Physische oder psychische Sucht?

  • Ähnlich wie der Begriff des kontrollierten Trinkens uneinheitlich verwendet wird, scheint auch die Frage, wie eigentlich die psychische und die körperliche Abhängigkeit in Bezug auf die Schwere der Suchterkrankung einzuschätzen ist, von uns Foristen uneinheitlich oder unklar beantwortet zu werden.
    Das kann eine Verständigung erschweren.

    Ich habe es immer so verstanden, dass die körperliche Abhängigkeit nach dem Entzug überwunden ist. Was übrig bleibt, ist die psychische Abhängigkeit. Und die macht uns Aussteigern mehr oder weniger lange und mehr oder weniger schwer zu schaffen. (Stichwort Suchtgedächtnis)

    Bei anderen Foristen lese ich heraus, dass sie die körperliche Abhängigkeit als die schlimmere bzw. schlimmste Ausprägung der Sucht betrachten.

    Aber gegen körperliche Symptome wie z.B. Krämpfe kann man, wie allgemein bekannt ist, medikamentös vorgehen. Und nach einer gewissen Zeit klingen die körperlichen Entzugssymptome ab. Also ist doch die körperliche Abhängigkeit letztendlich der am leichtesten und schnellsten zu überwindende Teil der Sucht.
    Oder sehe ich das falsch?

    Katro

  • Hallo Katro,

    auch wenn Folgeerscheinungen einer körperlichen Sucht ( Korsacow etc. ) natürlich ganz schlimm sind, und vor allem
    auch nicht heilbar, so denke ich auch das die psychische Abhängigkeit schwieriger zu bekämpfen ist. Wenn wir jetzt mal
    nicht an die schlimmen Folgeerscheinungen denken, so ist die körperliche Abängigkeit ja nach 3 Wochen erledigt. ( Entgiftung)
    Aber dann geht es doch erst richtig los. Ich bin seit meinem 14 Lebensjahr Essgestört ...und ich kämpfe im Grunde seit
    30 Jahren mit meiner Psyche. Ich habe Gott sei dank keine körperlichen Schäden erlitten ....und mittlerweile bin ich Normalgewichtig.
    Ich persönlich würde sagen, ich bin Fett ...denn ...meine Psyche ist immer noch nicht Gesund. Und ich glaube, das kann man
    bei allen Süchten so sehen. Die Psyche ist einfach viel schwerer zu heilen. Ich bin also ganz bei dir !!!
    Gruß Mogli

  • Hallo Katro und Alle,

    Dass die körperliche Abhängigkeit als so ´stark´ angesehen wird liegt meiner Meinung nach mit daran, dass sie sich zumeist in weiter fortgeschrittenen Stadien der Sucht immer stärker entwickelt, also in den meisten Fällen eine Steigerung zusätzlich zur psychischen Abhängigkeit darstellt. So wird sie wohl mit den Bildern sehr starker und ausgeprägter Sucht verbunden. Dass die körperliche Abhängigkeit, wenn nötig mit medizinischer Unterstützung, meist schneller zu überwinden ist als das Lösen der psychischen Abhängigkeitsfaktoren sehe ich genau so.

    Den Begriff ´Suchtgedächtnis´ halte ich für etwas irreführend weil er annehmen lässt dass es sich bei ´Gedächtnis´ um etwas rein gedankliches und psychisches handelt. Das stimmt zum Teil ja auch weil schon gewisse Gedanken oder Bilder bestimmte Reaktionen im Belohnungszentrum des Gehirns hervorrufen können. Aber dass es ein rein psychischer Prozess ist stimmt so wie ich es bisher verstehe eben auch nicht ganz.
    Alkoholmissbrauch verändert Strukturen und den Chemikalienhaushalt des Hirns. Nachhaltig werden z.B. Hormonausschüttungen (Dopamin, Endorphine,...) umprogrammiert und eben der Alkohol koppelt sich da fortschreitend mit ein. Diese biologischen Prozesse, also körperlichen Änderungen, bleiben auch nach dem Entzug noch erhalten und regenerieren wenn dann nur sehr langsam. Sie können also auch nachdem der eigentliche körperliche Entzug bereits stattgefunden hat mit der Einnahme von Alkohol sofort wieder aktiviert werden. Diese Abläufe sehe ich als eindeutig körperlich an. Sie finden aber sowohl bei körperlicher als auch bei psychischer Abhängigkeit statt.

    Die Ausprägung des Suchtgedächtnisses läuft laut Hirnforschung hauptsächlich im Hirnstamm ab. Dass diese Ausprägung tatsächlich irreversibel ist wurde bisher jedoch weder eindeutig bewiesen noch widerlegt.

    Ich persönlich denke dass es mit der Dauer und Intensität der Sucht zusammenhängt wie stark sich das `Suchtgedächtnis´ ausprägt. Zudem haben bestimmt auch die jeweils körpereigene Konstitution und Lebensweise (Ernährung, Belohnungsdenken, …) Auswirkung auf Ausprägung aber auch auf evtl. Regenerierung der entsprechenden Hirnregionen.

    Grüße an Alle,
    LIS

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (4. Juli 2014 um 08:01)

  • Hallo LIS,


    Dass die körperliche Abhängigkeit als so ´stark´ angesehen wird liegt meiner Meinung nach mit daran, dass sie sich zumeist in weiter fortgeschrittenen Stadien der Sucht immer stärker entwickelt, also in den meisten Fällen eine Steigerung zusätzlich zur psychischen Abhängigkeit darstellt. So wird sie wohl mit den Bildern sehr starker und ausgeprägter Sucht verbunden. Dass die körperliche Abhängigkeit, wenn nötig mit medizinischer Unterstützung, meist schneller zu überwinden ist als das Lösen der psychischen Abhängigkeitsfaktoren sehe ich genau so.

    wobei sich -so wie bei mir- eine körperliche Abhängigkeit auch ganz ohne psychische Abhängigkeit entwickeln kann. Und ich kann deine These, dass die psychische Abhängigkeit das eigentliche Problem ist, dadurch bestätigen, dass ich, abgesehen von einer Woche mit Entzugserscheinungen, nie Probleme damit hatte, keinen Alkohol mehr zu trinken.

    LG
    Walker

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