Ich erzähl mal noch was zu den drei Sekunden vor dem ersten Glas. Weil das dem, was Du als jenseits jeder Vernunft und wie ferngesteuert bezeichnest, am Nächsten kommt.
In meinem letzten Trinkjahr hatte ich eine Menge Stress. Regelmässig kam ich aus meinem Job heraus und wenn der Stress vorbei war, fiel ich in ein Loch.
Jetzt war da direkt daneben ein Schnapsladen. Und 10 Minuten später, an einem Hauptbahnhof, einige Kioske.
Sehr oft hatte ich mir vorgenommen, heute trinkst Du nichts. Dann kam ich, gestresst, an dem Laden oder einem Kiosk vorbei, und der Gedanke, ach, einer geht. Und wenn ich einen hatte, ging auch ein zweiter undsoweiter. Bis ich halt mal wieder völlig am Ende war. Gerne mehrmals die Woche.
Oder ich wusste, am nächsten Tag ist es locker, ich kann es mir leisten, da hab ich das auch geplant, zu trinken.
Ich hatte aber immer das Gefühl, wenn ich wirklich nicht will, dann kann ich es auch lassen. Das habe ich ja auch drei Tage die Woche gemacht, da war ich konsequent. Und genau das fiel mir auch immer schwerer, ich hatte das Gefühl, ich stehe kurz davor, auch morgens und täglich zu trinken.
Dann habe ich irgendwann eine harte Entscheidung getroffen. Bei mir war es nicht die Angst vor dem Tod. Es war die Angst vor dem. was mir vor dem Tod noch alles passieren könnte. Alkoholiker kriegen fürchterliche Krankheiten, sie werden von ihren Partnern verlassen, sie verlieren alle Freunde, nichts macht mehr Freude, sie werden todunglücklich. Das kommt so weit, dass der Tod eine Erlösung ist.
Zurück zu dem Laden. Dass ich hineingehe, etwas kaufe, die Flasche aufmache, einen Schluck nehme, und dass ich den Schluck auch hinunterschlucke, sind mindestestens fünf einzelne Entscheidungen. Bei jeder Entscheidung kann ich sagen: "Nein, jetzt nicht".
Und ich kann mich bei jeder Entscheidung fragen: was mache ich stattdessen?
Und dann habe ich mich mal mit meinem Suchtdruck unterhalten.
Was will mein Suchtdruck?
Mein Suchtdruck will, dass ich mich wohlfühle.
Wenn ich dem Suchtdruck nachgebe, fühle ich mich aber nicht mehr wohl.
Und ausserdem habe ich gemerkt, mir ging es vom Trinken schon so schlecht, dass es einfacher und schöner war, damit aufzuhören, als weiterzutrinken.
Von wegen schwierig..es wäre viel schwieriger gewesen, die weiteren Folgen der Sauferei zu ertragen.
Also: was habe ich für Handlungsalternativen?