Beiträge von Poetr Y. Slam

    Hallo gerchla,

    vielen Dank für Deine guten Wünsche, und gerne erzähle ich darüber (denn wo, wenn nicht hier, sollte ich darüber reden? Es ist schön, dass es dieses Forum zum Austausch gibt...).

    Was sie offenbar sehr geschockt hatte, war ein Restalkoholpegel vom Vorabend, durch den sie auch am Nachmittag noch nicht fahrtüchtig war (gemessen mit einem billigen chinesischen Tester, der sicher keinen Anspruch auf absolute Präzision geltend machen kann, aber durchaus brauchbare und plausible Messwerte liefert). Als sie mit den Kindern zum einkaufen fahren wollte, habe ich ihr zuerst den Tester in die Hand gedrückt, nach dem Testergebnis den Schlüssel abgenommen, und bin dann selbst gefahren. Sie hatte offenbar nicht mit dem hohen Wert gerechnet.

    Sicher auch das Wissen, dass ich ihre Alkoholverstecke gefunden hatte, inkl. der Wucht der Erkenntnis, dass etwas ganz gewaltig schief läuft, wenn man so weit ist, Verstecke anzulegen. Das klingt vielleicht komisch, aber ich glaube, dass man die Bedeutung dessen - obwohl man ja selbst aktiv handelt und an sich weiß, was man tut - gar nicht unmittelbar begreift. Erst in der direkten Konfrontation damit ergibt sich die eigentliche Erkenntnis. Wie siehst Du das, kannst Du das so nachvollziehen?

    Von meiner Seite wäre "überredet" wohl zu gelinde ausgedrückt. Ich habe ihr sehr klar gesagt, dass ich sie in jeglicher Hinsicht unterstützen werde, wo ich nur kann, und sie nicht aufgegeben habe - aber dass ich sie an Taten messen werde, und sich unsere Wege trennen werden, wenn sie die Sache nicht in Angriff nimmt. Letzteres hätte ich auch durchgezogen, denn das war so nicht mehr tragbar.

    Sie hat damals unmittelbar kalt entzogen (ohne meine Kenntnis bei zum Glück relativ milden Symptomen) und seither keinen Alkohol mehr angerührt. Die Entscheidung zur Therapie, und der Besuch beim Hausarzt hat sich dann erst mal eine ganze Weile lang hingezogen, wohl auch aus Angst, ein paar Wochen in einer Klinik verbringen zu müssen. Der Arzt hat ihr das zwar grundsätzlich empfohlen, meinte aber, dass die Entgiftung an sich ja bereits erfolgt, und vielleicht ein anderer Weg möglich sei. Er hat sie dann an eine Psychologin (eine Psychodynamikerin, im Vordergrund steht die Suche nach der Ursache des Alkoholismus) vermittelt, und mit ihr scheint das recht gut zu funktionieren. Sie erzählt nicht viel darüber, aber das ist für mich in Ordnung, und dränge nicht darauf. Etwas hakelig ist die Sache allein bzgl. der Kostenübernahme durch die Kasse, da offenbar so nicht vorgesehen - aber machbar.

    Aus anderen Dingen (wie Besuch der anonymen Alkoholiker) ist bisher nichts geworden - aber da muss sie wohl den Weg gehen, der gut und machbar für sie ist. Und das scheint glücklicherweise bisher der Fall zu sein.

    LG

    Hallo ihr Lieben,

    höchste Zeit, mal wieder etwas von mir hören zu lassen, auch um vielleicht dem einen oder anderen in ähnlicher Lage Mut zu machen. Status bei uns: meine Frau ist jetzt seit über 5 Monaten abstinent. Eine Reha wollte sie nicht, aber eine Therapie läuft seit einer ganzen Weile (unter durch Corona erschwerten Bedingungen). Kein Suchtdruck, und ihr geht es so auch sichtlich besser. Gerade nochmal rechtzeitig die Kurve bekommen...

    Ich hoffe, Euch allen gehts gut, und dass Euch die Decke durch die Einschränkungen nicht auf den Kopf gefallen ist.

    LG


    :o Das ist ja sehr schade. Sieht sie die Dringlichkeit dann wohl doch noch nicht. Aber... das ändert niemand außer sie selbst.

    Jein. Wo ich in vielen Fällen sofort (und manchmal unnötigerweise) Vollgas gebe, schiebt sie nicht selten Unangenehmes auf die lange Bank, und wenn es nicht sofort klappt (Feiertag, Leitung belegt, ...), fällt es dort auch gerne hinten runter. Je mehr Dinge von außen einprasseln, und Zeit binden, desto häufiger. Dagegen bin ich ebenfalls nicht "immun", aber ein Stück hartnäckiger.

    Uns würde weniger Stress eindeutig gut tun. Manches davon hat man selbst in der Hand. Anderes, meistens die richtig stressigen Ding, aber nicht - sie schlagen auf, und erfordern ihren Tribut, der Tag hat aber weiterhin nur 24 Stunden. Genau da sehe ich ja diese Zwickmühle: um langfristig eine positive Veränderung zu erzielen, muss man Maßnahmen ergreifen, die dann unmittelbar zu einer zusätzlichen Belastung führen. Wenn einem dadurch alles um die Ohren fliegt (oder zu fliegen droht), erscheint es natürlich "einfacher", die notwendige Handlung nach hinten zu schieben; und dort watet sie dann geduldig, und der Status quo sorgt dafür, dass bis zum St. Nimmerleinstag alles beim alten bleibt.

    Ich denke, das Problem kennt jeder. Oft kompensieren wir das gegenseitig, indem dann eben der andere dran zieht. Ich bin noch immer hin und her gerissen, wie ich mich hier verhalten soll. Machtlos fühle ich mich ich nicht wirklich; ich würde gerne anpacken, um eine Lösung herbeizuführen, aber dabei nicht riskieren, dass es dadurch erst recht in die Hose geht. Da sehe ich das Problem.

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    Weiterhin euch ein gutes Gelungen und auch ein entspanntes Wochenende.

    Vielen Dank, ebenso!
    Ich werde gelegentlich von mir hören lassen.

    LG
    P.

    Moin Betty,

    wir leben noch :)

    Was geklappt hat:
    - wir schreiben heute Tag 14 ohne Alkohol!

    Was halbwegs geklappt hat:
    - fürs entsorgen der Alkoholvorräte habe ich ihr Einverständnis (selbst entsorgen ist ein ist-doch-noch-gut Problem)
    - über das Thema Hilfe stellen vs. Druck ausüben habe ich mit ihr gesprochen. Wir haben ausgemacht: ich versuche, mich zu bremsen, auch wenn mir das schwer fällt. Sie weiß, dass meine Absicht ist, zu helfen. Sie wird mir offen und direkt sagen, falls es ihr zu viel wird. Das ist zumindest eine Basis, die helfen kann, manchen ggf. unnötigen Konflikt zu vermeiden.

    Was seitens meiner Frau bisher nicht geklappt hat:
    - kein Arzttermin (mehrere Versuche jeweils Leitung belegt, danach nicht mehr versucht)
    - kein Termin bei der Suchtberatung
    - auch keine weiteren Infos eingeholt

    Nach der Urlaubszeit kommt natürlich auch der berufliche Stress wieder zum Tragen. Zu allem Überfluss steppt auch gerade mal wieder in der Schule der Bär. Das setzt ihr sichtlich zu (mir ebenso, nur eben ohne das Risiko einer flüssigen Lösung).
    Zumindest hat das dafür gesorgt, dass sie sich gesten nach Therapeuten in unserer Nähe umgesehen hat, und sich Montag einen Termin beim Hausarzt holen will. Diese Notwendigkeit siehst sie also.

    LG
    P.

    Hallo Pyrophoric,

    auch wenn ich nicht weiß, ob Du noch mit liest, und wie es Dir zwischenzeitlich ergangen ist - ich hoffe gut - möchte ich hier kurz einsteigen und etwas aus meiner Sicht ergänzen. Ich befinde mich selbst in einer zumindest grundsätzlich ähnlichen Lage, mit getauschten Geschlechterrollen, und Kindern im Schlepptau. Ich kann nachempfinden, wie es in Dir aussieht. In der Hoffnung, dass Dir das helfen möge...

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    Außer meinen Eltern denkt niemand er sei Alkoholiker. Und sogar sie sagen jetzt zu ihm, du hast es doch schon bewiesen, du hast ja schon vier Monate gar nichts getrunken. Deine Frau übertreibt.
    Ich finde überhaupt nicht, dass ich übertreibe.

    Selbstverständlich übertreibst Du nicht - überhaupt nicht!
    Es wird zwar nichts ändern, aber vielleicht hilft Dir das Verständnis für das Unverständnis der anderen etwas dabei, dass es Dich zumindest weniger belastet. Abstellen wird schwierig, schaffe ich bis heute nicht. Bei mir liegt zwar ein anderer Kontext zugrunde, das Prinzip ist aber das selbe:

    Andere Menschen nehmen Deinen Partner ganz anders wahr als Du. Du kennst seine guten Seiten, genau wie seine schlechten Seiten, und das in einer Intensität, der Dritte nicht mal nahe kommen, denn er ist Dein Partner, mit dem Du zusammenlebst.
    Der feucht-fröhliche Abend ist für die Kumpels genau das: feucht-fröhlich. Sie fahren anschließend wieder heim - ob nüchtern oder nicht. Sie wischen auch nicht die Kotze auf; und die ist beim nächsten feucht-fröhlichen Abend schon längst weg. Er pennt nicht auf deren Couch, sondern auf Deiner. Es ist keine Kunst, bei anderen als toller Typ zu wirken, die allein diese Seite zu sehen bekommen.

    Deine Eltern kennen Dich, sie vertrauen Deiner Einschätzung viel mehr als ein Dritter. Aber (!) für Deine Eltern ist der Alkoholismus ein sehr abstraktes Ding, das sich auf die simplifizierten Bausteine [trinkt zu viel] und [muss das "nur" lassen] reduzieren. Sie haben nicht die geringste Ahnung, was eigentlich dahintersteckt, und liegen mit ihrer Vereinfachung völlig daneben, sie sitzen einem völligen Fehlschluss auf, daher fassen sie eine Zeit der Abstinenz als Beweis dafür auf, dass das Problem nun gelöst ist. Ist es aber nicht, es ist nicht lös- oder abstellbar.

    Sie haben aber das Problem nicht mal ansatzweise durchdrungen, sie sehen nur oberflächlich drauf, so wie ein Außerirdischer in seinem UFO aus der Vogelperspektive, der sich zum ersten mal die Spezies Mensch ansieht, z.B. ein Haus als rotes Rechteck wahrnehmen würde. Es wäre aber sinnlos, einem Haus deshalb die Eigenschaften eines Rechtecks zuzuordnen. Wer aber jemals mit einem Haus zu tun hatte, weiß, dass es nicht durch das rote, von oben flach wirkende Dach definiert wird, durch völlig andere Dinge. Für Deine Eltern ist Dein Partner so ein rotes Rechteck, bei dem doch alles in Ordnung ist, weil das Moos eine zeit lang vom Dach geschrubbt wird. Das wesentliche können sie aber nicht wahrnehmen - sie waren noch nie drin, sie wissen gar nicht, was ein Haus ist. Sie werden sich höchstwahrscheinlich auch nicht in die Thematik einarbeiten, dazu ist das - sofern sie das überhaupt könnten - viel zu weit weg von deren eigene Realität. Und deshalb reflektieren sie Dir, die das Ding von innen kennt, es sei doch alles gut (das trifft aber nur aufs Dach zu).

    Ich hoffe, ich habe das nicht zu umständlich ausgedrückt.

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    Gefühlt dreht sich beim Weggehen oder Festen bei den meisten alles nur ums Saufen. Oder kommt mir das nur so vor?

    Nein, da bin ich ganz bei Dir. Ich kann so etwas selbst nicht ertragen, und das nicht erst, seit meine Frau ein Problem hat.
    Es wirkt auf mich so unglaublich primitiv, gerade wenn es dann auch noch irgendwelche "Trinkspiele" laufen - und irgendwie scheinen all das als etwas völlig normales zu empfinden. Sie verwechseln in meinen Augen Konsum mit Geselligkeit.

    Man muss sich nur mal überlegen, wie es wohl wirken würde, wenn irgendwo eine ähnliche Veranstaltungen stattfinden würde, auf der man z.B. das Eimersaufen durch einen Kokainschnupfwettbewerb ersetzt hätte. Soll sich auch gut anfühlen - aber fast jeder würde sagen: habt ihr eigentlich noch alle Tassen im Schrank?!
    Nein, da ist objektiv kein Stück Geschirr mehr heil. Es ist nur so, dass dieser Schrank voller Fetzen einer ist, der üblich ist. Man hält ihn im Allgemeinen nur für normal, weil man nicht genauer darüber nachdenkt.

    Wenn Dich Schränke voller kaputter Tassen stören - dann meide sie. Es gibt manchmal einen Unterschied zwischen Normalität und Mehrheit. Selbst wenn plötzlich alle beschließen, aus dem Fenster zu springen, dann ist das die Mehrheit, normal ist es aber noch lange nicht ;) Du bist die Normale. Bewahre Dir das, und sei Stolz darauf!

    Guten Morgen Gerchla,

    (auch wenn es jetzt bereits Mittag ist, ich sitze schon eine Weile an meiner Antwort, und habe dabei viel nachgedacht).
    Vielen Dank für Deinen sehr persönlichen Einblick. Was wäre die Welt nur ohne Menschen wie Dich?


    Über die Jahre des heimlichen Trinkens hat unsere Ehe stark gelitten. Meine Frau versuchte wirklich alles um irgendwie an mich heran zu kommen, hatte jedoch keine Chance. So lebten wir uns natürlich nach und nach immer mehr auseinander.

    Ich kann das gut nachvollziehen. Wenn da eigentlich nichts mehr ist außer ein Berg von Schuld, dann steht man nach der Reparatur trotzdem vor dem nichts. Bei uns ist das glaube ich (noch) nicht so. Ein Freund hat zu mir neulich gesagt: ganz egal, wie sehr Du etwas verzeihen und akzeptieren kannst - was geschehen ist, wird immer geschehen sein, und kann nicht rückgängig gemacht werden, sondern wird Dich für immer begleiten.

    Auch unsere Ehe hat durch die Trinkerei gelitten, bis hin zur Haltung: ich gehe den Weg noch, bis die Kinder aus dem Haus sind, und dann werden die Karten neu gemischt. So weit sogar, dass für mich nun die Entscheidung steht, jetzt entweder einen gemeinsamen Weg zu finden, oder die Sache zu beenden. Auf unserem Weg ist bisher aber noch nichts wirklich "krasses" passiert. Aus der Verwandtschaft kenne ich hier u.a. sich Dinge an den Kopf werfen aus unterster Schublade, Würgen der Partnerin, Reaktion mit Polizei und Anwalt, Entwenden des Autos, Schlechtmachen des anderen bei gemeinsamen Bekannten etc. - da sind wir Gott sei dank nicht mal in der Nähe. Da wäre wirklich nichts mehr zu retten, das kann man nie mehr gut machen.

    Kränkungen: ja, zwangsläufig - aber nicht durch Böswilligkeit, Gemeinheiten oder gar Taten. Wir besitzen noch immer die gleiche Grundhaltung, schätzen den anderen, und egal, welcher Wind uns bisher ins Gesicht geblasen hat - wir haben uns immer gemeinsam dagegen gestellt, und jeder hat seine Stärken eingesetzt. In letzteren unterscheiden wir uns, wir sind auch beruflich in sehr unterschiedlichen Gebieten unterwegs, aber gerade die Kombination macht uns aus.

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    Also, es ist gar nicht so selten, dass sich Paare trennen, nachdem der trinkende Teil trocken wurde. Es halt so, dass ein Trinker wenn er trocken wird, sich natürlich verändert. Wie er sich ja auch verändert hat durch die Sucht.

    Deshalb ist es auch oft ratsam, dass sich beide Partner, also auch der nicht trinkende, der somit ja eigentlich gar kein akutes Problem hat, in Therapie begibt bzw. sich in irgend einer Form bei diesem Prozess begleiten lässt. Einfach auch um zu verstehen, was da jetzt beim anderen gerade passiert und wie man damit umgehen kann. Denn nicht nur der Trinker muss sein Leben verändern, sondern auch der Partner.

    Verstehe ich. Und er entwickelt sich nicht in den Menschen zurück, der er einmal war. Was ihn ausmacht ist nun mal die Summe seiner Erfahrungen, auch die während der Trinkerei gemachten, auch nach dem die Trinkerei zu Ende ist.

    Für eine Reha wäre die Anlaufstelle nochmals die Suchtberatung, da werde ich wohl ohnehin teilweise dabei sein. Ich vermute, dass ich da ohnehin mit einbezogen werde. Mir würde das auf jeden Fall gut tun, gerade die letzen Monate waren hart.

    Nicht ganz schlüssig bin ich mir beim Thema Co-Abhängigkeit.
    Natürlich beschütze ich meine Frau, genau wie den Rest meiner Familie, auch dann, wenn ein Familienmitglied sich etwas zu Schulden kommen lassen hat. Dann aber nicht als blindes Universalschutzschild - die Themen kommen dann schon auf den Tisch, idealerweise aber so, dass der andere eine Chance hat, die Verfehlung zu verstehen und daraus zu lernen, ganz anders, als wenn jemand mit dem Rücken zur Wand steht, und mit der großen Keule bearbeitet wird.

    Natürlich übernehme ich auch Aufgaben meiner Frau, die sie derzeit nicht leistet/leisten kann. Aber weniger, um etwas zu verdecken, sondern weil die Aufgaben nun mal erledigt werden müssen, und andernfalls Schaden entstünde, der z.B. die Kinder betrifft. Das kann ich ja nicht einfach hinnehmen, und dadurch rechtfertigen, dass das ja eigentlich nicht meine Aufgabe sei.

    Ich kann auch nicht leugnen, dass ich nicht manchmal Verachtung und Wut gegenüber meiner Frau empfunden hätte. Ich denke, das ist ein Stück weit normal, wenn man langsam an der Situation verzweifelt, an der der andere in gewisser Weise "schuld" ist.

    Wenn ich mich so durch Artikel zum Thema Co-Abhängigkeit hangle, sind das durchaus Punkte, die sich einer Beschützerphase, Kontrollphase und Anklagephase zuordnen ließen. Ob das der Fall ist, kann ich im Moment noch ganz schlecht beurteilen.

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    Bei Deiner Frau scheinen ja nun keine Symptome vorhanden zu sein. Was aber eben nicht bedeutet, dass sie deshalb ein kleineres Problem hat. Denn die körperliche Abhängigkeit folgt in aller Regel erst deutlich nach der psychischen.

    Das hatte ich fast so befürchtet. Meine innere Hoffnung war, dass die eine gewisse Relation zwischen körperlich und psychisch bestünde. Aber da war wohl der Wunsch der Vater des Gedanken.

    Ich hoffe, dass "nur" die Last die Ursache war.

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    Klar, man ist als Alki ein super Blender und Täuscher, man ist ein begnadeter Lügner, ein super Betrüger. Und man hat so seine "Tricks".

    Das ist einer der härtesten Nüsse, die ich zu knacken habe: der Vertrauensverlust. Wir verfolgen keineswegs eine naive Idee, dass Geheimnisse voreinander verboten wären - solche Ideen gibt es durchaus, und das halte ich für großen Quatsch. Jeder braucht seine Privatsphäre, und dazu gehören auch Dinge, die den anderen einfach nichts angehen, die aber auch gar keine Bedeutung für den anderen haben. Ich lese ja auch nicht die e-mails meiner Frau oder umgekehrt - das geht den anderen absolut nichts an.

    Aber mit dem Entzug des Vertrauens in so gravierenden Dingen komme ich nicht ganz klar, auch wenn ich vom Verstand her verstehe, wie das passiert ist. Gerade das billigend in Kauf nehmen, dass beim anderen ein völlig falscher, und auch alles andere als positiver Eindruck entsteht, das macht mir zu schaffen.

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    Grundsätzlich denke ich: je früher weg von dem Zeug, desto besser.

    Wie lange das nun schon geht, weiß ich immer noch nicht. Für mich wahrnehmbar würde ich sagen ca. 2 Jahre. Aber das muss ja nichts viel heißen. Die Sache mit den Verstecken habe ich ja auch erst ganz zum Schluss bemerkt.

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    Nun, wie der Name schon sagt, ist dieser Tiefpunkt ein sehr persönlicher. Beim einen "reicht" der Verlust des Führerscheins, beim anderen die Tatsache, dass er im Job darauf angesprochen wurde und wieder andere mussen erst Familie und ihr gesamtes Umfeld verlieren.

    Das stellt mich jetzt wieder vor ein anderes Problem: die Entscheidung, aufzuhören, muss die des Betroffenen bleiben, er muss dazu an seinen persönlichen Tiefpunkt kommen, an dem er den Entschluss dazu fasst. So weit, so gut.
    Druck, selbst Hilfe, die so empfunden werden kann, ist kontraproduktiv. Gleichzeitig hielte ich es aber für keine gute Idee, Kinder und Koffer zu packen, und Tatsachen zu schaffen, die dann vielleicht den notwendigen Tiefpunkt bieten, der zur Wende führt.

    Wie lässt sich das in Einklang bringen? Eine Trennung nimmt dann zwar den Druck aus einer Beziehung - weil die ja schlicht und ergreifend geplatzt, und der Druck damit - sozusagen - entwichen ist. Aber letztendlich ist es dann doch das Scheitern, das den Druck erzeugt, sein Leben neu zu ordnen. Oder sehe ich das falsch?

    Ich hoffe eben, dass das nötige "Klick" jetzt kam, und immerhin: heute ist Tag 6 der Nüchternheit. Sie hat mir ein paar Bücher gezeigt, die sie sich in der Vergangenheit zugelegt und gelesen hat, aber ohne Taten folgen zu lassen. Ich glaube nicht, dass sie zu irgend einem Zeitpunkt den Alkohol als Lösung begriffen hätte, sondern sich durchaus im Klaren war, dass dadurch nur alles immer schlimmer wird. Aber sie hat bisher die Kurve nicht bekommen.

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    So kannte ich das von Klein auf. Es wurde weder über Probleme noch über Gefühle diskutiert. Alles was nicht real greifbar war (wie z. B. Gefühle, psychische Probleme, etc.) existierte auch nicht bzw. wurde nur mit Unverständnis zur Kenntnis genommen. Ich habe nicht gelernt Probleme als solche zu akzeptieren und diese dann auch entsprechend zu behandeln und zu lösen.

    In der Art bin ich aber ebenfalls aufgewachsen, auch meine Eltern sind dazu kaum in der Lage, haben so etwas selbst nie gelernt, und mich nie gelehrt. Ich musste mir das alles erst im Laufe meines Lebens aus eigenem Antrieb drauf schaffen. Vielleicht hat mich sogar gerade das dazu motiviert.

    Meine Eltern stecken oft tief in allgemeinen Klischees fest, was auch heute immer wieder für Konflikte sorgt, weil sich mir bei diesem Gewäsch über "einfache Lösungen" für komplexe Dinge einfach die Nackenhaare sträuben. Wie ich meine Schwiegerleute einschätze, sind die sogar weniger festgefahren.

    Frei von Klischees sind wir auch nicht, das wäre anmaßend. Aber Offenheit für neues, sich in andere reindenken und zu Versuchen, nicht nur den eigenen Blickwinkel als Maß aller Dinge zu sehen - so waren wir beide, seit wir uns damals kennengelernt haben, und ich könnte nicht mit jemandem auf Dauer zusammen sein, der starr in seinem Denken und in sich verschlossen ist. Daran sollte es daher eigentlich nicht scheitern.

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    Also, Du merkst sicher: einen Königsweg gibt es nicht und ehrlich gesagt: Eigentlich müsste das alles hier Deine Frau lesen. Für sie wären das alles wichtige und vielleicht hilfreiche Information. Dir können sie sicher helfen, als nicht Süchtiger das alles ein wenig besser zu verstehen oder nachvollziehen zu können. Aber letztlich liegt alles allein in den Händen Deiner Frau.

    Ich habe das im Verlauf an anderer Stelle geschrieben: mein Part hier ist nur mein Part, den ich unabhängig von dem halte, was meine Frau tut. Sie muss ihr Forum, ihre Gruppe, Literatur oder sonstiges geeignetes für sich finden. Die Informationen tauschen wir aus, vier Augen sehen mehr als zwei, und sie sehen noch mehr, wenn sie nicht das gleiche betrachten. Vom Blauen Buch weiß ich seit gestern, ich werde mir das bei Gelegenheit auch ansehen, aber mit genügt aktuell, was sie herausdestilliert, und für sie Bedeutung hat. Zusammen im gleichen Forum schreiben birgt auch die Gefahren, dass man sich gegenseitig verletzt; das kann auch passieren, wenn man unter vier Augen miteinander redet, aber vor anderen übereinander reden, auch anonym, birgt unnötig Sprengstoff, auch wenn eine Bloßstellung nicht Sinn der Sache ist. Der Verstand weiß das zwar, nicht unbedingt aber der Bauch.

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    Du selbst hast hier nur eine Nebenrolle, kannst Unterstützen wenn Du das möchtest und musst gleichzeitig aber höllisch aufpassen, dass Du Dein eigenes Leben nicht durch die Sucht Deiner Frau zu stark negativ beeinflussen lässt. Was natürlich alles andere als einfach ist, das ist mir schon klar. Aber letztlich kannst Du nur auf Dich schauen und Dinge für Dich verändern. Während Deine Frau ihr Leben verändern kann, wenn sie es denn möchte. Denn wenn sie weiter trinken will, dann wirst Du machtlos sein und kannst nur Deine Konsequenzen ziehen.

    Genau an dem Punkt bin ich ja. Die negativen Folgen sind jetzt an einem Punkt, der eine Änderung unabdingbar macht. Auf die eine oder andere Weise. Sollten die Dinge letztendlich fürchterlich schief gehen, dann brauche ich andere Hilfe und andere Informationen. Wenn wir die Kurve bekommen, bin ich hier richtig, und noch habe ich/habe ich wieder Hoffnung, dass wir das schaffen können. Weiter verbiegen kann und will ich mich nicht. Aber ich werde alles tun, um wieder aufrecht gehen zu können - im schlimmsten Fall allein, im besten Fall zusammen mit meiner Frau.

    LG
    P.

    Hallo nochmal,

    bzgl. dem mit Alkohol zubereitetem Essen, oder auch bzgl. mancher Medikamente wie z.B. Echinacin, die da ebenfalls mit von der Partie wären: dann manche ich mir darüber jetzt erst mal keinen Kopf. Es wäre nur fatal, wenn es dann irgendwann daran scheiterte.
    Der Tipp mit dem Traubensaft ist gut! Der Unterschied nach dem kochen sollte wirklich nicht all zu groß sein - aber wie gesagt: da wäre die Flasche das weitaus größere Risiko als die Sauce.

    Zum Wohlbefinden und feiern: das war noch nie unser Zweck von Alkohol. Die Partylöwen sind wir beide nicht, und ich habe keine Ahnung, wie viele das hinbekommen, dass sie trinken, und dann scheinbar enthemmt die Sau raus lassen. Ich meide so etwas, glaube, ich kann das gar nicht, für mich wäre so etwas wie ein Urlaub am Ballermann ein purer Horrortrip, während andere am liebsten dauerhaft dort bleiben würden.

    Ich würde viel mehr davon trinken, wenn da nicht die Wirkung wäre. Mich entspannt das eigentlich nicht, ich verliere nur Kontrolle über mein Gesicht, über meine Sprache, werde wirr, und wenn's zu viel war, habe ich nächsten Tag Kopfschmerzen - da fällt die Entscheidung dagegen nicht schwer. Meine Frau sagt, sie hätte damit ihre Gedanken gestoppt, die ihr keine Ruhe gelassen haben, später war er dann nötig, um sich nicht schlecht zu fühlen, weil der Alkohol fehlte. Nüchtern einschlafen funktioniert aktuell wohl alles andere als gut.

    Wie sich das anfühlt, kann ich nicht direkt nachempfinden. Beim Nikotin könnte man es als tropfenden Wasserhahn beschreiben: der einzelne Tropfen ist nicht schlimm, aber das permanente Getropfe zerrt an den Nerven. Die sofortige Erlösung davon bietet ein Klick mit dem Feuerzeug, wenn auch nur für kurze Zeit, für die Dauerhafte muss man Geduld haben, bis der Wasserhahn versiegt. Der Verstand sagt: ist doch logisch, dann natürlich bitte letzteres! Aber das restliche System kümmert sich einfach nicht um den Verstand, und lässt die echte, aber nervige Lösung zugunsten der schnellen links liegen. Der Verstand lernt, dass die Mühe vergebens ist - und so wird die Raucherei zum Selbstläufer. Auch so ein Projekt für die Zukunft... Den richtigen Zeitpunkt gibt es nicht, denn an sich ist jeder Zeitpunkt ist der richtige, die vermeintliche Suche danach lediglich eine Ausrede. Meine ist derzeit, dass ich mir das jetzt nicht auch noch oben drauf geben muss (was zur Abwechslung mal nicht ganz von der Hand zu weisen ist).


    Wenn Du übrigens auf das Rauchen anspielst...geplant hat das bei mir nicht funktioniert, aber als es eines Morgens soweit war, dass ich mich entschlossen habe, den Rauchentzug auszuhalten

    Das lief bei uns gleichzeitig, und damit geplant. Es war auch nicht so schlimm wie befürchtet. Wir hätten dann nur nicht Jahre später diesen dummen Fehler am Strand machen sollen...

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    Jedenfalls musste ich das alles in "meinem Stil" machen, vorgekaute Standardvorgehensweisen hätten bei mir wohl nicht funktioniert. Das ist meiner Ansicht nach auch die Schwierigkeit dabei, Dir Ratschläge zu geben, weil Deine Frau halt nicht hier ist und sich gar nicht äussert, und wenn Du das schreibst, sind immer Deine eigenen Interessen und Bedürfnisse sowie Deine Interpretation des Geschehens auch noch dabei, egal wie sehr Du Dich bemühst, das für sie zu tun.

    Das weiß ich, aber Eure Erfahrungen helfen mir beim Bewerten dessen, was ich plane.
    Ich weiß schon: man hat manchmal vor allem nur den Drang, eine Idee bestätigt zu bekommen, und will eigentlich gar nicht hören, dass die blöd ist. Wahrscheinlich werde ich daher auch trotzdem manche blöden Dinge tun. Aber manche blöden Dinge auch vermeiden.
    Mathematisch ausgedrückt: das Verhältnis (n blöde Dinge vermieden)/(0 blöde Dinge vermieden) geht für n > 0 stets gegen unendlich ;)

    Dass nur ich hier schreibe, ist kein Zufall oder Desinteresse meiner Frau. Sie hat sich eine zusätzliche e-mail-Adresse zugelegt, weil sie da recht misstrauisch ist, und sucht selbst nach einem passenden Forum. Ob sie schon etwas gefunden hat, weiß ich nicht. Sie liest gerade das Blaue Buch, und möchte am nächste Treffen der Gruppe teilnehmen.

    Ich möchte auch gar nicht, dass sie hier mitdiskutiert, genau so wenig wie ich bei ihr nachlesen oder beim Treffen dabei sein möchte. Ich glaube nicht, dass ich sonst z.B. über die entdeckten Verstecke schreiben würde, das entspräche bzw. fühlte sich ggf. irgendwie an wie eine Bloßstellung in Anwesenheit des Bloßgestellten, gegenüber der sie dann ggf. auch Stellung beziehen müsste - auch wenn da nur ein Pseudonym im Raum steht. Darüber reden wir miteinander, ohne äußeren Rechtfertigungsdruck. Stell Dir vor, sie müsste lesen "ich glaube, Deine Frau hält sich ein Hintertürchen offen" - das käme wohl nicht so gut, sondern würde Scham verursachen. Dass ich in einem Forum diskutiere, weiß sie.

    Hallo Betty,


    wie geht es denn eigentlich deiner Frau und wie verhält sie sich? Hat sie denn irgendwelche Maßnahmen ergriffen oder überlässt sie es dir?

    Ihr geht es gut, sie sagt, es sei schön, morgens nicht mit einem Brummschädel aufzuwachen. Momentan flüchtet sie sich in Beschäftigung (neben ihrer arbeit: aufwändigere Kochrezepte, Handarbeit), damit sie nicht an den Alk denken muss. Die Abende verbringen wir wieder gemeinsam, was sehr schön ist - sonst hat sie sich weitgehend "versteckt", um trinken zu können.

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    Es ist ja auch nicht so, dass man unweigerlich für lange Zeit im Job ausfallen muss. Es gibt ja ganz viele Möglichkeiten.

    So ist es. Bei der Klinik, bei der ich mich schlau gemacht habe, wäre es nur die erste Woche, danach freie Kommunikation nach außen (Internetzugang reicht in ihrem Fall für das meiste aus). Das in Erfahrung zu bringen war mir wichtig.

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    Mein Umfeld und die Menschen haben mich in der Zeit recht häufig angesprochen und ich habe viele und gute positive Rückmeldungen bekommen. Es stellte sich heraus, dass mehr Menschen wussten, dass ich ein Alkoholproblem habe als ich dachte.

    Das wäre hier weniger relevant, das läuft hier nicht persönlich, sondern nur per Telefon, Post und Internet. Wir haben da schon die "lustigsten" Sachen erlebt, nach dem Motto: ich habe gerade einen Herzinfarkt - macht nichts, wir brauchen das aber bis morgen 12:00 Uhr. Absolut relevant ist aber die langfristige Sicht. Nach einem kompletten Absturz sind die Kunden ebenfalls weg, das ist ein gutes Argument!

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    Das eine kompletter Weinvorrat teuer ist, weiß ich wohl, aber was ändert es jetzt? Deine Frau will ihn ja eigentlich nicht mehr trinken. Du? Oder eventuelle Gäste?

    Naja... ich dürfte zwar, werde allerdings den Teufel tun, und ihr da auch noch etwas vortrinken. Da könnte ich ja auch gleich meinen Kindern eine Predigt über schlimme Drogen halten, und dabei eine Straße Koks schnupfen... bloß nicht!

    Das Zeug kann und muss weg. An manchem hängen Erinnerungen (u.a. eine Flasche richtig teurer Champagner, den wir zur Hochzeit bekommen haben. Keine Ahnung, ob der überhaupt noch gut ist...).

    Als erstes muss das jetzt aber mal außer Reichweite. Ich könnte ihn ja im Garten einbetonieren, dann wurde er zumindest nicht weggeschüttet ;D Aber weg muss er.

    Wie ist das eigentlich aus Eurer Erfahrung, wenn es z.B. um Kochzutaten geht? Ich höre oft, dass auch Kleinigkeiten ein Problem sein können, wie eine Weinsauce am Braten (nicht selbst gekocht, da wäre die griffbereite Flasche das deutlich größere Problem) oder ähnliches? Ein Freund hat mir das so erklärt, dass hier zwar nicht die relativ geringe Menge Alkohol das Problem sei, aber dass dadurch die Erinnerung wieder getriggert wird. Für mich klingt das durchaus plausibel. Wie ist das bei Euch?


    Wenns ein halbwegs gescheiter Wein ist, probiers doch mal bei ebay. Dann ist es nicht weggeschüttet, Du kriegst vielleicht noch einen Gegenwert dafür und es ist trotzdem aus dem Haus.

    Ja, da dürfte manches dabei sein, das sich verkaufen lässt (das Aldi-Bier nicht, darum ist es aber auch nicht schade). Dann muss ich das nun aber trotzdem wegsperren (das war ihr Vorschlag. Das Schloss aufzubrechen würde auffallen, heimlich Nachschub kaufen nur mit Glück - von daher), das geht ja auf eBay nicht sofort weg. Ich glaube, damit müsste sie sich arrangieren können - falls nicht, weiß ich was Sache ist.

    Hallo,

    ich glaube, in dem Punkt irrt ihr. Ich bin dazu bereit, mir täte es nicht weh, die Vorräte wegzukippen. Würde ich das jetzt machen, dann wäre es aber wieder meine Entscheidung, nicht ihre. Dagegen erscheint mir Informationsbeschaffung als deutlich weniger invasiv.

    In kenne ich sie gut genug, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um den "Stoff" geht (ebenso allerdings: dass das nicht auch ein Aspekt sein könnte. Menschen denken nicht digital), sondern ums wegwerfen, das ist immer ein Thema, auch wenn mans nicht trinken kann; wir reden auch nicht über 3 Weinflaschen, sondern über ein ganzes Regal davon. Ein dreistelliger Betrag, der dabei den Abfluss hinunter geht. Lächerlich im Vergleich zum potentiellen Schaden, aber ganz ohne eben doch nicht.
    Es ist nicht so, dass mir wohl dabei wäre, wenn der Alkohol weiter im Haus bleibt. Die letzten fünf Tage waren die ersten seit langem, an denen sie nüchtern war. Ich möchte, dass das auch so bleibt. Ich kann nochmal mit ihr reden, ich kann alternativ auch jetzt gleich in ihrer Abwesenheit Tatsachen schaffen. Was soll ich also tun?

    Als wir damals das Rauchen aufgegeben hatten, war das einfach: alle Vorräte zusammengeraucht, Ende. Das ist hier nun mal definitiv keine Option.

    ichso: die Bedeutung der Elefanten konnte ich mir noch zusammenreimen, aber das mit dem Helfersyndrom? Im Sinne, dass jemand hilft, aber in gewisser Weise dafür sorgt, dass die Hilfsbedürftigkeit nicht ausgeht?

    Bitte lass Dich nicht durch das, was Du von mir liest, triggern. Wut ist nie ein guter Ratgeber, weder für sich noch für andere, auch wenn ich verstehen kann, weshalb die Emotionen hochkochen. Auch dann nicht, falls ich mich blöde anstelle - ist für mich, genau wie für meine Frau, das erste und hoffentlich letzte mal.

    Beim Thema Job geht es nicht um die irgendwelche Phantasien der Wichtigkeit oder um Pflichtbewusstsein gegenüber Dritten. Meine Frau ist die Firma. Sie ist Selbstständige, und dabei nicht für ein bestimmtes Unternehmen tätig, das auf sie als Person "angewiesen" wäre (das wäre ein Fall von Selbstüberschätzung und/oder Dummheit. So naiv sind wir längst nicht mehr ;D ). Ein "in ein paar Monaten wieder" geht hier aber nicht, denn die Kunden sind nicht auf den konkreten Dienstleister angewiesen (bei dem bleibt man, weil man weiß, dass er zuverlässig und fristgerecht liefert; bei einem anderen weiß man das erst mal nicht, ein Fehlgriff kann in der Branche empfindlich ins Geld gehen). Die Kunden sind allerdings zwangsläufig dafür auf die Dienstleistung angewiesen. Das bedeutet: das war's hinterher mit dem Kundenstamm - keine Vermutung, sondern reale Erfahrung.

    LG
    P.

    Moin Betty und Britt,

    danke für Eure Reflexion. Ich hatte das fast befürchtet. Mir fällt es immer schwer, mich zu bremsen. Bei uns laufen die Dinge meistens so, dass jeder einbringt, was er kann, ohne Bittgesuch. Aber bei mir artet das schon gerne etwas aus, ich kann schlagartig Unmengen von Energie mobilisieren, und weiß nicht, wie ich das abstellen soll, das ist meine Natur. Mit ihren guten, aber auch schlechten Seiten.

    Ja, es muss ihre Entscheidung bleiben, das ist mir klar. Letztes mal ging genau das schief. Ich versuche, mich zurückzuhalten, und ihr die Info dann zu geben, wenn sie sie haben möchte. Echt schwer für mich...

    Du hast schon recht, Britt: wenn es um das Leben geht, kann der Job nicht Vorrang haben. Aber er ist auch eine wichtige Art der Selbstdefinition, ohne die man ggf. in der Luft hängt (verhungern müssten wir deshalb sicher nicht), und damit durchaus eine Hürde. Die Rechnung: großer Mehrwert - erheblicher, aber geringerer Verlust > 0 geht da nur eingeschränkt auf, wenn man trotz positiver Bilanz anschließend in ein Loch fällt. Das war einer der ersten Punkte, die sie vorgebracht hat: wie soll ich das unter einen Hut bekommen?

    Alkoholvorräte verschenken. Hm... sieht irgendwie seltsam aus, wenn man Sixpacks Aldi-Bier verschenkt. Die etwas edleren Sachen können wir so aber bestimmt loswerden. Ich sehe das eigentlich genau so, und hätte wenig Schmerz, das Zeug einfach wegzuleeren. Meiner Frau fällt das schwerer - nicht weil es Alkohol ist, sondern wegen der Vergeudung. Ihre Eltern sind in diesem Punkt extrem: weggeworfen wird nur, was sich gar nicht mehr mehr retten lässt. Vieles davon füllt lebenslang Kellerräume, Dachboden und Garage... denn: das ist doch noch gut. Nicht, dass man all die Schätze jemals wieder finden würde - denn die sind in irgend einer Schachtel ganz unten hinter dem Berg anderer Schachteln :'(. Das dürfte ein Kindheitstrauma aus dem Krieg sein.
    Ich werde das erst mal wegsperren, die Hürde muss erst mal nur so groß sein, wie ein Neukauf, der nun mal jederzeit eine Gelegenheit bietet. Vielleicht hilft ihr das beim loslassen. Und sonst werde ich es nebenbei entsorgen.
    Bleiben kann es jedenfalls nicht.

    Bzgl. der Verwandtschaft, die oft auch Wein und Spirituosen verschenkt, haben wir gestern auch gesprochen. Wir wollen den Punkt erst mal so abstellen, indem wir sagen: wir haben uns entschieden, bis auf weiteres keinerlei Alkohol mehr zu trinken, weil er uns nicht gut tut. Das ist nicht gelogen, vermeidet ein Outing, und vor allem die Enttäuschung, wenn man über seine Probleme redet, ohne dass eine angemessen Reaktion zurückkommt, und man sich unweigerlich wieder darüber ärgert.

    Guten Morgen ichso,

    die Sache mit den schwarzen Schafen, um sich selbst weißer zu fühlen, kann ich, wenn ich Dich richtig interpretiere, nachvollziehen. Das zieht sich auch in vielerlei anderer Hinsicht durch die Gesellschaft, und ist eng verbunden mit dem Prinzip: nach oben buckeln, nach unten treten. Menschen definieren ihren Stand, wenn man so will: ihre Überlegenheit gerne an der Unterlegenheit anderer - oft auch, indem sie dafür sorgen, dass andere gefälligst dort unten bleiben, wo sie sind, oder wo man sie gerne hätte. Das ist einfacher, als sich selbst zu bemühen, tatsächlich nach oben zu kommen.

    Bei der Sache mit den Elefanten und Deiner großen Schwester habe ich etwas Schwierigkeiten, da fehlen mir die Hintergründe, so dass das etwas kryptisch auf mich wirkt.

    Leidensverlängerung - ja, darüber habe ich mir die letzten Monate den Kopf zerbrochen. Ich bin jetzt an dem Punkt, an dem ich beschlossen habe, dass genau das nicht mehr stattfinden wird. Ich scheue keinerlei Mühen, um ein Ziel zu erreichen - das ist ein allgemeines Credo, anders kann ich gar nicht. Aber dabei ist nicht der Weg, schon gar nicht der Leidensweg das Ziel, sondern: das Ziel. Alles andere hat in diesem Fall keinen Sinn, damit wäre weder mir geholfen, noch meinen Kindern, noch meiner Frau.

    Wie gesagt: ich bin Realist, ein ausgeprägter Kopfmensch. Ich verlaufe mich selten in Illusionen; wenn meine Prognosen nicht eintreffen, dann in erster Linie, weil sich die Umstände im Verlauf ändern, oder weil mir Informationen fehlen. Gelegentlich werde ich als Schwarzmaler wahrgenommen, nicht weil ich ständig den Teufel an die Wand malen würde, sondern mir die Dinge möglichst rational ansehe, auch wenn mir (und anderen) das Ergebnis nicht gefällt. Meistens behalte ich in solchen Fällen damit (leider) auch recht. Glücklicherweise gilt das ebenfalls für Positivprognosen ;). Ich bin aktuell ganz guter Dinge.

    Wir haben gestern noch lange und intensiv geredet. Mir geht es heute tatsächlich "gut" - das konnte ich schon recht lange nicht mehr behaupten. Und ich sehe, dass die Chance greifbar ist, dass wir das stemmen können, ohne dass das ganze zu einem sinnlosen, vergeblichen Kraftakt wird. Einen Plan B werde ich dabei aber sicher nicht aus den Augen verlieren - das wäre sträflich. Aber kampflos gebe ich nicht auf; die Kunst ist, zu erkennen, ob man gegen Windmühlen kämpft, oder gegen bezwingbares Übel, und sich ersteres ggf. eingesteht, wenn dem so ist. Ich hoffe, dass ich da einen objektiven Blick behalte.

    ---

    Als erstes müssen jetzt die Alkoholvorräte weg. Ich brauche sie nicht, für sie sind sie eine gefährliche Versuchung, und ich kann es auch schlecht liefern, in nächster Zeit in ihrer Gegenwart ein Bier zu trinken. Also wird das erst mal weggesperrt (wir sind beide so erzogen, dass man nichts vergeudet - in vielerlei Hinsicht etwas, dem wir verdanken, was wir uns in unserem Leben aufbauen konnten; ganz wohl ist mir in diesem Fall aber nicht damit).

    Nächste Woche Termin beim Hausarzt machen. Ich habe angeboten, mitzukommen, wenn sie das möchte, bzw. wenn das für sie in Ordnung ist.

    Bei einer Suchtklinik in der Nähe habe ich gerade Vorabinfo eingeholt, wie so eine Reha prinzipiell ablaufen würde. Die wohl größte Hürde wird die Vereinbarkeit von Aufenthaltsdauer mit der Arbeit (selbstständige Tätigkeit - für zwei Monate komplett ausklinken ist eigentlich nicht drin), den Rest (Haushalt, Kinder etc.) bekomme ich schon allein gebacken. Dass die Maßnahme zeitnah angegangen werden sollte, hat man mir dort nahegelegt. Aktuell sucht meine Frau Ablenkung, um nicht Gefahr zu laufen, dass ihre Gedanken sich um den Alkohol drehen. Dabei dürfte so eine Maßnahme sicher hilfreich sein, Therapiesitzungen inklusive.

    Was meint ihr, drücke ich da gerade zu sehr auf Gaspedal, oder würdet ihr das, beträfe es Euch, als hilfreich empfinden?

    Susanne, auch hier sind die Schwiegereltern im Krieg aufgewachsen, meine Eltern stammen aus der Nachkriegsgeneration (und haben die Folgen indirekt abbekommen - und das nicht zu knapp).

    Der räumliche Abstand wäre noch machbar, auch wenn sich die Fahrtzeit auf der Strecke summiert. Hilfe wollen und fordern sie nicht, auch die von Fremden nur sehr ungern. Das wäre schon einige male fast ins Auge gegangen, aber wer gesteht sich schon gerne ein, dass er eigentlich nicht mehr kann, obwohl er noch immer möchte? Da fährt man lieber selbst (als Patient...) mit dem Auto ins Krankenhaus, als einen Fahrdienst zu bemühen, bzw. den Notarzt zu verständigen.

    Gelegentlich kommt der Pflegedienst, doch der kümmert sich nur um das allernotwendigste. Ich fürchte, es wären allein diverse Tage Arbeit, um einen ihrem Zustand gerechten Grundzustand herzustellen...
    Ich sehe das durchaus so, dass man das meiner Frau nicht zumuten kann. Schon gar nicht in nächster Zeit. Wir werden uns also wohl oder übel zusammensetzen müssen (samt Geschwister), das wir ein Spaß... :wall:


    Betty, ja, das ist ein kalter Entzug.

    Ich hätte weder damit gerechnet, dass sie das macht, noch in irgend einer Hinsicht darauf gedrängt. Sie hat das so beschlossen und tatsächlich durchgezogen (sie weiß, was sie tut, und hat sich vorher schlau gemacht - das ist meine Frau, und deshalb gebe ich sie freiwillig auch garantiert nicht mehr her :) )

    Arzt geht leider erst wieder ab kommender Woche. Aber sie steckt es erstaunlich gut weg, ohne sichtbare Symptome. Ich bin zuhause, habe immer ein Auge darauf, und würde ggf. umgehend den Notarzt rufen, wenn irgend etwas wäre. Heute sind wir bei Tag fünf, soweit ich weiß, sollte damit die Gefahr weitgehend gebannt sein...

    LG
    P.

    Hallo Gerlcha,

    hm... aus welchem Grund hast Du Dich damals von der Familie getrennt? War da bereits so viel kaputt gegangen, dass es keine Chance mehr gab, die Scherben wieder zusammenzufügen, oder war es eher das Bedürfnis, nochmal von vorn anzufangen; vielleicht in der Art, das Setting loszulassen, in dem Du in die Abhängigkeit geraten bist?
    Ich habe diesen Punkt noch überhaupt nicht bedacht, sondern in erster Linie meine Optionen. Entsprechend könnte es auch so ähnlich kommen, dass meine Frau einen Schlussstrich zieht, um neu anzufangen. Mir wäre das trotzdem noch lieber, als wenn sie bei mir/bei uns kaputt ginge. Auch wenn ich nicht hoffe, dass das passieren wird (für mich wäre das eine Katastrophe, aber die dennoch die kleinere von beiden).

    Wie ist das mit der körperlichen Abhängigkeit genau? Du sagst, wenn die "noch keine Rolle spielt". Kann man das irgendwie konkret festmachen? Symptome wie Schweißausbrüche, Zittern etc., davon habe ich gelesen, die zeigt sie nicht. Die Mengen, die sie konsumiert hat, waren aber durchaus deftig, ich habe das mal überschlagen, und komme auf 1-2‰ allabendlich, meist ohne dass man ihr viel angemerkt hat. Nur wenn es ganz krass war, dann habe ich die verwaschene Sprache bemerkt, auch die Alkoholfahne. So blöd das auch klingen mag: letztere konnte ich lange nicht wirklich zuordnen, ich trinke selbst nur selten Alkohol, ich mag den Geschmack, aber nicht die Wirkung. Wie eine Bierfahne riecht, wusste ich. Aber eine Zeit saß ich dem Trugschluss auf, dass sie womöglich unter einem Stoffwechselerkrankung leidet. Die Luft im Schlafzimmer war ein Graus. Es roch süßlich, vergoren - ganz anders als Bier (davon wusste ich, und dachte, es sei "nur" Bier). Andere Symptome (Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen) hätten auch dazu gepasst, Wein und anderes hatte ich eigentlich ausgeschlossen, denn Leergut gab es scheinbar nicht - das war gut versteckt. In den Taschen, die ich weggebracht hatte, waren nur leere Wasser-, Limo- und Bierflaschen.
    Sie hat mich in auch in dem Glauben mit der Stoffwechselerkrankung gelassen, indem sie kein Wort über den Wein verloren hat - aber den trank sie täglich, und viel davon. Und sie hielt ausreichend Abstand von mir, damit ich nichts mitbekommen sollte. Wie das bei mir ankam, kann man sich wohl vorstellen. Ich hatte das auch immer wieder angesprochen, und sie wusste, wie ich das interpretierte, hat mir aber trotzdem nicht gesagt, was tatsächlich los ist.
    Zum Glück ist das jetzt geklärt. Auf der anderen Seite frage ich mich: wie schwer muss eine Sucht wiegen, dass man so etwas billigend in Kauf nimmt?

    Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob man von so einer Art "Schweregrad" sprechen kann, und ob sich das auf die Chancen auswirkt, davon weg zu kommen. Wie siehst Du das?

    Was die Ursachen angeht: ja, da müssen wir nochmal ran. Ich was bisher auf die Belastung fixiert, aber das muss ja nicht alles sein. Vielleicht bin ich da auch gar nicht der Richtige, um das herauszufinden, sondern ein Psychologe, oder auch ein anderer, Außenstehender. Ich glaube zwar nicht, dass ich eine Ursache bin, ich wüsste zumindest nicht, auf welche Weise - aber es muss ja nichts sein, was mir bewusst war. Oder es ist nichts davon. Dann muss erst recht geklärt werden, was schief gelaufen ist.
    In der Kindheit meiner Frau gab es, nach dem was ich weiß, kein bestimmtes Ereignis, das ihr besonders zugesetzt hätte. Sie war eine Außenseiterin, und es gibt ehemalige Mitschülerinnen, auf die sie noch heute noch nicht gut zu sprechen ist. Mobbing war da ein Thema, und die Art, wie im Elternhaus mit Problemen umgegangen wurde - nämlich: nicht, nur irgendwie übertünchen, bevor das noch jemand mitbekommt, was sollen denn die Leute sagen (allerdings war damals so eine Haltung zumindest in unserer Gegend allgemein verbreitet) - war sicher auch nicht der Weisheit letzter Schluss.
    Von daher ist der Weg zum Psychologen/anderem Fachmann unbedingt erforderlich. Ich weiß, dass man da den für sich passenden finden muss; ich habe selbst zwei Versuche unternommen, als es mir schlecht ging, ein mal komplett daneben gegriffen, mit dem zweiten ging es besser, aber auch der konnte mir nicht helfen.

    Deine Antwort hat mir sogar sehr geholfen, Gerlcha, vielen Dank dafür!

    LG
    P.

    Hallo Susanne,

    Drohungen mit Konsequenzen habe ich mir lange verkniffen. In der Vergangenheit habe ich so etwas angedeutet, aber erst mit dem Absturz neulich sehr klar auf den Tisch gebracht. Ich bin Realist, und weiß, dass es keinen Sinn hat, so weiter zu machen. Das hat meine Frau sicherlich verletzt, aber es wäre die einzig mögliche Konsequenz, die ich auch ergreifen müsste und ggf. ergreifen werde, auch wenn ich das nicht möchte. Ich hoffe, keinen Fehler gemacht zu haben, und glaube, dass das notwendig war. Die letzten Monate gab es immer eine unausgesprochene Spannung zwischen uns, die ist jetzt weg, und der Kreis von Heimlichkeit, schlechtem Gewissen, Wut auf sich selbst und die Welt und Misstrauen ist aufgebrochen. Sie hat mir das so beschrieben. Das würde ich auch gern so beibehalten.

    Sie ist jetzt an dem Punkt, an dem sie die Schnauze vom Alkohol voll hat. Er hat ja nichts besser gemacht, sondern viele neue Probleme verursacht (und wieder verbuche ich gerade 24h mehr ohne Alkohol, und ich bin stolz auf sie). Sie steckt das wirklich gut weg, ganz einfach ist es sicher trotzdem nicht.
    Und abstinent bleiben ist eine Herausforderung, weil nicht mit einer einzelnen Handlung, sondern mit einer dauerhaften Nicht-Handlung verbunden.
    Wir sind beide Raucher, und hatten vor vielen Jahren gemeinsam damit aufgehört. Nach 1-2 Wochen schlechter Laune war das Thema vermeintlich erledigt. Jahre später saßen wir im Urlaub gemeinsam am Strand, und haben "nur" die eine Schachtel geraucht, weil das gerade so schön war. Naja, rate mal...
    Obwohl Nikotin noch nicht mal eine Wirkung hat, die Ärger auch nur im Ansatz betäuben würde.

    Klar kommen sollte inzwischen wesentlich einfacher geworden sein als noch vor ein paar Jahren. Der Jüngere hat praktisch keine relevanten Problem (kann sich ggf. ändern, je nach zukünftigen Lehrkräften, bisher hatten wir großes Glück), der Ältere ist stabil und macht sich gut (mal sehen, was die Pubertät für Blüten treibt, bisher alles im grünen Bereich). Mit dem Freiraum wird es dennoch schwierig, denn das Hamsterrad ist damit natürlich nicht weg, es dreht sich nur wesentlich erträglicher. Die Kinder brauchen weiterhin Begleitung, und unsere Erwerbsarbeit ist auch noch da, die meine Frau zwar selbstbestimmt einteilen kann, aber die trotzdem anfällt. Und ihre Arbeit ist ihr wichtig, da rede ihr auf keines Falls rein. Eine Rollenverteilung im klassischen Sinne gibt es bei uns so nicht. Es hat schon jeder seine Bereiche, aber weit weg von einem "klassischen" Frau-am-Herd/Mann-als-Ernährer Modell. Für Hausarbeit bin ich mir nicht zu schade, und mit einer Bohrmaschine kann meine Frau ebenfalls umgehen, ohne ohnmächtig zu werden ;)

    Bis auf die Sache mit den Schwiegereltern... die sitzt mir im Nacken. Du hast schon recht, eine gesetzliche Verpflichtung existiert nicht, eine moralische aber durchaus. Wir haben auch kein "schlechtes" Verhältnis, ich unterstelle auch kein wirkliches Desinteresse. Die sind eben so, und waren schon immer so konfliktscheu. Woran das liegt, kann ich mir denken, deren Kindheit muss sehr traumatisierend gewesen sein. Es ist irgendwie nicht fair, jemanden dafür fallen zu lassen oder gar zu bestrafen, weil er etwas nicht bietet, ggf. aus irgendwelchen Gründen nicht zu bieten in der Lage ist, das ich mir dringend wünschen würde. Dennoch sehe ich, was da auf uns zurollt, und mache mir Sorgen um meine Frau. Die restliche Verwandtschaft - die ist mir ziemlich egal (die kleinen Stiche, die man abbekommt, treffen dennoch, trotz inzwischen relativ dickem Fell; es tut nicht wirklich weh, aber es wäre gelogen, wenn ich mich nicht trotzdem ärgern würde).

    Ich verstehe auch gut die Schwierigkeit zwischen gut meinen und gut machen. Und ich bin der Typ, der eine fixe Idee hat, und dann muss ich ran, ich renne dann regelrecht - meine Strategie, um die Dinge erledigt zu bekommen. Das wird sogar ganz bestimmt früher oder später ein Thema werden. Wie macht man's richtig? Ich denke, der erste Anlauf hat genau mit der Beratung hat aus genau diesem Grund nicht funktioniert, es war nicht ihre Entscheidung, sondern meine Initiative.
    Das wird noch eine Herausforderung, danke für diesen Hinweis. Und ich kann jeden Hinweis brauchen! Ich brauche diese Reflexion, denn mich selbst kenne ich ja, und weiß relativ gut, wie ich reagieren würde. Aber das muss nicht für meine Frau gelten. Und in so einer Lage waren wir noch nie zuvor.

    LG
    P.

    Hallo ihr Lieben,

    ich bin echt überwältigt von der Resonanz, und versuche, der Reihe nach zu antworten.

    Liebe Betty,

    den Themen meiner Kinder möchte ich hier keinen zu großen Raum geben, denn ADS uns Asperger sind hier einfach fachfremd.

    So kurz wie möglich (und dennoch länglich): ich verstehe sehr gut, warum Außenstehende diese beiden Krankheiten kaum oder gar nicht verstehen können. Ich habe selbst etwa zwei Jahre gebraucht, Erfahrungen mit anderen Eltern ausgetauscht, mit Ärzten und Psychologen gesprochen, Literatur (und darunter findet sich so mancher hanebüchener, populärwissenschaftlicher Schund, mit dem man am besten den Kaminofen anheizt) und bergeweise Fachliteratur gewälzt, bis ich verstanden habe, wie diese Syndrome funktionieren, so weit das möglich ist. In den Geist rein sehen, kann man je letztendlich nicht - es existieren nur Modelle, die sich daran messen lassen müssen, wie gut sie die Wirklichkeit abbilden, anhand ihrer Unzulänglichkeiten; letztendlich basiert jegliche Wissenschaft auf diesem Prinzip. Und die heute existierenden Modelle beschreiben in diesem Fall die Wirklichkeit sogar außerordentlich gut. Sie sind lediglich ohne fachlichen Hintergrund nicht ganz einfach zu verstehen.

    Ich könnte hier ganze Seiten nur mit dem Thema füllen, das möchte ich Euch ersparen. "Nur" so viel:

    Das, was man als ADHS vom Hörensagen kennt (herumwütende Kinder, die sich aufführen wie der Rotz am Stecken), hat wenig bis nichts mit der Realität zu tun. Hyperaktivität ist das, was ggf. am störendsten ins Auge fällt - aber die ist lediglich ein Symptom, das auftreten kann, aber nicht muss, und dabei eher eines der harmlosesten darstellt. Bereits da ist man sicher geneigt zu sagen: was für ein hanebüchener Unsinn. Ist aber so, und mit entsprechendem Wissen einfach nachvollziehbar. Auch ein Asperger-Syndrom, das zum Autismus-Spektrum zählt darf man nicht mit Rainman verwechseln (toller Film - hat aber mit Asperger nicht das geringste zu tun, und zeigt auch nicht den "typischen" Autisten, denn den gibt es so nicht).

    Die Verhaltensanomalien meiner Kindern sind relativ subtiler Natur (und sie unterscheiden sich in jedem Einzelfall, was das Verständnis dafür nicht leichter macht). Würdest Du sie einen Besuch lang vor Dir haben, würdest Du wahrscheinlich sagen: bei denen passt doch alles, sie sind höflich, pfiffig, kreativ, drücken sich sprachlich recht gewählt aus, manchmal regelrecht erwachsen anmutend - was möchte man da denn bitte pathologisieren? Die öffentliche Meinung über die "Pharma-Mafia" tut ihr übriges - genau das war über lange Zeit auch mein Standpunkt, und ich habe mich schlicht und ergreifend geweigert, meinen Standpunkt auch nur ansatzweise in Frage zu stellen.

    Bis ich endlich angefangen habe, mich damit zu beschäftigen, hatte unser Ältester größte Probleme, die bereits im Kindergarten anfingen (abweichendes Spielverhalten), und bereits in der Grundschuleschule in eine Depression mündeten. Viele seltsame Phänomene, z.B. neue, aufgenommene Informationen, die erst mal "weg" waren, und erst Tage später ins Bewusstsein durchgesickert sind. Bei hohem IQ. Manchmal konnte er nicht sagen, was am Vortag passiert war - die Erinnerung kam dann erst Tage verzögert. Das ist längst nicht alles, aber anhand dessen, wie wir für gewöhnlich uns selbst und andere Menschen wahrnehmen völlig unerklärbar. Und so verfällt man auf die noch plausibelsten Erklärungen: das Kind macht das absichtlich, wurde schlecht erzogen, etc. Ich kann mich noch gut an ein Gespräch mit einer Lehrkraft in der 1. Klasse erinnern: "er wirkt abwesend, schaut dauernd in der Gegend herum, sein Tisch ist ein einziges Chaos, bei jedem kleinen Geräusch von draußen schaut er aus dem Fenster heraus. Und wenn ich ihn dann aufrufe, und etwas zum Unterricht frage, dann weiß er die Antwort!". Die Lehrkraft konnte das einfach nicht mit ihrem Weltbild vereinbaren. Sie hat regelrecht geschäumt vor Verunsicherung, und ihn bald darauf einzeln ganz nach hinten an die Wand gesetzt, damit sie ihn "nicht mehr sehen muss" (so hat sie uns das direkt ins Gesicht gesagt). Man glaubt nicht, wie sehr es Menschen irritiert, wenn jemand vom Standard abweicht. Für die Mitschüler war das eine Feuer frei-Signal. Sie haben auf ihm herumgehackt, und die Schule hat nichts getan, schließlich war er ja selbst schuld (so die Schule).
    Gegen das Umfeld, dem das Kind täglich ausgesetzt ist, kann man nichts tun, wenn das Umfeld nicht dazu bereit ist. Das ist sehr bitter. Tagtäglich ein Eimer Dreck, der über einem ausgeschüttet wird, während du zusehen musst, wie es deinem Kind immer schlechter geht. Irgendwann traust du dich nicht mehr unter die Leute, weil du die Blicke auf Dir fühlst, die dir die Schuld zuschreiben - natürlich ohne mal mit dir darüber zu reden.

    Man kann den zugrunde liegenden Mechanismus vielleicht (vereinfacht) so zusammen: die eingehenden Informationen werden nicht wie bei neurotypischen Menschen automatisch bewertet und vorsortiert, das alles muss das Bewusstsein übernehmen - daher z.B. der Blick aus dem Fenster beim kleinsten Geräusch, den ein Normalo gar nicht wahrnehmen/automatisch ausfiltern würde. Der Betroffene versinkt im Chaos all dieser Eindrücke, die auf ihn ungedämpft einprasseln. Bis zu einem gewissen Punkt kann der Verstand das kompensieren, früher oder später - die Schule und auch das ganz normale Leben verlangt immer mehr - kommt es dann ggf. zu einer Dekompensation. Der Betroffene kann einfach nicht mehr, er bekommt Druck und Spott von seinem Umfeld. Seine Möglichkeiten sind Flucht ohne echte Rückzugsmöglichkeit (-> Depression) oder Angriff (das sind die Kinder, die dann scheinbar grundlos herumwüten).

    Asperger hat damit ca. 70% Symptomüberdeckung. Es kommen lediglich ein paar Dinge hinzu - bei meinem anderen Kind z.B. die Eigenart, Metaphern wörtlich zu nehmen. Die Metapher "Geld zum Fenster herauswerfen" wird beispielsweise nicht intuitiv interpretiert, sondern führt zur Frage, weshalb man denn Geld (wörtlich) beim Fenster herauswerfen sollte. Solche Dinge müssen hier - soweit möglich - aktiv über den Verstand erlernt werden. Die Gutenachtgeschichte ist bei unserem Aspi immer eine Mixtur zwischen vorlesen und erklären, und das funktioniert inzwischen sehr gut. Er ist inzwischen in der Lage, das so erlernte auch sicher anzuwenden. Ohne Medikation war irgendwann nicht mal vorlesen möglich. Gleichzeitig bekommst du reingedrückt, du würdest dich offensichtlich nicht um dein Kind kümmern - während du alle Energie genau dort reinsteckst, nur eben vergebens. Das ist wahnsinnig anstrengend.
    Ich für meinen Teil habe Schwierigkeiten, Gesichter zu erkennen. Wenn ich jemanden längere Zeit nicht sehe, erkenne ich ihn nicht, und ich kann nichts dagegen tun. Ich habe gelernt, wie ich das kompensiere und überspiele, damit ich nicht als unhöflich wahrgenommen werde. Dafür stehen mir andere Möglichkeiten offen, die vielen Menschen verschlossen bleiben, die mir sehr abstraktes und kreatives Denken ermöglichen. Ein Deal, den ich zwar nicht selbst getätigt habe, aber mit dem ich sehr gut leben kann, gerade in meinem Job, in dem ich all das einsetzen kann und darin aufgehe.

    Einige Fachleute vermuten, dass AD(H)S/Asperger/Autismus enge Verwandte, oder gar identisch sind. Wer sich für das Thema interessiert, den möchte ich auf die Artikel unter http://www.helga-simchen.info verweisen (ich hoffe, es ist OK, wenn ich hier einen Link setze, meines Wissens wird dort nichts beworben oder verkauft), die mein Einstieg in das Thema waren. Die Medikation ist hier eine große Hilfe, keine Lösung - sie ermöglicht dem Betroffenen, Strategien fürs Leben zu entwickeln, an dem er sonst zerbricht. Und nicht die einzige, wie das gerne in der Öffentlichkeit vermutet wird. Auch geht man nicht zum Arzt, und der verschriebt dann einfach bunte Pillen. Eine seriöse Diagnostik zieht sich über Wochen und Monate.

    Das ganze ist auch nichts neues, was heute vermehrt auftritt. Als Analogie: auch früher sind Menschen an Krebs erkrankt, man wusste lediglich nicht, was Krebs ist. Als die Medizin so weit war, stiegen die Krebsdiagnosen, nicht aber die Krebserkrankungen. Geändert hat sich vielleicht: früher ließ man Kindern eher noch durchgehen, dass sie etwas "anders" sind. Heute legen wir zwar großen Wert auf SchülerInnen und Schüler zur Wahrung der PC - die Akzeptanz für Abweichungen ist in meinen Augen aber eher gesunken. In meiner Laufbahn hatte ich "nur" zwei Jahre lang einen Lehrer, der mich gequält hat. Fast täglich während dieser Zeit Strafarbeiten und Bloßstellungen vor der Klasse. Ich hatte das Glück, ein sehr guter Schüler gewesen zu sein, sonst wäre ich wahrscheinlich irgendwann "aussortiert" worden. Früher wurden Betroffene in die Schublade "dumm" gesteckt, ggf. durch körperliche Gewalt konditioniert, damit war die Sache erledigt. Besser war das aber auf keinen Fall!

    Wir haben alles mögliche ausprobiert, angefangen von der Ernährung, über Vitaminpräparate, Omega-3 Fettsäuren, Thyroxin, Globuli, und Heilsteine wollte man uns auch noch aufdrängen. Geholfen hat nichts davon, nicht mal ansatzweise. Könnte ich heute die Zeit zurückdrehen, würde ich wesentlich früher wirksame Medikamente einsetzen. Das stellt definitiv ein massiver Eingriff in den Hirnstoffwechsel das - aber die Folgen, wenn man das nicht tut, sind wesentlich verheerender. Eine kaputte Kindheit kann man nicht nachholen, und auch nie wieder rückgängig machen.

    Uff, und jetzt habe ich wieder mal einen Roman produziert. Dabei möchte ich es an dieser Stelle aber auch belassen. Wer Fragen, vielleicht eigene Kinder mit entsprechendem Verdacht hat - bitte jederzeit per privater Nachricht, ich helfe gerne wo ich nur kann.

    Für mein aktuelles Thema Alkoholismus soll einfach stehen bleiben: wir waren über Jahre einer massiven Belastung ausgesetzt. Diese Belastung ist inzwischen nur noch relativ gering (der Therapie sei dank), aber wir haben Narben davongetragen, einige davon sind recht tief. Ich glaube, dass das meine Frau in ihre Misere getrieben hat, ob als Hauptursache oder eine Ursache unter mehreren. Darüber muss ich nochmal nachdenken.

    ---

    Ja, die Schwiegereltern... vielleicht habe ich mich mit dem Alter etwas missverständlich ausgedrückt. Natürlich wäre es schön, wenn die nie auf Hilfe angewiesen wären. Aber ich kann ja nichts an deren Gesundheitszustand, schon gar nichts an deren Vergangenheit ändern. Es ist kein bestimmtes Alter; doch wenn man sich aber nur noch mit Gehhilfe bewegen kann - und so ist der Ist-Stand heute - dann fällt die Hausarbeit schwer. Es wird der Tag kommen, an dem wir einspringen müssen, da beißt die Maus leider keinen Faden ab. Beide sind nicht gesund. Das ist in unserem Fall eher eine Frage von Monaten als von Jahren, und es wird an meiner Frau hängen bleiben, sie ist die einzige in Reichweite.

    Was Du bzgl. Deinem Vater schreibst: so ähnlich ist meiner auch ;D. Dinge, die man nicht mit dem Willen erledigen kann, gibt es nicht - und wenn man dazu mit dem Kopf durch die Wand muss, und in seinem Leben war das zweifelsfrei ein Erfolgsrezept. Er hatte große Probleme, die Sache mit den Kindern zu verstehen, und kann bis heute eine gewisse Skepsis nicht verbergen, obwohl er die Erfolge sieht. Er weiß vom Problem meiner Frau, es ist nicht so, dass ich nicht mit ihm reden könnte, ihm verdanke ich, dass ich heute der bin, der ich bin, er hat mich immer aufgefangen. Selten ohne heftiges Donnerwetter, das ist seine Natur - aber er hat mich aufgefangen. Ich weiß, dass ich "zuhause" einen sicheren Hafen finde, wenn alle Stricke reißen. Aber auf dem Weg aus der Misere kommen nur Ratschläge wie "das muss man doch kapieren, dass Alkohol nichts hilft!". Das hilft leider niemandem weiter, und ich kann ihn ja nicht irgendwie "umkrempeln", so dass er ein Verständnis entwickelt.

    Die Schwiegereltern spüren sogar ganz sicher, dass etwas nicht stimmt. Aber sie vermeiden unangenehme Themen, selbst wenn man selbst die Initiative ergreift. Sie schweigen so etwas tot, und speilen lieber den Clown: alles lustig, trallala. Sehr frustrierend... Die restliche noch lebende Verwandtschaft kann man hier komplett in der Pfeife rauchen; die ist gut dazu, wenn man möchte, dass sich Geschnatter möglichst schnell und weit verbreitet. Gute Freunde können wir an den Fingern abzählen, und auch da gibt es Grenzen, wie weit man jemandem seine ganz privaten Sorgen anvertraut, bzw. der andere bereit ist, sich das anzuhören. Im Laufe der letzten Jahre haben wir diverse Schönwetterfreunde eingebüßt, was ernüchternd, aber an sich kein relevanter Schaden war. Ich hätte so gerne jemandem, dem ich einfach alles erzählen könnte, am liebsten die Eltern. Aber: ist halt nicht.

    Bitte mach Dir keine Sorgen, dass Du mich irgendwie verletzen könntest - ich schätze Offenheit, und die manchmal "schnoddrige", aber ehrliche Art des Nordens (wenn ich nichts durcheinanderbringe, kommst Du ja aus der Himmelsrichtung?) ;)

    LG
    P.

    Hallo ichso,

    auch Dir vielen Dank für den herzlichen Empfang!

    In unserer Verwandschaft gibt bzw. gab es in beiden Linien Menschen, die es nicht geschafft haben.
    13 Jahre aus der Sucht heraus - Respekt. Ihr beide macht mir Hoffnung, dass das nicht so laufen muss!

    Du sagst, Du hast Dich von Teilen Deiner Familie zurückgezogen. Wussten/wissen die, was damals bei Dir los war? Wie wurde damit umgegangen?

    In unseren Familien über den Alkohol zu reden ist bzw. wird schwierig.
    Meinen Eltern erschließt sich das Konzept nicht, dass der Verstand nicht das einzige ist, was einen Menschen ausmacht. Sie neigen dazu, jemandem ins Gewissen reden zu wollen (selbst bei den Kindern, die ja hoffentlich irgendwann mal "vernünftig" werden wollen. Am Verstand scheitert es aber nicht, beide sind sogar ziemlich schlau - sie sind nur etwas anders "verdrahtet"). Das hilft bestenfalls nicht weiter, macht es höchstens schlimmer, auch wenn sie es nicht böse meinen.
    Die Schwiegereltern sind grundlegend konfliktscheu, man redet nicht über Unangenehmes, da wird sofort auf ein beliebiges, belangloses Allerweltsthema gewechselt. Als wir denen damals versucht haben, die Situation unserer Kinder zu erklären, gab es nur betretene Gesichter, und bis heute keinerlei Rückfrage mehr dazu; das wurde einfach unter den Teppich gekehrt. Immer noch besser als Vorwürfe - aber letztendlich fühlen wir uns so allein gelassen. Hilfe ist nicht zu erwarten, nicht mal in der Form, dass man darüber reden könnte. Ob das anders wäre, wenn sich meine Frau ihnen anvertraut?
    Das hat bereits zu einer Distanzierung geführt. Für mich wirkt es wie eine Ohrfeige, wenn ich über etwas ernstes, sehr persönliches sprechen möchte, und das Gegenüber antwortet mit einer Story über das schöne Wetter.

    Das ist eine meiner Fragen: wie gehe ich mit der Verwandtschaft um? "Nicht" ist keine Option: die Schwiegereltern kommen in ein Alter, in dem sie vor allem die Hilfe meiner Frau benötigen werden. Das sind nochmal ein paar Zentner Last auf ihre Schultern, bei mehr als genügend eigenen Baustellen... Das macht mir Kopfzerbrechen. Und von anderer Seite kommen bereits Vorwürfe, weil wir uns so selten sehen lassen.

    LG
    P.

    Liebe Betty,

    danke für Deinen netten Empfang, und sehr cool, dass Du nun seit fast fünf Jahren "trocken" bist 44.

    Mein Wissen und meine Erfahrungen in diesem Bereich beruhen auf dem, was ich mir aufgrund unserer Kinder aneignen musste, die von ADS (eine Variante von ADHS, aber ohne das 'H' - den Zappelphilipp) bzw. Asperger betroffen sind. Beides ist nicht alkoholinduziert - der Alkohol kam später, sicher begünstigt durch die Hölle, durch die wir damit gehen mussten - das war wirklich hart. Im Zuge dessen habe ich viel darüber gelernt, wie die Psyche "funktioniert". Natürlich mit Schwerpunkt auf dem, was meine Kinder betrifft, und sicher nicht in der Tiefe eines darauf spezialisierten Mediziners oder Psychologen. Aber für einen Amateur möchte ich behaupten: ganz ordentlich. Auch über mich habe ich vieles gelernt - ADS/Asperger ist erblich (und ich bin vermutlich ebenfalls betroffen).

    Mit diesen Erkrankungen - falls man das darunter kategorisieren möchte - stößt man ebenfalls häufig auf Unverständnis (von: erfundene Krankheit bis: Erziehungsfehler, mit Ratschlägen wie: die Kinder mal ordentlich durchprügeln).
    Unsere Kinder werden seit einigen Jahren therapiert. Sie sind und werden damit nicht "geheilt", aber zum Glück auf dem besten Weg in ein ganz normales Leben. Doch bis wir damals verstanden hatten, was überhaupt Sache ist, in der Lage waren, das auch zu akzeptieren, und dann endlich Hilfe in Anspruch nehmen konnten, ging einiges Wasser den Bach hinunter, und unser Nervenkostüm hat dabei stark gelitten. Bei mir führte das in eine Depression, die ich ohne Hilfe durchstehen musste (Wartezeit auf eine Vater/Kind Reha lag bei > 1 Jahr, meine Frau mit den Kindern allein lassen konnte und wollte ich nicht), bei meiner Frau in den Alkohol.

    Von daher haben wir keine Berührungsängste mit Psychologen, Psychiatern und entsprechenden Einrichtungen. Zum Glück leben wir in einer Zeit, in der es all das gibt! Einen Versuch hatte ich vor ein paar Monaten bereits angeleiert, aber damals wollte sich meine Frau das Problem noch nicht eingestehen, und sich eigenständig ihren Weg aus der Misere suchen. Das hat nicht funktioniert. Die Folge waren Beschwichtigungen, heimliches trinken, und Vorwürfe an mich, um das zu kaschieren. Das hat mir sehr weh getan. Vor wenigen Wochen bin ich dann auf diverse Alkoholverstecke gestoßen; vor einigen Tagen hat sie bemerkt, dass ich das bemerkt habe, entsprechend schief hing der Haussegen, zwischen Peinlichkeit und Wut. An diesem Tag hat sie so viel getrunken, dass sie auch Nachmittags darauf noch nicht fahrtüchtig war. Das wäre allein noch nicht das Problem - aber sie trinkt abends täglich, schätzungsweise 1 Flasche Wein zzgl. diverser Flaschen Bier, ohne dass man ihr dabei oberflächlich viel anmerkt. Tatsächlich funktioniert im Detail aber vieles bei ihr einfach nicht mehr, angefangen vom Erinnerungsvermögen.

    Womit wir zum Glück nichts am Hut haben, ist häusliche Gewalt oder auch "nur" wüste Beschimpfungen. Dennoch ging schon des Öfteren im Streit die Sachlichkeit verloren, bei ihr - im Nachhinein erklärbar - um vom Problem abzulenken, und ich bin laut geworden, weil der Frust einfach überhand nimmt. Das ist eigentlich überhaupt nicht unsere Art, und soll es auch nicht werden.

    Meine Frau war von dem Pegel am nächsten Tag schockiert. Sie hat Stand heute seit vier Tagen keinerlei Alkohol mehr konsumiert, sucht bereits Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe, und hat auch schon bei ihrem Hausarzt angerufen (über die Feiertage nicht erreichbar - war fast klar, aber immerhin). Die Sache angehen und durchziehen kann letztendlich nur sie allein, und sie ist jetzt bereit dazu. Aber der Wille allein ist eben trügerisch, und der Alkoholismus damit noch lange nicht besiegt. Meine Aufgabe sehe ich darin, sie zu unterstützen, wo immer ich nur kann. Ich möchte meine Frau zurück. Und eine intakte Familie - das schulde ich den Kindern.

    LG
    P.