Partner trinkt sehr viel, ist er Alkoholiker oder übertreibe ich?

  • Hallo Kizirkit,

    ich befürchte, Du könnest noch endlos Beispiele liefern, die seinen Alkoholkonsum und sein dadurch bedingtes Verhalten schildert.
    Sprache ist ja auch immer ein Spiegelbild unserer Verhältnisse, in denen wir leben und unsere Gefühle zum Ausdruck bringen.
    Dazu habe ich einen simplen Test gemacht: Wie oft kommt in Deinen Beiträgen „Er“ und „Ich“ im Zusammenhang mit einer Zustandsbeschreibung und deiner Gefühle vor.
    Das Ergebnis spricht Bände: „Er“ = 78mal; „Ich“ = 10mal.

    Alles in Allem scheinst Du zumindest sehr stark gefährdet zu sein, in die Co-Abhängigkeit zu rutschen, wenn Du nicht bereits alle Anzeichen und Symptome dafür hast.
    Du kannst Dich ja mal selbst HIER und HIER testen.

    Du hast bislang auf die von uns hier gemachten Vorschläge (Suchtberatung, Selbsthilfegruppen) keine Antwort gegeben.


      [li]Was gedenkst Du für Dich tun zu wollen?[/li]
      [li]Wie weit ist Deine Einsicht vorhanden, dass Du selbst überhaupt nichts dazu beitragen kannst, um Deinen Partner dazu zu bringen, mit dem Trinken aufzuhören?[/li]
      [li]Was für eine Strategie hast Du, im Fall, dass Dein Partner überhaupt keine Ambitionen zeigt, mit dem Trinken aufhören zu wollen?[/li]
      [li]Bist Du bereit mit Deinem Partner zusammen, wegen seines Alkoholkonsums unterzugehen und sämtliche finanziellen, sozialen und gesundheitlichen Folgen, aber auch den Verzicht auf Deine Ziele (Familie, Kinder, Sicherheit) in Kauf zu nehmen?[/li]

    Das sind die Fragen, die Du Dir in Bezug auf „Dein Verhalten und Deine Bedürfnisse“ stellen solltest.
    Alles Andere wird Dir weder helfen, noch Dich weiterbringen.
    Ich behaupte mal: Würdest Du Deinem Partner hier dieses Forum und unsere Antworten an Dich zeigen, würde er sagen: Ich bin noch lange nicht so wie die da. Das sind waschechte Alkoholiker und alles, was die dir empfehlen und über die Sucht schreiben trifft auf mich nicht zu.

  • Hallo Kizirkit,


    Das Ergebnis spricht Bände: „Er“ = 78mal; „Ich“ = 10mal.

    Ich finde, das bringt es genau auf den Punkt!

    Du weißt nun eigentlich was Sache ist. Ich denke, Du glaubst uns auch, was wir hier so schreiben. Du kannst auch vertrauen in das was wir schreiben, denn wir sind in der Mehrheit entweder selbst Alkoholiker oder eben betroffene Angehörige und haben das alles selbst durchlebt. Entweder auf der Trinkerseite oder als Angehöriger.

    Was Du von Deinem Partner beschrieben hast, ist meiner Meinung nach ein klassischer funktionierender Alkoholiker. Diese Phase des Alkoholismus kann sehr viele Jahre, teils weit über 10 Jahre hinaus dauern. Damit befindet er sich in guter Gesellschaft denn die absolute Mehrheit der Alkoholiker gehören genau zu dieser Gruppe. Die Minderheit besteht aus den Menschen, die oft als die "richtigen" Alkoholiker gesehen werden, also der klassische Penner mit der Flasche in der Hand... Die werden dann geringschätzig behandelt, es wird die Nase gerümpft und sich abgewendet. Die meisten davon waren vorher auch mal funktionierende Alkoholiker, das mal nur am Rande....

    Und, viele rutschen erst gar nicht so weit ab. Aber nicht, weil sie aufhören zu trinken (ich schrieb bereits, dass das nur 10 % versuchen), sondern weil sie aufgefangen werden von Familie, Bekannten, Angehörigen. Es wird vertuscht und getrickst so gut und so lange es irgendwie geht. Nicht wenige der Alkoholkranken sterben irgendwann an den Folgen ihrer Sucht, haben aber vorher einen oder gerne auch mehrere Co-Abhängige verschlissen und lassen sie als psychisch äußert angegriffene Menschen zurück. Das ist sehr häufig so, und so landen eben nicht alle, ich möchte sagen, so landet die große Mehrheit der Alkoholiker eben nicht verwahrlost in der Gosse sondern wird von Familie und co gedeckt und irgendwie versorgt. Da wird dann halt regelmäßig der Notarzt gerufen, dann geht's halt mal wieder in die Entgiftung und dann beginnt das Spiel halt wieder von vorne...

    Es ist aber grundsätzlich so, dass diese Krankheit sich permanent weiter entwickelt. D. h. Dein Partner wird nicht auf dem Stand von heute stehen bleiben. Sein Trinkverhalten wird sich ändern, es wird zunehmen, irgendwann trinkt er dann schon morgens. Er beginnt heimlich zu trinken, weil er keinen Bock hat, dass Du dauernd nervst (falls der das nicht ohnehin schon tut) und so geht es dahin mit der Sucht. Was ich Dir da schreibe habe ich alles selbst auch gemacht - nicht das Du denkst ich fantasiere mir hier was zusammen.

    Der Charakter verändert sich im Laufe der Sucht ebenfalls immer mehr - nicht zum Positiven, wenn ich das mal sagen darf. Jemand der heute besoffen einfach einschläft und ganz "harmlos" ist, der kann morgen aggressiv werden. Lügen und Betrügen gehört zum Rüstzeug eines ordentlichen Alkoholikers - Ich war perfektioniert auf Lügen und Betrügen. Ich war so gut, dass ich meine eigenen Lügen teilweise nicht mehr von der Wahrheit unterscheiden konnte, das ist kein Witz und keine Übertreibung!

    Und jetzt die Frage: Wo bleibst eigentlich Du bei dem ganzen Spiel? Was ist mit Deinem Leben? Hast Du so ein Leben verdient, an der Seite eines Menschen für den Du immer nur eine Co sein wirst, die, wenn sie funktioniert ok ist, wenn aber nicht, dann beliebig auszutauschen ist?

    Du weißt jetzt schon, dass er sich immer für Alkohol entscheiden würde anstatt für Dich, was machst Du jetzt mit dieser Tatsache? Einfach weiter wie bisher und hoffen, dass sich irgendwann irgendwas ändert? Über die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert haben hier schon viele geschrieben - viele Lebenserfahrungen und Geschichten kannst Du hier lesen und diese sind alle echt. Kein schlaues Lehrbuch - echte wahre durchlebte Lebensgeschichten. Überlege Dir, welche Konsequenzen Du daraus für Dich und Dein Leben ziehen willst.

    Heute, mit mehrjährigen Abstand zu meiner Trinkerzeit, würde ich mir wünschen, meine damalige Frau hätte mich verlassen. Sie hat jahrelang gelitten in einer nicht mehr funktionierend Beziehung, auch wenn sie nie genau wusste was eigentlich genau los war (Du hast den Vorteil, dass Du genau weißt was los ist). Das hat ihr Jahre ihres Lebens gekostet. Viele Jahre ihres Lebens hat das gekostet, Jahre die sie in Stagnation mit mir verschwendet hat. Letztlich wurde sie darüber auch krank und unterm Strich hat ihr das Festhalten an unserer Beziehung nichts, aber schon mal überhaupt nichts gebracht. Wir haben uns Scheiden lassen, nachdem ich Trocken war. Wir hatten keine Zukunft mehr. Und erst seitdem konnte und kann sie beginnen ihr eigenes neues Leben wieder in die Hand zu nehmen.

    Es ging ihr sehr schlecht nach der Trennung, es geht ihr sehr gut heute - viel besser als die ganzen vielen Jahre vorher mit mir als Partner. Ich kann das sagen, weil ich wieder ein gutes Verhältnis zu ihr habe und wir uns auch darüber unterhalten können. Das schreibe ich Dir als Denkanstoss für Dein Handeln.

    LG
    gerchla

  • Ich behaupte mal: Würdest Du Deinem Partner hier dieses Forum und unsere Antworten an Dich zeigen, würde er sagen: Ich bin noch lange nicht so wie die da. Das sind waschechte Alkoholiker und alles, was die dir empfehlen und über die Sucht schreiben trifft auf mich nicht zu.

    Und damit hätte er sogar recht: Denn wir unternehmen bzw. haben etwas unternommen gegen unsere Sucht!

    Bitte sieh das nicht wertend. Vielmehr sehe ich mich selbst, als ich noch "nass" war. Ich schrieb es ja schon: solange Andere (in meinen Augen) viel mehr und/oder härtere Sachen trinken, KANN ich ja gar nicht Alkoholiker sein.

    Es ist wie mit der Kindererziehung: Man muss den Kindern Grenzen aufzeigen. Tut man dies nicht, halten sie einen für Märchenerzähler und machen, was sie wollen - es passiert ja eh nix (ich meine jetzt als Strafe/Konsequenz). Egal was passiert.

    Wenn Du ihn also vor die Wahl "Entweder der Alkohol geht - oder ich!" stellst, dann musst Du es auch durchziehen. Schon alleine in DEINEM Interesse.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Vielen vielen Dank, ihr habt mir wirklich sehr geholfen, die Situation realistisch zu sehen und zu bewerten. Davor hatte ich Scheuklappen auf und habe es irgendwie versucht zu verdrängen. Aber ich werde handeln müssen und das werde ich auch tun. Zunächst werde ich ein Gespräch mit seiner Familie führen und sie fragen, ob sie sich der Problematik nicht bewusst sind. Ich schätze seine Familie wird mir da Unterstützung liefern und im Anschluss werde ich ihn vor die Wahl stellen. Ich gebe ihm eine Chance, wenn er sofort Hilfe holt und etwas verändern will. So wie ich ihn aber einschätze, wird er sein Problem nicht einsehen und dann werde ich mich wohl oder übel trennen müssen. Auch wenn es mir sehr wehtun wird, ich kann und will so nicht weitermachen. wir haben das Glück, dass noch keine Kinder im Spiel sind.

    Ich möchte mich aber nochmal aus ganzem Herzen bei euch allen bedanken, dafür, dass ihr euch so viel Zeit nimmt und so ausführlich und ehrlich antwortet. Gerade weil ihr das selbst durchlebt habt, finde ich es toll und wirklich rührend, wie ihr anderen helft und unterstützt!!! Echt super, dass es solche Menschen gibt, die einfach nur helfen möchten!

  • Davor hatte ich Scheuklappen auf und habe es irgendwie versucht zu verdrängen. Aber ich werde handeln müssen ...

    Darin sind sich Betroffene und Angehörige wohl oft gleich ... :-\

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    können wir nur selber tun!

  • Hallo Kizirkit,

    wäre nett, wenn Du uns ab und an auf dem Laufenden hältst.

    Dein Entschluss zu handeln ist auf jeden Fall die bessere Option, wie nichts zu tun und einfach abzuwarten.

    Viel Glück dabei und Alles Gute!

  • Guten Morgen kizirkit,

    Deine Entscheidung ist richtig, davon bin ich überzeugt. Du wirst sehen wie er reagiert, ob er bereit ist sofort etwas zu unternehmen oder nicht. Wenn nicht, wirst Du konsequent Deinen Weg gehen - das ist genau richtig. Anders wirst Du nicht weiter kommen. Hol Dir Dein Leben zurück!

    Ich weiß, auch mal wieder aus eigener Erfahrung, dass es bestimmt schwer wird. Trennung, das ist immer sehr schlimm. Das war für meine Ex-Frau sehr sehr schlimm, das war aber auch für mich sehr schlimm. Zweifel kommen sicher auch noch dazu - ist es richtig, ist es falsch? Sei Dir versichert: Eine Beziehung mit einem nassen Alkoholiker ist einfach ein Fiasko für den Partner! Es gibt überhaupt keine Perspektive. Du handelst absolut richtig!

    Du weißt ja wo wir sind, wenn Du uns weiterhin brauchst! Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute und viel Kraft!

    LG
    gerchla

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