Muss meine Frau in die Klinik

  • Hallo liebe Leute,

    meine Frau liegt gerade mal wieder komplett betrunken auf der Couch und merkt nix mehr, schreit mich an, hasst mich, will sterben usw usw. Ich erlebe das nun schon seit 4-5 Jahren, alle 1-2 Wochen einmal. Sie schafft es immer 1-2 Wochen clean zu bleiben aber umso länger sie clean war umso schlimmer wird der nächste Abschuss.

    Wir kommen gerade aus dem Urlaub, wo sie sich auch einmal pro Woche komplett abgeschossen hat.

    Ich weiß einfach nicht mehr weiter...was soll ich nur machen. Ich denke sie muss in eine Klinik, aber ist das wirklich nötig?!

    Sie war auch schon wegen Depressionen in der Klinik, das ist jetzt drei Jahre her, wegen Alkohol wurde sie damals nicht behandelt, das hatte sie verschwiegen. Sie hat auch ihre Psychotherapie abgebrochen.

    Kann mir jemand sagen welches die nächsten Schritte sind? Fühle mich so hilflos!

  • Hallo Alex,

    erst mal herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Ich bin Ende 40 und Alkoholiker. Ich lebe jetzt seit mehreren Jahren ohne Alkohol.

    Du klingst bzw. schreibst recht verzweifelt. Was ich sehr gut verstehen kann. Vielleicht möchtest Du noch ein wenig mehr von Deiner Situation bzw. der Situation Deiner Frau schreiben?

    Also 1 - 2 mal die Woche schießt sich Deine Frau mit Alkohol ab. Was ist an den anderen Tagen? Lebt sie da abstinent, ich meine komplett ohne Alkohol? Du schreibst ja, sie ist dann clean, heißt das sie rührt dann keinen Tropfen an? Und wie steht sie zu dem was sie da macht? Sprichst Du mit Ihr über die Situation bzw. könnt Ihr darüber überhaupt sprechen? Wenn ja, was sagt sie dann dazu? Ist sie selbst der Meinung, dass sie ein Problem hat oder sieht sich sich selbst sogar als alkoholkrank an?

    Du merkst vielleicht, dass meine Frage in Richtung Bewustsein Deiner Frau abzielen. Denn es ist eigentlich nicht entscheidend, was Deine Frau "müsste", sondern es ist entscheidend was Deine Frau will. In eine Klinik musst oder solltest Du sie einweisen lassen, wenn akute Gefahr für sie besteht. Das ist klar. Wenn es Dir aber mit Deiner Frage darum geht (und das vermute ich), was man tun kann, damit Deine Frau vom Alkohol weg kommt, dann ist der Wille und die Einsicht des Süchtigen der Schlüssel zum Erfolg.


    Noch ein paar Worte zu den Depressionen. Es ist leider so, dass Alkohol bei Depressionen genau das falsche ist. Das ist ein bischen Henne / Ei -Prinzip: starker und regelmäßiger Alkoholkonsum kann Depressionen auslösen, Alkoholiker haben nicht selten große Probleme mit Depressionen. Andererseits versuchen Menschen mit Hang zum Depressiven manchmal auch diese depressiven Gedanken mit Alkohol zu "lindern" - was anfangs vermeintlich auch funktionieren kann, jedoch aufgrund dieser Wirkung dann schnell in eine Suchtspirale führt, was dann wiederum zu einer Verstärkung der Depressionen beiträgt.

    Du merkst, es ist nicht so einfach. Wenn Deine Frau tatsächlich alkoholsüchtig sein sollte, dann ist eine sinnvolle Behandlung ihrer Depressionen ohne eine Behandlung ihrer Sucht nicht möglich. Sollten ihre Depressionen durch Alkohol ausgelöst werden, dann wird sie durch ein abstinentes Leben wahrscheinlich "ganz von selbst" geheilt werden. Das ist jetzt einfach gesprochen, ich bin weder Arzt noch kenne ich die Hintergründe bei Deiner Frau. Aber Menschen die ihre Alkoholsucht überwinden sind danach sehr häufig wesentlich positiver unterwegs als jemals zuvor.

    Zitat

    Fühle mich so hilflos!


    Das bist Du im Grunde genommen auch ein Stück weit. Zumindest was Deine Frau betrifft. Ihr könnte nur geholfen werden, wenn sie das selbst möchte. Und in diesem Fall wärst Du sicher eine gute Stütze für sie.

    Wenn sie jedoch keine Hilfe möchte oder eben der Meinung ist, sie hat gar kein Problem, dann wird's schwierig. Dann bleibt Dir nur darauf zu achten, dass Du selbst bei der ganzen Geschichte nicht drauf gehst. Dann musst Du Dich schützen. Du kannst da nicht viel für sie tun.

    Es wäre jetzt wirklich interessant zu wissen, wie Deine Frau das sieht. Ob sie selbst für sich einen Handlungsbedarf sieht oder ob das "nur Deine Meinung" ist. Wenn sie nämlich tatsächlich komplett uneinsichtig ist, dann müsstest Du wohl überlegen, was Du für Dich tun kannst. Nicht was Du für sie tun kannst.

    Ich wünsche Dir einen guten Austausch und viele gute Anregungen die Dich weiter bringen!

    LG
    gerchla

  • Hallo Gerchla und vielen Dank für Deine Antwort und den netten Empfang hier im Forum!

    Gerne berichte ich noch etwas ausführlicher, deshalb bin ich ja hier. Ja, genau, meine Frau ist normalerweise komplett ohne Alkohol, also sie trinkt überhaupt nix. Manchmal klappt das sogar 3,4 Wochen. Wenn Sie aber einmal anfängt zu trinken dann gerät sie meist in eine Art Strudel und kann nicht mehr aufhören. Ihr ist dann alles egal, auch ich, ihr Partner, oder unser jugendlicher Sohn. Ich versuche sie dann immer runter zu bringen aber es ist immer extrem schwer. Aber sollte ich es doch schaffen und standhaft bleibe dann ist sie mir im Nachhinein auch dankbar dass ich es geschafft habe. Wenn ich es aber nicht schaffe und ihr Alkohol gebe oder sie sich selber etwas besorgen konnte oder versteckt hatte dann geht so ein Exzess teilweise über mehrere Tage in denen sie nicht ansprechbar ist und auch nicht arbeitsfähig ist. Bei uns im Haus ist Alkohol natürlich nicht vorhanden bzw gut versteckt.

    Sie weiß auch selber dass sie ein Problem mit Alkohol hat, das sagt sie wenn sie klar ist. Sie hat es auch bei ihrer Mutter gesehen, die sich sogar wegen Alkohol eines Tages umgebracht hat. Sie weiß also eigentlich sehr gut wohin das alles führt. Sie will auch davon weg und aufhören uns das alles anzutun, aber dann holt sie sich eben doch etwas. Sie sagt sie möchte immer nur ein bisschen trinken um schlafen zu können, aber meist klappt das nicht und statt zu schlafen vegetiert sie dann wie ein behinderter Mensch vor sich hin. Es ist immer sehr schwer das mit anzusehen. Früher bin ich auch immer total ausgerastet, aber heute bin ich immer einfach nur traurig und verzweifelt. Denn ausrasten bringt nix, es eskaliert nur immer noch mehr wenn ich ausraste denn sie hat einen großen Dickkopf, erst recht wenn sie getrunken hat.

    Ich würde also schon sagen dass ihr Wille aufzuhören da ist und die Einsicht auch.

    Sie weiß aber nicht wie sie es schaffen soll und ich auch nicht. Sie sagt wenn sie voll ist immer ich soll sie verlassen damit ich nicht mit untergehe. Wenn sie aber wieder nüchtern ist dann möchte sie mit mir zusammen kämpfen, nur wissen wir beide nicht wie.

    Sie weiß nur, dass sie nicht in die Klinik möchte. Denn sie hat als sie wegen Depression in Behandlung war auf der Nachbarstation gesehen was bei den Alkoholleuten abgeht und hat unheimlich viel Angst davor dort hin zu müssen.

    Manchmal habe ich auch das Gefühl dass wirklich akute Gefahr für sie besteht denn sie fährt bspw. manchmal betrunken Auto um sich mehr Alk zu besorgen.

    Diese Suchspirale habe ich auch schon festgestellt. Es ist wie Du sagst, wenn sie schlecht drauf ist dann trinkt sie und danach ist sie meistens Tage lang depressiv weil sie erstens einen Kater hat, zweitens ein schlechtes Gewissen hat und drittens verzweifelt ist.

    Ja ich denke auch wenn sie die Alkoholsucht überwunden hätte dann wäre ihre Depression auch überwunden. Zumindest kommt ers mir so vor als wäre sie immer nach dem Alkohol total depressiv. Wenn sie aber lange Zeit nicht getrunken hat dann blüht sie regelrecht auf. Alkohol scheint also ein Auslöser zu sein.

    Aber auch Ihre Arbeit ist wohl ein Auslöser. Sie arbeitet wirklich sehr hart in der Produktion bei einem Automobilzulieferer. Die Zustände dort sind leider nicht so toll. Mitarbeiter werden verheizt. Das macht ihr denke ich psychisch und physisch sehr zu schaffen und es ist wohl laut ihr auch ein Auslöser zu trinken.

    Sie hat also schon die Einsicht aber wirklich helfen lassen möchte sie sich nicht. Wir waren auch bei der Suchtberatung aber das bringt ihr nix sagt sie...

    Nochmals vielen Dank für Deine Antwort, das hat schonmal gut getan etwas zu lesen und zu schreiben!

    LG,
    Alex

  • Hi Alex,

    die Situation ist für euch alle nicht schön. Deiner Frau geht es anscheinend nicht besser wie dir. Sie möchte von dem Alkohol weg und schafft es nicht. Das kenne ich auch. Jahrelang hatte ich diese Gedanken in mir. Ich habe getrunken. Ich habe nicht getrunken. In verschiedenen Abständen. Oft lange Zeit nicht, aber es gab auch Zeitabschnitte, da habe ich jedes Wochenende getrunken. Manchmal konnte ich es bremsen, manchmal überhaupt nicht. Die Situation ist mehr als sch…

    Wie auch immer ich war irgendwann so verzweifelt, dass ich endlich einen Schlussstrich ziehen wollte. Ich habe mich meiner Ärztin anvertraut und dann nahm alles seinen Lauf. Wir haben eine Lösung für mich gefunden. Ich denke, diese Lösung sollte sehr individuell sein. Meine Lösung hat funktioniert. Ich bin seit 4 ½ Jahren komplett trocken und ein glücklicher Mensch geworden. Ich würde es immer wieder machen.
    Die Depressionen deiner Frau haben sicher auch mit dem Alkohol zu tun.
    Suche keine Ausreden für deine Frau. Mein Job war sehr stressig, mein Mann ist tödlich verunfallt, meine Kollegen waren auch nicht immer die besten Freunde, ich habe unsere Tochter alleine groß gezogen, weil mein Mann starb. ABER auch andere Menschen haben Sorgen und trinken nicht. Meine Sorgen wären mit wie ohne Alkohol da gewesen. Ohne Alkohol hat man bessere Lösungen. Ich fühlte mich bei meiner Ärztin gut aufgehoben, weil sie mich unterstützt hat und ich mich verstanden fühlte. Sie ist gleichzeitig als Psychotherapeutin ausgebildet, so dass der Weg ein guter Weg war.
    Ich wünsch euch alles Gute und wagt einen Anfang. Lasst euch beraten bei einer Selbsthilfegruppe oder einem Arzt oder einer Suchtberatung. Möglichkeiten gibt es viele, man muss sie nur annehmen.

    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo Alex,

    ok, also ist bei Deiner Frau zumindest schon mal eine Art "Grundbewustsein" dafür da, dass sie ein großes Problem hat. Und sie leugnet nicht. Mal ein erster Schritt.

    Allerdings wirst Du in dieser Geschichte schwer in die Rolle eines Co-Abhängigen "gedrückt". Da solltest Du wirklich aufpassen, denn das bedeutet, dass auch Du krank werden könntest und Du soltest Dir deshalb unbedingt helfen lassen. Ich lese das aus folgenden Aussagen von Dir heraus:

    Zitat

    Ich versuche sie dann immer runter zu bringen aber es ist immer extrem schwer. Aber sollte ich es doch schaffen und standhaft bleibe dann ist sie mir im Nachhinein auch dankbar dass ich es geschafft habe.


    und

    Zitat

    Wenn ich es aber nicht schaffe und ihr Alkohol gebe

    Du fühlst Dich also für sie verantwortlich, versuchst ihren Alkoholkonsum zu kontrollieren bzw. zu steuern und machst natürlich Dein Leben bzw. Dein Wohlbefinden von ihrem aktuellen Zustand abhängig (nüchtern = alles gut / betrunken = katastrophe für Dich, also alles tun um das zu verhindern). Das alles ist auch ein Stück weit normal, jedoch musst Du aufpassen wieviel Raum es in Deinem Leben ein nimmt. Dazu kannst Du Dich auch beraten lassen und es gibt auch SHG für Anghörige, die Dir helfen könnten besser damit umzugehen.

    Was Deine Frau betrifft:

    Alles was sie so sagt, klingt schon recht typisch nach dem üblichen Alkoholikergerede. Also:

    Zitat

    Sie sagt sie möchte immer nur ein bisschen trinken um schlafen zu können


    und

    Zitat

    Sie sagt wenn sie voll ist immer ich soll sie verlassen damit ich nicht mit untergehe. Wenn sie aber wieder nüchtern ist dann möchte sie mit mir zusammen kämpfen, nur wissen wir beide nicht wie.


    und auch

    Zitat

    Sie weiß nur, dass sie nicht in die Klinik möchte...auf der Nachbarstation gesehen was bei den Alkoholleuten abgeht und hat unheimlich viel Angst davor dort hin zu müssen.


    und

    Zitat

    Suchtberatung aber das bringt ihr nix sagt sie...

    Also stellt sich doch jetzt die Frage: "Ja was denn nun?"

    Trocken werden wollen aber nichts dafür tun? So funktioniert es leider nicht. Man kann nicht trocken "gestreichelt" werden. Leider, sonst gäbe es bestimmt nicht so viele von uns.

    Es scheint also, dass Deine Frau noch nicht ganz unten angekommen ist. Wenn sie das nämlich wäre, dann würde sie von sich aus keine "Bedingungen" stellen bzw. nicht erklären, was sie auf keinen Fall tun will. Bei mir war das so, dass ich dann zum Zeitpunkt X bereit war, alles, wirklich alles zu tun um von dem Zeug weg zu kommen. Und ich habe dann auch sofort alles mögliche in die Wege geleitet. Also Beratung, Arzt, SHG, Psychologe usw. Hätte man mir nahegelegt eine Langzeittherapie zu machen, ich hätte diese selbstverständlich gemacht. Ich kam ohne klar, jedoch nicht ohne regelmäßige ambulante Betreuung. Wege gibt es da viel, man sollte nur nichts von vorne herein ausschließen.

    Das hast jetzt aber nicht Du in der Hand. Denn das muss ja von Deiner Frau kommen. Nicht IHR müsst etwas unternehmen sondern SIE! Und das ist elementar wichtig bei der ganzen Angelegenheit. Nur wenn SIE etwas tut, aus eigener Motivation heraus, dann kannst Du sie dabei unterstützen. Ansonsten kannst Du nur auf Dich achten und Dich abgrenzen.

    Tatsächlich ist es so, dass Du ihre Sucht eher unterstützt, wenn Du ihr die Stange hälst und sie immer wieder "raus haust". Wenn sie trinken will dann soll sie trinken und dann auch die Konsequenzen spüren. Das ist ihre Entscheidung. Du musst aber klar machen, was Du willst. Vielleicht auch erst mal Dir selbst. Und Du musst für Dich und Euer Kind dann die Verantwortung übernehmen. Das könnte auch sein, dass Du Dich trennst, wenn sie nicht in die Spur kommt und weiter trinken möchte.

    Ich weiß, ich rede mich jetzt hier leicht. Das ist in der Praxis alles nicht so einfach. Aber mit Reden, mit Versprechungen usw. wird das ganz einfach immer so weiter gehen und mit der Zeit wohl noch schlimmer werden.

    Vielleicht hilft Deiner Frau auch der Gang in eine Selbsthilfegruppe, nicht wenige habe es darüber geschafft trocken zu werden. Aber sie muss halt was machen und das auch wollen. Nur sagen, dass will ich nicht und jenes nicht und bastel mir doch jetzt mal ein Modell das mich trocken macht, das funktioniert halt nicht.

    LG
    gerchla

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