Follow me blindly into oblivion

  • oder:das spiel, das keiner gewinnen kann. mein beitrag zur coabhängigkeit.

    jeder, der hier im forum unterwegs ist, wird seine persönlichen abgründe erahnt, gesehen oder erlebt haben.
    ich habe hier viele beiträge gelesen und mir fällt auf, dass viele coabhängige (meist frauen) die tragweite des alkoholmissbrauchs stark unterschätzen.
    als coabhängige person sollte man sich genauso schonungslos mit seinem dazutun und unbewussten unterstützen durch unterlassen auseinandersetzen, wie sich der alkoholiker dann günstigerweise schließlich in einer therapie schonungslos mit seiner sucht auseinandersetzt.

    und coabhängig ist man mit sicherheit, sobald man darunter leidet, dass die gedanken darum kreisen , dass alkohol im leben immer mehr raum gewinnt, während aktivitäten, gemeinsames erleben, soziales leben, kontakte, gefühle, finanzielle sicherheit, kommunikation, gesundheit, uvm...immer mehr verloren gehen, einem der zusammenhang klar wird und man spürt, dass man dagegen hilflos und machtlos ist.

    das ist ein schleichender prozess und genau das ist das hinterhältige daran.
    wenn man z.b. hier schon nach informationen sucht und sich traut eine leise frage zu stellen, ist es meiner meinung nach 12 uhr und nicht fünf vor.

    habe auch lange geglaubt, das erledigt von selber.
    er hat das im griff.
    kann jederzeit aufhören.
    er liebt mich doch so und die kinder.
    wir hatten schwere zeiten.
    nach der hochzeit, geburt, op, dem umzug, in den schwangerschaften, wenn erstmal... wenn, wenn, wenn....

    anfangs hatte ich nicht so richtig bemerkt was für eine rolle ich spiele aber mit der zeit wußte ich eigentlich wie der hase läuft.

    so wütend ich auch auf meinen alkoholabhängigen mann bin,
    bin ich vielmehr wütend auf mich weil ich viel zu lange dieses miese spiel mitgespielt und jeder logik entgegen gelebt und gehandelt habe.

    es ist ein nicht endender kreislauf um etwas, das wichtiger ist als ALLES andere:
    ALKOHOL

    wie kann ich als erwachsene person verantwortlich für mich und unsere familie zulassen, dass eine erwachsene person, mit mir gleichsam verantwortlich für die familie, sich auf finanzielle, gesundheitliche, psychische und soziale kosten und im kreise unserer familie viele jahre zeit nimmt, sich so einer schädlichen und zerstörerischen sucht hinzugeben?
    und ich schaue die ganze zeit zu ohne daraus gravierende konsequenzen zu ziehen?
    es will mir einfach nicht in den schädel.
    und hinterher ist man ja immer klüger.

    als ich endlich gemerkt habe, in welcher abwärtsspirale ich mich befinde
    habe ich dann so einiges unternommen , um an der situation etwas zu verändern. war selber bei beratungsstellen, habe unzählige male mit meinem mann gesprochen, habe mich familienmitgliedern und freunden anvertraut.
    als ich begann für mich und die kinder eine neue Wohnung zu suchen und mein mann wohl merkte, wie ernst mir das war, ich sozusagen ausstrahlte:
    "es langt mir und ich bin bald weg", kam endlich bewegung in diese sache.

    jedefalls ging die geschichte so weiter:
    als der druck von allen seiten auf ihn wuchs, bemühte sich mein mann um hilfe und bekam sofort eine 12-wöchige reha bewilligt.
    es gibt etliche tolle fachkliniken in jeder gegend unseres alkoholikerfreundlichen landes und die von der suchtberatung machen das ganz unkompliziert mit dem blöden papierkram.
    deshalb so sarkastisch :
    ich habe mal das allwissende google befragt, wieviele rehakliniken sich mit den angehörigen menschen befassen, die
    mindestens genauso eine spezialisierte reha benötigen würden, um diese lange ungesunde zeit aufzuarbeiten...
    google fand eine einzige, irgendwo ganz weit weg....mit kleinen kindern überhaupt nicht dran zu denken.

    nur soviel dazu und ein weiterer grund für alle, die sich auch nur ansatzweise in meinem beitrag wiedererkennen, sich dringend
    jetzt
    hilfe
    zu
    holen.

    bei geringstem verdacht auf alkoholmissbrauch müsste ein verantwortungsvoller partner bereit sein, freiwillig aufgrund deiner befürchtungen eine suchtberatugsstelle aufsuchen. im besten falle gemeinsam mit dir.
    wenn er/sie dich liebt und dir zuliebe diese befürchtungen aus der welt schaffen möchte oder weil er/sie selbst unsicher ist, ob ein missbrauch schon in gange ist oder die gefahr dazu besteht.

    für den fall, dass sich einer von euch beiden irrt, würde es doch euch beiden versichern, dass ihr euch als partner gegenseitig ernst nehmen und im ernstfall auf einander verlassen könnt. eure partnerschaft würde dadurch gestärkt werden.

    wenn der partner nicht bereit ist, geh unbedingt alleine zur suchtberatung. es wird sich in einem einzigen gespräch aufklären, was sache ist. du wirst gestärkt daraus kommen und endlich gewissheit haben und im falle das deine befürchtungen stimmen von menschen rückhalt bekommen, die sich mit der materie auskennen.
    vor allem stehst du dann nicht mehr alleine vor diesem riesigen monster.

    auch wenn es hart klingt:
    du bist eine der spielfiguren in diesem miesen spiel, das keiner gewinnen kann.
    gewinnen tut nur derjenige, der aus dem spiel aussteigt.
    so sind die spielregeln.

    willst du mitspielen?

    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (24. September 2017 um 23:25)

  • Vorab: Habe mal Deinen doppelten Text gelöscht - nachdem ich alles gelesen und mich überzeugt habe, dass es wirklich doppelt war (warum auch immer gab es den Text, so wie er jetzt ist, nocheinmal).

    Ansonsten ersteinmal HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m/Ü50, Alkoholiker und seit einigen Jahren trocken.

    Und: Ja, es wird sich mehr um die Betroffenen gekümmert als um die (betroffenen) Angehörigen. Aber dazu können wahrscheinlich/vielleicht die Angehörigen mehr dazu sagen als meinereiner. Aus hoffentlich verständlichen Gründen habe ich mich hauptsächlich auch um mich gekümmert. Nachdem es mir dann wieder besser ging, ging es auch meiner Familie wieder besser. Das meine (damalige) Frau - trotz meines dringenden Anratens - keine Hilfe in Anspruch genommen hat ... Aus meiner Wahrnehmung heraus sehen viele Angehörige sich nicht als "Betroffene" und meinen daher, dass nur die Betroffenen/Abhängigen Hilfe brauchen.
    Aber auch Co-Abhängige sind Abhängige ... irgendwie.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Guten Morgen Krissi,

    herzlich Willkommen auch von mir!

    Ich bin Alkoholiker, Mitte 40, einige Jahre trocken.

    Danke für Deinen Text! Du bringst es auf den Punkt!

    Besonders hiermit:

    Es ist schon traurig, dass die Co-Abhängigkeit offenbar so wenig als Krankheit wahr genommen wird. Es wird komplett unterschätzt, was Alkoholiker durch ihre Sucht den Angehörigen antun. Ich habe hier bewusst nicht das Wort zumuten verwendet weil ich denke das es mehr ist. Ein Alkoholiker zieht sein ganzes näheres Umfeld mit in den Abrund, vorwiegend den Partner und die Kinder aber auch Eltern oder Geschwister, manchmal auch enge Freunde. Sofern diese es nicht schaffen sich abzugrenzen - das wird ja immer "empfohlen", ist aber sicher nicht so einfach. Ich weiß von mir selbst, wie manipulativ ein Alki sein kann, wie sehr er mit Emotionen und Gefühlen anderer spielt und diese für seine eigenen Zwecke manipuliert....

    In der Wahrnehmung ist der Alkoholiker aber ja krank und er kann ja nichts dafür..... Tja, das stimmt wohl auch bringt aber den Angehören überhaupt nichts.

    Deshalb finde ich diese Worte von Dir...

    Zitat

    bei geringstem verdacht auf alkoholmissbrauch müsste ein verantwortungsvoller partner bereit sein, freiwillig aufgrund deiner befürchtungen eine suchtberatugsstelle aufsuchen. im besten falle gemeinsam mit dir.
    wenn er/sie dich liebt und dir zuliebe diese befürchtungen aus der welt schaffen möchte oder weil er/sie selbst unsicher ist, ob ein missbrauch schon in gange ist oder die gefahr dazu besteht.

    für den fall, dass sich einer von euch beiden irrt, würde es doch euch beiden versichern, dass ihr euch als partner gegenseitig ernst nehmen und im ernstfall auf einander verlassen könnt. eure partnerschaft würde dadurch gestärkt werden.

    ... auf den Punkt gebracht! Nicht die Augen verschließen wenn man den Verdacht hat dass der Partner trinkt, nicht hoffen, dass man sich irrt, nicht festhalten an den angenehmen, schönen Momenten wenn er/sie mal gerade nüchtern sind und dann alles genauso ist wie man es sich immer vorgestellt hat, nicht glauben, dass es schon wieder besser wird wenn dieses oder jenes Problem gelöst ist, schon gar nicht hoffen, dass es vielleich ja von selbst wieder besser wird. So früh wie möglich reagieren - das hilft dem Angehörigen und kann ihn davor bewahren in ein jahrelanges Trauma zu fallen das einen nicht selten ein Leben lang begleitet und es gibt aber auch dem Süchtigen die Chance seine Sucht zu erkennen und entweder etwas zu unternehmen oder eben alleine weiter zu saufen.

    Danke für Deine Zeilen.

    LG
    gerchla

  • Hallo Krissi,

    Zitat

    ich habe mal das allwissende google befragt, wieviele rehakliniken sich mit den angehörigen menschen befassen, die
    mindestens genauso eine spezialisierte reha benötigen würden, um diese lange ungesunde zeit aufzuarbeiten...
    google fand eine einzige, irgendwo ganz weit weg....mit kleinen kindern überhaupt nicht dran zu denken.

    Das stimmt "so" m. E. nicht ganz.
    Es gibt eine Menge Reha-Klinken, die sich auch mit der Co-Abhängigkeit auskennen und diese therapieren. Das läuft nur meist über die psychosomatische Diagnose.

    Leider ist es so, dass Co-Abhängigkeit von den meisten Angehörigen sehr unterschätzt, oder überhaupt nicht wahrgenommen wird.
    Da die Sucht selbst ein mit Makeln und Stigmen besetztes Problemthema ist, möchten viele Angehörige nichts damit zu tun haben - oder schweigen aus Scham.

    Wenn man durchs I-net wandert, dann findet man viele Seiten von Alkoholikern. Auch die Literatur gibt dazu viel her.
    Relativ wenig aufzufinden sind Seiten oder Bücher, die sich mit der Co-Abhängigkeit genauso intensiv beschäftigen.
    Daran sieht man, dass eine gesundheitsfördernde Beschäftigung mit der Sucht - und der Co-Abhängigkeit! - vor allem von innen heraus geschehen muss, also von den Betroffen angestoßen werden muss.
    Ein Beispiel: Alkoholiker gehen ggf. lebenslang in eine Selbsthilfegruppe, um gesund zu bleiben.
    Co-Abhänge gehen bestenfalls solange zu Al-Anon (viel mehr Selbsthilfegruppen für Cos gibt es tatsächlich nicht) solange der Partner säuft. Danach glauben sie, das Problem wäre erledigt.

  • Vielen Dank an Euch für das Feedback auf meinen Beitrag.
    Ich kann ja nur von mir und meinen persönlichen Erfahrungen berichten.
    Als ich begann meine Fühler nach Informationen auszustrecken, steckte ich schon bis zur Hüfte im Sumpf fest.
    Es ist ein Segen, dass es solche Foren wie dieses gibt, da ich mit meinem Problem völlig isoliert dastand. Zu dem eigentlichen Problem kam ja noch dazu, dass keine Sau davon wußte. Mit Selbstzweifeln und schlechtem Gewissen, weil man den Partner nicht bloßstellen will, läßt sich noch schwieriger an dieses Thema herangehen.
    Nach meinem Coming-out hatte ich im Prinzip dann auch für eine sehr lange Saison die Dauer-Arschkarte gezogen, denn irgendwie wurde mir entweder nicht geglaubt, wurde nicht ernstgenommen oder ich bekam Ratschläge wie: "Du musst sofort deine Sachen packen und verschwinden, das wird nie wieder gut."
    Sehr aufbauend war das jedenfalls nicht.
    Mein Mann hat mich dazu immer mehr als Feind und Verräter angesehen.
    Ohne gemeinsame Kinder wäre ich wahrscheinlich auch vorerst gegangen. Da mir und den Kindern aber nie Gewalt widerfahren ist, war das eigentlich nie eine Option. Wir sind eine Familie. Wir hängen alle aneinander. Und wo soll man auch mal eben hin mit 4 Kindern?
    Hier wünsche ich mir mehr Angebote für Familien. Optimal wäre eine niedrigschwellig zu beantragende
    alkoholikerspezifische Familienreha, wo alle Familienmitglieder Angebote in Anspruch nehmen könnten, Betreuung für kleine Kinder, damit die Eltern gemeinsam Therapie machen könnten oder der überlastete Coabhängige mal wieder luftholen und sich selber spüren kann. Es müßte wenigstens die Möglichkeit geben und bei der Antragstellung der Reha ganz normal im Programm sein.
    Mein Mann hat hat mir erzählt, dass viele Gäste der Rehaklinik sich während der Therapie von ihren Partnern entfremden oder ihr Partner sich entfremdet hat.
    Die Therapie findet meistens statt, wenn schon alles irgendwie Schaden genommen hat. Dann gehen während vieler Wochen, bis zu 6-8 Monate beide Partner schon wieder als Einzelkämpfer durch die Welt, um sich dann wieder anzunähern, vertrauen wieder zu erlangen und sich eventuell noch einmal neu kennenlernen.
    Da begegnen einem vielleicht viele Dinge, die besser mit professioneller Hilfe begleitet werden sollten.
    Es gibt viel Notstand auf dem gesamten Gebiet um Alkoholmissbrauch.
    Ich wünsche mir, dass dieses Thema sein Tabu verliert und viel mehr öffentlich darüber gesprochen wird.
    Es ist ein Armutszeugnis für unser Land, dass hier so viele Menschen alkoholabhängig sind.
    Aber Wahlen waren gestern.

  • Hallo Krissi,

    es gibt etwas das nennt man Eigenverantwortung. Schade das jeder mittlerweile meint alles müsse gesetzlich geregelt sein, bzw. man hätte einen allumfassenden Anspruch darauf. Es ist kein Armutszeugnis für unser Land das Menschen Alkoholabhängig werden. Es gibt Menschen die leben unter wesentlich schlechteren Bedingungen wie wir hier, und werden auch nicht abhängig. Es ist nur der Trugschluss stets alle Institutionen für unser eigenes handeln verantwortlich machen zu wollen bzw. diese in die Pflicht zu rufen. Das klingt hart. Ist aber so. Wir genießen die Freiheit Selbstbestimmt zu leben. Mit allen Konsequenzen.

    Es ist stets der Ruf das "andere" versagen wenn wir einmal selbstverschuldet Hilfe ersuchen. Das trifft aber nicht den Kern. Und was hat das mit "Wahlen" zu tun.

    Im übrigen gibt es kein Tabu um das Thema Alkohol. Er ist allgegenwärtig. Entweder man kommt damit klar, oder man geht unter. Auch als Co Betroffene/er. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Da appeliere ich nicht an die entsprechenden Institutionen wegen mangelnder Hilfeleistungen. Eher an mich um aus Selbstschutz einen Schlußstrich zu ziehen. Oder ich lebe weiterhin mit dem Umstand. Klingt hart, ist aber so. Zum Schluß stirbt die Hoffnung. Was viele aber vergessen ! Sie stirbt trotzdem. Mag nicht in deinem Sinn sein die Antwort. Entspricht aber der Regel.

    Gruß
    Michael

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