Vater vor die Wahl stellen?!

  • Hallo ich habe ein wirklich blödes Problem, was mir immer mehr zu schaffen macht und suche deshalb hier einen Rat.

    Ich bin 31 Jahre alt und mein Vater trinkt eigentlich seitdem ich denken kann. Im meinen Kindesalter hatte er zwischenzeitlich mal eine Entziehungskur hinter sich und war gut 2 Jahre trocken. Irgendwann begann das Spiel aber wieder mit einem Gläschen Bier, dann 2 und irgendwann hatte er seine tägliche Dosis. Ich muss dazu sagen, dass mein Vater mir gegenüber nie tätlich wurde oder so. Er ist ein guter Vater aber mit seiner Sucht ist es schwierig mit ihm umzugehen. Man merkt ihm eigentlich nicht an, dass er betrunken ist, aber er hat dennoch an vielen Tagen bis zu 3 Liter Bier intus. Mal auch 4 Liter. Seine Sucht teilt sich auf in 95% Bier und 5% Schnaps.

    Er geht seiner täglichen Arbeit nach wie vor nach. Sein soziales Leben leidet ebenfalls nicht darunter.

    Das eigentliche Problem ist aber folgendes.

    Seit gut 5 Jahren streitet mein Vater sich mit meiner Mutter die merklich daran zerbricht. Oft gab es schon diverse Eskalationen aber er trinkt und trinkt und trinkt. Dennoch nimmt es meine Mutter hin, da sie sich nicht trennen will.

    Zu allem Überfluss scheint sein Körper nun an seine Grenzen gekommen zu sein.

    In den letzten 24 Monaten, 2 Krankenhausaufenthalte wegen Bauchspeicheldrüse, hohe Entzündungswerte und beginnende Leberzirrhose.

    2x hatte er uns versprochen, dass es nun der letzte Schuss vor dem Bug war aber letztendlich hat sich natürlich nichts.

    Mein Bruder (25 jahre) ist schon merklich kühler zu ihm geworden und ich spiele derzeit mit dem Gedanken meinen Vater vor die Wahl zu stellen:

    Flasche - oder ich (wir).

    Deshalb meine Frage - ist dies ein richtiger Schritt?

    Ich möchte nun nicht mehr zusehen wie sich mein Vater noch die letzte Gesundheit wegtrinkt und meine Mutter leidet ebenfalls darunter.
    Es ist schlimm zu sehen, wie er seine tägliche Dosis braucht. (am wochenende schon morgens).

    Er ist trotzdem hilfsbereit und immer für uns da - das will ich ausdrücklich sagen. Aber wenn man ihm mal abends braucht, wird er zum Stinkstiefel oder kann zb natürlich auch nicht mehr Auto fahren.
    tagsüber fährt er eigentlich seit Jahren schon mal mit 1 oder 2 Bier intus. Wahrscheinlich ist dies seinem Training geschuldet, dass er dennoch unter 0,3 promille hat.

    Bitte gebt mir Tipps, wie ich damit umgehen soll - es sollte sich definitiv jetzt was ändern (er ist übrigens 55). Noch ist ja nichts verloren aber wenn er so weiter macht, landet er in wenigen Wochen wieder im Krankenhaus.

  • Hallo ezm1986,

    erst mal herzlich Willkommen hier im Forum. Ganz kurz zu mir: Ich bin Alkoholiker, habe viele Jahre getrunken und bin jetzt seit fast 2 Jahre trocken.

    Ich würde Dir erst mal vorschlagen, Dich hier in Ruhe einzulesen, vor allem eben hier im Angehörigen-Bereich (falls Du das nicht schon getan hast). Du wirst hier auf viele ähnliche Geschichten treffen, wobei es nicht immer trinkende Eltern sondern z. B. auch trinkende Kinder oder Partner sein können. Das "Grundproblem" oder die Grundfrage ist aber meist immer die selbe: Was kann ich tun? Ist es richtig was ich tue? Wie kann ich helfen? Wie komme ich aus diesem Teufelskreis heraus?

    Also ganz normale Fragen, denn schließlich will man Menschen die man liebt oder die einem sehr nahe stehen nicht einfach hängen lassen.

    Ohne pauschalisieren zu wollen wirst Du aber bei fast allen immer die gleichen Antworten erhalten, nämlich: Du kannst einem Alkoholiker, der nicht von selbst zum Trinken aufhören WILL, nicht helfen. Und ich kann das von meiner Seite (als Alkoholiker) genau so bestätigen. Deshalb musst du auf Dich selbst schauen.

    Einfach gesagt, aber nicht einfach umgesetzt, das ist klar. Deshalb denke ich, dass es gut wäre, wenn Du oder vielleicht Ihr (Dein Bruder, Deine Mama) zusammen mal zu einer Beratung geht. Das gibt es auch für Angehörige. Oder auch eine SHG für Angehörige. Dort könnt Ihr in Ruhe über Eure Sitaution sprechen und vielleicht auch Handlungsweisen ableiten.

    Wie reagiert denn Dein Vater, wenn Du/Ihr in auf sein Trinken ansprecht? Ist er einsichtig? Würde er gerne was ändern? Hat er schon mal versucht eine Therapie zu machen oder sogar gemacht?

    Ich wünsche Dir einen guten Austausch hier.

    LG
    gerchla

  • Hallo und HERZLICH WILLKOMMEN hier Im Forum!

    Flasche - oder ich (wir).
    Deshalb meine Frage - ist dies ein richtiger Schritt?

    Ohne pauschalisieren zu wollen wirst Du aber bei fast allen immer die gleichen Antworten erhalten, nämlich: Du kannst einem Alkoholiker, der nicht von selbst zum Trinken aufhören WILL, nicht helfen. Und ich kann das von meiner Seite (als Alkoholiker) genau so bestätigen. Deshalb musst du auf Dich selbst schauen.

    Als ebenfalls Angehöriger der Alkoholiker-Fraktion kann ich Gerchla nur bestätigen, dass er zumindest mir die Antwort vorweggenommen hat.
    Du kannst Deinem Vater nicht gegen seinen Willen helfen. Du kannst nur Dich selbst schützen.
    Das Einzige ist: Biete ihm Hilfe an für den Zeitpunkt, dass er Hilfe will.

    Und auch Deine Mutter ist - so traurig das auch ist - für sich selbst verantwortlich. Und wenn sie ihn nicht verlassen will ...

    Guck doch auch mal hier rein ...

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Um ein paar Fragen zu beantworten - Nein, ich denke nicht, dass er von selbst aufhören will.

    Mein Vater reagiert indem er das immer herunterspielt, wenn man ihn zb fragt warum er Samstag morgens um 10uhr schon ein Bier tirnkt, sagt er nur: "Das ist doch nur ein kleines Bier".

    Zwecks Therapie - wie bereits erwähnt, hat er vor 15 Jahren mal eine Therapie gemacht, abgeschlossen und war für ca. 2 Jahre trocken und dann ging es wieder los.

    Meine Hauptfrage bezieht sich darauf - WEIL ICH IHM NICHT ZUSEHEN WILL, WIE ER SICH INS GRAB TRINKT! -

    Ist dieser Schritt deshalb zu hart oder sogar gänzlich falsch ihn vor die Wahl - Flasche oder ich zu stellen? Vermutlich wird er sich ja für die Flasche entscheiden.
    Ich muss auch sagen, niemand hätte was dagegen, wenn er mal abends ein Bier trinkt und am nächsten Tag keines oder von mir aus auch mal auf einer Feier einen Rausch hat - mein gott, das haben wir alle mal, aber wir sind nicht abhängig - ich brauch dann halt 4 Wochen gar nichts.

    Aber bei ihm zieht scheinbar nur die harte Gangart - Ganz oder gar nicht, ein Mittelding gibt es bei ihm nicht, weil es dann nach wenigen Tagen sowieso wieder in Sucht ausartet.

    Bitte helft mir nochmal mit Anregungen, danke!

  • Ist dieser Schritt deshalb zu hart oder sogar gänzlich falsch ihn vor die Wahl - Flasche oder ich zu stellen? Vermutlich wird er sich ja für die Flasche entscheiden.

    NEIN, dieser Schritt ist nicht zu hart - er ist die EINZIGE Möglichkeit.
    Und JA - Du musst darauf gefasst sein, dass er die von Dir vermutete Wahl/Entscheidung trifft.

    Aber bei ihm zieht scheinbar nur die harte Gangart - Ganz oder gar nicht, ein Mittelding gibt es bei ihm nicht, weil es dann nach wenigen Tagen sowieso wieder in Sucht ausartet.

    Es ist nunmal ein Symptom dieser Sucht. Und auch wenn es schwer fällt: das musst Du akzeptieren! Nur so hast Du die Möglichkeit, selber nicht daran kaputt zu gehen und ihm, wenn er denn doch (irgendwann) Hilfe annehmen will, ihm diese zu gewähren.

    Du kannst nichts für ihn tun, solange er keine Hilfe annehmen will. Außer ihn vor die Wahl zu stellen - und die Konsequenz einer Entscheidung für den Alkohol auch konsequent durchzuziehen!

    Ich wüsste keine anderen "Anregungen" ...
    Sei mir nicht böse - aber auch wenn ich schon seit über 7 Jahren trocken bin, weiss ich doch noch, wovon ich rede.

    Gruß
    Greenfox

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  • OK, auch wenn der Schritt nicht zu hart ist, will ich dennoch nochmal sagen, dass er natürlich uns gegenüber nicht böse oder ähnliches ist. Ich will ihn einfach wirklich nur vor die Wahl stellen, weil ich wie gesagt nicht zusehen will. So gesehen hat er mir ja nichts getan - deshalb die Frage ob ich nicht zu hart zu ihm bin, denn er tut ja trotzdem alles für uns Kinder.

    Wie stell ich ihn denn eigentlich genau vor die Wahl, wenn es nicht zu hart ist? Welche Formulierungen sollte ich am besten wählen um ihm am besten zu zeigen, er hat nun die Wahl zu entscheiden aber ich bin dennoch für ihn da - wenn er Hilfe will und braucht.

    Übrigens natürlich danke für die Unterstützung!

  • Sorry, aber - willst Du es Dir aufschreiben/ausdrucken und dann mit dem Zettel in der Hand vorlesen?

    Ich glaube, dass musst Du schon alleine formulieren. Denn wir kennen Deinen Vater nicht, wissen nicht, in welchjem Zustand er ist, wenn Du es ihm sagen willst, wie Deine rethorischen Fähigkeiten sind (Sorry!) ...

    Nur Mut, Du kriegst das schon selber so formuliert, dass er es genau so versteht:

    er hat nun die Wahl zu entscheiden aber ich bin dennoch für ihn da - wenn er Hilfe will und braucht.

    Gruß
    Greenfox

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  • Ich denke auch, dass dieser Schritt nicht zu hart ist. Da Du mit reden, flehen oder drohen nichts ändern kannst bleibt nichts anderes als auf Dich selbst zu schauen. Dich zu schützen um nicht selbst in diesen (psychischen) Strudel hinein gezogen zu werden (du steckst ja schon ein ganzen Stück drin).

    Ich finde es sehr gut ihm zu signalisieren, dass Du da bist, wenn er wirklich bereit ist etwas zu tun. Das er dann auch auf Deine Hilfe zählen kann. Wenn er wirklich einmal von sich aus zur Erkenntnis kommt, dass er sein Leben ändern will, dann kann bzw. wird Deine Hilfe oder generell auch Hilfe von außen sehr viel bringen.

    Manchmal, man liest es immer wieder mal, kann ein einschneidendes Erlebnis schon dazu führen, dass es beim Trinker "klick" macht (bei mir war es so). Das könnte z. B. auch sein, dass sich jemand von einem trennt. Oft passiert dieses "Klick"-Erlebnis aber auch gar nicht oder erst zu einem völlig anderen Zeitpunkt oder aus einem anderen Grund. Manchmal müssen viele, für Außenstehende unfassbare, Ereignisse eintreten, bevor ein Alkoholiker versucht trocken zu werden. Manche versuchen es aber auch nie.... manche scheitern beim Versuch. ABER, wie Du hier ja auch siehst, es gibt auch welche, die es schaffen!

    Es ist wirklich sehr komplex. Deshalb kann ich aus meiner Sicht nur sagen, dass betroffene Angehörige auf sich selbst schauen sollten. Niemand nicht verantwortlich für das Saufen des Partners/Vaters/etc. Als Angehöriger hat man in aller Regel auch keine Handhabe irgendwas dagegen zu tun.

    VG
    gerchla

  • Ja, das ganze ist schwierig, und es gibt kein Patentrezept, dass es bei jmd. einmal "Klick" macht.
    Ich glaube, die meisten wissens eh und haben unscharfe Gedanken, dass es so nicht ewig weitergehen
    kann oder nicht so weitertun will. Aber um dann einen konkreten Entschluss zu fassen... wie
    soll man sagen, zwischen nicht konkretem Wunsch und dem Entschluss, etwas umsetzen zu wollen,
    da ist halt eine Kluft, die man oft schwer überwindet oder überwinden kann.

    Meistens muss, denke ich, etwas sehr unerfreuliches passieren oder einem schlecht gehen.
    Oder ein gutes Gespräch mit jmd. der die Vorteile von alkoholfrei hervorhebt und dies auch lebt....

  • Wo das enden kann, wenn nichts passiert, ging in den letzten Tagen durch den Blätterwald: Ehemann und Tochter einer Trinkerin standen vor Gericht, weil sie die Kranke auf deren Wunsch solange in Ruhe ließen, bis sie tot war - sie wollte keinen Arzt und nicht ins Krankenhaus - und die Familie war nach Jahrzehnten der Sauferei so abgestumpft, dass sie sich nichts dabei dachten, die Mutter weiter zu ignoerieren...

    Deine Mutter wäre die erste, die endlich mal was machen müsste - nicht nur immer wieder drohen und flehen und nie etwas tun, das ändert nichts daran, dass sie jede Nacht neben einem nach Bier stinkenden, mittlerweile impotenten und immer kränker werdenden Mann verbringen muss.

    DU kannst und musst nur dich selber schützen...

    LG

    Praxx

  • Wo das enden kann, wenn nichts passiert, ging in den letzten Tagen durch den Blätterwald

    Davon habe ich noch nichts gelesen (hast Du vielleicht mal nen Link?). Aber mich würde ganz stark interessieren, was da bei rumkommt! Denn: was hätten sie denn tun sollen? Wenn der-/diejenige partout nicht will, bringt doch auch eine Einweisung nach PsychKG nicht wirklich etwas.

    ... die Familie war nach Jahrzehnten der Sauferei so abgestumpft ...

    Ob man das "abgestumpft" nennen kann? Ob ich denjenigen nun verlasse, um mich selbst zu schützen oder ignoriere - das Eine ist körperliches Verlassen, das Andere psychisches Verlassen. Und beides ist doch für die betroffenen Angehörigen schon traurig genug ...

    Sucht ist schon etwas Schreckliches - für alle Beteiligten ;(

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    können wir nur selber tun!

  • Möchte mich für die Antworten bedanken. Werde es demnächst dann bei meinen Vater ansprechen und ihn vor diese Wahl stellen. Mal sehen wie er reagiert.......

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