gab es immer einen grund?

  • mich interessiert, ob es für euch immer einen grund gab um mit dem trinken anzufangen?oder passierte es aus heiterem himmel, schleichend?
    ich hab schon ziemlich früh angefangen,am wochenende zu trinken.in meiner jugendzeit war ich jedes wochenende betrunken. :-[dann folgten lange zeit chemische substanzen, bis ich schwanger wurde und mit allem von heut auf morgen aufhörte.als mein letztes kind 2 wurde, ging die ehe auseinander und da fing es bei mir wieder an.schleichend,aber regelmäßig...allerdings mit dem alkohol und nie wieder mit anderen dingen.ich frage mich,ob ich vielleicht ein suchtgen besitze,welches eben bei anderen menschen nicht da ist? ::)momentan habe ich nur den druck mit der selbstständigkeit.aber das sollte doch nicht als "grund"dafür ausreichen?
    WARUM mache ich es dann? ich habe immer das gefühl, daß mir etwas fehlt..mit dem rauchen kämpfe ich seit jahren,dann der alk,damals chemische substanzen..alles, was über den mund aufgenommen wird..wenn ich nichts von alledem haben kann(ach ja..essen auch .), dann "fehlt"mir scheinbar etwas.
    wenn ich auf etwas verzichten muss,sinkt meine laune in den keller und alles ist doof :P

    liebe grüße
    Sari

  • Liebe Sari
    Ja, das ist das berühmte Loch, das du da beschreibst. Jeder kennt es, und keiner weiß so recht wie es auf Dauer zu stopfen ist.
    Natürlich gibt es ein Patentrezept: fülle dein Leben aus, dann ist da auch kein Loch. Haha. Klingt geil.
    Das Leben besteht aber leider aus ganz vielen Bereichen, und da ist enorm viel Platz für Löcher. Bei mir jedenfalls. Ist da kein berufliches Loch, dann ein emotionales, ein finanzielles, ein geistiges, ein esoterisches, ein Loch im Herzen und drei in der Seele und fünf im Hirn.
    Seit 9 Monaten rauche und trinke ich nicht. Und nun ertappe ich mich dabei, dass ich mich frage, was das soll. Na ja, das "Loch" fragt.
    Ich hab mir ja beste Mühe gegeben. Und theoretisch ist alles klar. Ich wurde nicht gestillt:) Oraler Defizit. Na toll.
    Aber praktisch ist da ein Loch.
    Vielleicht muss ich dieses Loch annehmen, endlich, oder wie oder was. Keine Ahnung.
    Ja, aber saufen geht nicht, rauchen auch nicht, weil dann geht es mir sooo schlecht.
    Und nun?
    Drüber lachen - vielleicht funzt das:)

  • Hallo liebe Sari,

    ennasu hat das schön geschildert... finde ich...

    Jedenfalls gab es bei mir so viele "Gründe" zu trinken wie Sterne am Himmel. Auch ich konsumierte zwischendurch das chemische Zeugs, aber inhallierte auch Natur pur. Wollte Bewusstseinserweiterung. Und irgendwie erhoffte ich mir das vom Alk auch ein bisschen. Fühlte mich wie so eine verkappte Künstlerseele und da gehört das wohl dazu - zur Inspiration... :-\ Ich trank gegen meine Ängste, gegen meine Begierden, gegen meine Verzweiflung, gegen mich selbst.

    Mit 14 lag ich auch schon das erste Mal sturzbesoffen auf der Straße mit Blackout usw.... Ich freute mich auf jedes Wochenende. Die Gier nach Leben, der Hunger nach Leben, der Durst nach Leben - das wollte ich stillen. Sex, Musik, Party, Ekstase, Rausch - ich glaube um seiner selbst willen. No Future. Nur heute. Wild leben... Das volle Programm.

    Doch dann verkehrte sich alles ins Gegenteil. Der Kick blieb aus. Ich überschritt Grenzen, laberte Scheiße und tat Dinge, zu denen ich nicht mehr stehen konnte. Ich stürzte durch die Gegend, verloren im Universum. Die Flasche war mir wichtiger als alles andere. Ich wartete nur noch auf das Alleinsein, auf Gelegenheiten zu saufen. Da merkte ich, dass ich unfrei bin. Ich wollte meine Freiheit zurück. Anfangs war es nur ein leiser Wunsch, etwas Zaghaftes.... Ich hatte Angst, ohne Bier zu leben. Es war unvorstellbar für mich. Es gab da eine ganz große Diskrepanz plötzlich. Ich rebellierte für Freiheit und war selbst eine Gefangene. Ich propagierte Aufrichtigkeit und wurde zur größten Lügnerin. Denn wie soll man zu anderen nur ehrlich sein, wenn man sich selbst ständig belügt? Ich wollte Selbstverwirklichung, aber alles lief auf Selbstzerstörung hinaus. Ich wollte Bewusstseinserweiterung, doch irgendwann war mein Blickfeld eingeschränkt... Alle anderen haben Scheuklappen auf, nur ich nicht... Ich nicht? Doch! Allerdings...

    Na ja. Jedenfalls merkte ich irgendwann, dass ich auch nüchtern auf Tischen tanzen kann und Lachkrämpfe bekomme. Das geht. Es funktioniert. Ohne, dass es gespielt ist. Und das ist gut. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin sogar mutiger wie früher. Aber zuerst musste ich durch dunkle Täler von Panikattacken und psychischen Entzugserscheinungen... Das klingt jetzt alles super, aber ich balanciere noch immer... und ich wackle... aber ich habe einen Fallschirm...

    Oh jeh, jetzt habe ich aber viel getextet... ;)

    Ich freue mich, bald wieder von Dir zu lesen. Hier - oder woanders... :)

    Lieber Gruß
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • guten morgen :)
    das was ihr geschrieben habt, ist mir sehr nah gegangen. eben weil es genau das ausdrückt, was ich erlebt habe..es hätte von mir sein können...ich bin froh, daß ich verstanden werde.eben weil es auch anderen so ergeht wie mir und ich nicht mit den gedanken und gefühlen allein bin.
    ihr beide habt das sehr schön in worte gefasst!!es ist schon kurios, wie ich mir teilweise einbilde das es mir mit alkohol am abend besser geht..auch ich kann ohne alkohol lachen,feiern,blödsinn labern .sogar viel besser, als mit alkohol.trotzdem denke ich immer, daß ich die löcher damit stopfen müsste.
    ich fühle mich manchmal total leer und eigentlich ist das ein zustand, den die buddisten erreichen wollen.(ich bin kein buddist;-))denn leere kann man füllen mit schönen dingen.leere ist ja irgendwie auch ein anfang.nur das umzusetzen fällt mir schwer.
    dann ist da immer die genußsucht,die gier nach spannung und erfülltheit. ein "normaler"abend ist ja auch "langweilig"...momentan allerdings geniesse ich die "langweiligen" abende.und vor allen dingen das gute gefühl, wenn ich morgens wach werde und alles noch weiss ohne alkgeschmack im mund.der preis für die spannenden abende ist hoch..
    ich bin von den drogen weggekommen und von meinen esstörungen auch..wenn jetzt noch der alk dazukommt...was bleibt mir noch?ich habe schon versucht,umzusteigen auf naturprodukte ;)allerdings einmal und nicht nochmal.dann lieber ohne alles..hihi.
    manchmal fühle ich mich wie ein kleines kind im erwachsenen körper. ::)
    @ennasu: 9 monate ist doch schonmal ne hausnummer!! ich wurde auch nicht gestillt...ich denke auch, daß ein teil auch davon rühren kann..
    Pinguin : du schreibst, daß du einen fallschirm hast..wie sieht der aus?

    herzliche grüße

    Sari

  • Guten Morgen liebe Sari, :)

    mir ging das genau so wie Dir und mir geht es heute noch so.... wenn ich dann lese, wie es anderen geht oder wenn ich in den Selbsthilfegruppen höre, was andere so mitmachen - ihre ganzen Drogengeschichten, ihre Sehnsüchte, ihre Bedürfnisse, vor allem aber deren SENSIBILITÄT.... dann berührt mich das ganz arg... ich fühle mich dann nicht mehr so alleine, nicht mehr wie von einem fremden Stern... im realen Leben, unter Menschen, die Sucht nicht kennen, kann man das einfach nicht so gut kommunzieren... WIR sind die Experten... wir, die wir mit Suchtproblemen zu kämpfen haben... das sagen sogar Suchttherapeuten und Psychologen heutzutage....

    Von Menschen, die kein Suchtproblem haben und die nie eines hatten können wir vielleicht Akzeptanz erfahren oder Verständnis, wenn wir Glück haben, aber keine echte Empathie... Vielleicht ist das auch mein Fallschirm.... es hat mir ungemein geholfen, zu sehen, dass ich nicht alleine bin. Und ich fühle mich sicher und geborgen in einer Gemeinschaft, in der Menschen sind, die unter die Oberfläche schauen und nicht alles als gegeben hinnehmen. Menschen, die auf der Suche sind, Menschen die zweifeln, Menschen, die das Herz am rechten Fleck haben... hätte ich mich nicht geoutet, dann wäre ich sicherlich schon am Boden (zerstört)...

    Ich bin gerade durch die Wohnung marschiert und habe meine meditierenden Buddhas gezählt. Es sind zehn an der Zahl. Aber ich glaube, die Leere, die Du meinst ist eine andere Leere als die, welche der Buddhist anstrebt. Ich habe fürchterliche Angst vor dem NICHTS, von daher strebe ich das Nirwana auch nicht an. :) :D Allerdings kenne ich aus der Meditation Zustände des Nicht-Begehrens und kann diese als befreiend erleben. Ich kann mir nicht anmaßen, den Buddhismus zu durchschauen, aber ich glaube, dass mit dem erleuchteten Zustand ein Geistesfrieden gemeint ist. Man kann es als westlicher Mensch sicher besser verstehen, wenn man HABEN und SEIN gegenüberstellt. Wir Menschen sind gerne darauf fixiert, was wir haben und was wir (noch) nicht haben. Nicht nur in materieller Hinsicht, sondern auch in Bezug auf z.B. Charakterstärken oder Freunde. Dies verursacht im buddhistischen Verständnis Leid. Erst im SEIN erfahren wir Glück bzw. inneren Frieden. Jegliche Fixierung verursacht Leid, sagt der Buddhist. Und irgendwie kann ich damit etwas anfangen.

    Aber auch ich möchte leben, begehren und Ziele anstreben. Von daher wird aus mir nie ein ordentlicher Buddha. Lach! :D In Momenten der Meditation oder der wahren Aufmerksamkeit ist der Frieden des Geistes jedoch ein Segen, ein Glück...

    Die Gier nach Spannung.... mmmh.... das hast Du super ausgedrückt!.... ich bin überzeugt davon, dass es Alternativen gibt, die wirklich glücklich machen... ich habe es in einem anderen Thread schon geschrieben: jeder Mensch hat ein Recht auf Rausch. Und fast jeder Mensch hat ein starkes Bedürfnis danach. Der eine mehr, der andere weniger.... Ich weiß für meinen Teil, dass ich darauf nicht verzichten kann und auch nicht verzichten will.... es werden sich Wege finden, diesen "Kick" zu haben, ohne legale oder illegale Substanzen konsumieren zu müssen. Wenn ich diesen Glauben nicht hätte, dann wäre ich sicherlich heute besoffen... :(

    Jedenfalls kann ich Deine Abneigung gegen das Normale total verstehen ("langweilige Abende").... :) Aber so was von!! Genau darum ging es bei mir ja gestern. Da dachte ich, jetzt baue ich einen Rückfall... Hatte das ja dann zum Glück mit Bewegung kompensieren können.

    Und Sari, Du wirst es nicht glauben... Dieser Satz "manchmal fühle ich mich wie ein kleines Kind im erwachsenen Körper...", der könnte von mir sein. Echt jetzt. Ich bin kein Christ, aber hat nicht Jesus gesagt: "Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen." Von daher kannst Du das ja auch als eine Art Tugend sehen. Sicherlich ist es schön, reif und vernünftig zu sein......

    Sorry, aber ich muss leider schon wieder zitieren (ich kann es nicht lassen.... aaaaaaargh! ;D):

    "Ich wollte nie erwachsen sein,
    hab immer mich zur Wehr gesetzt.
    Von außen wurd' ich hart wie Stein,
    und doch hat man mich oft verletzt.

    Irgendwo tief in mir
    bin ich ein Kind geblieben.
    Erst dann, wenn ich`s nicht mehr spüren kann,
    weiß ich, es ist für mich zu spät,
    zu spät, zu spät."

    Aus Peter Maffay's Tabaluga oder die Reise zur Vernunft

    Herallerliebste Grüße liebe Sari
    von Pinguin
    :)

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Gründe zum Saufen gabs bei mir immer.
    Ich ersetze jetzt den Rausch durch Erfolgserlebnisse.
    Das können auch kleine Dinge im Leben sein.
    Die chemischen Vorgänge im Gehirn sind die gleichen, nur deutlich gesünder.
    Schönen Feiertag
    Gerd

  • Auszug aus dem Kleinen Prinzen:
    Den nächsten Planeten bewohnte ein Säufer. Dieser Besuch war sehr kurz, aber er tauchte den kleinen Prinzen in tiefe Schwermut. – 'Was machst du da?' fragte er den Säufer, den er stumm vor einer Reihe voller Flaschen sitzen sah. – 'Ich trinke', antwortete er mit düsterer Miene. – 'Warum trinkst du?' fragte ihn der kleine Prinz. – 'Um zu vergessen', antwortete der Säufer. 'Um was zu vergessen?' erkundigte sich der kleine Prinz, der ihn schon bedauerte. – 'Um zu vergessen, daß ich mich schäme', gestand der Säufer und senkte den Kopf. – 'Weshalb schämst du dich?' fragte der kleine Prinz, der den Wunsch hatte, ihm zu helfen. – 'Weil ich saufe', endete der Säufer und verschloß sich endgültig in sein Schweigen
    Antoine de Saint-Exupéry

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