Ich stelle mich mal vor

  • Hallo Forum,

    ich bin 37 Jahre jung, komme aus Chemnitz und trinke seit meinem 19. Lebensjahr regelmäßig.
    Ich habe zu diesem Zeitpunkt eine Lehre zum Bürokaufmann begonnen und mir immer nach Feierabend zuhause mit "Druckbetankung" 7 bis 10 Bier gegönnt. Meistens bin ich dann früh noch halb schal in die Berufsschule bzw. in die Übungsfirma gegangen und manchmal habe ich allerdings auch gefehlt. Damals hatte ich schon gemerkt, dass ich ein Problem habe, aber aus irgend einem Grund hat mich das nicht weiter beunruhigt.
    Vor 6 Jahren glaube ich, war es dann so weit, dass ich keine Kraft mehr in den Beinen hatte. Die drei Treppenstufen zum Fahrstuhl in dem Haus, in dem ich vorher gewohnt hatte, waren eine Herausforderung für mich. Ich konnte mich da nur noch am Geländer hochziehen. Das war dann der Punkt, an dem für mich mit dem Suff erstmal Schluss war. Es ging wieder aufwärts und war 3 Monate trocken. Da habe ich mich sicher gefühlt und habe mir gedacht, dass ein Bier zur Belohnung mir da jetzt nicht mehr schaden kann. Aber das war ein Irrtum. Daraus sind wieder mehr Bier geworden und ich habe mir gesagt, dass ich ja morgen wieder bleifrei machen kann. So habe ich das dann immer weiter vor mir her geschoben, bis ich wieder voll in diesem Kreislauf war. Seitdem hatte ich allerdings hin und wieder kleine Pausen, mit dem Ziel, dauerhaft abstinent zu sein. Ich habe mir da nun immer wieder die Frage gestellt, weshalb ich mich jedes Mal wieder selbst so betrügen muss. Ich hatte da teilweise auch so einen heftigen Entzug, dass ich bis zu 18 Stunden aller 15 - 30 Minuten gebrochen bzw. dann nur noch gewürgt habe.

    Bei einer Suchtberatung war ich auch schon vor einiger Zeit.

    Ich sollte vielleicht noch sagen, dass ich kein großes Selbstwertgefühl habe und ich schnell gemerkt habe, dass mich der Alkohol selbstsicherer macht.

    Ach ja: Ich bin dadurch seit einigen Jahren EU-Rentner, leide an einer Ataxie (Störungen der Bewegungskoordination), Kachexie (krankhafte Abmagerung), Nervenschädigungen in den Beinen, Depression und meine Zähne haben auch ziemlich gelitten.

    Nun ist heute der 8. Tag ohne Alkohol und ich fühle mich ganz gut dabei.

  • Guten Morgen Steffen,

    erst mal herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Ich bin Ende 40, Alkoholiker und lebe jetzt schon länger ohne Alkohol.

    Eine recht klassische Alkoholikergeschichte, die Du da von Dir erzählst.

    Zitat

    Ich habe mir da nun immer wieder die Frage gestellt, weshalb ich mich jedes Mal wieder selbst so betrügen muss.


    Diese Frage ist doch ganz leicht zu beantworten. Du bist krank. Du bist alkoholsüchtig, Du bist Alkoholiker. Und genau deshalb läuft das so, wie Du es beschreibst. Bei mir lief das ganz genauso. Immer wieder Versuche aufzuhören, kombiniert mit Versuchen kontrolliert weniger zu trinken. Immer wieder gelang es mir Trinkpausen einzulegen, manchmal sogar sehr lange Trinkpausen. Immer wieder endeten diese dann aber letztlich in erneutem Alkoholkonsum und meist war mein Trinkniveau nach den Pausen dann höher als vorher.

    Und immer die gleichen Gedanken: "Jetzt hast Du doch so lange nichts mehr getrunken, jetzt kannst Du doch mal wieder..." oder "wer so lange nichts trinken kann, der kann doch gar kein Problem haben, da kannst Du ruhig mal wieder", oder "du kannst ja jederzeit wieder aufhören, das hast du ja bewiesen" etc. etc.

    Das kommt alles vom Suchthirn. Der reine Verstand weiß ja eigentlich, dass das so nicht stimmt. Der wird aber "übersteuert" von der Sucht. Deshalb ist es ja eben KEINE Frage des reinen Willens ob man seine Sucht zum Stillstand bringen kann oder nicht. Und deshalb sind Alkoholsüchtige eben nicht einfach nur Menschen mit schwachem Willen. Da steckt dann schon etwas mehr dahinter.

    Zitat

    Ich sollte vielleicht noch sagen, dass ich kein großes Selbstwertgefühl habe und ich schnell gemerkt habe, dass mich der Alkohol selbstsicherer macht.


    Das ist auch so ein Klassiker. Nicht wenige nutzen den Alkohol (auch wenn sie noch nicht abhängig sind) genau dafür. Locker werden, sicherer werden, nicht alles so schwer nehmen usw. Meine Erfahrung ist: Selbst wenn Du vor Deiner Alkoholikerkarriere einigermaßen selbstsicher warst, ein einigermaßen brauchbares Selbstwertgefühl hattest, die Alkoholsucht nimmt dir diese auf jeden Fall. Zwar wirkt man nach außen hin, wenn man seinen Pegel hat, oft als enorm Selbstbewust (manche auch Arrogant), jedoch schaut's in Wirklichkeit ganz anders aus. Alleine das schlechte Gewissen, das man als Alkoholiker i.d.R. immer hat wegen des zu hohen Konsums trägt enorm dazu bei, sein letztes Selbstwertgefühl auch noch zu verlieren.

    Und wenn man dann noch bei diversen Ausstiegsversuchen kläglich scheitert, fühlt man sich schnell als Versager. Die Wahrheit ist: Man ist krank, psychisch krank. Und es ist gar nicht so einfach diese Krankheit zu überwinden.

    Zitat

    Nun ist heute der 8. Tag ohne Alkohol und ich fühle mich ganz gut dabei.


    Damit müsstest Du dann ja jetzt die körperlichen Symptome überwunden haben. Dann kommt jetzt die eigentliche Arbeit. Nämlich die psychische Abhängigkeit zu überwinden die dafür Verantwortlich ist, dass wir Alkoholiker so gerne rückfällig werden.

    Hast Du einen Plan? Was tust Du außer nichts mehr zu trinken? Gehst Du wieder zur Suchtberatung? Denkst Du über eine Threapie nach? Wie schaut's mit einer realen Selbsthilfegruppe aus?

    Meine Erfahrung ist, dass "nur" nichts mehr trinken bei weitem nicht ausreicht. Das reicht für eine Trinkpause, jedoch nicht für eine dauerhafte Abstinenz.

    Alles Gute wünsche ich Dir und einen guten Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

  • Hallo, Steffen!

    Auch von mir ein HERZLICHES WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Mitte 50, Alkoholiker, seit einigen Jahren trocken und in der Selbsthilfe aktiv.

    Ich kann mich vollinhaltlich Gerchla anschließen:


    Dann kommt jetzt die eigentliche Arbeit. Nämlich die psychische Abhängigkeit zu überwinden die dafür Verantwortlich ist, dass wir Alkoholiker so gerne rückfällig werden.

    Hast Du einen Plan? Was tust Du außer nichts mehr zu trinken? Gehst Du wieder zur Suchtberatung? Denkst Du über eine Threapie nach? Wie schaut's mit einer realen Selbsthilfegruppe aus?

    Meine Erfahrung ist, dass "nur" nichts mehr trinken bei weitem nicht ausreicht. Das reicht für eine Trinkpause, jedoch nicht für eine dauerhafte Abstinenz.

    Genau das ging mir auch durch den Kopf ...

    Wenn Du magst, kannst Du ja ein paar Zeilen dazu schreiben. Andersherum: Wenn Du Fragen hast - raus damit!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

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