Abgekapselter-Trinker-Vater

  • Hallo in die Runde,

    ich heiße Ellen und bin 30 Jahre alt. Meine Mutter war Trinkerin, ist allerdings letztes Jahr im September gestorben (Herzversagen). Meine Eltern trennten sich ein dreiviertel Jahr bevor meine Mutter starb. Mein Vater (ebenfalls Trinker) ist 65 Jahre und seit, ein bisschen mehr als ein Jahr, in Rente.

    Bereits als Jugendliche merkte ich zuerst bei meinem Vater dass er mehr Alkohol als gewöhntlich trank. Dies hielt sich allerdings noch so in Grenzen dass er seinem Bürojob normal nachging. Er hatte vor ca. 10 Jahren bereits einen Darmdurchbruch laut Arzt bedingt durch übermäßigen Alkoholkonsum. Er wäre fast verblutet. weil er nicht zum Arzt ging. So ist es bei ihm immer. Aushalten bis zum umfallen...

    Nun musste nach der Trennung mein Vater in eine eigene Wohnung ziehen. Von ihm selber kam keine Reaktion. Wir (meine Schwestern und ich) mussten ihm eine geeignete Wohnung suchen. Gesagt getan, wir fanden eine schnukkelige kleine Wohnung direkt im Erdgeschoss, also auch altergerecht. Nun wohnt er seit Mai 2018 dort. Im März klagte er über Schmerzen im Fuß und dass er geblutet hätte. Ich sagte ihm er solle zum Arzt gehen. Ebenso meine Schwestern. Es geschah natürlich nichts.

    Im Mai besuchte ich ihn, da ging es ihm gut. Er klagte immernoch über schmerzen aber nach einmal sagen war das Thema gegessen. Heute hat der Hausmeister die Wohnungstür aufgebrochen weil sie Verwesungsgeruch wahrnahmen. Er war wohl ein Häufchen Elend und haben ihn mit einem entzündeten Bein ins Krankenhaus gebracht. Nun müssen wir abwarten. Eventuell wird es ihm abgenommen. Das schlimme war nur dass die Wohnung wie ein Schlachtfeld aussah. Überall lag Kot rum und alles...Meine Schwester und ihr Mann haben sich dessen angenommen. Nun habe ich zusätzlich noch Bedenken ob er die Wohnung behalten kann....

    Das Problem an der Sache ist, dass er sich abkapselt von allem und jedem. Er hat keine Hobbys außer dem trinken. Er ruft uns Kinder nicht einmal an. Immer müssen wir ihn anrufen...genauso ist es mit Besuchen. Ich habe ein schlechtes Gewissen dass ich ihn nicht öfter Besuche, aber ich schaffe es psychisch einfach nicht. Ich bin vor jedem Telefonat tierisch aufgeregt, geschweige denn vor den Besuchen. Jedesmal denke ich es ist irgendetwas neues passiert. Mein Lebensgefährte weis über meinen Vater und meine Mutter bescheid. Allerdings traue ich mich es sonst niemanden zu erzählen. Ich schäme mich so dafür...auch wenn ich weiß dass ich dafür nichts kann.

    So jetzt habe ich aber wirklich meine Seele aus dem Leib geschrieben. Nun zu meinem eigentlichen Problem...
    Ich würde ihn gerne in einen Entzug bringen, allerdings weiß ich dass er seine Sucht leugnen wird und sagen wird dass er nicht trinkt. Man sagt ja immer dass man es selber wollen muss, damit es von erfolg gekrönt wird. Ich weis nicht mehr was ich noch tun soll. Ich möchte dass sich SEIN und auch MEIN Leben einfach ändert! Ich möchte ein normales Leben führen, ohne Probleme diesbezüglich....

    Vielleicht habt ihr ja ein paar Ideen wie ich ihn umstimmen kann, zwecks des Entzugs...

    Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit! :)
    Liebste Grüße
    Ellen

  • Liebe Ellen,

    mein Vater und ich sind einige Jahre älter als Du. Aber mein Vater hat in seinen letzten Lebensjahren praktisch auch nur noch getrunken und jede Hilfe abgelehnt. Getrunken hat er auch schon immer, aber solange er gearbeitet hat, hat er funktioniert. Ein bisschen schwierig war er auch schon immer und auf Kontakt hat er noch nie viel Wert gelegt bzw., wollte er einfach nicht.
    Am Ende war es ähnlich schlimm wie bei Dir, von daher kann ich das nachvollziehen. In der Wohnung sah es aus, ich musste ihn auch irgendwann ins Krankenhaus bringen, als er nicht mehr laufen konnte, und da war es natürlich auch Thema, dass er Alkoholiker ist.

    Bei meinem Vater war es klar, dass er nicht aufhören wollte und da war es einfach ganz klar, dass es keinen Sinn macht, ihn zwangsweise "trocken zu legen". Er hätte nichts davon gehabt. Sehr viel trinken konnte er schon nicht mehr, da er bereits stark abgebaut hatte, da hat man ihm halt auch im Krankhaus Bier und Wein hingestellt, damit er halbwegs zufrieden war. In seinem Fall wäre es sogar möglich gewesen, ihn vom trinken abzuhalten, weil er sich selbst nichts mehr besorgen konnte, aber er wäre nur unglücklich dabei geworden.

    Sein Leben kannst Du nicht ändern, wenn er es nicht will. Ich habe mich lange mit dem Thema beschäftigt und ich habe keine Idee, wie Du ihn dazu bringen könntest, aufzuhören. Es gibt viele Angehörige, die Jahrzehnte ihres Lebens für diesen Versuch opfern, und das Einzige, was dabei herauskommt ist, dass sie mit den Bach hinuntergehen. Und auch Experten, Ärzte, Psychologen, Therapien können keinen Abhängigen gegen seinen Willen davon abbringen, weil der Abhängige das wollen und aktiv mitarbeiten müsste, auch wenn es schwierig wird, und Alkohol gibt es ja überall.
    Wenn er keine Lust hat, hat er keine Lust, es ist leider so banal wie es sich anhört.

    Du kannst nur Dein eigenes Leben ändern, indem Du die Verantwortung für ihn nicht mehr übernimmst und indem Du auch die Verstrickung zwischen Euren Leben so weit als möglich auflöst und Dich mehr darum kümmerst, dass es Dir gut geht, statt Dir immer Sorgen um ihn zu machen. Wenn er keinen Kontakt sucht, dann ist es ja vielleicht auch ein Zeichen, dass er das gar nicht will, also "musst" du ja auch gar nicht. Oder wünscht er sich das - dann müsste er aber auch mal, meinst Du nicht? Ansonsten müssen Eltern erwachsener Kinder ja nicht machen, was die Kinder wollen, genau so wenig wie umgekehrt, und trinken ist nicht verboten, also da hast Du gar keine Chance..

    Das ist jetzt einfach so dahin geschrieben und ich weiß natürlich auch, dass einen das oft mehr beschäftigt, als einem lieb ist. Es dauert seine Zeit, das hinter sich zu lassen. Ich dachte immer, man denkt, der Alkoholiker müsste doch einfach aufhören, aber sich selbst kann man ja auch kaum ändern. Vielleicht würde Dir eine Angehörigengruppe helfen?

    Gruß Susanne

  • Vielleicht hast Du auch Glück, dass er jetzt im Krankenhaus "zu sich kommt", weil er mit dem Bein ja sicher für eine Weile aus dem Verkehr gezogen wird und die ihn ja vielleicht auch ausnüchtern. Vielleicht reden auch die Ärzte mit ihm. Mit viel Glück merkt er da ja, was los ist, wenn es ihm nicht sowieso schon egal ist.

  • Guten Morgen Ellen,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Ich bin Alkoholiker, 50 Jahre alt, habe drei Kinder und lebe jetzt schon länger ohne Alkohol.

    Für mich ist es immer wieder auf's neue Neue sehr schlimm, wenn ich die Geschichten von Angehörigen alkoholkranker Menschen lesen muss. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich dabei immer an meine eigene Geschichte denken muss und was ich meiner Frau und meinen Kinder durch meine Sucht zugemutet habe.

    Ich möchte nur ein paar Gedanken von mir da lassen:

    Erst mal dazu

    Zitat

    Vielleicht habt ihr ja ein paar Ideen wie ich ihn umstimmen kann, zwecks des Entzugs...


    Ich kann Dir aus meinen eigenen Erfahrungen heraus sagen, dass das der komplett falsche Ansatz ist. Ich verstehe Deinen Wunsch ein Werkzeug, ein Mittel, an die Hand zu bekommen, mit dem Du ihn sozusagen zur Vernuft bringen kannst. Aber Du hast es ja schon selbst geschrieben und ich denke Du weißt es auch selbst: Das gibt es leider nicht - Von außen gibt es keine zuverlässige Möglichkeit den Trinker zum Undenken zu bringen. D. h. heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass bestimmte Ereignisse im Leben des Trinkers nicht dazu führen können, dass er von sich aus umdenkt.

    Was meine ich damit? Also z. B. gibt es Menschen, die im Suff den Führerschein verlieren. Bei manchen reicht das aus um etwas gegen ihre Sucht zu unternehmen. Andere verlieren den Job und werden dadurch wach gerütttelt. Wieder andere werden z. B. von ihrem Partner / Partnerin verlassen und nehmen das zum Anlass ihre Sucht zu bekämpfen. Und das, obwohl sie vorher jahrelang behauptet haben sie hätten gar kein Problem. Ich kenne auch jemanden, der mir erzählte, dass er auf einer Wanderung in den Alpen bei einem Blick ins Tal plötzlich wusste, dass jetzt Schluss mit trinken ist. Bei mir selbst war es ein sehr spontaner Entschluss, der allerdings erst dann erfolgte, als ich ganz tief am Boden war und einfach nicht mehr konnte und nicht mehr wollte. Ich hatte sozusagen meinen persönlichen Tiefpunkt erreicht.

    Ich sage deshalb "persönlicher" Tiefpunkt, weil diese Sucht leider nach dem Prinzip "schlimmer geht immer" funktioniert. So hatte ich z. B. noch meine Familie und meinen Job. Mein Tiefpunkt bestand aus einer absoluten innerlichen Leere und völliger Verzweifeltheit. Kombiniert mit kaum mehr zu ignorierenden körperlichen Problemen.

    Leider, das muss ich sagen, erreichen sehr viele Alkoholiker "ihren" Tiefpunkt eben nicht. Und saufen sich sozusagen zu Tode oder sterben an den Nebenwirkungen, an den Begleitkrankheiten die diese Alkoholsucht mit sich bringt.

    Alles was ich Dir damit sagen möchte ist, dass Du es leider nicht in der Hand hast. Selbstverständlich sollte man einen Alkoholiker auf seine Sucht ansprechen (ich denke über dieses Stadium bist Du längst hinaus), selbstverständlich sollte man auch Konsequenzen ziehen, wie z. B. Kontaktabbruch oder eben Kontakt ninimieren (auch das hast Du bereits getan) aber dann ist auch irgendwann eine Grenze erreicht. Aus meiner Fernsicht hat Dein Vater bereits viele Anstösse erhalten, die ihn hätten zum Nachdenken bringen können. Da ist viel passiert in seinem Leben inklusive der Tatsache, dass er bei seiner eigenen Frau mit ansehen hat dürfen, wohin die Sucht führt. Du hast den Kontakt minimiert, angesprochen hast Du ihn auf seine Sucht sicherlich auch.

    Jetzt hat er also auch noch schwerste körperliche Schäden davon getragen. Ein weiterer Schuss vor den Bug, von dem Du jetzt noch nicht weißt, ob er ihn zum Nachdenken bringen wird.

    Ich denke spätestens jetzt muss für Dich der Punkt erreicht sein, wo es nur noch um Dich geht. Um DEIN Leben. Alles worum Du Dich aus meiner Sicht kümmern solltest ist DEIN Leben. Lass Deinem Vater seines. Welche weiteren Schritte Du jetzt noch tun kannst, solltest Du mit Ärzten und der Suchtberatung besprechen. Ich meine damit Deine Sorge, dass er alleine nicht mehr wohnen kann. Es geht ja vielleicht auch darum, ob er in ein Heim überführt werden kann/soll. Werde aktiv und informiere Dich diesbezüglich, damit Du hier vielleicht Perspektiven finden kannst, die Dir helfen Dein eigenes Leben mit möglichst wenig Einfluss durch die Sucht Deines Vater zu gestalten.

    Gerne möchte ich Dich auch auf Selbsthilfegruppen für Angehörige hinweisen. Du hast geschrieben, dass Du Dich sehr schwer tust Dich zu öffnen. Ja das Du Dich sogar schämst. Ich bitte Dich nicht so zu denken! Niemand kann und wird Dich dafür verurteilen das Dein Vater trinkt. Im Gegenteil, in den SHG wirst Du auf Menschen treffen, die ähnliches erlebt haben, es vielleicht auch schon durchlebt haben und die Dir dadurch prima zur Seite stehen können. Es ist wie bei uns Alkoholikern auch. Auch wir haben die Möglichkeit in SHG zu gehen und treffen dort auf Menschen, die genau wissen was uns bewegt. Weil sie es selbst erlebt haben. Hab den Mut und öffne Dich, ich bin sicher es wird Dir helfen.

    Ich hoffe sehr, dass Du einen Weg finden wirst. Ganz wichtig finde ich, dass Du darauf achtest, dass DU der wichtigste Mensch in Deinem Leben bist und dass sich Dein Leben um Dich drehen sollte. Das hat nichts mit Egoismus zu tun, das ist nur die Grundregel dafür, dass Du nicht ebenfalls von der Sucht Deines Vaters mit in den Abgrund gerissen wirst.

    Alles alles Gute wünsche ich Dir und einen guten Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

  • Hallo Ellen!
    Meine beiden Eltern waren/sind Alkoholiker. Meine Mutter hat sich auch von meinem Vater getrennt.Er ist schon seit Jahren an den Folgen gestorben. Als ich festgestellt habe, dass sie auch trinkt und ein Arzt ihr das auch unverblümt vor den Kopf geknallt hat dachte ich, "Das ist ja kein Problem, sie weiß ja was das heißt und von meinem Vater hat sie ja auch den Entzug gefordert." Leider ist die Realität anders. Jeden Arzt lügt sie an und behauptet nur ich würde denken sie trinkt. Sie wird stumm, wenn man ihr die leeren Flaschen zeigt. Jeder Arzt schaut mich mitleidig an,weil meine Mutter langsam irreparabele Schäden im Gehirn zeigt. Sie wird keinen Entzug machen und ohne ihren Willen geht es nicht. Ich wünsche Dir,dass es bei Dir anders wird.Wenn aber nicht, weißt Du das du damit nicht alleine bist. Viel Kraft schicke ich Dir!!LG

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!