Ich gestehe es mir endlich ein

  • Hallo zusammen,

    an sich habe ich wohl seit ich 15 bin jedes Wochenende Alkohol getrunken (jetzt 34) - früher habe ich das nie als Problem gesehen, da das "auf dem Dorf eben so läuft" . Es hat sich auch lange auf einen Tag am Wochenende beschränkt. Irgendwann wurden es 2 und Montags hatte man noch die Nachwirkungen vom Sonntag....
    Vor einigen Jahren habe ich dann die Firma gewechselt, wo ich unter der Woche immer einen Tag frei hatte - folglich wurde am Abend davor getrunken. In Summe hat mich das meine Ehe gekostet ...
    Danach habe ich erst das echte Problem entwickelt und extrem viel getrunken so bald mein Sohn im Bett war oder auch vorher... Seit 6 Monaten bin/ war ich wieder in einer für mich perfekten Beziehung und habe dann halt heimlich getrunken an den Abenden wo ich Zuhause Arbeiten musste (bin in der IT).
    Nun gab es nen größeren Streit, ich habe mich Abends komplett volllaufen lassen und bin dann morgends noch total betrunken (zu spät) zur schule und danach zu meiner Partnerin gefahren.

    Durch Corona finden leider keine Treffen der AA statt, ich hoffe ihr habt hilfreiche Tipps für mich. "einfach aufhören" kann ich nicht - ich bin täglich im Büro, kümmere mich um meinen Sohn, aber Abends kann ich dann doch einfach nicht ohne ...

  • Hallo und HERZLICH WILLKOMMEN hier bei uns im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, 57, Alkoholiker und nach mehreren Anläufen nun schon einige Jahre trocken (sehr zufrieden damit - es fehlt mir absolut NICHTS) und auch schon einige Jahre in der Suchtselbsthilfe unterwegs.

    Kann ja sein, dass es vielleicht falsch rüberkommt bzw bei mir ankommt, aber für mich hört es sich so an wie: "Oh man - wegen Corona kann ich jetzt nicht aufhören zu saufen, weil keine Selbsthilfegruppen stattfinden!"
    Also, ICH konnte früher nicht aufhören, weil es auf Arbeit einfach zu viel Stress gab. Wäre es wenigstens ETWAS weniger - ja DANN ...
    Oder weil Montag war ...
    Ich habe immer Ausreden gefunden, warum ich einfach nicht aufhören KONNTE.

    Erst, als ich wirklich aufhören WOLLTE, habe ich mir Hilfe gesucht. Und die bestand nicht nur darin, zu Selbsthilfegruppen zu gehen. Natürlich hat mir auch das unheimlich geholfen, das Reden über meine Probleme, meine Ängste, mein Verlangen ...
    Hauptsächlich aber habe ich mir angehört, wie die Anderen damit umgegangen sind und welche Strategien sie entwickelt (oder übernommen) haben, was ihnen geholfen hat und was nicht.
    Und dann habe ich das, was mir für mich sinnvoll erschien, übernommen.
    Was nicht funktionierte, wurde verworfen ...

    So habe ich z.Bsp. natürlich als Erstes mit meiner Frau gesprochen. Wir haben als Zweites vereinbart, dass die Wohnung alkoholfreie Zone ist. Wenn mich der Jieper überkommt, kann ich so nicht einfach nur zum (Kühl)Schrank gehen und mir etwas nehmen, sondern muss erst irgendwie etwas organisieren - Zeit, wieder zur Besinnung zu kommen. Und wie mich die Erfahrung gelehrt hat, dauern solche "Anfälle" meist nur wenige Minuten. Als Drittes habe ich meinen Freunden erzählt, wie es um mich steht - und warum es deshalb bei uns also keinen Alkohol mehr gibt. Sie sind übrigens trotzdem noch zu uns gekommen.
    Und Viertens habe ich mir eine Strategie überlegt, wenn ich woanders hingehe, wo es Alkohol gibt: Gehe ich überhaupt hin? Wie komme ich dort wieder weg, wenn es mir zuviel wird? Was sage ich, wenn mir Alkohol angeboten wird? Bzw. was sage ich, wenn er mir aufgedrängt wird?

    Und noch einige Punkte mehr. Das hört sich jetzt ziemlich viel und komplex und kompliziert an - ist es aber eigentlich nicht. Abgesehen davon, dass es MEINE Strategie ist/war.
    Über 2 Dinge muss man sich aber im Klaren sein:

    1. Das Wichtigste ist absolute Ehrlichkeit sich selbst gegenüber! Es nutzt Niemandem, wenn man sich selbst belügt. Man schadet nur sich selbst.
    2. Es macht nur Sinn, etwas für sich selbst verändern zu wollen - einen Job kann man trotzdem verlieren, die Gesundheit - es gibt unverschuldete Unfälle, und auch die Liebe geht manchmal seltsame Wege (ich bin mittlerweile auch geschieden - und trotzdem/erst recht noch trocken).

    Das waren ein paar Gedanken von mir.
    Ich wünsche Dir viel Erfolg.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

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    können wir nur selber tun!

  • Hallo und vielen Dank für die sehr detaillierte Antwort,

    "Oh man - wegen Corona kann ich jetzt nicht aufhören zu saufen, weil keine Selbsthilfegruppen stattfinden!" - nein das ist wohl falsch angekommen, nur wären diese wohl die erste Anlaufstelle gewesen, weshalb ich dann hier in euren Händen gelandet bin.

    Trocken bin ich bisher kein bisschen - wie du schon sagst, es findet sich doch immer ein Grund zu trinken und sei es das schöne Wetter und die "bösen Alkoholiker" sind die Obdachlosen .... Ich bin alleinerziehend, arbeite oft (mit Unterbrechungen) bis spät abends und für mich ist Alkohol ein Ventil geworden und dieses nutze ich mittlerweile täglich.

    Wie krankaft das geworden ist, habe ich bemerkt, seit ich ne "Dose" im Auto hatte, falls "der Kreislauf mal morgens schlapp mach" (ja warum macht er das wohl). Ich war aber nicht bereit etwas zu ändern, da ich auch Angast hatte das Sorgerecht zu verlieren, aber der Punkt ist jetzt da, wo es so einfach nicht mehr geht.
    Jeder kann sagen "hör einfach auf" - so leicht ist es aber eben nicht, daher interessieren mich eben eure "Ventile" (und ja, das traurige ist, während ich so schreiben kann, habe ich einiges wieder getrunken)

  • Du schreibst, dass Du alleinerziehend bist. Wie alt ist/sind denn Dein/e Kind/er?
    Ich frage, weil wohl der erste Schritt sein sollte, mit Deinem Hausarzt zu sprechen und eine Entgiftung durchzuziehen (von einem "kalten Entzug" raten wir dringendst ab - dieser kann lebensgefährlich sein!!).
    Und wenn jetzt der Einwand kommt "Aber ich muss mich doch um mein/e Kind/er kümmern!" kann ich nur sagen: Du fährst mit mindestens Rest-Alkohol und wenn es zu einem Unfall kommt - wie willst Du Dich dann kümmern?? Also wäre es wohl das kleinere Übel, für ein - zwei Wochen eine Unterbringung bei Deinen Eltern oder ... und die Entgiftung durchzuziehen.
    Und wenn Du schon Angst hast, das Sorgerecht zu verlieren, obwohl bisher ZUM GLÜCK noch nichts passiert ist, dann solltest Du schleunigst etwas unternehmen.

    Aber wie schon gesagt: Es ist Deine Entscheidung.

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