Ausgerechnet zu Weihnachten: Trennung vom süchtigen Freund (mit Sohn)

  • Liebes Forum,

    ich fühle mich wie parallelisiert und es tut mir leid zur schönsten Zeit des Jahres mit unangenehmen Nachrichten zu kommen. Aber so ist das im Leben.
    Ich bin unendlich traurig: Kurz zum Sachstand: Ich habe einen Sohn 4 Jahren und einen Mann (bald 40), der auch der Papa ist und wir insgesamt 8 Jahre zusammen sind. Es ist ein deutliches auf und ab gewesen, aber immer haben wir uns aufgerafft. Weil er eigentlich ein wunderbarer Papa ist. Bis Alkoholsucht und Drogen seinerseits ins Spiel kamen. Es gab für mich und mein Kind wirklich unschöne Situationen (vorm Sohn verstecken, weil er besoffen im Flur liegt, mir aber vom Sohn anhören, dass er zum Papi will *Herzbruch* etc.) Da wurde es komplizierter: Auch hier habe ich gekämpft für ihn, für uns und für die Familie. Er hat eine ambulante Suchttherapie begonnen und mir hoch und heilig versprochen, dass er uns als Familie behalten will. Naja, aber wie das natürlich so ist, geht er zwar zur Therapie, aber macht sie anscheinend nicht richtig bzw. bespricht die wichtigen Themen (nämlich warum er süchtig ist). Sondern lieber über Arbeit lierum larum löffelstiehl. Er macht sich was vor. Er macht es für mich und nicht für sich und für uns. Das ist eine ziemlich bittere Erkenntnis für mich. So bitter.
    Wir haben auch seit ewig kein Sex mehr und auch einfach keine Partnerschaft. Es geht nur noch um Alltagsorga und das Kind. Er ist auch zauberhaft zum Kind. Aber manchmal scheint es mir so, als ob er sich dahinter "versteckt". Von wegen "schau mal, ich bin so ein fürsorgevoller vater". aber auf eine subtile art und weise.
    Jetzt ist es so, dass ich einfach nicht mehr kann. Es ist zu bitter. Ich werde unglücklich. Vereinsame, kapsel mich von meinem Freunden ab. Verstecke mich auch so wie er vor den Problemen oder sozialen Verpflichtungen, Aber so will ich nicht leben.
    Daher habe ich gestern gesagt, dass ich will, dass er auszieht. Unter Tränen. Die ganze Nacht habe ichb geweint. Uns ist beiden klar, dass unser Sohn die absolute Prio hat und wir alles so gut wie möglich hinkriegen wollen zwischen uns als papa und mama. Aber eben nicht mehr als Paar. Aber wisst ihr was komisch ist? Er tut heute so, als ob nichts ist. Kocht essen, fragt wie es mir geht etc. Ist das normal? Wie lange dauert so eine tatsächliche Trennung? Ich hab einfach schiss, dass er so weitermacht wie bisher. Lief ja all die Jahre und "Frauchen" wird sich schon einkriegen.
    Gestern habe ich ihm gesagt, dass er sich eine wohnung suchen soll. aber ich hab schiss, dass es nie dazu kommen wird. aber ich will nicht ausziehen, weil das hier die basis und gewohnte umgebung meines kindes ist.
    jetzt grault es mir natürlich vor weihnachten: den familienbesuchen und allem. da wird er wieder so tun, als ob alles so ist wie immer. sich hinter seinem sohn verstecken und der welt zeigen, wie lieb er ist. bin ich bekloppt?
    bitte tauscht mir eure erfahrungen aus...bin ich hier im Alptraumland oder in der Truman Show? Danke, Phoenix

  • Nein bist du nicht!!
    Du bist auf einem guten Weg ,hast doch erkannt daß es so für dich und euer Kind nicht weitergeht.

  • Danke Wiesenblume! ich hänge mich gerade an jeden Strohhalm. Es fällt mir auch so schwer stark und konsequent zu bleiben. Ist das wirklich so einfach und hab ich mir all die Jahre was vorgemacht? Was so bitter ist, ist die Erkenntnis, dass man einem Süchtigen nicht helfen kann (obwohl das vermeintliche Glück zum Greifen nah ist).

  • Liebe PhoenixBLN,

    willkommen im Forum, und ich wünsche Dir eine guten, weiterführenden Austausch!

    Sucht hält sich an keinen Zeitplan, an keine Regeln und erst nicht an „die schönste Zeit des Jahres“.
    Diese Erfahrung hast Du ja leider bereits machen müssen: Nicht einmal Euer gemeinsames 4jähriges Kind ist für die Sucht ein Hemmnis.
    (Im Übrigen sind gerade solche „Feier“-Tage, wie Weihnachten u.a., die Zeiten, in denen die Sucht recht häufig eskaliert. Stichwort: legitime Anlässe, an denen die Betroffenen zuschlagen können …)

    Dein Mann scheint, trotz seines akuten Suchtproblems, ein sogenannter „funktionierender Alkoholiker“ zu sein. Er kann – noch – seinem Job nachgehen, hat – noch – eine funktionierende Familie (für die Du sorgst und organisierst), – und so kann er nach außen „seine heile Welt“ trotz Sucht aufrechterhalten.

    Du schreibst jetzt nichts davon, was für Drogen er zusätzlich zu Alkohol konsumiert?

    Grundsätzlich möchte ich schreiben, dass die Verhältnisse, die bei Euch herrschen, eher der Normalität in der Sucht widerspiegeln.
    Und gerade deswegen dauert es oft so lange, bis Suchtkranke eine „wirkliche und von innen aus ihnen selbst herauskommende Einsicht“ in ihre Suchtproblematik erlangen können.
    Logisch irgendwo: Wenn die Partnerin alles Unangenehme vom Betroffenen abhält, die notwendigen sozialen und organisatorischen Dinge für ihn regelt, das „System Familie“ am Laufen hält – für was sollte der alkoholsüchtige Partner seine Geliebte „Alkohol“ verlassen?

    Eine der bittersten Erkenntnisse, die dann Partnerinnen irgendwann haben, ist die, dass es in der Beziehung eine absolute Nummero Eins gibt: Das ist der Stoff!
    Egal, welches „Schauspiel“ nebenbei aufgeführt wird, egal wie viel Liebesschwüre nebenbei (an die Partnerin und die Familie) geleistet werden, egal wie hoch die Prioritäten für die tatsächlich notwendigen Dinge des Lebens sind: Die Sucht ist stärker!

    Als betroffener Alkoholiker kann ich Dich nur zu Deinem (hoffentlich) konsequenten Handeln beglückwünschen. Es liest sich so, als hättest Du alle anderen Optionen ausgeschöpft, und Deine Entscheidung (Partner muss ausziehen, um Dich und Dein Kind zu retten) ist in kluger Abwägung des bisherigen Werdegangs erfolgt.

    Solltest Du für Dich und Dein Kind darüber hinaus noch etwas wirklich Helfendes und Unterstützendes tun wollen, dann empfehle ich Dir die Vorsprache bei einer Suchtberatungsstelle. Dort wirst Du vor Ort beraten und betreut auf dem Weg in „Deine Freiheit“, die nicht mehr von der Sucht tangiert werden soll.

    Ich weiß aufgrund Deines Beitrags nicht, inwieweit Eure Verwandtschaft und Freund in das Problem eingeweiht sind, aber die anstehenden Besuche wären ein willkommener Anlass, sie auch mit einzubeziehen. Je mehr Druck ein Betroffener auch von außen bekommt, umso größer ist die Chance in seine Einsicht.
    Das würde natürlich bei Dir große Ehrlichkeit und Offenheit voraussetzen, sodass „die heile Welt“ Deines Partners einbricht, und die Wirklichkeit zutage kommt.

  • Danke Dietmar für deine Worte und rationalen Erklärungen in dieser emotionalen Zeit. Er kifft nebenbei. ANgeblich hat er aufgehört, aber mittlerweile kann ich einfach gar nichts glauben.
    Aber weisst du, was mir so wehtut? Die Erkenntnis, dass er schon längst liiert war. All die Jahre. Aber nicht mit mir, sondern mit der Sucht. Und ich dumme habe nach Aufmerksamkeit geschrien, Chancen gegeben etc. Obwohl mein Freund da schon längst "vergeben" war. Ich habe diese "Dreierkonstellation" unterschätzt. Ich habe auch diese Suchttherapie unterschätzt. Also das passive Begleiten einer solchen. Da kommt anscheinend so viel hoch und wenn man dann nur noch funktioniert, dann werde ich als "Deckmantel der Stabilität" ausgenutzt. So fühl ich mich.
    Wir haben das ganze Wochenende geweint.Weil er auch meinte, dass er einfach nur funktioniert.
    Es ist so bitter und tut so weh.

  • Hallo PhoenixBLN,

    ich bin wie du auch Angehörige eines Alkohol Kranken Mannes.

    Es hilft leider nichts- du musst zu einer Beratungsstelle für Lebensberatung oder zu einer Suchtberatung gehen.
    Dort werden auch Angehörige beraten.
    Erstens tut es gut, mal darüber sprechen zu können und zweitens wissen die, wie man die Situation am Besten meistert bzw was man tun kann.

    Leider ist es so, dass zuerst die Angehörigen zur Beratung müssen, um sich der Situation klar zu werden.

    Schau mal im Internet nach.
    Z.b bei der Caritas gibt es solche Beratungen.

    Kopf hoch, auch wenn es noch so aussichtslos und schwer ist- es gibt immer einen (Aus)weg
    LG

  • Hallo Phoenix,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Ich bin Alkoholiker, Ende 40 und lebe jetzt schon länger ohne Alkohol.

    Meine Familie (Frau und 2 Kinder) musste damals ähnliches erleben wie Du heute. Ich finde in Deinem Text viele Parallen zu meiner damaliegen Welt, zu dem was ich meiner Familie damals angetan habe. Was bei mir anders war ist, dass ich meine Trinkerei verheimlicht habe, was meiner Familie und insbesonderen meiner Frau aber keinen Vorteil gebracht hat. Eher im Gegenteil, sie hatte mit meiner Sucht zu kämpfen, bekam die Auswirkungen zu spüren, wusste aber nicht warum alles so war wie es war.

    Du dagegen weißt wenigstens Bescheid und kannst auf dieser "Basis des Wissens" Deine Entscheidungen treffen. Das ist kein Trost, das weiß ich sehr wohl. Ich wollte Dir nur kurz meinen Hintergrund schildern.

    Deine Geschichte ist, Dietmar hat es ja schon erwähnt, eine typische, sozusagen "ganz normale" Geschichte einer Partnerin eines Alkoholikers. Das was Du erlebst, das was Du fühlst, die Enttäuschung, das betrogen sein, das belogen sein und verletzt sein, das alles bringt die Beziehung zu einem Alkoholiker im Normalfall immer mit sich. In unterschiedlichen Ausprägungen zwar, aber i.d.R. läuft es doch immer nach einem bestimmten Schema ab.

    Bei Dir tun sich mir jetzt ein paar Fragen auf. Du schreibst ja, dass er Therapie macht, was ich ja schon mal nicht ganz schlecht finde. Du schreibst aber auch, dass diese Therapie nicht funktioniert. Darf ich fragen wie Du zu dieser Erkenntnis kommst? Trinkt er trotz Therapie weiter? Oder entwickelt er sich trotz Therapie nicht so, wie Du Dir das gewünscht hast? Was bringt Dich zu dieser Annahme? Du schreibst ja, dass er sie anscheindend nicht richtig macht.

    Sollte er aktuell nicht trinken aber es geht trotzdem nicht voran mit seiner Entwicklung bzw. mit Eurer Beziehung, dann wäre auch das nicht unbedingt untypisch. Leider gibt es auch viele Paare die sich gerade erst nachdem Trocken werden des Alkoholikers trennen. War bei mir übrigens auch so. Denn es ist ja nicht so, dass ein Mensch ein komplett anderer ist, nur weil er nichts mehr trinkt. Andererseits aber verändert er sich auch, muss er sich auch verändern, wenn er ein neues Leben ohne Alkohol führen möchte. D. h. er muss sich nicht unbedingt in seinem Grundwesen, seinen Grundeigenschaften verändern, jedoch wird sich seine Denkweise und sein Verhalten, seine Fürsorge um sich selbst stark verändern müssen, wenn er dauerhauft trocken bleiben will. Diesen Weg muss der Partner aber mitgehen wollen und auch mitgehen können. Nicht immer ist das der Fall und oft ist es auch ratsam, dass der Partner ebenfalls Hilfe in Anspruch nimmt um diesen Prozess erfolgreich begleiten zu können. Und es gibt glücklicherweise auch viele positive Beispiele, wo Paare nach dem Überwinden der Sucht dann zusammen ein glückliches Leben erreichen.

    Ich reite da jetzt so ausführlich darauf herum, weil ich bei Deinen Schilderungen erst mal nicht das Gefühl habe, Dein Mann wäre einer von den komplett hoffnungslosen Fällen. Ich kann mich da aber natürlich täuschen, darum ja auch meine Fragen oben.

    Die Tatsache, dass Ihr ein Wochenende durchweint, zeigt mir doch schon, dass er sich zumindest irgendwie mit seiner Sucht beschäftigt und eine Art Erkenntnis vorhanden ist. Klar neigen wir Alkoholiker im nassen Zustand doch recht stark zu Selbstmitleid, aber immerhin spricht er nicht davon, dass er ja gar kein Problem hat.

    Vielleicht möchtest Du Eure Situation noch ein wenig genauer schildern, dann könnten wir uns evtl. noch ein besseres Bild machen. Mich würde, wie schon gesagt, wirklich interessieren ob er jetzt trotz Therapie weiter trinkt. Oder warum Du meinst er würde es nicht ernst nehmen. Antworten natürlich nur dann, wenn Du magst.

    Ich wünsche Dir einen guten Austausch hier im Forum und hoffe, Du bekommst viele gute Informationen und Anregungen. Und wenn Du Fragen hast, dann her damit.

    LG
    gerchla

  • Liebe LiebtdasMeer, lieber Gerchla,

    danke für eure offenen Worte und Zeit für mich.
    Die Möglichkeit einer Angehörogenberatung habe ich all die Monate in Anspruch genommen. Aber ich werde nach Weihnachten nochmal einen Termin erfragen, um den aktuellen Stand der Dinge zu erklären.
    Ehrlich gesagt, habe ich die Suchtbegleitung etwas unterschätzt. Ich dachte, mit Liebe geht das auszuhalten, diese schwere Zeit. Aber es ist wie in einer Dreierbeziehung, in der ich absolut keinen Platz habe und auch keine Aufmerksamkeit erwarten kann von meinem Freund. Er ist mit "IHR" zusammen. Nicht mir mir.

    Gerchla : Mein Freund hat anfangs seine Alkoholsucht auch veheimlicht. Ich habe dann im Schrank/ auf dem Balkon/ im Keller Flaschen gefunden. Ich bin doch jedes Mal erschrocken, wie "normal" und rational eine solche Sucht und Verhalten beschrieben wird. Aber wie furchtbar es sich in dem Moment auch für die Angehörigen anfühlt, ist kaum auszuhalten.
    Die Therapie funktioniert deswegen nicht, weil er (wie ich von der Angehörigenberatung weiß) unterschrieben hat, keine Drogen zu nehmen. Aber statt dessen ist er statt Alkohol auf THC umgestiegen. Ohne es seiner Therapeutin zu sagen. Er erzählt bei der Therapie immer nur von seinem Stress auf Arbeit. Aber nicht von seiner Sucht, dem THC Konsum etc. Demnach ist die Therapie nutzlos, weil er nicht von seinen eigentlichen Problemen redet, warum er süchtig ist.

    Ich gehe einfach kaputt. Er redet weder mit mir, noch mit seiner Therapeutin. Er lässt sich einfach nicht helfen. Er meinte, dass er irgendwann nicht erwachsen geworden ist. Aber er ist mittlerweile bald 40.
    Ich fühle mich wie eine Vase, die jedes mal in die Ecke geschmissen wird und zerbricht. Sich jedes Mal selbst zusammenkleben muss, um dann wieder zertrümmert zu werden.

  • Liebe Phoenix,

    ok, jetzt sehe ich ein wenig klarer. Das liest sich jetzt nicht so gut. Es scheint also so zu sein, dass irgendeine Droge braucht um aus seinem Alltag zu entkommen. Wenn es der Alkohol nicht ist, dann halt was anderes. Das löst aber nicht sein grundsätzliches Problem und ich denke auch, dass die Therapie nicht funktionieren kann, wenn er nebenher sozusagen Ersatzdrogen konsumiert.

    Ich glaube, damit kommst Du dann auch langsam an einen Punkt, wo Du darüber nachdenken solltest, wie weit Du diesen Weg noch gehen willst. Wie lange Du das so weiter machen möchtest und was es für Alternativen für Dich gibt. Ich will damit nicht sagen, dass Du sofort alles hinwerfen sollst und ab durch die Mitte. Obwohl das natürlich auch ein Weg wäre.

    Ich finde, dass Du seine Situation sehr gut einschätzt. So wie Du geschrieben hast, dass er eine Geliebte hat, dass Du ihn nicht mehr erreichen kannst und das Du Dir vorkommst wie in der Truman Show, das alles zeigt mir, dass Du es wirklich sehr gut erfasst hast. Genau so ist es nämlich.
    Stellt sich die Frage, wie lange Du Teil dieser Show sein möchtest und, was vielleicht sogar noch wichtiger ist, unter welcher Regie. Wenn Du sagst, the show must go on, dann doch bitte unter Deiner Regie. Du stellst Regeln und Grenzen auf und Du legst auch fest, welche Konsequenzen Du ziehst, wenn diese nicht eingehalten werden. Das ist ganz wichtig, für Dich und Dein Kind.

    Selbstverständlich darfst und kannst Du gerne um Eure Liebe kämpfen, Du solltest nur aufpassen das es kein Kampf gegen Windmühlen wird. Denn dann wird es bei Euch genau 2 Verlierer geben: Dich und Dein Kind - Dein Mann, der Verursacher dieser Misere, säuft sich seine Welt weiter so wie sie ihm gefällt, oder kifft oder sonst was. Deswegen glaube ich, dass Regeln und Grenzen Deinerseits, und auch entsprechend Konsequenzen wenn er sie nicht einhält, eine Hilfe für ihn sein können. Denn vielleicht muss er erst Konsequenzen erfahren um wachgerüttelt zu werden. Vielleicht! Vielleicht ändert es auch nichts, aber dann musst Du Dein Leben und das Deines Kindes schützen.

    Es hängt jetzt also alles ein wenig davon ab, wieviel Du bereit bist (noch) zu ertragen und wie weit Du noch so weiter leben möchtest. Und vielleicht hast Du dabei auch Euer Kind im Blick. Er scheint ja trotz allem ein guter Vater zu sein, allerdings geht das alles sicher trotzdem nicht spurlos vorüber.

    LG
    gerchla

  • Liebe PhoenixBLN.

    ich befürchte ein wenig, dass Du einiges, das Du in der Angehörigenberatung erfahren hast, nicht so verinnerlicht hast, wie es eigentlich gedacht sein sollte: In erster Linie als Hilfe für Dich selbst!

    Wenn man allgemein davon spricht, dass niemand, weder Du als Angehörige und Partnerin, noch sonst jemand Wohlgesonnenes, den Suchtkranken dazu bewegen kann, aktiv etwas zu tun, damit die Sucht zum Stillstand kommt, dann hat das aus der Erfahrung mit der Sucht heraus seine Gründe.
    Diese Erfahrung hat nämlich gezeigt, dass Angehörige bei den unendlichen vergeblichen Versuchen, den Suchtkranken außerhalb seiner selbst zur Umkehr zu bewegen wollen, selbst – teilweise schwer – erkranken.

    Deshalb ist es so wichtig, dass Angehörige, wenn sie weiterhin mit dem Suchtkranken zusammenleben wollen, aber auch, wenn sie sich trennen, für sich etwas tun. Um nicht in Co-abhängiges Verhalten abzudriften, und um die erlittenen Verletzungen und Abwertung (Suchtmittel = Geliebte Nr. 1) mit professioneller Hilfe verarbeiten zu können. Oft auch, um erst mal wieder zu lernen, dass sie sich selbst etwas wert sind. Und natürlich, um sich klar und deutlich erkennbar abzugrenzen zu lernen.

    Aus eigener Erfahrung, weil ich polytox war (Mehrfachabhängigkeit von div. Substanzen), möchte ich Dich auf eine Besonderheit aufmerksam machen, die ich bei mir, aber auch bei vielen anderen Kiffern festgestellt habe: Durch die psychodelische Rauschwirkung von Cannabis erhält der Süchtige ein Gefühl der Abgehobenheit und Überlegenheit. Beides wird durch die tiefenentspannende Wirkung von Cannabis hervorgerufen. Selbst in kritischsten Situationen meint man, den Ernst der Lage außer Acht lassen zu können, und über den Dingen zu stehen.
    In dieser Zeit des Kiffens habe ich meine exorbitanten Alkoholkonsum erst recht nicht ernst genommen.

    Obwohl ich stets dafür plädiere, dass Angehörige eines suchtkranken Partners nicht vorschnell die Flinte ins Korn werfen sollen, sprich über eine Trennung nachdenken sollen, sondern erst einmal gemeinsam mit dem Suchtkranken beraten und überlegen sollten, wie es gemeinsam weitergehen könnte, sehe ich natürlich auch immer viele Fälle, bei denen das schlicht aufgrund der völlig fehlenden Einsicht des Suchtkranken nicht möglich ist.

    Da gilt es dann in erster Linie die Angehörigen vor weiteren Schäden, oder sogar davor zu schützen, dass sie zusammen mit dem Süchtigen in den Abgrund gerissen werden.
    Mir ist es an dieser Stelle immer wieder wichtig den Angehörigen klarzumachen, dass wir nicht über den Süchtigen sprechen, sondern über sie und ihr Anliegen. Sie dürfen sich die Sucht des Partners zu eigen machen. Die Sucht darf nicht ihr Leben bestimmen.

    Zitat

    Ich fühle mich wie eine Vase, die jedes mal in die Ecke geschmissen wird und zerbricht. Sich jedes Mal selbst zusammenkleben muss, um dann wieder zertrümmert zu werden.


    Deine Beschreibung ist charakteristisch für eine völlig verfahrene und unerträgliche Situation!
    Wir schreiben und reden hier von uns, als Menschen mit Seele und Emotionen!
    Ist ein Zustand eingetreten, indem wir uns wie seelenlose Gegenstände fühlen, die nur benutzt und missbraucht werden, dann ist es höchste Zeit an der Situation etwas zu ändern! An diesem Punkt ist es dringend angeraten, seine Bestimmung und die Verantwortung für sein Leben und sich selbst, selbst wieder in die Hand zu nehmen!

  • … als ich meinen letzten Beitrag abschickte, sah ich erst, dass Gerchla bereits geantwortet hatte:

    Er hat in seiner Antwort an Dich, Phoenix, etwas sehr Wichtiges angesprochen:

    Zitat

    Es hängt jetzt also alles ein wenig davon ab, wieviel Du bereit bist (noch) zu ertragen und wie weit Du noch so weiter leben möchtest. Und vielleicht hast Du dabei auch Euer Kind im Blick. Er scheint ja trotz allem ein guter Vater zu sein, allerdings geht das alles sicher trotzdem nicht spurlos vorüber.

    Man spricht hier auch von "Leidensdruck".
    Dieser Leidensdruck ist sehr individuell. Bei manchen Angehörigen wäre in Deinem Fall schon längst der Leidensdruck erreicht, an dem sie eine Trennung einleiten würden, weil es unerträglich für sie geworden ist.
    Bei Dir scheint es so, als wäre Dein Leidensdruck noch nicht stark genug, um aktiv pro Deinem und dem Leben Deines Kindes zu handeln. Dann ist die Frage: Was muss "noch" alles kommen, bis Du es nicht mehr ertragen kannst - und was ist dann alles kaputt, bei Dir, bei Eurem Kind, in Eurer Beziehung, im Sozialen, Finanziellen, usw. - bis Du aktiv zum Handeln gezwungen bist?

  • Immer wenn ich solche Geschichten lese kommt mir das alles so bekannt vor. Ich habe auch fünf Jahre der enttäuschten Hoffnungen hinter mir. Aus meiner Erfahrung kann ich Dir nur sagen, dass alles was er auf Dein Drängen, Zureden oder vor die Wahl stellen tut völlig sinnlos ist. In dem Moment in dem er die Zusage zu Therapie oder was auch immer gibt überlegt er schon, wie er das ganze umgehen kann. Als ich meinen Mann nach 15 Wochen Therapie abholte ist er aus dem Auto gestiegen und was trinken gegangen...Eine weitere ambulante Therapie hat er auch ausgesessen nach dem Motto ich tu doch alles was Du verlangst.
    Ich hab jetzt die Konsequenzen gezogen und er ist jetzt nach langen unschönen Kämpfen ausgezogen. Was ich damit sagen will: Wenn die Einsicht nicht von ihm kommt hast Du meiner Meinung nach keine Chance...

  • Zitat

    Was ich damit sagen will: Wenn die Einsicht nicht von ihm kommt hast Du meiner Meinung nach keine Chance...

    Klingt so unspektakulär.... ABER, damit hat Saskia es genau auf den Punkt gebracht. Genau so ist es leider. Es ist nur für viele Angehörige so unheimlich schwer das zu glauben. Er/sie müsste ja einfach nur mit dem Trinken aufhören, einfach nur Hilfe annehmen und dann wird es schon wieder werden, es kann doch nicht sein, dass... usw. usf. - Doch, es kann sein. Das ist leider das Wesen dieser Sucht. Es kann sein und es ist leider auch nicht selten so, das der Süchtige sich überhaupt nicht vom Alkohol lösen will oder kann. Die traurige Wahrheit....

    LG
    gerchla


  • Es ist nur für viele Angehörige so unheimlich schwer das zu glauben. Er/sie müsste ja einfach nur mit dem Trinken aufhören, einfach nur Hilfe annehmen und dann wird es schon wieder werden, es kann doch nicht sein, dass... usw. usf. - Doch, es kann sein. Das ist leider das Wesen dieser Sucht.


    Bei vielen Alkoholikern ist das - leider - nicht anders. Sie denken und glauben, wenn sie sich bereit erklären, Hilfe anzunehmen, in Therapie gehen, eine SHG besuchen, usw. dann wird schon "irgendwie" alles gut.
    Das reicht aber halt nicht, um wirklich trocken zu werden und sich von seiner Sucht lösen zu können.


  • Bei vielen Alkoholikern ist das - leider - nicht anders. Sie denken und glauben, wenn sie sich bereit erklären, Hilfe anzunehmen, in Therapie gehen, eine SHG besuchen, usw. dann wird schon "irgendwie" alles gut.
    Das reicht aber halt nicht, um wirklich trocken zu werden und sich von seiner Sucht lösen zu können.

    Wenn das nicht reicht, was braucht es denn noch? Um wirklich trocken zu werden und sich von der Sucht zu lösen?

    Viele Grüße, <br />Risu

  • Es braucht den tiefen und absoluten Willen des Alkoholikers trocken leben zu wollen. Er muss es von sich aus mit absoluter Konsequenz wollen. Das kann leider von außen nicht vorgegebenen werden. Manchmal kommen Anstöße von außen, aber nur er allein kann es umsetzten. Es ist schwer zu beschreiben

    Lg
    Gerchla

  • Hallo,
    bei mir war es eher so, ich wollte nicht mehr trinken, da war ich mir sicher, ich wusste zuerst nicht wie ich es anstellen sollte, der Weg war mir egal, ich habe den Leuten von der Caritas vertraut, mir war klar das ihr Vorschlag richtig war.
    Es gehörte die Einsicht dazu das ich Sucht krank bin, das alles nur besser ist als mein Leben im Rausch.
    Einmal Entschieden war auch mein Hadern verschwunden.
    Die Erkenntnis das niemand für einen Partner aufhören kann, ist schwer zu verstehen.
    Das schwierige ist das wir Partner sicher sind den Guten Weg zu gehen, es ist schwer zu begreifen das der Trinkende für seine Sucht soviel aufs Spiel setzt.
    Es könnte alles so gut sein.

    Aber auch an diesem Satz stimmt etwas nicht.
    Wäre alles Gut gewesen, mit meinem Partner der Beziehung, mit mir usw..,
    hätte der Alkohol keine Chance gehabt.

    Ich höre oft von Trennungen, nachdem der Alkoholiker trocken wurde, das ein Neuanfang unausweichlich war.
    Die Gründe sind vielleicht auch das die Beziehung soviel gelitten hat, und man nüchtern gesehen, sich keine zufriedene Zukunft mehr vorstellen kann.
    Ich zum beispiel als Ehefrau fordere, bitte, leide, mache Druck und einiges mehr, mein Mann läuft vor mir davon, lügt und fühlt sich gezwungen, das ist noch harmlos ausgedrückt, aber der Schaden ist glaube ich groß für eine Beziehung.
    Ja die Erkenntnis ist bitter, einen Weg kenne ich auch noch nicht.
    Es grüßt die
    Birgit

  • Zitat

    Also sowas wie eine tiefe Einsicht oder ein Aha Erlebnis


    Ja zum Beispiel. Bei manchen macht es auch einfach nur klick! Bei mir war es so, dass ich plötzlich wusste: jetzt will ich nicht mehr, jetzt oute ich mich. Das war völlig ungeplant ohne weiter darüber nachzudenken. Ich wusste nur: wenn ich das jetzt mache, dann bricht meine ganze Fassade zusammen und nichts wird mehr so sein wie vorher.

    So war es auch. Und von dieser Sekunde an hatte ich den unglaublich starken Willen nie mehr trinken zu wollen und ALLES dafür zu tun. Das alles war eine Sekundenentscheidung. Vorher hatte ich oft versucht irgendwie aufzuhören oder zu reduzieren. Hat nie funktioniert. Bis zu diesem Moment.

    Eine rationale Erklärung habe ich nicht. Ich denke, ich hatte einfach meinen persönlichen Tiefpunkt erreicht und konnte und wollte nicht mehr. Meine Frau war nur insofern beteiligt, weil sie mir einen Vorwurf machte und mich zur Rede stellte. Wie vorher auch schon häufiger und da lügte ich mich immer heraus, erfolgreich. Das wäre mir damals sicher auch gelungen, aber ich wollte eben nicht mehr. Es ist wirklich schwer zu beschreiben und es gibt leider kein nachvollziehbares Schema. Nichts was Du tun könntest um bei ihm soetwas zu erreichen, meine ich.

    LG
    Gerchla

  • Danke für all eure Erklärungen und Antworten. Ich muss mittlerweile sagen, dass ich die Entscheidung zur Trennung mittlerweile trage und als Chance sehe. In dem Sinne frohes neues euch allen!

    Aber zum Thema "wie sag ich es der Familie": Wir haben gestern meine Eltern über unsere Entscheidung informiert. Ganz einstimmig und ruhig von uns geplant gewesen und auch nicht die Suchtkrankheit als Grund genannt. Sondern gesagt, dass es schade und traurig ist, aber für unsere klene Familie wohl das beste.
    Und was passiert?
    Mein eigener Vater verkraftet die Info nicht, steht auf während ich rede, schreit uns an, es sei egoistisch von uns, knallt die tür zu und geht weg.

    Ich bin fix und alle. Damit habe ich nicht gerechnet und es triggert mich natürlich total das Wort "egoistisch". Denn in einer gewissen Form stimmt das auch: ich trenne mich aus Selbstschutz vor der Krankhgit meines Freundes und Sucht hat was egoistisches. Aber verdammte Hacke: ich habe jahrelang gekämpft um meinen Freund zur Seite zu stehen und geglaubt mit Liebe/ Geduld/Reden geht das. Aber wenn er sich nicht öffnet und ehrlich mir/sich gegenüber ist, geht das eben nicht. Und ich gehe kaputt dran. Ist dann meine Entscheidung egoistisch?

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