Bruef an eine Alkoholikerin

  • Hallo Baustein,

    tatsächlich habe ich deine Beiträge ähnlich gelesen wie Gerchla.

    Ich bin ja sowohl Betroffene als auch Angehörige. Bei mir waren es meine Eltern, zwei Ehemänner und mein jüngster Sohn, zeitweise auch meine Tochter.

    Und doch habe ich sie losgelassen. Also alle. Es hat viele Jahre gedauert, bis ich begreifen konnte und wollte, daß Nichthilfe das Beste ist. Vor allem auch für mich. Aber lange wollte ich gar nicht loslassen, denn ich fand mich ja auch supertoll in der Rolle der Helfenden, Liebenden, und damit auch Kontrolle Ausübenden.

    Liest sich bei dir schon so ein wenig wie ich armes kleines weißes Schäfchen werde beschimpft und benutzt. Schon mal drüber nachgedacht, dass es dafür einen sexuellen Zuordnungsbegriff gibt? Und bitte nicht wertend lesen, ich beschreibe hier auch meinen Werdegang.

    Alles Gute für dich,

    ichso - der es gottseidank wieder eingefallen ist, wie die Smilies auszuschalten gehen ;) Und die, seit sie wieder Kontakt zu ihrer ganz frisch erwachsenen Enkelin (alles MENSCHEN, Omi!) hat, die Worte von Männern nicht mehr per se ablehnt.

  • Vielen Dank für eure Beiträge, so schnell habe ich die gar nicht erwartet!
    Ich bin morgen auf Reisen und kann nicht antworten - bitte um etwas Geduld!
    Gruß Baustein

  • Hallo Baustein,

    mir ist noch was eingefallen. Es gibt ein Buch, dass heißt: "Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest" oder so ähnlich. Habe es nie gelesen, obwohl ich sehr viel lese (hat meine Dummheit extrem gefährdet im Laufe der Zeit, lächel...). Finde den Titel nur so passend.

    Denn wenn man/frau abhängig und/oder co-abhängig ist, und Ursachen und Verhaltensmustern (also den eigenen!) nicht auf die Schliche kommt, ist der/die FolgepartnerIn im Prinzip der/die Gleiche. Das tarnt sich dann evtl. mit einer anderen Form der Abhängigkeit (Spielsucht, Kaufsucht, gestörtes Essverhalten, whatever...) - aber das Muster ist gleich.

    Sehr schmerzhaft sich damit auseinanderzusetzen, und es ist am Anfang ganz leicht, Gründe zu finden, nicht bei sich selbst zu schauen. Naja, laberrhabarber...

    Drücke dir feste die Daumen für dich selbst :)

    Netten Gruß, ichso

  • Hallo,
    ich freue mich über die Anteilnahme und die Antworten, die ich mit großem Interesse gelesen habe. Ihr habt mir alle sehr geholfen!

    Meine Situation unterscheidet sich vielleicht etwas von vielen anderen Schicksalen, die hier im Forum geschildert werdem, und vor allem auch von denen, die ihr eigenes Suchtverhalten überwunden haben:

    Ich habe keine Suchterfahrung, aber bin vor kurzem in eine Co-Abhängigkeit einer Alkoholikerin geraten. Hinter mir steht keine langjährige Beziehung auf dem Spiel, sondern ich befinde mich in der Anfangs- oder Kennenlernphase in eine Affäre eines älteren Paares (beide Ü60), das offensichtlich nicht unterschiedlicher sein kann in ihrem Verhältnis zum Alkoholgenuss.

    Ich bin das erste Mal in meinem Leben mit dieser Form des Alkoholismus in einem persönlichen Verhältnis als Mann zu einer Frau konfrontiert. Gefühle und Erlebnisse haben mich als gestandener Mann an die Grenze gebracht. Mein Verstand hat keinen Einfluss auf mein Herz.

    Ich danke euch für die Schilderungen aus eurem sehr privaten Leben und den Entwicklungen, die sich daraus ergeben. Wie einige Male betont war ich daran interessiert, in dieser Situation die Meinungen von Frauen zu hören.

    Ich hätte auch gerne von Männern gelesen, die in meiner, ähnlichen Situation sind oder waren: co-abhängig, aber nicht alkoholabhängig (oder trocken).
    Natürlich ist in einem Blog / Forum jeder zu schreiben eingeladen, aber es ist nicht jeder automatisch hierzu aufgefordert.

    Nein, ich bin nicht abhängig wie Marina. Nein, ich analysiere oder kontrolliere nicht ihr Trinkverhalten. Ich habe nicht diese Klischees eines Partners bedient, wie man meinen Texten leicht entnehmen kann. Ich habe sie mit Neugier und Zurückhaltung beobachtet, um herauszufinden, was ich falsch mache. Ich versuchte sie zu verstehen. Ich habe sie gewähren lassen und sie von nichts abgehalten – ich habe ein bisschen mitgetrunken, aber nie die Kontrolle über mich oder meine Worte verloren. Ich habe auch keine Diskussion über Gesundheit und Alkoholmissbrauch geführt.

    Ja, ich stecke in einer Abhängigkeit – keiner Alkoholabhängigkeit, aber in der Abhängigkeit zu einer alkoholabhängigen Frau. Das Netz ist voll von Geschichten aggressiver Männer, die ihre Frauen quälen und/oder die Überwindung ihrer Sucht. Das war hier nicht mein Thema.

    Dank eurer Hilfe bin ich auf einem guten Weg:

    1. Problem erkannt: Beginn einer toxischen Beziehung
    2. Mein Verstand hat eine Lösung gefunden: Marina und ich haben keine Zukunft, ihre Sucht ist stärker als ihr Leben, ich bin in Gefahr.
    3. Mein Herz ist dabei, meinem Verstand zu folgen.

    Ob ich mir im Forum Hilfe erhoffte? Ja, ich erhoffte mir Informationen und Gedanken, die ich selbst nicht habe. Ich habe die Hilfe bekommen und bin euch allen dankbar.

    Ich bin tief erschüttert, wie besorgniserregend ihre Alkoholsucht ist – und, dass ich nichts gegen ihr Elend tun kann, das sie offensichtlich noch vor sich hat.

    Gruß Baustein

  • Hallo Baustein
    deine Geschichte habe ich verfolgt und sie hat mich angesprochen.
    Ich bin 49 J alt, habe lang und viel getrunken in meinen letzten Jahren. Angemerkt hat man mir das nie, wie deiner Exfreundin, vermute ich mal. Ich hörte regelmäßig und rechtzeitig auf und das war nach einer Flasche Wein.
    Trotzdem habe ich fast täglich abends eine Flasche getrunken.Meist im stillen Kämmerlein. Außen, wenn ich mal in Gesellschaft getrunken habe, hatte ich in den letzten Jahren einen normalen Konsum,so, dass man es nicht bemerkte, …
    Früher als Studentin habe ich viel mehr getrunken, auch in Gesellschaft aber damals war das ja „normal“.
    Trotzdem,ich hatte nie einen Filmriss oder so.
    Jetzt bin ich seit fast 10 Monaten alkoholfrei unterwegs. Meine Geschichte findest du im Vorstellungsbereich bei „Orangina“.
    Ich habe dich übrigens nie als Coabhängig gesehen oder dich so eingeschätzt. Du warst, wie du es im letzten Post geschrieben hast, selbst vollkommen überrannt worden mit dem Verliebtsein in eine Alkoholikerin und dich hat es eben mal kurz gebeutelt, was ich total nachvollziehen kann.

    Du hast einen klaren Blick auf deine Geschichte und die Entwicklung deiner Exfreundin.
    So schwer es auch ist, ich mute dir zu, dass du dich deinem Leben zuwenden kannst, deswegen machte ich mir beim Lesen deiner Zeilen keine Sorgen um dich.
    Du warst kurzfristig in einer schwierigen Situation, die du versucht hast selbst zu lösen, sie zu verstehen und du wirst das sicher gut trennen können. (Was gehört zumAlkoholismus, was gehört zur Liebe und was gehört zu Coabhängigkeit und was gehört zur Hilfsbereitschaft und wo sind die Grenzen).
    Das behaupte ich jetzt einfach so, weil ich es aus deinen Zeilen herausgelesen habe.
    Warum ich dir schreibe: ich kann nachvollziehen, dass du dich mit Frauen austauschen wolltest, um zu verstehen, um alles besser einschätzen zu können.

    Ich wünsche dir alles Gute !!!

    Alkoholisiert habe ich übrigens auch immer wieder „komische „Geschichten an Land gezogen .
    Nüchtern betrachtet war ich dann oft entsetzt, wie das zustande kam.
    Ich machte aber trotzdem weiter und konnte es nihct beenden- vermutlich war das auch so , weil ich mir sonst eingestanden hätte, ein Alkoholproblem zu haben und das hatte ich definitiv schon Mitte 20.
    Ein anderer Grund war: Ich war mir selbst nicht sehr viel Wert.
    Es ist ja auch schwierig, wenn der Alkohol zum einzigen Freund wird.
    Wie kann man da nach außen „offen „sein , wenn man es schon mit sich selbst nicht kann.
    Damit will ich aber nicht sagen, dass dich deine Freundin benutzt hat.
    Sie ist, wie mir scheint-sehr gefangen in ihrer Sucht und das mittlerweile sehr stark, so dass sie gar nicht anders kann als so, wie du sie erlebt hast.
    Das wichtigste ist , dass du nach dir schaust.
    Du wirst sie nicht vom Alkohol wegbringen.
    Und wie mir scheint, wird sie es auch nicht tun in nächster Zeit.

    Das einzige, wie du ihr helfen kannst, ist , sie loszulassen.
    Das ist hart, aber das einzige, was meiner Meinung nach die einzige Lösung ist. Für dich !
    (und auch in gewisser Weise auch für sie, damit sie vielleicht erkennt, dass sie ein Problem hat).

    Orangina13

  • Ich habe mich ein paar Tage zurückgezogen und mich auf mich konzentriert.
    Alle eure Einlassungen und insbesondere eure persönlichen Erzählungen haben mir sehr geholfen, meinen Weg zu mir zu finden und mein Leben wieder in Angriff zu nehmen. Ich glaube, es wird mir gut gelingen.
    Liebe Orangina13, auch für deine Geschichte und deine Anteilnahme haben mir sehr geholfen . vielen Dank!
    Ich freue mich, dass ich hier in meiner elelnden Situation verständnisvolle Menschen getroffen haben.
    Und natürlich bin ich nicht der einzige, dem ihr wie mir Mut gezeigt und Verständnis entgegengebracht habt - Vielen Dank den Aktivisten hier im Forum.

    Liebe Grüsse Baustein

  • Hallo Baustein
    Auch du bist ein Aktivist, auch deine Geschichte trägt positiv dazu bei ,den einen oder anderen weiter zu bringen.
    Es würde mich freuen ,hin und wieder von dir zu lesen, wie es dir geht und wie es dir gelingt ,wieder in dein Leben zurück zu finden.
    Orangina13

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