wie ich es "befürchtet" hatte. Ich pulverisierte die Lebenspläne, die Zukunft meiner Frau, ich verletzte sowohl sie als auch meine Kinder damit zutiefst, bekam aber als "Gegenleistung" die Chance, mein Leben neu zu beginnen.

    Ich trennte mich also dann auch von meiner Frau und begann meine Sucht aufzuarbeiten. Alles mit Hilfe von außen. Es dauerte etwas ein Jahr, welches ein Jahr mit sehr vielen Erkenntnissen für mich war, wahrscheinlich das wichtigste Jahr meines Lebens, bis ich mit dem Gröbsten durch war. Die Zeit war geprägt von vielen Emotionen, von starken Gefühlen, auch von Zweifel ob das alles richtig war aber eben auch, ich schrieb es bereits, von ganz vielen Erkenntnissen und wegweisenden Entscheidungen.

    Und heute? Heute bin ich ein glücklicher Mensch. Ich wieder verheiratet, wurde nochmal Papa. Meiner Ex-Frau geht es gut, wir haben eine gute Beziehung. Wir reden miteinander, wir tauschen uns aus und ich helfe ihr, wenn sie meine Hilfe will oder braucht. Die Beziehung zu meinen Kindern ist bestens und ich bin einfach nur froh und dankbar, dass ich heute so ein Leben führen darf.

    Und eines will ich Dir sagen: Hätte ich damals diesen Schritt nicht gemacht, hätte ich mich meinen Zweifeln hingegeben, wäre ich im Alkoholsumpf stecken geblieben oder hätte ich nur halbherzig versucht irgendwie klar zu kommen, ich wäre heute entweder nicht mehr am Leben oder ich würde ein Leben führen, das weit davon entfernt wäre, ein lebenswertes zu sein. UND: das alles hätte genau die gleichen Auswirkungen auf meine Familie, auf mein Umfeld.

    Eigentlich passt hier das alte Sprichwort "lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" wunderbar.

    In Deinem Fall bist Du derjenige der es in der Hand hat. Du musst die Entscheidung(en). Sie kann es nicht. Es gibt keine Anzeichen dafür und selbst wenn sie es täte, darfst Du Dir sicher sein, dass Du nicht mehr die Frau "zurück" bekommen würdest, die Du anfangs gekannt hast. Denn wenn sie wirklich durch eine Therapie geht und das wirklich alles ernsthaft durchziehen würde, dann wird sie ein anderer Mensch sein. Logisch eigentlich, sonst könnte man sich das ja alles sparen. Und dann müsstest Du erst mal sehen, ob Du damit überhaupt klar kommen würdest.

    Nicht wenige Beziehungen gingen in die Brüche, nachdem der trinkende Teil damit aufgehört hat. Und besonders im Falle einer Co-Abhängigkeit kann das ganz schön schwierig werden. Der Co-Abhängige verliert dann nämlich sein "Objekt der Begierde", also den Abhängigen. Der fängt ja dann plötzlich an sich um sich selbst zu kümmern und sein Leben selbstbestimmt zu führen.

    Aber ich glaube, das führt jetzt zu weit.

    Ich möchte Dich einfach nochmal dazu motivieren, Dir professionelle Hilfe zu suchen. Du kannst sie nicht verlassen, Du willst sie nicht verlassen - ok. Dann sprich mit Menschen darüber, die darin Erfahrung haben und die Dir Werkzeuge an die Hand geben, mit dieser Situation bestmöglich umzugehen. Vielleicht brauchst Du einfach noch Zeit, wo wie ich Zeit brauchte bis ich den finalen Schritt machen konnte. Aber lass Dich in dieser Zeit begleiten. Das wird es Dir dann erleichtern die richtigen Entscheidungen zu treffen.

    Alles Gute!

    LG
    gerchla

  • Lieber Thomas,

    Danke Dir für Deine Antwort.

    Durch Deine Antwort, wie auch schon durch Deine Beschreibung davor, wird desweiteren deutlich, wie abhängig Deine Freundin bereits ist - nämlich schwer abhängig. Und um da raus zu kommen bedarf es zwei Dinge:

    1. Als Grundvoraussetzung ihr eigener Wille mit dem Alkohol aufhören zu wollen! Und zwar für immer!

    2. Hilfe von außen in Form einer Therapie und SHG (Selbsthilfegruppe).

    Sachlich einfach gesagt bzw geschrieben...


    Das Problem - ich umschreibe es mit einer anderen Sucht:

    Sag einem Raucher, er soll zum rauchen aufhören...(Trifft der Satz? Kannst Du was damit anfangen?)


    Und jetzt lieber Thomas, sind wir an einem ganz entschiedenen Punkt angekommen: Nämlich Du!

    Warum?

    Weil Du erstmal akzeptieren solltest, dass Du Deiner Freundin nicht helfen kannst, weil sie die Hilfe verweigert, weil sie in ihren Augen kein Problem hat!

    Dieses Akzeptanz lieber Thomas ist entscheidend, weil diese Akzeptanz den Druck von Dir nimmt!

    Jeder Mensch, sobald er volljährig ist, ist erstmal für sich selbst verantwortlich! Das gilt auch für eine Ehe, Partnerschaft o.ä.

    Du hast Deine Appelle an Deine Freundin gerichtet. Mehr kannst Du nicht tun! Alles weitere obliegt nun im Verantwortungsbereich Deiner Freundin!

    Desweiteren, solltest Du wissen und akzeptieren, dass...

    ...aufgrund der Alkoholkrankheit Deine Freundin den Alkohol mehr liebt als Dich!

    ...der Alkohol Wesensverändernd ist, d.h. die Frau die sie früher einmal war als Du sie kennenlerntest und dich verliebt hattest, dieses Frau, diese Wesensart existiert nicht mehr oder besser gesagt, diese Wesensart ruht, solange sie weiter säuft und sich nicht therapieren lässt. Warum das so ist? Das kann ich auf Wunsch Dir separat erläutern...

    ...ihre Abhängigkeit, Dich ins soziale Abseits führen wird. Überleg mal, kannst Du jetzt noch mit Deiner Freundin ausgehen? Möchtest Du überhaupt noch mit ihr ausgehen? Kannst Du/Möchtest Du noch Besuch empfangen?

    Falls Ausgehen/Besuch empfangen derzeit noch irgendwie möglich ist, weil sich Deine Freundin noch etwas zusammenreißen kann, Bedenke dabei - und das sage ich Dir als trockener Alkoholiker - : Deine Freundin wird weiter in die Abhängigkeit sinken und irgendwann entgegen aller gesellschaftlicher Normen, sich jederzeit und überall betrinken und jedes Mal immer ein Stück mehr ihre Haltung/ihre Selbstbeherrschung verlieren. Mit anderen Worten: Sie wird sich, Dich, Euch (öffentlich) blamieren!

    Genau aus diesem Grund halten Co-Abhängige (mit allen möglichen Ausreden) den/die Betroffene(-n) von der Öffentlichkeit fern. Besorgen Alkohol, damit er/sie daheim bleibt - und auch um ihn/sie ruhig zu stellen (Stichwort: Gewalt - physische wie auch psychische!)


    Lieber Thomas, wenn Du das akzeptiert hast, können wir uns nun um den Menschen kümmern der etwas in Deinem Leben verändern kann - und dieser Mensch bist Du selbst!!!


    Du liebst Deine Freundin, dass bezweifelt hier niemand! Und nebenbei gesagt:

    Was wären wir für Menschen, was wären wir für eine Gesellschaft, wenn wir nicht für unsere Liebe Verantwortung, Hoffnung, Loyalität, Kampfgeist an den Tag legen würden?

    Gerne stelle ich aber auch die Frage: Beinhaltet diese Liebe auch, Selbstaufopferung und Selbstzerstörung? Ich sage entschieden: Nein!

    Bildlich gesprochen lieber Thomas: Du stehst am Scheideweg!

    Nach rechts führt der Weg den Du alleine, ohne Deine Freundin gehen wirst. Ja, Du hast Recht, sie wird aller Voraussicht nach ohne Dich untergehen! Wobei immer noch die Chance besteht, dass dies ein Weckruf für sie ist...

    Ja, es wird Dir weh tun, ja, es wird Dir das Herz zerreisen... Was wären wir auch für Menschen wenn wir derartige Gefühle nicht hätten...?

    ...Aber Du wärst frei... Was meine ich damit? Schauen wir uns mal den linken Weg an...

    Der linke Weg, der mit Deiner Freundin gemeinsam gehen...

    ...freilich, er beinhaltet die Chance das Deine Freundin aufwacht und ihre Sucht beendet (beim rechten Weg zum Vergleich allerdings hört sie vielleicht den "Knall").

    Wie groß ist allerdings die Chance, dass dies passieren wird? Oder anders formuliert: Was muss noch alles passieren, damit sie etwas unternimmt?

    Als trockener, besser gesagt, als ehemaliger Alkoholiker weiß ich, dass fortlaufendes trinken den Betroffenen sozial, finanziell, medizinisch, psychisch immer tiefer abgleiten lässt. Es ist ein langsamer Abstieg, der Jahre dauern kann. Aber irgendwann ist ein Punkt erreicht, wo man sich, wo andere den Betroffenen nie dort gesehen hatt/hätte. Das kann die Gosse sein oder als Drehtürpatient auf der Entgiftungsstation...

    Was ich damit sagen will: Solange Deine Freundin weiter trinkt geht ihr sozialer/finanzieller/psychischer Weg unaufhaltsam nach unten! Und glaube mir lieber Thomas: du magst Dich noch so sehr dagegen stemmen, Du wirst diesen Weg, diesen Niedergang nicht stoppen können! Das kann nur Deine Freundin!
    Wenn sie das aber nicht will, kannst Du diesen Niedergang bestenfalls verlangsamen - aber aufhalten wirst Du ihn nicht! Und schlimmer noch:
    Du wirst mit in diesen Abgrund gezogen werden!!!!

    Weiter oben schrieb ich etwas von ausgehen und Besuch empfangen...dass ist der Anfang...

    Du selbst hast geschrieben, dass Deine Freundin aggressiv ist. Wie willst Du dem auf Dauer begegnen? Glaube bloß nicht, dass sie irgendwann mal damit aufhört, ganz im Gegenteil, es wird schlimmer werden! Zuerst sind es nur simple Beschimpfungen im Rausch, die sich immer mehr steigern und sogar in körperlicher Gewalt enden können. Sogar emotionale Erpressung ("Wenn Du mich liebst, dann.../ Du liebst mich ja gar nicht mehr, denn wenn Du mich lieben würdest, dann...)wird und kommt ins Spiel! (Die Kunst dabei so etwas zu überstehen ist standhaft zu bleiben und zu seinen Überzeugungen (Du bist krank) Forderungen (Mach was) oder Entschlüssen (ich trenne mich von Dir; oder: Mach was oder ich trenne mich von Dir) zu stehen!


    Nun seid ihr schon zwei Jahre zusammen Thomas, aber hat die aktuelle Situation noch immer etwas mit der Situation von damals zu tun als ihr Euch kennengelernt habt? Du schreibst, sie hat damals schon getrunken. Und es wurde nicht weniger in zwei Jahren, sondern schlimmer. Wie wird dann wohl die Prognose für die nächsten zwei Jahre sein?

    Ist eine Liebe immer noch gerechtfertigt, wenn der Parther ein selbstzerstörerisches Verhalten an den Tag legt?
    Ist eine Liebe immer noch gerechtfertigt wenn der Partner keine Einsicht über sein Verhalten zeigt?
    Ist eine Liebe noch gerechtfertigt wenn es für alle Beteiligten in jeglicher Hinsicht nur noch Bergab geht?
    Ist eine Liebe noch gerechtfertigt wenn in der Beziehung Gewalt eingezogen ist? Und damit meine ich in erster Linie psychische Gewalt...(bei physischer Gewalt, da sollte sich jeglicher Kommentar erübrigen...)
    Ist eine Liebe noch gerechtfertigt wenn man keinen Sex mehr hat, weil man sich vor dem Partner ekelt?


    Ist das alle noch Liebe?

    Sozialer und Finanzieller Niedergang, psychische und physische Gewalt... Ist es das alles Wert um vielleicht(!!!) eine Beziehung zu retten? Treue bis zum sprichwörtlichen Tod?

    Wo ist die Chance größer das Deine Freundin den Knall hört? Links oder Rechts?


    Lieber Thomas, ich weiß dass ich sehr viel und sehr direkt geschrieben habe. Ich kann Dir versichern, dass das die Realität ist. Ich habe es als Säufer so erlebt, ich habe meinen Ex so erlebt nachdem ich aufgehört habe, und die vielen Geschichten die ich mitbekommen habe bei meiner Tätigkeit in der Suchtprävention, sei es bei den Guttemplern wo ich 13 Jahre lang aktiv dabei war und 11 Jahre lang die Entgiftungsstation unseres Krankenhauses mit betreut habe oder eben auch hier im Forum...

    Lass es alles sich erstmal setzten lieber Thomas, rede nicht nur mit mir und Gerchla, rede mit Ärzten, Freunden, SHG vor Ort oder Umkreis... Hole Dir selbst soviel Hilfe als möglich und achte auf Dich!

    Weine wenn Dir danach ist - Trauer ist allemal besser als Zorn! Und schreibe hier wenn Dir danach ist, auch wir sind da!


    Vielleicht magst ja schreiben was Dir aktuell durch den Kopf geht...?

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