Notfallkoffer?

  • Notfallkoffer?
    Passend zum Thread Selbsthilfegruppen - wozu eigentlich? möchte ich ein Thema hier reinstellen, das auch immer wieder angesprochen wird.

    Sicher kennen viele von Euch, dass sowohl in den Selbsthilfegruppen, wie auch von Seiten Therapeuten immer wieder der sogenannte Notfallkoffer angesprochen wird. In diesem bildlichen Koffer sollen die Maßnahmen liegen, die greifen, wenn man kurz vor einem Rückfall steht oder bereits einen Rückfall hat.

    Unter anderem, so habe ich es schon in Gruppen gesagt bekommen, sollten in diesem „Koffer“ auch die Telefonnummern von den Gruppenmitgliedern, die man in so einem Fall anrufen soll/möchte/kann.
    Aber wie sieht die Realität aus?

    Meine Erfahrung, sowohl mit mir selbst, aber auch mit Freunden und Gruppenmitgliedern ist die, dass mich im Verlauf von nunmehr über zwei Jahrzehnten noch nie jemand angerufen hat bevor er einen Rückfall baute.
    Auch ich selbst habe das noch nie getan.
    Hinterher, also wenn schon getrunken wurde, eher.

    Was für Erfahrungen habt Ihr gemacht?
    Und was gehört Eurer Ansicht nach in so einen Notfallkoffer?

    Grüße
    Dietmar

  • Tja, das mit dem hinterher anrufen ist schon wahr. Ich hab schon mehrere solcher Notrufe erhalten.

    Aber mir ist es vor ein paar Jahren - ich war damals ca. 2 Jahre trocken - passiert, dass das kleine Teufelchen, diese fiese Möp, vollkommen und unerwartet aus dem Hinterhalt zuschlug: Ich fing an zu zittern und brauchte unbedingt und sofort was zu trinken. Aber kein Bier oder so'n Zeug, nee, es musste was "Ordentliches" sein. Und da ich damals gerade an einem großen Einkaufs-Center war, wäre es mir ja ein Leichtes gewesen .... Aber irgendwie hat es das Engelchen doch noch geschafft sich zu melden und zu fragen, was der Blödsinn jetzt soll. Tja, weit und breit niemand, mit dem ich hätte reden können. Also habe ich in meiner Not - ich bin schon in Richtung Real gelaufen!! - mein Handy und die Telefonliste rausgeholt. Und zum Glück ging dieser Anfall dann genauso plötzlich wie er gekommen ist, vorbei schwitz. Es war knapp - aber ich denke, alleine das Rausholen der Liste und Vorbereiten zum Telefonieren hat mir geholfen.
    Ich weiss zwar nicht, was der Andere ausser quatschen hätte tun können, Aber alleine quatschen kann unheimlich helfen!

    Also tut den Rat mit der List nicht einfach so ab. Ich habe zwar alle Nummern eingespeichert - aber die Papierliste habe ich trotzdem auch immer dabei!

    Und sonst habe ich in meinem Notfallkoffer auch die Telefonnummer einer Station in der Charite, wo ich im Fall eines Falles hinkönnte.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Ich glaube, es liegt immer daran, in welcher Verfassung man ist. Ob die Würfel schon gefallen sind oder nicht.

    Meine persönliche Erfahrung:

    Wenn ich noch am Wanken war, also wenn ich mich zum Beispiel vor der Tankstelle befand oder im Auto vor dem Supermarkt saß, ringend und kämpfend, in mir diese Diskussion "Engelchen gegen Teufelchen" stattfand oder ein innerer Dialog "mein eigener Wille gegen die Sucht", dann habe ich schon gelegentlich zum Handy gegriffen und der Anruf war dann für mich entscheidend und motivierend, wieder nach Hause zu fahren und keinen Rückfall zu bauen. Von daher halte ich das Konzept sehr wirksam, Telefonnummern zu haben bzw. im Notfall jemanden anzurufen.

    Wenn ich allerdings in dieser "Scheiß-egal-Laune" war und ganz bewusst gesagt habe: "Ich trinke jetzt und niemand kann mich aufhalten", dann war das halt so und dann wollte ich auch niemanden anrufen, sondern mit offenen Augen in die Katastrophe rennen.

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

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