Heute möchte ich mal ein Thema in eigener Sache anschneiden: Krankenhausvorstellungen
Ich habe ja schon ein paar Mal erwähnt, dass ich regelmäßig in Krankenhäuser gehe - eigentlich, um meine Selbsthilfegruppe, meinen Verein vorzustellen.
Und das tue ich hauptsächlich in dem Krankenhaus, wo ich selbst 3 Mal zur Entgiftung war. Nun habe ich in dieser Zeit ja auch diverse Vorstellungen "mitgemacht" - von Top bis Flop.
Unabhängig davon, dass ich "zwar" den Verein/die Gruppe vorstelle, aber hauptsächlich Selbsthilfegruppen im Allgemeinen vorstelle (Was ist das überhaupt? Was passiert da? Was wird da mit einem gemacht? etc.) und auch gute Resonanzen erhalte, möchte ich doch hier mal die Frage in den Raum werfen:
Was erwartet Ihr eigentlich von so einer Vorstellung einer Selbsthilfegruppe? Bzw. würdet Ihr erwarten, wenn ihr bei einer Entgiftung sein würdet/müsstet?
Ich erhoffe mir für mich ein paar Anregungen. Und vielleicht "outet" sich ja noch jemand
Und um Euch vielleicht ein paar "Gedanken-Brocken", etwas zum Einhaken zu geben, möchte ich hier auch mal etwas einfügen, was ich eigentlich für unser Vereins-Magazin geschrieben habe:
ZitatAlles anzeigenLangzeittherapie, insgesamt 4 Entgiftungen – warum tue ich es mir dann eigentlich an, zweimal im Monat ins Krankenhaus XY zu gehen und dort den Menschen den Verein vorzustellen?
Man könnte meinen, um dem Verein, mit dessen Hilfe ich trocken geworden und mein Leben zurückgewonnen habe, etwas zurückzugeben und neue Mitstreiter/Mitglieder zu gewinnen.
Um ehrlich zu sein, ist mein Beweggrund ein ganz anderer, wesentlich egoistischer:
Ich tue es einzig und allein für mich! Um mich zu erinnern, „wo ich herkomme, wo ich mal war“. Und dort, im Krankenhaus, sehe ich immer wieder Menschen, denen es so dreckig geht, dass es mich schüttelt (Sorry!) und ich mir denke: „Hast Du ein Glück gehabt, dass es Dich nicht sooo erwischt hat!“. Aber auch: „Da will ich auf gar keinen Fall (wieder) hin!“
Für mich bedeutet so eine Krankenhausvorstellung Erinnerung und Aufarbeitung. Es ist für mich so eine Art Selbsthilfe – ich erinnere mich, wie es mir ging, was ich durchgemacht habe und, was ich inzwischen erreicht habe. Und natürlich, dass es (für mich) die Gruppe war, die mir entscheidend beim Ausstieg geholfen hat.Ich gehe seit nunmehr ca. 4 Jahren nicht ins Krankenhaus, weil ich dafür bezahlt werde oder „Fangprämien“ für neue Gruppenteilnehmer erhalte. Mein Anliegen ist es, denjenigen, die etwas für sich tun und weg vom Alkohol (oder Tabletten etc.) wollen, zumindest EINEN Weg, eine Möglichkeit und ein wichtiges Hilfsmittel dazu aufzuzeigen. Manch einer/eine ist zum ersten Mal in einer Entgiftung und hat überhaupt keinen Plan, wie es weitergehen soll, welche Hilfsmöglichkeiten es gibt, um den Ausstieg aus der Alkoholsucht anzugehen und zu schaffen. Andere wiederum haben schon mehrfache ernsthafte Anläufe/Versuche unternommen, sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Und hier möchte ich mit meinem „Vortrag“ und meinen persönlichen Erfahrungen ansetzen.
Ich sage aber auch stets sehr deutlich, dass sich meine Worte nicht an diejenigen, die stolz darauf sind, dass sie zum 30., 40. oder 100. Mal hier sind und die gar kein Interesse daran haben, mit dem Trinken aufzuhören, richten.Dass der Absprung nicht leicht ist und man ziemlich schnell rückfällig werden kann, weiß ich. Schließlich habe ich mich selbst 3 Mal auf der Station des Krankenhauses XY zur Entgiftung befunden. Und obwohl ich es hätte besser wissen müssen (hatte davor schon eine Langzeittherapie), habe ich anschließend nichts weiter für mich getan, weil ich der Meinung war, ich würde es Kraft meiner Wassersuppe auch alleine schaffen. Und das ging gründlich in die Hose!
Nach meiner 4. Entgiftung habe ich mir dann Hilfe gesucht - und in einer Selbsthilfegruppe gefunden. Und deswegen bin ich immer wieder in „meinem“ Krankenhaus XY, um die Gruppe, diesen Verein vorzustellen.
Indem ich im Krankenhaus den Verein vorstelle, möchte ich den Menschen dort aber auch die Angst vor Selbsthilfegruppen im Allgemeinen nehmen. Ich erzähle ihnen, was dort überhaupt abgeht. Das dort Menschen sind, die ihre Sorgen/Probleme/Nöte kennen – und meist selbst in dieser oder ähnlicher Form durch- und erlebt haben.
Ich erzähle von meinen eigenen persönlichen Erfahrungen, dass es schon sehr „beruhigend“ ist, dass ich mit meinen Problemen, trocken zu werden bzw. zu bleiben, nicht alleine bin. In der Gruppe wissen die Menschen, von welchen Problemen ich rede. Denn über viele Sachen kann ich nicht mit anderen Leuten, die kein Suchtproblem haben, reden. Auch nicht mit meiner Frau oder meinen Verwandten. Denn die wissen und verstehen nicht, was ich meine, wenn ich z.Bsp. von „innerlicher Unruhe“, „Händeflattern“, „Trockenkotzen“ oder „Saufdruck“ rede. „Trink weniger! Hör doch einfach auf, zu trinken!“ Wenn das so einfach wäre – dann gäbe es keine Alkoholiker!
In dem Buch „ALK: Fast ein medizinisches Sachbuch“ von Simon Borowiak wird das Problem sehr schön beschrieben: [quote]„Die meisten Menschen wissen zwar, was Schmerzen sind; fast jeder hatte schon mal welche, und deswegen grimassieren wir solidarisch, wenn einer lang hinschlägt oder mit seinem künstlichen Darmausgang gegen den Türpfosten knallt. Entzugserscheinungen kennen aber nur Profis, daher wird kaum jemand solidarisch mit Ihnen grimassieren, wenn Sie einen entzugsbedingten Körperkasper kriegen, sich winden und/oder schlotternd übergeben. Entzug ist ein einsames Geschäft.“[quote]Das ist zwar richtig – aber auch nur bedingt: In den Selbsthilfegruppen ist man nicht einsam.
Der Ehrlichkeit halber muss ich aber auch gestehen, dass ich den Menschen auch sage, dass sie nach Möglichkeit mehrere Gruppen ausprobieren und vergleichen sollten. Es ist nun mal wichtig, dass man sich wohl fühlt, aufgehoben.
Unsere Gruppe hat des Öfteren auch Zulauf von Menschen, die sich auf Grund meiner Vorstellung doch dazu überwinden, sich so eine Gruppe mal anzuschauen - schließlich haben sie ja schon eine "Nase" kennengelernt. Einige bleiben bei uns, andere gehen dann doch zu einer anderen Gruppe und andere … naja, das ist die Entscheidung eines jeden Einzelnen.Und egal, ob die Besucher bleiben oder nicht – ich habe etwas für mich getan. Wenn es auch Anderen hilft – dann ist das eine schöne Zugabe!
Zum Schluss noch eine Anekdote:
„Ein Sprecher startete sein Seminar, indem er einen 50,-€-Schein hochhielt. In dem Raum saßen insgesamt 200 Leute.
Er fragte: "Wer möchte diesen Schein haben?"
Alle Hände gingen hoch.
Er sagte: "Ich werde diesen 50,-€-Schein einem von euch geben, aber zuerst lasst mich eins tun."
Er zerknitterte den Schein. Dann sagte er: "Möchte ihn immer noch einer haben?" Die Hände waren noch immer alle oben.
Also erwiderte er: " Was ist, wenn ich das tue?"
Er warf ihn auf den Boden und rieb den Schein mit den Schuhen am Boden: er war zerknittert und völlig dreckig.
"Nun, wer möchte ihn jetzt noch haben?"
Es waren immer noch alle Arme in der Luft.
Dann sagte er: "Liebe Freunde, wir haben soeben eine sehr wertvolle Lektion gelernt. Was auch immer mit dem Geld geschah, ihr wolltet es haben, weil es nie an seinem Wert verloren hat. Es war noch immer und stets 50 Euro wert.Es passiert oft in unserem Leben, dass wir abgestoßen, zu Boden geworfen, zerknittert und in den Dreck geschmissen werden. Das sind Tatsachen aus dem alltäglichen Leben. Dann fühlen wir uns, als ob wir wertlos wären. Aber egal, was passiert ist oder was passieren wird:
DU wirst niemals an Wert verlieren. Schmutzig oder sauber, zerknittert oder fein gebügelt, DU bist immer noch unbezahlbar für all jene, die Dich über alles lieben. Der Wert unseres Lebens wird nicht durch das bewertet, was wir tun oder wen wir kennen, sondern dadurch, WER DU BIST.
DU bist etwas Besonderes – vergiss es NIEMALS!“ (Verfasser unbekannt)
Das müssen wir uns nicht nur selbst klar machen – das müssen wir auch den Menschen im Krankenhaus rüberbringen.
So, nun bin ich auf Eure Vorschläge/Meinungen gespannt