Ausrutscher bei der Alkoholkrankheit

  • ANMERKUNG ADMIN: Ich habe dieses Thema aus dem Thread "Hoffnung" heraus getrennt da es nach meinem Empfinden für sich steht. Es kommt vor dass man in einem Thema auch mal ausschweift und das ist auch gar nicht schlimm. Das Teilen des Themas hat sich aber hier doch angeboten.
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    Guten Morgen Hopfen,
    guten Morgen Forum,


    Trotzdem habe ich immer wieder Ausrutscher..ich glaube das ist das typische einer Sucht!?

    es wird behauptet, dass Rückfälle/ Ausrutscher bei der Alkoholkrankheit zum Heilungsprozess gehören, also typisch beim Ausstieg aus der Sucht sind.

    Ich sehe das anders.

    Mein „Anderssehen“ fängt damit an, dass ich den Alkoholismus nicht als echte Krankheit betrachten kann. Er resultiert m.E. in erster Linie aus einer Einstellung heraus, die das Leben nicht „pur“ erfahren will. Gutes muss verstärkt, Schlechtes gedämpft werden. Aus dieser Einstellung heraus wird eine Entscheidung pro Suchtmittel getroffen. Deshalb muss der Alkoholiker seine Einstellung ändern, um seinen Alkoholismus abzulegen. Wenn ihm das gelingt, kann ihm der Alkohol nichts mehr anhaben.
    Aber das ist meine private Meinung, die ausschließlich auf meiner persönlichen Erfahrung basiert. Die Mehrheit bejaht den Krankheitsbegriff und die Unheilbarkeit des Alkoholismus.

    Darüber hinaus stehe ich Rückfällen sehr ambivalent gegenüber. Sie passieren nicht einfach, sondern man lässt sie zu bzw. man führt sie sogar aktiv herbei. Wenn man die Gründe/ Auslöser für einen solchen Rückfall analysiert und so aus dem Rückfall lernt, kann dieser eine positive Wirkung haben. Ein Rückfall ist m.E. aber gleichzeitig auch immer etwas, das den geradlinigen Weg aus der Sucht ver- oder zumindest behindert. Und er wirft unweigerlich zurück. Zumindest vermittelt er das Gefühl, nicht zu den Siegertypen zu gehören.

    Ich finde deshalb, dass man Rückfälle nicht auf die leichte Schulter nehmen und alles daran setzen sollte, sie zu vermeiden. Wem das nicht gelingt, sollte zumindest nicht einfach darüber hinweggehen, sondern aus ihnen so viel wie möglich lernen, damit er im Vorfeld eines neuen Rückfalls anders handeln kann.

    Viele Grüße
    Katro

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (16. Juni 2014 um 23:26)

  • Guten Morgen!

    Mit den Rückfällen sehe ich es ähnlich wie katro:
    Ja - Rückfälle gehören (leider) zur Sucht mehr oder weniger dazu. Aber man sollte alles erdenklich Mögliche tun, damit es nicht zu einem solchen kommt!
    Manche (zu denen ich leider nicht gehöre) schaffen es auf Anhieb, ihre Sucht in den Griff zu bekommen. Andere (so wie ich :( ) "brauch(t)en" einen oder auch mehrere Rückfälle, um es endlich zu schaffen. Und wieder andere benutzen die Aussage, dass Alkoholismus eine Rückfallerkrankung ist - Rückfälle also "dazugehören" - als Ausrede für ihre Rückfälle. Eigentlich haben sie ja keine Rückfälle - sie legen nur Trinkpausen ein ... Letztere "Kategorie" sehe ich des Öfteren, wenn ich meine SHG im Krankenhaus vorstelle.

    katro schrieb:

    Zitat

    Am Beginn meines Weges, der mich aus der Abhängigkeit von einem Suchtmittel führen soll, hoffe ich, dass das Ergebnis meiner Mühen wert ist. Sobald ich jedoch erfahren/erlebt habe, dass meine Entscheidung, dem Suchtmittel den Rücken zu kehren, gut und richtig war, wird aus Hoffnung Gewissheit. ...
    Ich finde deshalb, dass man Rückfälle nicht auf die leichte Schulter nehmen und alles daran setzen sollte, sie zu vermeiden. Wem das nicht gelingt, sollte zumindest nicht einfach darüber hinweggehen, sondern aus ihnen so viel wie möglich lernen, damit er im Vorfeld eines neuen Rückfalls anders handeln kann.

    Das trifft es - wie ich finde - auf den Punkt 44.

    Zum Thema "Hoffnung" habe ich übrigens ein nettes Zitat gefunden:

    "Die zweite Ehe ist der Triumph der Hoffnung über die Erfahrung." Samuel Johnson ;D

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (13. Juni 2014 um 07:58)

  • Hallo Katro,

    Zitat

    ...dass ich den Alkoholismus nicht als echte Krankheit betrachten kann. Er resultiert m.E. in erster Linie aus einer Einstellung heraus...

    Seit ich Deinen letzten Beitrag gelesen habe, habe ich irgendwie Schluckauf... :-[

    Sicher darf sich niemand hinter seiner Sucht zu verstecken! Der Ansatz der Verhaltenstherapie liegt ja z.B. auch darin dass gewisses Fehlverhalten erlernt worden ist, somit auch wieder verlernt bzw. neues erlernt werden kann.

    Laut online Duden ist Krankheit wie folgt definiert:
    körperliche, geistige oder psychische Störung, die an bestimmten Symptomen erkennbar ist

    Was Du schreibst, das mag ich noch für die Einstiegsphase in die Sucht gerne annehmen. Sicher spielt es auch im weiteren Verlauf eine Rolle, gerät gegenüber der Krankheit meiner Meinung nach aber immer mehr in den Hintergrund.
    Der Dauerkonsum von Alkohol bringt u.A. gravierende biochemische und (glücks-)hormonelle Umstellungen mit sich. Auch wenn ich mir die Auswirkungen betrachte welche die psychotrope Substanz Alkohol auf unser gesamtes physisches, psychisches und psychosoziale Leben hat, dann kann ich gegenteilig zu Deiner Meinung die Krankheit des Alkoholismus nicht mehr länger, wie ich es gute 15Jahre lang tat, leugnen! Und da ist schonmal nur die Oberfläche angedeutet.
    Ich habe viele, viele Dinge im Leben Anderer aber auch in meinem eigenen Leben erlebt... glaub mir... die möchtest Du vielleicht gar nicht wissen und die sind mit Gewissheit einfach nur noch !!KRANK!! Denn einfach mal aus einer Einstellung heraus hab ich mir die ganzen Sachen ganz bestimmt nicht gegeben! Ich kann Dich ja mal bissl in mein altes Leben einladen wenn Du da unbedingt Bock drauf hast... ???

    Nun, Du schreibst von Deiner Meinung.
    Ich hab an dem Punkt definitiv eine andere bzw. ein anderes Erleben und schreibe von diesem...

    Beste Grüße auf jeden Fall und wie immer
    die besten Wünsche und gute Kraft,

    Land-in-Sicht

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (13. Juni 2014 um 23:32)

  • Guten Morgen LIS,

    nur damit ich dich richtig verstehe: Gehst du davon aus, dass du irgendwann in deinem Leben eine Krankheit entwickelt hast, die sich darin äußert, dass du Alkohol trinken musst? D.h., hast du dich nicht bewusst für den Alkohol entschieden, weil er lockerer macht, betäubt usw., sondern hast du damit begonnen, Alkohol zu trinken, weil du dir eine Krankheit eingefangen hast, die dich dazu zwingt?

    Oder gehst du davon aus, dass du dich durchaus bewusst für den Alkohol als Betäubungsmittel usw. entschieden hast, dann aber auf Grund des übermäßigen Konsums die Krankheit entwickelt hast?

    Im ersten Fall könnte ich mit dir nicht weiter kommunizieren, weil ich das so nicht erlebt habe. Im zweiten Fall haben wir eine gemeinsame Basis. Allerdings erleben wir unseren Alkoholismus anders. Du fühltest oder fühlst dich krank, ich ärgerte mich darüber, dass ich vor Jahren eine falsche Entscheidung getroffen habe.
    Du möchtest gesunden und beteiligst dich aktiv an dem Heilungsprozess, ich revidierte meine damalige Entscheidung und trainiere aktiv neue Verhaltensweisen.

    Krankheit oder nicht? Vielleicht ist das reine Wortklauberei. Ich für meinen Teil fühle mich nicht krank, sondern laste dem Krankheitsbegriff sogar an, dass ich Jahre meines Lebens versoff, weil ich auf Grund der Dinge, die ich über den Alkoholismus als Krankheit und seine Heilungschancen las und hörte, keine Chance sah, gut aus der Nummer heraus zu kommen.
    Erst als ich mit dem Ausstieg aus der Nikotinsucht (Krankheit?) die Erfahrung machte, dass man einer Sucht gegenüber nicht hilflos ist, war es mit dem Fatalismus vorbei.

    Mein Motiv, hier zu schreiben, resultiert in erster Linie daraus, anderen, die demselben Fatalismus erlegen sind, die Tür zum Ausstieg zu zeigen. Letztendlich ist mir egal, ob sich dieser Andere krank fühlt oder nicht. Solange er die Motivation und den Durchhaltewillen für einen Ausstieg entwickelt, ist für mich die Welt in Ordnung.

    Viele Grüße
    Katro

  • Hallo Katro und Alle,


    Oder gehst du davon aus, dass du dich durchaus bewusst für den Alkohol als Betäubungsmittel usw. entschieden hast, dann aber auf Grund des übermäßigen Konsums die Krankheit entwickelt hast?

    Ja, so in der Art sehe ich es. Wobei auch viele andere Faktoren mit hineinspielten die sich sozusagen gegenseitig hochgeschaukelt haben...
    Dass wir uns anhand einer gemeinsamen Basis austauschen, davon gehe ich eigentlich mittlerweile immer aus. Ich kenne nun viele Deiner Beiträge hier, und werde ´mein Bild´ von Dir sicher nicht an einer Hand voll bestimmter Wörter festmachen. Sicher ist es hier oft auch so, dass sich manche Menschen untereinander in teilweise unterschiedlichen Begrifflichkeiten schreiben, im Prinzip aber nahezu das Gleiche meinen. Und selbst wenn nicht, wenn manche Meinungen also nicht 1000%ig konform gehen, dann sollte ja jede Meinung für sich als solche gesehen und auch so behandelt werden. Im Sinne eines Meinungssaustausches.

    Ich hatte in meiner Antwort an Dich ja auch geschrieben:

    Zitat

    Was Du schreibst, das mag ich noch für die Einstiegsphase in die Sucht gerne annehmen. Sicher spielt es auch im weiteren Verlauf eine Rolle...

    Deine Ansicht der mehr (oder weniger?) bewussten Entscheidung sehe ich also tatsächlich auch als einen TEIL des gesamten Krankheitsverlaufes. Die bewusste Entscheidung ist ja sogar oftmals der Punkt welcher uns wieder aus der Sucht herausführen kann!

    Auch die Falle des Fatalismus welche Du beschreibst kann ich nachvollziehen und habe dies zum Teil ebenso erlebt. Ich denke auch dass da teilweise ein Umdenken stattfinden sollte. Es gab einen Punkt an dem ich endlich klar erkannt habe, dass mein Handeln krankhaft ist und dass ich meinem Leben und meinem Umfeld damit krankhaft schade. Ab diesem Punkt war es mir möglich einen bewussten Wandel herbeizuführen. Ich trage zu diesem Punkt, und dazu dass es meiner Meinung nach möglich wäre diesen Punkt präventiv bewusst herbeizuführen und nicht nur darauf zu warten bis er sich durch massiven Leidensdruck ergibt, gewisse Gedanken in mir. Bestimmt werde ich diese in der kommenden Zeit auch mal mit hier einstellen.

    Mit lieben Grüßen und bis bald,
    Land-in-Sicht

  • Hallo LIS,

    ich möchte noch einmal auf deinen vorletzten Beitrag zurückkommen.


    Der Dauerkonsum von Alkohol bringt u.A. gravierende biochemische und (glücks-)hormonelle Umstellungen mit sich. Auch wenn ich mir die Auswirkungen betrachte welche die psychotrope Substanz Alkohol auf unser gesamtes physisches, psychisches und psychosoziale Leben hat, dann kann ich gegenteilig zu Deiner Meinung die Krankheit des Alkoholismus nicht mehr länger, wie ich es gute 15Jahre lang tat, leugnen.

    Ich sehe das als Auslöser-Wirkung-Zusammenspiel und nicht als Krankheit. Solange ich Alkohol aus Gründen zu mir nehme, die über ein rein soziales (Mit-)Trinken hinausgehen, erziele ich jenes Ergebnis, das du und die meisten anderen Menschen als Krankheit bezeichnen.

    Wenn ich damit aufhöre, Alkohol zu saufen, und das gelingt mir nur dann auf Dauer, wenn ich meine Einstellung zu Suchtmitteln jeglicher Art verändere, so dass ich an den Punkt komme, dass ich -und nur ich allein- mein Leben gestalten und nicht von der Wirkung einer Droge abhängig machen möchte, dass ich Freude ohne künstliche Überhöhung erfahren will, aber auch Leid als zum Leben zugehörig annehmen kann, ist es mit dem unbändigen Verlangen nach Alkohol vorbei.

    Wenn ich dann doch wieder saufe, und das ist jetzt wieder meine ganz persönliche Überzeugung, die mich allerdings vor Rückfällen schützt, tue ich das nicht, weil mich eine heimtückische Krankheit erneut zu ihrem willenlosen Opfer macht, sondern weil in meinem Kopf noch ein Rest meiner ursprünglichen Einstellung zum Alkohol vorhanden ist.
    Und an dieser Einstellung kann ich arbeiten.

    Ich will hier eigentlich gar nicht so sehr auf dem Krankheitsbegriff herumreiten. Wem die Vorstellung, einer Krankheit erlegen zu sein, dabei hilft, den Alkoholismus nachhaltig zu überwinden, der soll sich krank fühlen. Denn dann ist die Krankheitsvorstellung gut für ihn.

    Mir persönlich hilft es nicht, mich krank zu fühlen. Es gibt weder eine Arznei, die ich einnehmen könnte, um die Krankheit zu heilen, noch schafft es mein Körper durch Fieber o.ä., die Krankheit zu bekämpfen. Das kann nur ich selbst, indem ich meine Einstellungen verändere. Also setze mich damit auseinander, dass ich falsche Entscheidungen aus den falschen Sichtweisen heraus traf und korrigiere diese Entscheidungen. Das ist gut für mich. Denn es hilft mir sowohl beim Nikotin als auch beim Alkohol, dass ich -abgesehen von der Anfangsphase des Ausstiegs- von Suchtdruck verschont bleibe.


    Katro

  • Hey Katro,

    Zitat

    Wenn ich damit aufhöre, Alkohol zu saufen ...... ist es mit dem unbändigen Verlangen nach Alkohol vorbei.

    Das habe ich anders erlebt. Auch wenn der ´Hauptbatzen´ des ganzen schneller zu überwinden ging als ich erwartet hatte, so hat sich mein ganzer Körper und meine Psyche gerade in den ersten Wochen mitunter äußerst heftig gegen das Nichttrinken gewehrt!
    Ich habe eine Einstellung entwickelt in welcher der Alkohol definitiv keine Option mehr für mich als Problemlöser, Belohnung oder anderes darstellt. Und immernoch komme ich in vereinzelte Situationen in denen ich ein deutliches körperliches(!) Verlangen nach Alkohol verspüre. Ich wundere mich selbst darüber da in meinem Kopf, meiner Vorstellung und Überzeugung nun ja schon längere Zeit alles klar ist und ich diesem Gefühl niemals mehr nachgehen werde, aber da ist es ab und an dennoch. Ich gehe davon aus dass es mit der Zeit mehr und mehr nachlassen wird.

    Zitat

    Laut online Duden ist Krankheit wie folgt definiert:
    körperliche, geistige oder psychische Störung, die an bestimmten Symptomen erkennbar ist


    Genannte Störungen, sogar in allen drei Bereichen, und Syptome sind gegeben. Ich denke daher ist der Begriff der Krankheit nicht von der Hand zu weisen. Für den einen mehr, für den anderen weniger. Aber wir brauchen da auch wirklich nicht weiter drauf rumreiten.

    Was ich allerdings auch immer verheerend finde ist diese Behauptung der Unheilbarkeit. Und ich denke das ist der eigentliche Punkt auf den Du von Anfang an hinaus wolltest. Oder? Wobei ich selbst da auch für mich vorsichtig bin und mich davor hüte einen absoluten Gegenstandpunkt einzunehmen.

    Noch vor wenigen Wochen habe ich das Vorhandensein eines sogenannten ´Suchtgedächtnissen´ für mich nicht annehmen können. Was ich im Absatz oben beschrieben habe lässt mich aber mittlerweile nun annehmen dass ich ein eben solches teilweise selbst doch schon ausgeprägt habe. Ich gehe davon aus es für mich heilen zu können. Aber ich denke nun dass wir nicht für jene sprechen können welche über Jahre hinweg bereits viel länger und tiefer in der Sucht feststeckten und in denen der Alkohol vielleicht noch ganz andere Umprogrammierungen vorgenommen hat.

    Wenn ich es so erlebe wie z.T. oben beschrieben. dann heißt das nicht automatisch dass es Andere genau so erleben... Das selbe gilt allerdings auch für den Umkehrschluss.

    Beste Grüße,
    Land-in-Sicht

  • Abschließend von meiner Seite noch Folgendes:

    Das erste Zitat ist arg verkürzt, LIS.
    Natürlich ist es mit dem Verlangen nicht in dem Augenblick vorbei, in dem man aufhört Alkohol zu trinken. Da geht es auf Grund des Entzuges erst richtig los, wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass das rein körperliche Verlangen nach wenigen Tagen vorbei ist. Was eine längere Zeit erhalten bleibt, ist die psychische Abhängigkeit, weil durch das Abschneiden der Alkoholzufuhr Glückhormone fehlen, die man nach wie vor gerne hätte. Aber das Verlangen ist in dem Augenblick vorbei, in dem man nicht nur nicht mehr trinken WILL, sondern von seiner Einstellung so weit ist, dass man spürt, dass man überhaupt nicht mehr trinken KANN, weil die Sauferei mit den eigenen Lebensvorstellungen nicht mehr in Einklang gebracht werden kann.
    Auch dann gibt es immer noch hin und wieder irrationale positive Erinnerungen an das Saufen. Aber man begreift solche Erinnerungen als Vergangenheit und lässt sie vergehen.

    Das zweite, was ich anmerken möchte, ist Folgendes: Wir können natürlich immer nur für uns selbst sprechen bzw. schreiben. Aber wir müssen unsere Gedanken und Erfahrungen nicht ständig relativieren und wie in einem Beipackzettel formulieren oder betonen, dass es bei einer anderen Person völlig anders als bei mir sein kann. Der in Deutschland propagierte Weg des Suchtausstiegs ist für -so heißt es zumindest- 99% aller Alkoholiker nicht erfolgreich begehbar bzw. man erreicht sie mit Vorgaben wie Unheilbarkeit, absolute Abstinenz usw. überhaupt nicht, weil sie ihre Ohren verschreckt verschließen. Insofern sind diese Menschen darauf angewiesen, Erfahrungsberichte von Leuten zu lesen, die außerhalb des Systems von ihrer Sucht losgekommen sind.
    Und zwar ehrliche Berichte. (Nebenbei bemerkt: Aus diesem Gründen finde ich es schade, dass die meisten Berichte nur im internen Bereich zu finden sind.)

    Ich fühle mich nun einmal nicht krank. Ich bin sicher, dass ich nie wieder saufen werde. Und da ich die Erfahrung mache, dass mich die berühmte Cognacbohne, die ich sogar hin und wieder in Form eines GANZEN Glases Bier oder Wein zu mir nehme, nicht wieder zum Säufer macht, schreibe ich auch darüber.
    Man muss es nicht nachmachen. Aber es ist vielleicht ganz gut zu wissen, dass das geballte Wissen der organisierten Suchthilfe auch nicht zu 100% für bare Münze genommen werden muss.

    Viele Grüße
    Katro

  • Hallo Katro, auch von mir noch ein par schließende Worte...

    Du hast Dein Erleben geschrieben.
    Ich habe mein Erleben geschrieben.

    Und das ist die Intension meiner Beiträge hier.

    Ich finde gerade dies an diesem Forum so reizvoll, dass es hier auch individuelle Lebenswege gibt und keine starren Schablonen die auf alle übertragen werden. Ich denke ALLES was einem Menschen dabei hilft Probleme oder Krankheiten in seinem Leben zu überwinden ist gut! Und eben weil jeder Mensch für sich ein Individuum ist kann ich es sehr gut nachvollziehen dass gewisse Schablonen oder gar Dogmen auf viele Menschen eben nicht unbedingt zutreffen oder hilfreich sind. Was uns Alle im Kern verbindet ist das Ziel eines freien Lebens und der Austausch darüber wie jeder Einzelne diese Ziele erreicht.

    Katro, ich denk es wär langweilig wenn immer alle absolut der gleichen Meinung wären. Aber ich glaube auch dass sich die Ansichten von hier in diesem Falle uns Beiden mehr gleichen als wir es vielleicht denken...

    Ganz liebe Grüße und AHOI,
    Land-in-Sicht

  • Interessante Diskussion.
    Ich persönlich sehe diese Diskussion um den Begriff von Krankheit im wesentlichen als eine Definitionssache, die es erlaubt, den Alkoholismus in unserem Gesundheitswesen zu positionieren.
    Muss ja alles seine Ordnung haben. Also Suchtkrankheit.
    In diese Krankheit führt ein Weg.
    Zum Glück merken die meisten, dass das so ist - bevor es zu spät ist für die Umkehr.
    Wo aber hört der Missbrauch auf und wo fängt die Sucht an?

  • Das folgende Zitat reizt mich zu einem weiteren Statement.


    ...bevor es zu spät ist für die Umkehr...

    In Bezug auf die Sucht -nicht in Bezug auf die durch die Sucht möglicherweise ausgelösten körperlichen Krankheiten- ist es für eine Umkehr m.E. nie zu spät. Wir haben hier Berichte von Trinkern gelesen, die so tief in die Sucht verstrickt waren, dass -zumindest ihrer Vorstellung nach- nur noch die Wahl zwischen Tod und Ausstieg bestand.
    Indem sie sie ihre Einstellung zum Alkohol änderten bzw. zu dem, was das Leben ausmacht, erreichten sie einen Punkt, an dem sie nicht mehr trinken wollten. Und nachdem sie den Entzug durchgestanden hatten, mussten sie nicht mehr trinken.

    Ich las in vielen Foren immer wieder dasselbe. Solange es darum geht, eigentlich so weiter zu leben wie bisher und nur die negative Seite des Trinkens in den Griff kriegen zu wollen, führt man einen Kampf gegen den Alkohol, der allenfalls zu einer Trinkpause führt. Man kämpft zwar gegen den Alkohol, bleibt aber der Sucht nach wie vor verfangen. Suchtausstieg bedeutet, dass man dem Alkohol keinerlei Einfluss mehr auf das persönliche Leben zugesteht. Die meisten machen das, indem sie absolut abstinent leben. Es geht meiner Erfahrung nach aber auch, indem man einen weniger radikalen Bruch vornimmt. Eins scheinen jedoch alle erfolgreichen Ausstiege gemeinsam zu haben, und das ist der komplette Bruch mit dem bisherigen, von der Sucht bestimmten Leben.

    Ich glaube, dass es ziemlich egal ist, wie tief man in die Sucht verstrickt ist. Es braucht immer den kompletten Bruch mit der Vergangenheit, wenn ein langfristiger Erfolg erzielt werden soll. Ich habe sogar den Eindruck, dass es denjenigen, die ganz unten sind, letztendlich leichter fällt. Denn diese Menschen wissen definitiv, dass sie mit der Vergangenheit brechen müssen, wenn sie leben wollen. Schätze, dass in diesem Fall das Gedankenkarussell schneller zum Stillstand kommt.

    Für eine Umkehr ist es erst in dem Augenblick zu spät, in dem der Süchtige stirbt. Bis zu diesem Augenblick kann sich jeder für einen anderen Weg entscheiden und diesen auch gehen.

    Katro

  • Hallo,
    hatte leider nicht so die Geduld alle Beiträge so intensiv zu lesen und habe sie überflogen. Möchte auch nicht unbedingt mitdiskutieren ob und wie Alkoholismus als Krankheit zu bewerten ist. Auf das Ursprungsthema zu kommen, ist der Rückfall für mich das Schlimmste was mir bei meiner Alkoholentwöhnung passieren könnte. Deswegen gehört er für mich auch nicht zum "Heilungsprozess", sondern wirft mich wieder in meine 'Krankheit" zurück. Mein oberstes Gebot ist deshalb: " Es gibt kein erstes Glas mehr!" Das rettet mich auch vor dem "Einen wirst du doch mittrinken können!". Darauf bin ich früher öfter reingefallen und war dann wieder Beginn einer neuen Alkoholära.
    Liebe Grüße
    Manni


  • Ich habe sogar den Eindruck, dass es denjenigen, die ganz unten sind, letztendlich leichter fällt. Denn diese Menschen wissen definitiv, dass sie mit der Vergangenheit brechen müssen, wenn sie leben wollen.


    Hallo Katro,
    da gebe ich dir auf jeden Fall recht. Dies kenne ich von Mitarbeitern die Frau und Kinder wegen der Sauferei verloren haben und denen ein letzter klinischer Alkoholentzug verordnet wurde um nicht auch noch den Job zu verlieren. So tief hat mich der Alkohol nie gebracht, was aber auch leichter zum Rückfall führt, denn man fühlt sich stärker gegenüber der Sucht. Was natürlich ein Trugschluss ist. Mein soziales Umfeld muß ich nicht zwingend ändern, denn meine Freunde akzeptieren meinen Entschluß nichts zu trinken und frotzeln höchstens mal anfänglich. Umgekehrt akzeptiere ich, wenn sie Alkohol trinken, denn sie sehe ich nicht als die Ursache für meinen Alkoholismus. Es sind keine Saufkumpanen.
    Gruß
    Manni


  • In Bezug auf die Sucht ...... ist es für eine Umkehr m.E. nie zu spät.

    Ich persönlich denke aber weiterhin auch dass es für eine Umkehr nie zu früh sein kann.

    Die These die man in mancher Suchtliteratur liest dass eine Heilung erst ab dem sogenannten ´Nullpunkt´ möglich ist halte ich für sehr fatal! Wenn Heilung ab diesem Nullpunkt auf einmal möglich ist, dann muss sie auch vorher möglich sein.
    (Dieser Nullpunkt liegt übrigens für Jeden an anderer Stelle. Für einen schon nach dem ersten Filmriss, für andere erst nach Jahren oder Jahrzehnten. Der Raum dazwischen ist ebenfalls fließend.)

    Ich denke dass es neben persönlichen, zum Teil auch ein gesellschaftliches Problem ist das Menschen in die Sucht führt.
    In Nahezu allen Lebensbereichen, vor allem aber in den Medien, werden die Menschen immer mehr darauf geprägt das Leben in Äußerlichkeiten zu sehen. Karriere, Erfolg, Besitz, e.t.c. ... Das sind alles keine schlechten Werte, aber der innere, der seelische Aspekt der ebenfalls einen großen Teil unseres Lebens ausmacht gerät mehr und mehr in den Hintergrund. Sensible Menschen werden ganz schnell mal eben als ´Träumer´ belächelt. Es findet teilweise eine art Entseelung statt womit aber auch Sinn verloren geht.
    Den Menschen wird dadurch auch mehr und mehr der Glaube an Veränderung und die Verwirklichung innerer, wahrer Lebensziele genommen. Wie oft hört man Sätze: "Da kann man halt nichts machen..." oder "Is halt so..."

    Doch! Man kann was Machen! Immer!
    Ich denke, gerade der feste Glaube an die eigene Gestaltungskraft ist einer der Wege aus der Sucht oder gar Vermeidung dieser. Ich finde also dass man durch das Prägen starker Persönlichkeit in der Gesellschaft auch dem Problem der Süchte näher zu Leibe rücken kann.

    Mit Grüßen,
    LIS

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (5. Juli 2014 um 23:22)

  • Hallo LIS,

    es ist ganz bestimmt nie für eine Umkehr zu früh. Aber zunächst einmal muss im Innersten des Süchtigen angekommen sein, dass eine Umkehr gut und richtig ist.

    Ich denke, dass das Hereinschlittern in die Sucht, so wie es mir passierte, bei vielen ähnlich abläuft. Zunächst einmal habe ich festgestellt, dass mir der Alkohol gut tat. Irgendwann merkte ich, dass ich immer öfter nach Alkohol verlangte, obwohl ich mir überhaupt nicht vorgenommen hatte, Alkohol zu trinken. Und wenn der Alkohol dann im Hause nicht verfügbar war, besorgte ich ihn mir zu hohen Preisen an der Tankstelle oder im Bahnhof usw. Diese Tatsache fiel mir durchaus auf. Aber der Begriff Sucht kam mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den Kopf. Das ging lange Zeit so weiter. Ich fühlte mich nicht süchtig, sondern redete mir ein, das mir der Alkohol nach wie vor gut tat.
    Mir kam zwar immer öfter der Gedanke, dass ich zu viel trank. Ich versuchte dem entgegenzuwirken, indem ich z.B. Light-Bier oder jede Menge Mineralwasser zum Wein konsumierte (was ich jedoch nur bei der ersten zwei Gläsern tat. Danach ging ich auf den puren „Genuss“ über.)

    Ich denke, dass unter dem Nullpunkt der Augenblick zu verstehen ist, in dem man erkennt, dass man etwas total Absurdes tut, also etwas, bei dem Ziel und Tun absolut nicht deckungsgleich sind. In diesem Augenblick erkennt man, dass die einzige Triebfeder zum Alkoholtrinken Sucht ist.
    Man kann dieser Erkenntnis jetzt auf zwei Arten begegnen: Entweder wegsaufen oder sich ihr stellen.

    Und wenn man sich ihr stellt, hat man den ersten Schritt zum Ausstieg vollzogen.

    Katro

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