Keine Einsicht von meinem Partner

  • Hallo zusammen,

    ich bin ein bisschen verzweifelt und muss mir mal meinen Kummer von der Seele reden. Ich bin jetzt seit 2 Jahren mit meinem Freund (37) zusammen. An sich verstehen wir uns super. Nur wenn er zuviel getrunken hat, wird er zum absoluten Arschloch. Das fing so 3 Monate nachdem wir zusammengekommen sind an, dass er sich so abgeschossen hat und mir Sachen an den Kopf geknallt hat wie "Halt die Fresse, Fick dich, Verpiss dich", obwohl ich garnichts gemacht habe. Ich habe am nächsten Tag nur geweint und versucht mit Ihm zu reden. Dann tut Ihm immer alles leid und will es besser machen. So geht das jetzt seit 2 Jahren. Er schießt sich nicht nur einmal im Monat ab, sondern jedes wochenende. Unter der Woche trinkt er auch fast jeden Abend 3-4 bier und ist davon schon angetrunken. Ich habe schon so oft darüber nachgedacht mich zu trennen, weil mich das psychisch so fertig macht, aber wenn er nüchtern ist dann ist er ja ein ganz anderer Mensch. Nur das Fass ist jetzt zum überlaufen gebracht worden. Meine beste Freundin hat letztes WE geheiratet und ich war natürlich die Trauzeugin. Vor der Hochzeit habe ich Ihn so oft gebeten sich zu benehmen und nicht viel zu trinken. Leider hat er darauf überhaupt nicht gehört. Er war irgendwann so besoffen, dass er das Thekenpersonal abgeknutscht hat,mich komplett ignoriert hat und letztendlich ist das Personal auf meine beste Freundin zugegangen um Ihr zu sagen das er gehen muss, sonst rufen Sie die Polizei. Ich habe mich so unendlich geschämt... Den Brautstrauß habe ich gefangen und als ich zu Ihm hingegangen bin, hat er sich umgedreht und ist gegangen. Die Hälfte der Gäste kamen zu mir an und haben gesagt wie leid es denen tut wie er mit mir umgeht... Ich kann euch nicht sagen wie peinlich mir das alles ist! Meine Freundin will nicht mehr das er zu denen kommt und auch meine anderen Freunde kriegen schon das "P" in den Augen wenn Sie wissen das er mitkommt, wenn wir mal weggehen wollen. Mittlerweile ist er nur noch trotzig und uneinsichtig wenn ich Ihn drauf anspreche und meint "ja na klar jetzt bin ich wieder der Böse". Ich bin nervlich mittlerweile so am Ende... Er sagt immer es sei nur ne "Phase" wo er das mal braucht, dann wird es auch wieder weniger... Aber diese Phase wo es andauernd ist, läuft jetzt auch schon 6 Monate. Er hat eine kleine Tochter und wenn Sie Freitags bei uns ist, selbst dann trinkt er soviel, dass er am nächsten Tag bis Mittags pennt und ich mich um Sie kümmern muss weil er nicht aufstehen kann. Ich weiß einfach nicht, wie ich Ihn dazu bringen soll sich einer Therapie zu unterziehen. Er merkt es einfach nicht und stellt sich mittlerweile immer als Opfer da, weil er sich ja so schlecht behandelt fühlt. Aber es ist ja nicht nur ich, alle meine Freunde und Bekannte finden das fürchterlich... Ich bin sehr traurig und liebe Ihn ja auch sehr. Viele raten mir zur Trennung, aber das ist sehr schwer... ;(

    LG Linda

  • Hallo, Linda!

    Ich bin selbst Alkoholiker - allerdings seit einigen Jahren trocken und auch in der Suchtselbsthilfe unterwegs. Damit will ich sagen, ich weiß aus eigener Erfahrung, wovon ich rede.
    Und da kann ich Dir nur auf Deine (unterschwellige) Frage

    Ich weiß einfach nicht, wie ich Ihn dazu bringen soll sich einer Therapie zu unterziehen.

    sagen: Gar nicht! DU kannst da überhaupt nichts machen - ihn weder mit Sex locken noch mit Waffengewalt zwingen! Es muss von ihm selbst kommen, aus eigenem Antrieb und Wunsch. Ansonsten ist alles vergebene Liebesmüh.
    Du schreibst, er stellt sich als Opfer dar. NATÜRLICH wertet er alles als Angriff auf sich und sein Leben, so wie ER es führen will. Denn er WILL trinken! Und das ist nicht böse gemeint - das ist suchtgesteuertes Verhalten, das liegt einfach in der Natur der Sucht.
    Lies Dich ein wenig hier durch unsere Geschichten - egal, ob bei den Angehörigen oder bei uns Betroffenen. Du wirst feststellen, dass sie sich alle ähneln. Im Prinzip werden die Geschichten nur mal von der einen und mal von der anderen Seite erzählt.

    Das Einzige, was DU machen kannst, ist - auf DICH achten und auf DEIN Wohlergehen achten.
    Und so wie ich Deine Geschichte lese, liegt Dir viel an Deinen Freunden ... und dann gibt es m.E. nur einen Weg - wenn Du nicht vereinsamen und irgendwann Depressionen bekommen willst:

    Viele raten mir zur Trennung ...

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Guten Morgen Linda,

    herzlich Willkommen hier im Forum, auch wenn der Anlass Deines Hierseins, wie bei den meisten die neu ankommen, kein schöner ist.

    Ich stelle mich kurz vor: Ich bin 50 Jahre alt und Alkoholiker. Ich war verheiratet, habe aus dieser Ehe 2 Kinder und habe mich getrennt, kurz nachdem ich trocken wurde. Heute bin ich wieder verheiratet und habe noch ein weiteres Kind. Ich lebe jetzt schon lange ohne Alkohol und kann mich als glücklichen Menschen bezeichnen.

    Nur mal so, damit Du grob weißt, wer Dir hier schreibt.

    Ich habe einiges an Gedanken zu dem, was Du über Dein Leben berichtest. Erst mal will ich zwei Dinge aus Deinem Thread zitieren, nämlich:
    Zitat

    An sich verstehen wir uns super. Nur wenn er zuviel getrunken hat, wird er zum absoluten Arschloch.


    Zitat

    So geht das jetzt seit 2 Jahren. Er schießt sich nicht nur einmal im Monat ab, sondern jedes wochenende. Unter der Woche trinkt er auch fast jeden Abend 3-4 bier und ist davon schon angetrunken.

    Ok, da habe ich mir gedacht: Ähm. eigentlich verstehen sie sich super, prima. Nur wenn er getrunken hat, dann is nicht so toll, hm naja. Aber eigentlich ist er ja dauert mehr oder weniger besoffen, zumindest aber angetrunken, Deiner eigenen Aussage nach. Und das seit 2 Jahren. Wann also versteht Ihr Euch eigentlich super? Ab und zu mal? Wenn bei ihm grad mal so rein passt? Vielleicht magst Du mal darüber nachdenken.

    Zitat

    und mir Sachen an den Kopf geknallt hat wie "Halt die Fresse, Fick dich, Verpiss dich", obwohl ich garnichts gemacht habe.

    Da habe ich mir die Frage gestellt, wie viel Du Dir eigentlich selbst wert bist. Vielleicht magst Du auch darüber mal nachdenken. Mir würde meine Partnerin soetwas nur einmal sagen, sicher kein zweites Mal mehr.

    So, damit aber erst mal genug der Anregungen zum Nachdenken. Ich möchte Dir nämlich auch sagen, dass ich Dir hier keinesfalls irgendwelche Vorwürfe machen möchte. Ich möchte sinngemäß auch nicht sowas wie "wie kann man nur so blöd sein und bei so jemanden bleiben" als Botschaft für Dich rüber bringen. Ich weiß nämlich auch, weil ich das selbst meisterlich beherrscht habe, wie manipulativ Alkoholiker ein können und wie gut sie oft in der Lage sind, ihre (teils co-abhängigen) Partner irgendwie bei der Stange zu halten. Da wird gelogen was das Zeug hält, da gibt es Liebessschwüre, die so unglaublich echt und intensiv sind, dass es gar nicht sein kann, dass das alles nur bla bla ist. Selbstverständlich ist der Alkoholiker auch in der Lage, sich und seine Situation zu tiefst zu bedauern, heulen gehört selbstveständlich auch bei Männern zum ganz normalen Programm, ebenso wie bitteres Bereuen dessen, was man im Suff wieder alles gesagt oder angestellt hat.

    Du kennst das ja und ich kenne das auch. Nur von der anderen Seite, von der Seite des Alkoholikers. Was passiert da also dann, wirst Du Dich vielleicht fragen. Oder: Meint er wirklich was er sagt, wenn er mir z.B. seine Liebe schwört, davon spricht, dass er mich braucht, etc.?

    Nun, aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen, dass es schon sein kann, dass er es in dem Moment wo er es sagt, auch so meint. Das ist im Übrigen auch eine Voraussetzung dafür, dass "man", also der Alkoholiker, es so überzeugend herüber bringen kann. Das trifft übrigens auch auf Lügen zu. Ich habe soviel gelogen, dass ich irgendwann selbst nicht mehr wusste was eigentlich stimmt und was nicht. Vielleicht verstehst Du es besser, wenn ich Dir sage, dass ein Alkoholiker irgendwann auch mal beginnt in "seiner eigenen Welt" zu leben. Nach dem Motto: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt. Nur leider entspricht diese Welt nicht im geringsten der Realität und hat nur einen Fokus, nämlich den Alkohol. Dieser dominiert wirklich alles. Du, das muss ich Dir leider so deutlich sagen, spielst dabei bestenfalls die zweite Geige.

    Für einen Alkoholiker geht es nur darum, seine Sucht befriedigen zu können. Mir ging es lange nur darum, mein Leben irgendwie so aufrecht erhalten zu können, wie es eben war. Ich wollte meine Kinder nicht verlieren, ich wollte meine Ruhe haben, ich wollte trinken können. Also habe ich mir das zu zugezimmert, wie ich glaubte das es passt. Ich trank heimlich, wenn es ärger gab versuchte ich diesen irgendwie zu schlichten um Ruhe zu haben und am wichtigsten war es mir, die Zeit zum Trinken irgendwie heraus zu schlagen. Dafür habe ich tagelange Dienstreisen gemacht, die es gar nicht gab, hatte Abendtermine die nie stattgefunden haben, um nur mal die harmloseren Dinge zu nennen. Ich war nicht so unterwegs wie Dein Freund, ich wäre nie auf die Idee gekommen meiner Frau solche Dinge an den Kopf zu werfen wie es bei Dir tut. Hätte ich das nämlich getan, da bin ich sicher, hätte sie ihre Sachen gepackt. Aber ich wollte ja meine sicherere, kleine, Alkiwelt behalten....

    Du lässt Dir das alles gefallen und er weiß das. Wenn mal eng für ihn wird, kennt der die Knöpfe die er bei Dir drehen muss, damit Du wieder in die Spur kommst. Diese Knöpfe kannte ich bei meiner Frau übrigens auch, wenngleich es bei mir von der Art her ganz anders war. Im Grunde jedoch, ist es immer das Gleiche!

    So, und was kannst Du damit jetzt eigentlich anfangen? Nix, erst mal. Denn das eigentlich wichtige kommt jetzt. Greenfox hat es Dir ja schon deutlich, in wenigen Sätzen, geschrieben:

    Du kannst hier nichts tun! Genau das ist die zentrale Botschaft, die Dir ein Alkoholiker, der die Sucht überwunden hat immer so sagen wird. Als Partner hat man nicht viele Optionen. Wenn man glaubt, dass der andere eine Sucht entwickelt haben könnte, dann kann und soll man ihn natürlich ansprechen. Das kann was bewirken, meist aber nicht. Über dieses Stadium bist Du, seid Ihr, längst hinaus. Ihr steckt ja längst mitten drin, ganz tief im Alkoholsumpf. Also, wie könnte es dann funktionieren?

    NUR wenn er von sich aus etwas gegen seine Sucht unternehmen würde. Nur dann. Wenn er zum Arzt geht, eine Entgiftung macht, anschließend eine Therapie durchläuft, NUR dann könntest Du einen Gedanken daran verschwenden, ob Du ihn auf diesem Weg begleiten möchtest. Selbst dieser Weg wäre dann aber ein richtig schwieriger, denn Dein Partner würde sich auf diesem Weg sehr verändern. Und es wäre auch längst nicht sicher, dass er ihn erfolgreich zu Ende gehen könnte. Nicht wenige scheitern auch.

    Du müsstest Dir also die Frage stellen, ob Du Dir das antun möchtest. Ob Du Deine Lebenszeit weiterhin mit seiner Sucht verschwenden möchtest in dem Wissen, dass Du auch nach Entgiftung und Therapie nicht sicher sein kannst, wie es eigentlich weiter geht. Nun verstehe mich bitte nicht falsch: Es gibt glücklicherweise auch Beispiele, wo das alles gut ausgegangen ist und wo sich Partner wirklich wieder gefunden haben und dann anschließend wirklich ein neues Leben begonnen haben. Aber oft eben auch nicht und in meinem Fall war es sogar so, dass ich mich getrennt habe, nachdem ich trocken wurde, nicht meine Frau.

    Aber, das ist ja alles rein spekulativ, denn es gibt ja überhaupt keine Anzeichen, dass Dein Freund auch nur ansatzweise den Ausstieg aus der Sucht möchte. Auf Lippenbekenntnisse kannst Du übrigens pfeifen. Du kannst Jahre an seiner Seite damit verbringen, Dir immer wieder anzuhören, dass er dann und dann aufhört oder wieder weniger trinken wird. Allein die Tat zählt. Reden ist in diesem Fall absolut überhaupt nichts wert.

    Wenn ich Dir etwas raten dürfte, würde ich Dir folgendes raten: Such Dir unbedingt auch Hilfe in der realen Welt. Sprich mit Menschen darüber, die Ähnliches erlebt haben, z. B. in einer SHG für Angehörige. Besuche auch mal eine Suchtberatung und informiere Dich von dieser Seite aus. Lass um Himmels Willen den Gedanken fahren, dass Du irgendwas für ihn tun könntest oder gar müsstest, weil Du ihn ja so toll liebst. Du liebst jemanden, den Du gar nicht kennst, wenn ich Dir das mal so deutlich sagen darf. Denn Du kennst nur den Menschen, dessen Wesen komplett vom Alkohol dominiert wird. Und zwar auch, wenn er mal ein paar Tage nüchtern sein sollte. Was da eigentlich dahinter stecken könnte oder steckt, das ist komplett verschüttet und Du weißt auch nicht, ob das dann das wäre, was Du eigentlich möchtest.

    Alles sehr abstrakt was ich Dir hier schreibe. Vielleicht regt es Dich zum Nachdenken an. Ich wünsche es Dir! Du läufst ganz große Gefahr selbst sehr krank zu werden, in eine Co-Abhängigkeit zu rutschen, wenn Du nicht schon darin steckst. Damit ist nicht zu spaßen, denn am Ende würdest Du zusammen mit dem Alkoholiker unter gehen. Lass das nicht zu! Lebe Dein Leben und kümmere Dich nur um Dich. Das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern mit Selbstliebe. Wenn Du Dich selbst liebst wirst Du niemals zulassen, dass man Dich so behandelt und dass Dein Leben derart verschwendet wird.

    Ok, ich hör jetzt auf. Alles Gute wünsche ich Dir und einen guten Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla


  • Er schießt sich nicht nur einmal im Monat ab, sondern jedes wochenende. Unter der Woche trinkt er auch fast jeden Abend 3-4 bier und ist davon schon angetrunken. Ich habe schon so oft darüber nachgedacht mich zu trennen, weil mich das psychisch so fertig macht, aber wenn er nüchtern ist dann ist er ja ein ganz anderer Mensch.

    .....

    Viele raten mir zur Trennung, aber das ist sehr schwer... ;(

    LG Linda

    Hallo Linda,

    Gerchla hat Dir ja schon einiges geschrieben. Ich verstehe das auch so, dass es ja fast die ganze Zeit mehr oder weniger angetrunken ist.
    Oder anders: wenn er sich jedes Wochenende abschießt und ansonsten praktisch jeden Tag angetrunken ist, wann ist er dann eigentlich der nüchterne Mensch, der so ganz anders ist, dass du trotzdem bei ihm bleibst?

    Bei dem, wie Du ihn und die Situation beschreibst, verstehe ich ganz ehrlich nicht, was so schwer daran ist, sich davon zu trennen. Muss ich aber auch nicht verstehen, ich hoffe nur, Du verstehst es wenigstens. Verpasst Du was ohne ihn, und wenn ja, was? Sind es die gelegentlichen, wahrscheinlich seltenen und unvorhersehbaren, glücklichen Momente?

    Gruß Susanne

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