Letzte Chance

  • Guten Morgen,
    nach sehr langer Abwesenheit habe ich mich jetzt entschlossen, hier wieder aktiv zu werden.
    Die letzten zwei Jahre waren leider ein ständiges auf und ab. Insgesamt leider mehr bergab,
    da ich es nicht geschafft habe, dauerhaft trocken zu bleiben. Dadurch habe ich meine Familie
    mehrfach verletzt und viel Vertrauen verloren. Ich bin 42 Jahre alt, habe eine Frau und einen
    dreijährigen Sohn. Beide sind noch bei mir, was eigentlich ein Wunder ist. Anscheinend habe
    ich das Glück noch eine letzte Chance zu bekommen, meine Familie und mich zu retten.
    Wenn das nicht klappt, wird meine Frau mich verlassen. Und da hat sie recht.
    Also werde ich das jetzt durchziehen. Große Versprechungen kann ich nicht machen,
    die wären nach so vielen Versuchen auch nicht mehr glaubwürdig. Jetzt zählen nur noch Ergebnisse.
    Und somit jeder Tag. Eigentlich jeder Moment. Ich darf nicht mehr vergessen, was jetzt das
    Wichtigste ist. Mal sehen, wie ich damit zurecht kommen. Hat jemand Tips für die ersten Tage?
    LG Robert

  • Lieber Roberto,

    Zitat

    Ich darf nicht mehr vergessen, was jetzt das
    Wichtigste ist. Mal sehen, wie ich damit zurecht kommen. Hat jemand Tips für die ersten Tage? .....meine Familie und mich zu retten. ....

    Mein Tip für dich:
    Das Wichtigste bist DU! Du musst nicht deine Familie retten, du musst DICH retten.
    Alles Liebe dir und viel Kraft

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Hallo Roberto,

    dann erst mal welcome back!

    Was Britt Dir geschrieben hat ist genau das, worum es geht! DU bist das wichtigste! Du musst Dich jetzt in den Mittelpunkt rücken. Was Du jetzt tust, dass tust Du für Dich! Deine Familie kann da gerne als Motivator herhalten. Sie kann Dich beflügeln Dein Vorhaben konsequent durchzuziehen. Das ist alles in Ordnung. Tun solltest Du es für Dich.

    Und wenn Du dann hoffentlich irgendwann mit der selbst im Reinen bist, wenn Du Dich selbst wieder ertragen oder sogar lieben kannst, dann wird Deine Familie, jeder einzelne davon, enorm profitieren.

    So, jetzt mal weg vom theoretisch/philosophischen hin zum Praktischen:

    Wie schauen Deine Pläne aus bzw. hast Du überhaupt einen? Wenn Du es wirklich ernst meinst, dann solltest Du jetzt Nägel mit Köpfen machen. Du hast ja nach Tipps für die ersten Tage gefragt. Hier kommen meine:

    Geh zum Arzt und oute Dich als Alkoholiker / Besprich mit ihm oder ihr das weitere Vorgehen / Je nachdem wirst Du dann stationär oder ambulant entziehen und entgehst damit den großen Gefahren eines kalten Entzugs / Sprich mit Deinem Arzt über weitere Maßnahmen, nach dem Entzug / Schließe dabei nichts aus, auch keine stationäre Therapie / Such Dir parallel eine Selbsthilfegruppe in Deiner Nähe, die Du ab sofort so oft besuchst, wie es nur möglich ist / Schreibe weiter hier im Forum

    Das wären dann mal meine Tipps für den Anfang. Wenn Du jetzt ganz viele Argumente findest, warum dieses oder jenes nicht funktioniert oder Du dieses oder jenes nicht tun kannst oder willst, dann wird es entsprechend schwieriger aus der ganzen Geschichte heraus zu kommen.

    Es ist klar, dass Du ernsthaft nicht mehr trinken willst. Gut so. Und erst mal auch wichtig, dass Du das durchhälst, wobei ich nochmals auf die Gefahren eines kalten Entzugs hinweisen möchte. Auf Dauer wird Dich "nur nichts mehr trinken" aber nicht trocken halten. Auf Dauer musst Du mehr tun als nur keinen Alkohol mehr zu trinken. Und genau dafür gibt es ja zahlreiche Hilfsangebote. Wenn man körperlich entzogen hat, was nach relativ kurzer Zeit der Fall ist, dann geht die Arbeit erst richtig an. Dann gehts an die psychische Abhängigkeit. Und diese ist fatal, das ist die eigentliche Sucht.

    Und da kommt man nur mit Willensstärke nicht gegen an, jedenfalls nicht sehr lange. Deshalb musst Du Strategien erlernen, wie Du z. B. mit plötzlichen Suchtdruck umgehen kannst. Damit es eben nicht zu einem Rückfall kommt. Langfristig geht darum, dass Du ein zufriedener (ideralerweise sogar glücklicher) Mensch wirst, der überhaupt kein Bedürfnis mehr verspürt Alkohol konsumieren zu wollen.

    Das geht! Ist jedoch ein weiter Weg der viel Selbstreflexion voraus setzt und wo man sich sehr viel mit sich und seiner Krankheit beschäftigen muss. Wenige können das alleine schaffen oder "punktueller" Hilfe (z. B. SHG), für die meisten ist der Weg über z.B. eine Therapie (geht auch ambulant) genau der Richtige. Ganz ohne Hilfe ist es sehr schwer und die Gefahr des Scheiterns sehr hoch.

    Ich wünsche Dir einen guten Austausch hier im Forum und natürlich, dass Du Deinen Weg findest!

    LG
    gerchla

  • Hallo Roberto,

    wellcome back!

    Als ich heute Deinen neuen Beitrag las, und danach nochmal zurück ging in 2015, als Du das erste Mal hier warst, fiel mir eines ins Auge:

    Zitat

    … da ich es nicht geschafft habe, dauerhaft trocken zu bleiben.

    Dies, verbunden mit der „letzten Chance“, die Dir Deine Familie einräumt und dem Vielen „bergab“ in Deiner persönlichen Lebenssituation bringt mich sehr zum nachdenken.
    Ich denke dann: Es lag weniger daran, „dass Du es nicht geschafft“ hast, sondern mehr daran, „dass Du zu wenig für Deine Trockenheit geschafft hast“.
    Also trotz dem Ernst der Lage zu wenig aktiv dafür getan hast, um trocken bleiben zu können.

    Auch das ist eine reine Erfahrungssache, wie Du aus zahlreichen Berichten von „alten Hasen“ nachlesen kannst. Viele meinen es reicht, wenn man den Alkohol weglässt, und irgendwann „scheint“ sich alles so zu normalisieren, dass man von dem ganzen „Sucht-Scheiß“ nichts mehr wissen will.
    Dabei geht’s bei der Arbeit mit sich selbst gar nicht (allein) um „Sucht-Themen“.
    Die Sucht hat ja immer auch Gründe und Ursachen.
    Zusammengefasst könnte man sagen: Es sind die ganz persönlichen Defizite, die jemand dazu bringen können, in die Sucht abzurutschen.
    Um diese Defizite auf- und abzuarbeiten, so erkenne ich heute bei mir nach vielen Jahren Abstinenz, kommt es mir so vor, als müsste ich mindestens so lange, wie ich einst gesoffen und meine Persönlichkeit mit Alkohol zugeschüttet habe, an mir „arbeiten“.

    Tipps kannst Du hier reichlich im Forum finden. Angefangen von den akut notwendigen Schritten (Entgiftung), über den Besuch einer Suchtberatung und Selbsthilfegruppe, bis hin zu einer stationären Langzeittherapie …
    Du musst jetzt das Passende für Dich heraussuchen.

  • Guten Morgen,
    vielen Dank für die Antworten. Die haben mir sehr geholfen und enthalten natürlich die richtigen Tips für die ersten Schritte.
    Ich muss noch erzählen, dass ich 2016 schon zehn Tage auf Entzug war. Danach Suchttherapie und SHG. Hat aber nur
    vier Wochen gehalten. Der Entzug war zwar körperlich nicht notwendig, aber zur Erholung ganz gut und dort hab ich auch
    viel gelernt, da alle sehr freundlich und motiviert waren. Die Gespräche der Suchttherapie haben mir nicht so viel gebracht,
    einen Plan gab es nicht und mir wurden immer die gleichen Fragen bezüglich den Gründen und meiner Gefühle beim Trinken gestellt.
    Und wenn ich da die Antworten wüsste, dann müsste ich ja nicht hingehen. Für dieses Mal ist geplant, mich meiner alten SHG
    wieder anzuschließen. Aber wöchentlich eine Stunde wird nicht reichen. Deshalb versuch ich jetzt täglich an mir zu arbeiten
    und mich ganz darauf zu konzentrieren. Und das mache ich jetzt. Nur psychisch bin ich noch leicht reizbar. Hoffentlich ändert
    sich das in den nächsten Tagen. Ist aber nur zeitweise so, im Moment bin ich entspannt und motiviert. 44.


  • Guten Morgen,
    vielen Dank für die Antworten. Die haben mir sehr geholfen und enthalten natürlich die richtigen Tips für die ersten Schritte.
    .... Danach Suchttherapie und SHG. Hat aber nur vier Wochen gehalten. Der Entzug war zwar körperlich nicht notwendig, aber zur Erholung ganz gut.....und mir wurden immer die gleichen Fragen bezüglich den Gründen und meiner Gefühle beim Trinken gestellt.
    Und wenn ich da die Antworten wüsste.... Deshalb versuch ich jetzt täglich an mir zu arbeiten ... Und das mache ich jetzt. Nur psychisch bin ich noch leicht reizbar. Hoffentlich ändert sich das in den nächsten Tagen. Ist aber nur zeitweise so, im Moment bin ich entspannt und motiviert.


    Lieber Roberto,
    War der körperliche Entzug wirklich nicht notwendig, oder "belügst" du dich selbst? Verbindest du Entzug mit Erholung??? Ich denke du bist nicht so entspannt und motiviert, wie du es uns hier mitteilst. Für mich steht Ehrlichkeit an erster Stelle in meiner Abstinenz!
    Alles Liebe Dir

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Guten Morgen Roberto,

    das ist sehr interessant, dass Du die klassischen Wege zumindest ansatzweise schon mal "probiert" hast. Hast Du für Dich schon eine Erklärung gefunden, warum Du damals schon nach vier Wochen wieder zum Alkohol gegriffen hast?

    Fühlt sich das heute im Vergleich zu damals irgendwie anders bei Dir an? Ich meine damit Deinen Ausstieg, den Du ja jetzt auch wieder angehst. Ist da irgendwas anders als damals? Offenbar hast Du es ja damals auch schon ernst gemeint, immerhin hast Du richtig entzogen, bist zur Therapie und in eine SHG - vorbildlich möchte man da sagen. Dennoch war nach 4 Wochen schluss. Da wäre es bestimmt wichtig zu wissen, warum Du so schnell wieder zugegriffen hast. Denn daraus kannst Du natürlich lernen.

    Ich kann das schon auch nachvollziehen, was Du schreibst. Manchmal passen bestimmte Dinge nicht zu einem. Ich hatte damals z. B. einen Psychologen, an den ich bestimmte Erwartungen gestellt habe. Ich dachte mir, der wird mir Wege aufzeigen, wie ich mit meinen großen Schuldgefühlen klar komme. Nachdem ich nach 7-wöchiger Wartezeit dann den ersten Termin hatte, war ich mega enttäuscht. Denn er half mir vermeintlich überhaupt nicht. Er meinte, ich solle mich gefälligst benehmen wie ein erwachsener Mensch. Das traf mich damals hart, jedoch habe ich es nicht hingeworfen sondern bin weiter zu ihm.

    Im nachhinein gab es dann auch viele Dinge, die sehr gut waren und mir halfen, jedoch kapierte ich das dann meist erst viel viel später. Heute profitiere ich davon.

    Allerdings veranlasste mich dieses negative Erlebnis damals auch dazu, mir eine Alternative zu suchen. Diese konnte nicht sein, wieder mit dem saufen anzufangen. Denn trinken wollte ich nie mehr wieder in meinem Leben. Da ich aber wusste, dass eines meiner größten Probleme der Umgang mit meiner Schuld (die ich zu meiner Saufzeit reichlichst auf mich geladen hatte) ist, musste ich da was tun. Denn letztlich hatte ich Angst, dass mich diese Schuld irgendwann, wenn ich sie einfach verdränge, einholen wird und dann im schlimmsten Fall sogar wieder der Griff zur Flasche von mir erfolgen könnte.

    Ich ging zu einem Mönch. Eine lange Geschichte, die ich jetzt nicht im Detail erzählen möchte. Ich will Dir damit nur zeigen, dass es manchmal sehr individuelle Wege braucht um aus der Sucht heraus zu kommen. Besonders dann, wenn die klassischen nicht zu funktionieren scheinen. Also dieser Mönch, den ich zufällig mal Jahre vorher kennengelernt hatte, der half mir da tatsächlich heraus. Der hat mehr für zu meinem trockenen Leben beigetragen, als irgendwer sonst.

    Jedoch: auch er war "nur" ein Baustein von vielen, die ich brauchte um dauerhaft trocken zu werden. Da gab es noch viele andere, z. B. besagter Psychologe, z. B. mein bester Freund, z. B. meine SHG. Alles zusammen war die richtige Mischung für mich. Denn alle diese Bausteine ermöglichten es mir mich auf unterschiedliche Weise mit mir, meinem Leben und meiner Sucht auseinander zu setzen. Jeder hatte andere Ansichten, andere Weisheiten, andere Erfahrungen. Mein bester Freund z. B. ist da eher Pragmatiker - na klar, er hat und hatte ja nie ein Suchtproblem. Dennoch war seine Sichtweise auch sehr wichtig für mich. Die Leute der SHG waren eher sehr strikt, man könnte sagen "streng" unterwegs. Das schadete mir überhaupt nicht. Ganz besonders in der Anfangszeit war das sogar eine Grundvoraussetzung für mich.

    Also Du verstehst vielleicht was ich meine. Ich meine, es gibt viele Weg aus der Sucht, genau wie es sie hinein gibt. Aber es ist entscheidend, dass man sie geht, probiert, reflektiert, arbeitet.
    Leg Dich nicht zurück, trinke keinen Alkohol und warte was passiert. Suche selbst nach Lösungen, suche selbst nach Wegen, probiere Dinge aus, finde heraus, was es braucht das Du Dich als Mensch weiter entwickeln kannst. Dann wirst Du hier vielleicht irgendwann mal eine abgefahren Geschichte schreiben können, wie Du Deine Sucht besiegt hast.

    Es ist ein langer, ein sehr langer Weg. Gespickt mit großem Gefahren, die man nur umgehen kann, wenn man absulut wachsam ist und immer an sich arbeitet. Aber der Weg lohnt sich, das darfst Du mir glauben!

    LG
    gerchla

  • Guten Morgen,
    leider bin ich noch ganz am Anfang meines Weges, aber ich bin jetzt schon ruhiger geworden.
    Glaub darauf muss ich mich erst mal konzentrieren. Ich reg mich leider zu schnell auf,
    das häuft sich dann über Stunden hinweg an und irgendwann hab ich mir dann "Entspannung" gesucht.
    Hat aber leider nie funktioniert. Nach ein paar Gläsern war ich wieder genauso genervt und am
    nächsten Tag sehr reizbar. Glaub das hat auch biologische Gründe, weil der Alkoholkonsum ja
    Magnesium und B-Vitamine vernichtet, den Stoffwechsel blockiert und die Hormone unterdrückt.
    Dazu kommt der schlechte Schlaf, da kann man ja am nächsten Tag nicht fit sein. Daran werde ich
    jetzt viel öfters denken müssen. Morgens bin ich zwar immer noch etwas kaputt, aber das Wetter ist
    ja auch anstrengend und vielleicht holt sich der Körper jetzt erst mal seine richtige Entspannung,
    die er ja vorher nicht hatte. Also erst mal ruhig bleiben und die Müdigkeit genießen. Ich würde zwar
    gerne die Zeit etwas vor drehen, aber das geht ja leider nicht. Und zurück auch nicht.
    Also lieber das Beste aus dem Tag und dem Moment machen.


  • Guten Morgen,
    leider bin ich noch ganz am Anfang meines Weges, aber ich bin jetzt schon ruhiger geworden.


    Hallo Roberto,
    deine Zitate:

    Zitat

    ...Der Entzug war zwar körperlich nicht notwendig....

    Zitat

    ... Die Gespräche der Suchttherapie haben mir nicht so viel gebracht...

    Zitat

    Glaub das hat auch biologische Gründe,weil der Alkoholkonsum ja Magnesium und B-Vitamine vernichtet, den Stoffwechsel blockiert und die Hormone unterdrückt

    Zitat

    ... Dazu kommt der schlechte Schlaf…. aber das Wetter ist ja auch anstrengend und vielleicht holt sich der Körper jetzt erst mal seine richtige Entspannung…


    ganz ehrlich: ICH bin Alkoholiker, und ich kenne JEDE Ausrede.....aber wichtig ist:

    Zitat

    im Moment bin ich entspannt und motiviert. Heute werde ich keinen Alkohol trinken.


    Das zählt!!!! alles Liebe Dir!

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!