Beiträge von Susanne68

    Im Übrigen, Kulturgeschichte des Alkohols.

    Wissenschaft geht aufgrund von Ausgrabungen davon aus, dass schon vor 10000 Jahren sich die Leute zum gemeinsamen Brauen zusammengefunden hatten.

    In mittelalterlichen Städten waren Bier und Wein das Einzige, was man bedenkenlos trinken konnte, ins Wasser haben sie ja ihre Fäkalien geleitet. Man geht heute davon aus, die waren alle leicht dauerbetütelt.

    Gesoffen wurde immer. Als Problem, dem man entgegentreten musste, wurde es erst gesehen, als man

    a) überhaupt genug Gin herstellen konnte (Das war ein Getränk, mit dem man sie gefügig hielt) und

    b) die Arbeiter im Frühkapitalismus dann infolge der Sauferei nicht mehr genug Leistung brachten.

    Und lange waren es ja dann auch in erster Linie christliche Vereinigungen, die den sündigen Säufern das Paradies nahe bringen wollten.

    Früher gabs

    a) gar nicht so viel Alkohol, dass jeder süchtig werden konnte und

    b) wurden die Meisten gar nicht so alt, dass sich eine Alkoholabhängigkeit manifestieren konnte. Heute tauchen Alkis mehrheitlich mit 40+ auf, älter als die damalige Lebenserwartung..

    Grob ein paar Punkte.

    Bei den alten Griechen war Arbeit eine Aufgabe der Sklaven. Wer sichs leisten konnte, frönte dem Müssiggang und der Philosophie.

    In der Reformation kam das Arbeitsethos. Calvin. Das Weltbild wurde so, dass es gottgefällig war, etwas zu leisten. Einer der Gründe, warum im den USA, von Puritanern gegründet, praktisch nur Millionäre Präsident werden können, denn Erfolg wird dort auch moralisch gewertet. Wer mehr hat, hat mehr oder weniger bewiesen, dass ers verdient hat.

    Hier, Schwaben, schaffa, schaffa, Häusle baue. Mein Vater, ein trinkendes Arbeitstier, war ein Antivorbild für mich. Trotzdem habe ich gelernt, ich bin nur was wert, wenn ich gute Noten heimbringe.

    Ich hab versucht, das Gegenteil zu leben. Minimalistisch. Zum Entsetzen meiner Mutter hatte ich den Berufswunsch Sozialhilfeempfänger oder Dealer. Bis ich so pleite war, dass ich irgendeine Leistung bringen musste.

    Und ich hab mich dann schon noch hochgearbeitet, bringe als Lebensmotto aber nach wie vor "Faulheit siegt". Ich habe nie gerne gearbeitet. Aber heute sehe ich durchaus auch die Vorteile eines sorgenfreien Lebens. Und beim Wiederaufbau nach dem Krieg hatte es auch ziemlich pragmatische Gründe. Lange wars halt so, wer nicht gearbeitet hat, hatte auch nix zu fressen.

    Ich weiss aber auch nicht, warum sie alle immer noch mehr wollen. Man könnte es sich ja auch gemütlich machen.

    Ja, gibts eindeutig, würde ich sagen.

    Ich habe eine Teilquerschnittslähmung. Und die Ärzte wissen nicht einmal, wie ich es schaffe, noch auf Berge zu steigen. Nicht auf Hügel.

    Also ich habe eine Lebensgier, den Trieb, meine Träume zu verwirklichen.

    Nur ändere ich auch keine Dinge mehr, die ich nicht ändern kann.

    Dass ich den Konsum eigentlich nicht reduzieren wollte, war mir überdeutlich. Ich war zu gerne strunzbesoffen. Und noch mehr, Saufen ohne Gras reichte nicht mal, um besoffen genug zu werden. Es war die reine Gier, und das wusste ich. Mit weniger niemals dauerhaft zu befriedigen. Das ist ja wie Koitus interruptus.

    Ich habe in den letzten acht Jahren meiner Trinkerkarriere konsequent drei Tage die Woche am Stück nichts getrunken, damit ich meine Exzesse weiterführen konnte. Sonst wäre ich bei den Mengen, bis zu drei Liter Schnaps, wahrscheinlich längst umgekippt.

    Und ich hatte davor viele Jahre mit täglichem Trinken, und die Kontrolle fing ich ja genau deswegen an, um nicht so abzustürzen wie viele andere in meinem Bekanntenkreis. Die starben nämlich auch wie die Fliegen.

    Das blinde Anrennen kenn ich gut. Das gab es abertausendmale, bis zu dem Tag als es dann wirklich endgültig anders war und ich es geschafft habe , aufzuhören. (Und ich bin mir sicher, dass das viele kennen aus ihrer Biographie)

    Das kenne ich zum Beispiel in der Form nicht. Bei mir gings immer drum, dass ich eben nicht aufhören wollte und deswegen einen Zustand bewahren musste, in dem ich trotzdem weiter saufen konnte. Nur deswegen die ganzen Kontrollversuche (die aber auch gescheitert sind am Ende).

    Irgendwas an Deiner Geschichte erinnert mich stark an meine.

    Als ich aufgehört habe, hatte ich zwar schon ein halbwegs bürgerliches Leben.

    Aber ich hab mal in einer Junkie-WG und unter Pennern in Südfrankreich gelebt. Da gings irgendwie ähnlich zu. Und ich wurde auch mal aus dem Verkehr gezogen, weil ich keine Rechnungen mehr bezahlt habe..

    Immer, wo kommt die Kohle her und wer hat Drogen? Und wenns nix gab, Baccardi flaschenweise.

    Und anpacken wars irgendwie auch nicht. Es war ein Blitzschlag ins Hirn, mit 3 Promille aufwärts. Gesoffen, bis das Aufhören schöner war als das Weitersaufen. Wo soll das Arbeit sein, das zu lassen? Ich war froh dass ich die Erkenntnis hatte, dass ich so gar nicht weitermachen muss.

    Ein großer Vorteil: Scham spielt da keine Rolle mehr. Bei mir jedenfalls.

    Ex ist Ex.

    So lange ich gesoffen habe, war mir klar: für eine Beziehung höre ich nicht auf. Die Liebe zum Alkohol war stärker als jede andere Liebe.

    Also entweder die Beziehung läuft mit Saufen oder as erstes kille ich die Beziehung. Er hat ja jetzt eine, die mit ihm säuft.

    Wobei willst Du ihm helfen? Ihm gehts besser als Dir. Hilf Dir selbst.

    Hallo Mara,

    Du hattest Die Überlegung angesprochen, in eine Suchtklinik zu gehen.

    Ich war selbst in keiner,

    Aber ich könnte mir schon vorstellen, dass das gut für Dich wäre, wenn Du wirklich aufhören willst.

    Gerade, weil Du dort ja die Werkzeuge, die Handlungsalternativen lernen könntest.

    Schönen Gruß Susanne

    Bevor ich das beantworte, möchte ich vorausschicken, dass ich auch nüchtern sehr schlechte Laune haben kann. Und ich bin 22 Jahre trocken, es war nicht 22 Jahre lang alls easy. Ich hatte sogar ein paar ziemlich massive Probleme.

    Nur galt immer der Satz: wenn ich überzeugt bin, dass es mir vom Trinken besser geht, dann fange ich wieder damit an. Davon war ich eben nie überzeugt, im Gegenteil, es wäre nur schlechter davon geworden. Ich musste mich dafür nicht mal anstrengen, weil ich gar nie das Bedürfnis hatte oder überhaupt auf die idee gekommen bin, zu trinken.

    Da gibts den Satz, zufriedene Trockenheit ist nicht dasselbe wie ein zufriedenes Leben. Zufriedene Trockenheit ist nur der Entschluss oder die Einsicht, das man nun ohne Alkohol leben will und nicht damit hadert "ach was wär das doch schön jetzt zui trinken". Also einfach, ich trinke nichts mehr und das passt mir.

    Ansonsten kann es genauso beschissen sein wie bei allen anderen Menschen auch.

    Jetzt?..war ich zwei Stunden Radfahren, esse jetzt und lege mich zum lesen auf die Terrasse. Und habe für nächste Woche 5 Tage in der Schweiz gebucht.

    Auch 22 Jahre trocken..ich hatte schon sehr viel Zeit, mr nüchtern zu überlegen, was ich vom Leben will. Einiges davon habe ich verwirklicht. Da muss nicht mehr sehr viel dran geändert werden. Ich bin glücklich verheiratet, eingermassen gut situiert, muss nichts mehr arbeiten unds kann mir jeden Morgen überlegen, worauf ich heute Lust habe. Ein paar Einschränkungen habe ich, aber das wäre Jammern auf hohem Niveau.

    Nun, und bei Bergsteigern (ich war früher klettern, deswegen hab ich das parat) sagt man dann gerne, er starb bei dem, was er am liebsten tat. Er war glücklich bis zum letzten Moment.

    Das ist eine Sicht, die ich sehr gut nachvollziehen kann.

    Beim Alkohol war es halt so, der Spaß war irgendwann vorbei. Ich hab das mal hier irgendwo ausgearbeitet, es brachte mir irgendwann so gut wie nichts mehr. Genauso das Rauchen übrigens. Und ich bin jetzt nicht so gestrickt, dass ich mir sagen könnte, ich bin halt süchtig, ich kann nicht anders. Für mich ist es in meinem Fall reine Dummheit, für etwas zu sterben, wovon man nichts hat. Also das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmte da nicht mehr.

    Letztes Jahr ist ein Freund von mir gestorben, der war Chefarzt. Irgendwann hatte er gesagt, er macht selbst nicht das, was er seinen Patienten sagt. Und er, genau er, wusste das ganz genau.

    Wie viele Leute arbeiten bis zum Herzinfarkt, haben Herz-Kreislauf-Krankheiten wegen ungesunden Lebensstils, kriegen Krebs weil sie riskant leben?
    Und manche haben dabei nicht mal Spaß, sondern können entweder nicht anders oder folgen irgendwelchen irrationalen Zielen. Wozu reisst sich jemand den Arsch auf, um sich ein drittes Auto zu kaufen?

    Nach Erhebungen sterben mehr als die Hälfte der Leute an vermeidbaren Krankheiten.

    Meine Einstellung war immer die, was nützt mir Gesundheit, wenn das Leben dabei öde und fade ist?

    Ich will nicht um jeden Preis leben.

    Als ich jung war, war es für mich und viele Andere der reine Horror, sich vorzustellen, dass wir mal alt werden.

    Da war die Aussicht, gesund zu leben, um alt zu werden, schlicht für den Arsch.

    Auch heute denke ich, wenn ich nichts mehr machen kann, dann will ich Sterbehilfe.

    Sterben tun wir alle, egal ob wir saufen oder nicht. Die Frage der Fragen für mich ist, unter welchen Umständen habe ich das Gefühl, auch gelebt zu haben? Da gehört ein bisschen mehr dazu als Gesundheit.

    Und im Wesentlichen halte ich mich lieber an das, was ist, als an das, was sein könnte. Denn was soll das, ich kann ja mein Leben nicht noch mal von vorn anfangen. Und ob ich anders glücklicher geworden wäre, wer weiss das?

    Noch mal zu den Normalos.

    Es gibt schon welche, die sich für Null-Konsum entscheiden.

    Es gibt aber auch sehr viele, die gerne trinken, aber das nicht ausufern lassen.

    Es gibt auch Leute, die den Rausch als unangenehm empfinden. Oder die gleich solche Nachwirkungen haben, dass sie es lieber lassen.

    Oder das Saufen beisst sich mit anderen Zielen, die sie haben.

    Ansonsten ist der Mensch ein seltsames Wesen.

    Gutbetuchte Menschen zahlen 70.000 Dollar, um ein Unternehmen anzugehen, bei dem sie mit 15 Prozent Wahrscheinlichkeit nicht lebend zurück kommen.

    Ich rede von der Besteigung des Mount Everest, heute ein Business. Wer zahlt, wird irgendwie hochgeschleppt. Jeder siebte kommt dabei um.

    Also von wegen, jeder strebt maximale Gesundheit an...is nich.

    Ich will das mal noch ein bisschen ausbauen.

    Bei Leuten, die entsprechend disponiert sind - und das bin ich zweifellos - wirken Drogen und Alkohol besser als Sex, Liebe und Urlaub zusammen.
    Ich hatte ja von allem was, Liebe, Freunde, Hobbies. Aber im nüchternen Zustand erschien mir das früher alles irgendwie leer.
    Es fehlte einfach was, ich hätte was verpasst.
    Es gibt aus dieser Zeit schon eine Menge Erlebnisse, die ich nicht missen möchte.

    Lustig ist es heute im Rückblick aber nur deswegen, weil ich ja damit aufhören konnte. Wenn jemand nicht aufhören kann, dann ist das schon irgendwie tragisch.

    Ich leb da halt ein bisschen nach dem Motto "No risk, no fun". Und um mein Leben habe ich irgendwie nur Angst, wenn mir das Leben auch Spaß macht.

    Das mit Sex, Liebe und Urlaub habe ich deswegen gebracht, weil man vieles fühlen muss. Fühlen lässt sich vieles aber nur im Gegensatz, wenns mal schlechter ging z.B.. Dadurch werden Dinge wertvoll. Vom Wissen allein fühle ich das nicht. Es ist ein Gefühl, dass ich keinen Suchtdruck habe, da ist analytisch wohl nur sehr schwer dranzukommen. Und wozu auch, funktioniert ja.

    Und ich sage, ich darf ja trinken. Sobald ich davon überzeugt bin, dass es mir davon besser geht, mache ich es. Und so bin ich zu 22 Jahren gekommen.

    Aber genau aus diesem Grund, dass es mir nicht fehlt, wäre Ausprobieren ja Blödsinn. Ich habs lang genug gemacht, ich weiss wie es wirkt. Die ersten fünf Bier würden mich langweilen.

    Ich weiß das alles, habe viele Bücher zum Thema gelesen, aber immer wieder komme ich an diesen Punkt, wo das alles was ich weiß, nicht mehr zählt und ich mich mit Alkohol abschalten muss.

    Liebe Grüße Mara

    Dazu möchte ich noch sagen: das hört sich nicht an, wie ferngesteuert.
    Sondern das hört sich danach an, als ob Dir in bestimmten Situationen keine andere Lösungsmöglichkeit einfällt, ausser zu trinken.

    Ich muss Dir vermutlich nicht erzählen, dass Du manches vielleicht betäuben kannst, aber Probleme löst Du damit nicht.

    Es geht wieder um die Handlungsalternativen. Was könntest Du sonst tun, ausser trinken, was Dir nicht schadet?
    Ich kenne Dich nicht, ich weiss nicht, was Du gerne tust. Hast Du Ideen?

    Mir fällt noch was dazu ein.

    Wir hatten damals oft Diskussionen. Unterm Strich ging es ganz simpel oft darum, wer von uns beiden recht hat. Ob er recht hat, dass ich ein Alkoholproblem habe, oder ob ich recht habe, dass ich es kontrollieren kann. So in etwa.
    Und ich hätte ja meinem Partner recht geben müssen, wenn ich aufgehört hätte. Das ging damals nicht, wir waren zu sehr in unseren Machtkämpfen verstrickt, als dass ich meine Position hätte ohne Gesichtsvertlust räumen können.

    Kurz gesagt, ich hätte erst vor meinem Partner kapitulieren müssen, bevor ich vor dem Alkohol kapitulieren konnte.
    Als er (nachträglich betrachtet temporär) weg war, konnte ich den Blick auf mich selbst richten.
    Das fing schon damit an, dass ich mir nachts, wenn ich langsam aus dem Koma erwacht bin, nicht mehr überlegen musste, wie ich das nach aussen wieder gerade biege, sondern wirklich meinen eigenen Zustand gespürt habe.

    Und nachdem ich aufgehört hatte, war keineswegs alles gut. Erstens hatte er das Gefühl, dass es nun lange genug um mich gegangen war, er hatte also Forderungen und ich dünne Nerven (meiner Ansicht nach in der Anfangsphase gar nicht zu vermeiden, weil Aufhören trotzdem eine Umstellung und ich verunsichert war) und zweitens hatten wir dann durchaus Kämpfe, weil ich die Verantwortung für meine Trockenheit unbedingt selbst wahrnehmen wollte, und es für mich klar war: seine Sorgen und Ängste sind sein Problem, damit muss er selbst fertig werden. Ich konnte seine Sorgen nicht auch noch lösen, ich war absolut ausreichend damit beschäftigt, mein eigenes Leben umzustellen.

    Also, es war Arbeit. Aber wir sind noch zusammen.

    Was glaubst Du , was Dein Partner tun würde, wenn Du ihn nicht drängen würdest?
    Würde er von sich aus aufhören?

    Oder würde er das Trinken noch 10 Jahre lang aushalten?

    Für mich wäre Sucht kein Grund zum Aufhören gewesen, so lange ich das Gefühl hatte, wenn ich mit dem Trinken aufhöre, ist mein Leben sinnlos.

    Ich hab auch so mit Pausen und Abstürzen getrunken. Mein Partner hat es auch 13 Jahre lang mitgemacht. Wir waren früher auch feiern.

    Und dann wars eben so, ich musste zugeben, ein Leben ohne meinen Partner kann ich mir vorstellen. Ein Leben ohne Alkohol nicht.

    Dann hat mich mein Partner verlassen. Positiv dabei war, dass ich dann ungehindert so viel saufen konnte, bis es tatsächlich mir gereicht hat. Bis ich um mich selbst Angat hatte, vor den Folgen der Sauferei. So lange mein Partner da war, hatte ich das nicht, da war ich damit beschäftigt, ihn auf Abstand zu halten.
    Und nachdem es mir gereicht hat, war alles weitere verhältnismäßig easy. Dann bin nämlich ich selbst schon mit der Massgabe zur Beratung, dass ICH aufhören will. Was mein Partner dazu meinte...der musste sich vor allem seiner Coabhängigkeit wegen behandeln lassen, damit er von meiner Problematik mehr Abstand gewinnt. Für mich war es dann zwar mal gut, darüber zureden, aber gegen "Reinreden" war ich absolut allergisch.

    Ich erzähl mal noch was zu den drei Sekunden vor dem ersten Glas. Weil das dem, was Du als jenseits jeder Vernunft und wie ferngesteuert bezeichnest, am Nächsten kommt.

    In meinem letzten Trinkjahr hatte ich eine Menge Stress. Regelmässig kam ich aus meinem Job heraus und wenn der Stress vorbei war, fiel ich in ein Loch.

    Jetzt war da direkt daneben ein Schnapsladen. Und 10 Minuten später, an einem Hauptbahnhof, einige Kioske.

    Sehr oft hatte ich mir vorgenommen, heute trinkst Du nichts. Dann kam ich, gestresst, an dem Laden oder einem Kiosk vorbei, und der Gedanke, ach, einer geht. Und wenn ich einen hatte, ging auch ein zweiter undsoweiter. Bis ich halt mal wieder völlig am Ende war. Gerne mehrmals die Woche.

    Oder ich wusste, am nächsten Tag ist es locker, ich kann es mir leisten, da hab ich das auch geplant, zu trinken.

    Ich hatte aber immer das Gefühl, wenn ich wirklich nicht will, dann kann ich es auch lassen. Das habe ich ja auch drei Tage die Woche gemacht, da war ich konsequent. Und genau das fiel mir auch immer schwerer, ich hatte das Gefühl, ich stehe kurz davor, auch morgens und täglich zu trinken.

    Dann habe ich irgendwann eine harte Entscheidung getroffen. Bei mir war es nicht die Angst vor dem Tod. Es war die Angst vor dem. was mir vor dem Tod noch alles passieren könnte. Alkoholiker kriegen fürchterliche Krankheiten, sie werden von ihren Partnern verlassen, sie verlieren alle Freunde, nichts macht mehr Freude, sie werden todunglücklich. Das kommt so weit, dass der Tod eine Erlösung ist.

    Zurück zu dem Laden. Dass ich hineingehe, etwas kaufe, die Flasche aufmache, einen Schluck nehme, und dass ich den Schluck auch hinunterschlucke, sind mindestestens fünf einzelne Entscheidungen. Bei jeder Entscheidung kann ich sagen: "Nein, jetzt nicht".

    Und ich kann mich bei jeder Entscheidung fragen: was mache ich stattdessen?

    Und dann habe ich mich mal mit meinem Suchtdruck unterhalten.

    Was will mein Suchtdruck?

    Mein Suchtdruck will, dass ich mich wohlfühle.

    Wenn ich dem Suchtdruck nachgebe, fühle ich mich aber nicht mehr wohl.

    Und ausserdem habe ich gemerkt, mir ging es vom Trinken schon so schlecht, dass es einfacher und schöner war, damit aufzuhören, als weiterzutrinken.

    Von wegen schwierig..es wäre viel schwieriger gewesen, die weiteren Folgen der Sauferei zu ertragen.

    Also: was habe ich für Handlungsalternativen?

    Und dazu kam, dass ich begriffen hatte, dass das mit meiner Lebenssituation oder mit Problemen, die ich hatte, keine Spur zu tun hatte.

    Ich habe auch getrunken, wenn es mir extrem gut ging. Ich habe getrunken, wenn die Sonne gescheint hat, genauso wie wenn es regnete.

    Das ist aus meiner Sicht ein ganz großer Irrtum, zu glauben, wenn man sein Probleme gelöst hat, dann trinkt man nicht mehr. Da könnte man sich genauso gut fragen, ob der Kuchen nicht mehr schmeckt, wenn es einem gut geht.

    Das ist einfach Gier, und wenn die Gier da ist, dann sucht man nach Ausreden, warum man trotzdem darf. Oder man redet sich in dem Moment ein, dass es ja doch nicht so schlimm ist. Und weil es sowieso eine Gewohnheit ist, ist es auch sehr leicht, zu trinken.

    In der psychosomatischen Klinik war Deine Umgebung ganz anders. Da fällt es vielen leicht, auch sonstige Gewohnheiten eine zeitlang abzulegen. Wenn man heimkommt, ist alles wieder beim alten.

    Ja, und dass man sich nach einem Absturz schwört, nie wieder, und das aber auch wieder vergisst..geradezu klassisch, dass bei einem Trinker die guten Vorsätze nicht lange halten. Da muss man dann schon konkret gegensteuern.