Mein Kreislauf des Trinkens

  • Hallo,

    ich habe mir in letzter Zeit häufig Beiträge hier im Forum durchgelesen und mich jetzt dazu entschlossen meine Geschichte mit euch zu teilen.

    Ich männlich, 26 Jahre alt trinke seit ca. 11 Jahren Alkohol. Da ich in einem kleinen Dorf in Bayern aufgewachsen bin war das auch relativ normal.
    Insbesondere über die älteren Kollegen in den Jugendmannschaften kam man so bei verschiedenen Gelegenheiten dazu Alkohol zu trinken.
    Bei mir stellte sich sehr schnell heraus, dass bei Alkoholkonsum dazu neige bis zum Kontrollverlust zu trinken. Dabei veränder ich mich und werde mit zunehmenden Alkoholpegel unverschämter und in gewisser Weise aggressiv. Die Aggressivität geht nicht soweit, dass ich körperliche Gewalt anwende, aber ich neige dazu herumzupöbeln.
    Allerdings kam mir das als Jugendlicher nicht sonderlich schlimm vor, da man sehr viele Leute kannte, die auch schon negative Erfahrungen mit Alkohol gemacht hatten.
    Mit fortschreitender Zeit wurde mir aber durchaus schon bewusst, dass mein Trinkverhalten nicht gut ist und ich daran etwas ändern musste. Allerdings war ich insbesondere zu Beginn meines Bachelor Studiums nicht abgeneigt die Feste zu feiern wie sie fallen.
    Gegen Ende meines Studiums wurde mir mein Alkoholkonsum allerdings immer mehr ein Dorn im Auge. Es war keinesfalls so dass ich alleine Abends ein Bier vor dem Fernseher trank, geschweige denn während des Tages einfach so trank. Ich hatte aber einfach genug davon Alkohol zu trinken und insbesondere die Folgen nach dem Trinken ertragen zu müssen. Also beschloss ich eine längere Zeit auf Alkohol zu verzichten, was auch sehr gut klappte. Es gab jedoch wieder irgendeinen Grund Alkohol zu trinken und ich stellte fest, dass ich immernoch dazu neige bis zum Kontrollverlust zu trinken.
    Jedes mal wenn ich einen Abend erlebt habe an dem ich bis zum Kontrollverlust getrunken habe, was so ca. 2 bis 3 mal pro Jahr passiert, schäme ich mich total dafür und möchte nicht wieder trinken. In diesem Kreislauf bin ich jetzt seit ca. 3 Jahren "gefangen".
    Ich habe auch schon für mich Regeln aufgestellt um einen maßvollen Alkoholkonsum zu praktizieren, was bis auf die 2 bis 3 mal pro Jahr sehr gut klappt. Allerdings muss ich gestehen, dass ich schon oft feststelle, dass ich gerne komplett auf den Alkoholkonsum verzichten möchte aber nicht glaube, dass ich das ohne Unterstützung schaffe. Da es gesellschaftlich oft genug die Möglichkeit zu trinken gibt und ich das Gefühl habe, dass Alkohol fast schon dazugehört merke ich auch öfters wie ich vor der Entscheidung stehe nicht zu trinken und irgendwie das Gefühl zu haben man gehört nicht 100%ig dazu oder doch etwas zu trinken.

    Ich weiß nicht wie weit mein Alkoholkonsum bereits eine Sucht darstellt oder ob man das noch als gesellschaftlich akzeptiert ansehen würde. Ich weiß auch nich in wie weit ich mit meiner Geschichte und meinem Trinkverhalten hier richtig bin.

    Ich habe jedoch die Hoffnung, dass mir der ein oder andere ein paar Tipps geben kann, wie ich es schaffe ganz auf Alkohol zu verzichten und wie ich standhaft bleibe bei all den sich bietenden Gelegenheiten zu trinken.

    So jetzt ist das doch etwas ausführlicher geworden als ich mir das vorgenommen hatte aber es fühlt sich echt gut an einfach mal alles was einem so auf der Seele brennt rauszulassen.

  • Hallo Fred,

    mein Tipp: Verwende nicht (mehr) das Wort Verzicht, wenn du dich fragst, ob du komplett alkoholfrei leben willst, sondern richte deinen Blick auf den Gewinn, den du einzuheimsen vermagst, wenn du dich nicht mehr in die Situation des Kontrollverlusts bringst.

    Ich lebe jetzt seit mehr als sechs Jahren ohne Kontrollverluste.
    Auch wenn ich noch immer Alkohol in geringen Mengen trinke, habe ich mich von diesem Stoff unabhängig gemacht. Früher dachte ich, Alkohol zu brauchen und wurde so zu seinem Sklaven. Heute bin ich frei.
    Diese Freiheit ist ein Gewinn, den ich nie wieder hergeben werde.
    Und deshalb reizt es mich nicht die Bohne mitzutrinken, wenn andere trinken.

    M.E. passiert Trinken wie auch Nichttrinken im Kopf.
    Anfangs wurde ich -wie auch du- vom Kontrollverlust überrascht. Später, nachdem ich abhängig geworden war, habe ich ihn in Kauf genommen. Heute halte ich ihn für eine Sache, die mir gestohlen bleiben kann. Deshalb vermeide ich, mich durch mein Verhalten in eine Situation zu bringen, die einen Kontrollverlust nach sich ziehen könnte.

    Willkommen im Forum,

    Bassmann.

  • Guten Morgen, Fred Feuerstein,

    lese ich deine Geschichte ist sofort meine eigene wieder präsent. Ich bin seit einer Reihe von Jahren trocken und ich kenne sehr gut das schlechte Gewissen, die Scham, wenn ich wieder getrunken hatte und mich daneben benahm.
    Ich habe keine Tipps für dich, wie du mit dem Trinken aufhören kannst. Außer vielleicht dem: Aufhören. Dabei brauchte ich Hilfe und die Einsicht, dass ich Alkoholiker war (und bin).Letzteres scheinst du mir voraus zu haben also ist dein Start gar nicht schlecht.
    Mein Umfeld hat sich seither völlig geändert: Weggefallen sind die Leute, die ihren Sinn im Leben darin fanden möglichst viele Gläser Bier zu trinken. So ab 20 war man da akzeptiert. Ich habe das nicht so gesteuert sondern es hat sich ergeben: Da ich nicht mehr mittrank hatten wir keine Gemeinsamkeiten mehr. Das wars dann auch.

    Aber auf jeden Fall rate ich dir, dir Hilfe zu suchen, die über dieses Forum hinausgeht. Das könnte eine Selbsthilfegruppe sein, ein Therapeut oder jemand ganz anders, der dir helfen kann.

    Viel Glück

    Laurids

  • Hallo, Fred, und auch von mir ein HERZLICHES WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Egal, ob Du nun schon abhängig bist oder nicht, aber ich muss Bassmann insofern recht geben: Du solltest nicht von "Verzicht" denken, wenn Du keinen Alkohol trinken WILLST!

    Denn worauf "verzichtest" Du denn: auf das rumpöbeln nach dem x-ten Glas, die Scham, die Kopfschmerzen, den Kater am nächsten Tag?
    Gut ist auch, wenn man dieses Nicht-Wollen nicht nur denkt, sondern auch kommuniziert, u.U. auch mit "Danke, NEIN, ich will NICHT! Und jetzt mach Dich vom Acker!"

    Meine Erfahrung ist, dass es laaangsam auch gesellschaftsfähig wird, KEINEN Alkohol zu tinken. Okay, nun weiss ichals Ur-Preusse nicht, wie es in Bayern ist. Aber auch dort heisst Nein immer noch nein.
    Hauptsächlich spielt es sich in Deinem Kopf ab, ob Du JA oder NEIN sagst.

    Ich bin nun seit 10 Jahren trocken - und ich muss/kann sagen, dass ich auf NICHTS verzichte. Mir fehlt nichts. Und auch wenn ich anders wie Bassmann absolut keinen Alkohol mehr trinke, bin ich mehr als zufrieden :)

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo,

    vielen Dank für eure Antworten.


    mein Tipp: Verwende nicht (mehr) das Wort Verzicht, wenn du dich fragst, ob du komplett alkoholfrei leben willst, sondern richte deinen Blick auf den Gewinn, den du einzuheimsen vermagst, wenn du dich nicht mehr in die Situation des Kontrollverlusts bringst.


    Deine Antwort Bassman habe ich gestern schon gelesen, aber ich habe ehrlich gesagt Zeit gebraucht um darüber nachzudenken und mir genau zu verdeutlichen, was du mir geschrieben hast. Das war auch nicht ganz einfach für mich zu realisieren, dass es an meiner Denkweise liegt und ich beginnen muss diese zu ändern. Ich weiß, dass das nicht von Heute auf Morgen passiert und ich noch einen sehr langen Weg habe, aber ich bin positiv dass ich diesen Weg weitergehen möchte.

    Auch dir Greenfox muss ich absolut recht geben.


    Denn worauf "verzichtest" Du denn: auf das rumpöbeln nach dem x-ten Glas, die Scham, die Kopfschmerzen, den Kater am nächsten Tag?
    Gut ist auch, wenn man dieses Nicht-Wollen nicht nur denkt, sondern auch kommuniziert, u.U. auch mit "Danke, NEIN, ich will NICHT! Und jetzt mach Dich vom Acker!"


    Wenn ich mein Leben ändere und keinen Alkohol mehr trinke, dann "verzichte" ich auf nichts. Ganz im Gegenteil ich gewinne nur durch meine geänderte Lebenseinstellung.

    Ich weiß auch, dass ich es ohne die Hilfe anderer Menschen nicht schaffe. Ob ich direkt in eine SH-Gruppe gehe oder zur Suchtberatung weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich glaube dafür brauche ich noch ein wenig Zeit um die Angst sich vor fremden Menschen zu öffnen zu überwinden.
    Ich habe heute meine Entscheidung keinen Alkohol mehr zu trinken meinem Sportpartner mitgeteilt. Er ist nach meinem Bruder die zweite Person die ich informiert habe. Bei ihm bin ich direkt auf Verständnis gestoßen und habe direkt erfahren, dass er auch mit dem Gedanken spielt keinen Alkohol mehr zu trinken (obwohl er an sich schon sehr wenig Alkohol konsumiert).

    Ich denke mein Weg beginnt damit, dass ich mir noch über viele Dinge klar werden muss. Ich muss meine Denkweise auf die positiven Dinge lenken, die ich durch ein Leben ohne Alkohol erhalte.
    Da ich noch etwas Angst davor habe mit jemanden von der Suchtberatung zu reden oder in eine SH-Gruppe zu gehen, werde ich fürs Erste weiterhin mit euch zu kommmunizieren. Das fällt mir aktuell leichter als persönlich mit jemandem zu sprechen, auch wenn mir schon das Schreiben über mein Alkoholproblem sehr schwer fällt.

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