An Sonnenkäfer

  • Hallo Sonnenkäfer,

    ich wollte Dir gerade auf Deinen Vorstellungpost antworten. Und ich sehe jetzt, dass Dein Beitrag geschlossen wurde. Somit kann Dir darauf nun niemand eine Antwort geben.

    Ich weiß nicht ob das so gewollt ist oder ob da ein Versehen vorliegt. Ich hätte einige Gedanken, die ich Dir gerne schreiben möchte. Wenn Dein Beitrag absichtlich geschlossen wurde, dann ist das selbstverständlich ok und ich werde mich nicht weiter dazu äußern. Aber vielleicht war's ja ungewollt. Deshalb mein Hinweis hier.

    In jedem Fall wünsche ich Dir alles alles Gute für Deine Zukunft.

    LG
    gerchla

  • Hallo Gerchla,

    vielen Dank für deinen Beitrag und das du mir schreibst. Das mein Thema geschlossen wurde, war wohl ein Versehen und es wird sich darum gekümmert. Ich war auch etwas verwirrt, weil ich dachte ich habe vielleicht gegen etwas verstoßen ohne es zu merken. Vor allem hatte ich natürlich auch auf Antworten gehofft. Umso mehr freut es mich, das du jetzt so an mich geschrieben hast. Und ich bin sehr gespannt was du mir sagen möchtest.

    Liebe Grüße
    Sonnenkäfer

  • Hallo Sonnenkäfer,

    ok, ich dachte mir sowas. Eigentlich würde ich jetzt warten bis Dein Thread wieder frei ist aber leider bin ich in Zeitdruck und weiß nicht, ob und wann ich Dir heute noch schreiben kann. Deshalb schreibe ich Dir meine Gedanken jetzt mal hier und wechsle dann ggf. in Deinen "original Thread" wenn er wieder frei ist. Dann kann ich diesen hier ja schließen.

    Erst mal: Herzlich Willkommen bei uns im Forum. Schön das Du da bist!

    Ich stelle mich mal kurz vor: Ich bin 50 Jahre alt, Alkoholiker und lebe jetzt schon lange ohne Alkohol. Davor trank ist weit über 10 Jahre abhängig. Ich bin mehrfacher Papa und ich trank die meiste Zeit heimlich. Zum Ende hin waren das wirklich ganz erhebliche Mengen an Alkohol. Ich war jedoch bis zum Schluss in der Lage es zu verheimlichen und habe auch bis zum Schluss (nach außen hin) funktioniert. Was mich selbst betrifft war ich natürlich ein Wrack, vor allem psychisch, am Schluss ging's auch körperlich stark bergab.

    Meine Gedanken zu Deinen Zeilen:
    Erst mal möchte ich Dir sagen das ich es ganz toll finde, dass Du Dich hier angemeldet hast und Dich öffnest. Ich finde es sehr gut, wie Du Dich reflektierst und wie Du Deine Situation analysierst und einschätzt. Was ich damit meine ist, dass Du m. E. klar erkannt hast, dass Du da vor einem ganz großen Problem stehst. Die Tatsache, dass Du Dir überhaupt eingestehst ein Alkoholproblem zu haben ist die Grundvoraussetzung um etwas dagegen unternehmen zu können. Und viele Alkoholiker kommen erst gar nicht an diesen Punkt. Sie schieben ihre Sucht nämlich weg und leben so jahre- oder auch jahrzehntelang mit dieser Krankheit. Die meisten eben so lange, bis es nicht mehr geht. Bis es eben vorbei ist....

    Insofern: Super, dass Du was unternehmen möchtest.

    Das was Du schilderst kenne ich sehr gut. Es die Sucht, die Dir all diese Gedanken einspielt. Also all das was Du nach einiger Zeit ohne Alkohol beginnst zu denken. Die SehnSUCHT nach einem Gläschen.... Ich habe so viele Jahre verbracht. Denn auch ich (wie wahrscheinlich fast alle Alkoholiker) habe irgendwann mal gemerkt: Da stimmt doch was nicht. Und ich habe dann mehrmals versucht etwas "dagegen zu unternehmen". Was bedeutete, dass ich versuchte "erst mal nichts mehr zu trinken". Heute nenne ich das Trinkpausen. Damals waren es teilweise schon ernst gemeinte Versuche mit dem Trinken aufzuhören.

    Es wurden aber eben immer nur Pausen. Die längste davon dauerte fast ein Jahr. Diese legte ich anlässlich der Geburt meiner Tochter ein. Ich hatte nämlich Angst, ich könnte mich im Schlaf mit Alkohol im Blut mal versehentlich auf sie legen/drehen. Wenn sie bei uns im Bett mit schlief, was häufig vor kam. Und so pausierte ich fast ein Jahr. Damals war ich noch nicht so tief im Sumpf und es ging relativ einfach. Wobei ich aber schon damals in dieser abstinenten Phase immer wieder starke Gedanken an Alkohol hatte. Ich sehnte mich sozusagen nach ihm. Ein einfaches Biermischgetränk brachte mich dann innerhalb kürzester Zeit wieder auf die Spur.

    Später folgten weitere Trinkpausen, diese waren dann aber deutlich kürzer, meist ein paar Wochen, später nur noch Tage und irgendwann ging nix mehr. Ich schreibe Dir das, damit Du Dir ein Bild davon machen kannst, wie so eine Sucht verlaufen kann, wie sie in den meisten Fällen verläuft.

    Irgendwann habe ich ja dann aber doch mal geschafft von dem Zeug weg zu kommen. Und ich könnte mir jetzt vorstellen, dass Du Dir die Frage stellst: wie hat er das nur gemacht?

    Die Frage ist: Was war denn bei meinem letzten Versuch, der bis heute zur Abstinenz geführt hat, anders als bei den vielen vorher? Erst mal kann ich sagen, dass ich bis zu diesem letzten Versuch einen langen und wirklich fürchterlichen Leidensweg hinter mir hatte. Den gab es in dieser Form bei den vorherigen Versuchen natürlich nicht. Ich konnte bereits über 2 Jahre gar keine Pausen mehr machen, nicht mal einen einzigen Tag. Ich trank sogar wenn ich krank war und z. B. Fieber hatte. Und sah ab einem gewissen Zeitpunkt auch gar keinen Sinn mehr mit dem Trinken aufzuhören. Ich trank bereits morgens...

    Als dann der Tag X kam, war das völlig ungeplant. Meine Frau hatte mich mal wieder bei einer schlimmen Lüge ertappt, stellte mich zur Rede und anstatt wie sonst immer, mit geschickten neuen Lügen mich aus der Situation heraus zu manövrieren (was sicher auch in diesem Fall möglich gewesen wäre) habe ich mich spontan geoutet. Sie wusste ja schon jahrelang, dass mit mir etwas nicht stimmte. Unsere Ehe war auch bereits völlig im Eimer und ich pflegte ein unglaubliches Doppelleben, schon seit längerer Zeit. Nur wusste sie nicht, warum ich so war wie ich war. Und nun "servierte" ich ihr die Erklärung. Es war einfach nur schrecklich, denn ich zerstörte damit alle Zukunftspläne die sie hatte, ich zerstörte auch in gewisser Weise ihre Vergangenheit, denn das was ich ihr alles zu Beichten hatte, das hatte es in sich. Und natürlich zerstörte ich auch die Unbekümmertheit meiner Kinder, besonders die meiner damals kleinen Tochter. Ich wusste das, ich war mir darüber im Klaren und ich konnte mir genau das so viele Jahre lang nicht vorstellen. Andererseits schaffte ich es aber auch nicht die, vermeintlich, einfache Lösung umzusetzten. Die wäre ja gewesen mit dem Trinken aufzuhören, also sozusagen heimlich aufzuhören, weil ich ja auch heimlich trank. Das wäre natürlich toll gewesen, eine Win-Win-Situation sozusagen. Aber das funktionierte nicht, da habe ich die Rechnung ohne die Sucht gemacht.

    Gut, wenn Du mehr wissen willst, dann frag' mich einfach.

    Der Unterschied zu meinen vorherigen Trinkpausen war also, dass ich wohl meinen persönlichen Tiefpunkt erreicht hatte (also mein Leidensdruck einfach ganz enorm war) und dass ich es NICHT heimlich versucht habe. Und das ist etwas, was ich Dir unbedingt ans Herz legen möchte. Es ist enorm wichtig mit offen Karten zu spielen. Hier die Frage an Dich: Weiß Dein Mann bescheid? Hast Du mit ihm über Deine Gedanken gesprochen? Wenn ja, wie steht er dazu?

    Ansonsten: Wenn Du Nägel mit Köpfen machen willst und ich gehe mal davon aus, dass Du das möchtest, dann gehe offen damit um. Damit meine ich nicht, dass Du Hinz und Kunz über Deine Situation aufklären musst. Aber die wichtigen Leute (Partner, Familie, enge Freunde) sollte Bescheid wissen.

    Und lass Dir dabei helfen. Ich bin bereits am ersten Tag ohne Alkohol in SHG. Das ist nicht jederfraus Sache, mir hat es besonders am Anfang sehr geholfen. Ich bin später raus aus der Gruppe, ich kam dort nicht mehr weiter. Aber am Anfang hat sie mich aufgefangen. Denke darüber nach. Gehe zum Arzt, sprich offen mit ihm/ihr. Gehe auch mal zur Suchtberatung. Hol Dir Input, mach mit diesem Menschen einen Plan.

    Die Wege aus der Sucht können höchst individuell sein. Es "muss" nicht immer eine stationäre Therapie sein aber es ist gut, wenn man zu allem bereit ist. Ich war zu allem bereit. Am Ende war ich dann in psychologischer Behandlung, welche mir aber nicht das gab was ich brauchte. Daraufhin habe ich Kontakt zu einem Mönch aufgenommen (eine andere lange Geschichte) der für mich dann der wichtigste Mensch, die wichtigste Hilfe beim Überwinden meiner Sucht war. Das hat alles ganz individuell zu mir gepasst, zu meinen Problemen. Bei Dir kann das alles ganz anders sein. Bei Dir IST das sicher alles ganz anders. Aber Du leidest unter der gleichen Krankheit.

    Und aus meiner Erfahrung heraus möchte ich sagen, dass Alkoholsucht eine psychische Erkrankung ist. Du (wir) trinkst um die Wirkung zu spüren. Du willst etwas in Dir auslösen, Du willst etwas damit erreichen. D. h. Dir fehlt etwas ohne. Erst mal gar nicht körplich, also z. B. Entzugssymptome, sondern auf der psychischen Ebene. Und genau diese psychische Ebene ist ja die eigentliche Sucht, also die Sucht, die Dir ja auch ein Leben lang bleibt. Für mich war es enorm wichtig meine Sucht aufzuarbeiten. Warum konnte es so weit kommen? Was hat mir gefehlt? Was wollte ich kompensieren. Ich darf Dir sagen, es war gar nicht einfach das alles heraus zu finden.

    Ich brauchte etwas ein Jahr bis ich mit dem Gröbsten durch war. Ein sehr intensives Jahr in dem ich mein komplettes bisheriges Leben hinterfragt habe und meine neues Leben begann zu gestalten. Und das war mit enormen Veränderungen verbunden. Ich trennte mich z.B. von meiner Frau, mein Freundeskreis veränderte sich ganz stark, ich wechselte den Wohnort. Die größte Veränderung fand aber in mir selbst statt. Ich versuchte mir Fragen zu beantworten. Fragen wie: Wer bin ich? Was will ich eigentlich? Was bedeutet für mich Glück? Was ist mir wichtig im Leben? Was für ein Mensch möchte ich eigentlich sein? Und noch vieles mehr in diese Richtung.

    Und dann natürlich die Frage: wie kann ich meine (neuen) Ziele erreichen? Und welche Rolle spielt denn Alkohol dabei?

    Du merkst, es ist nicht banal so eine Sucht zu überwinden. Es geht i. d. R. sehr tief. Ich möchte aber auch hier nicht sagen, dass das bei jedem so sein muss. Ich kenne auch Alkoholiker die sagen: mir reicht es mich regelmäßig an das Elend zu erinnern welches ich hatte als ich noch trank. Bei viele ist es aber so, dass sie wirklich sehr tiefe Veränderungen vornehmen und sich sehr stark mit sich selbst und ihren eigenen Werten, etc. beschäftigen. Und natürlich sind solche Überlegungen auch ein Teil von Therapien.

    Ich hab' das ganz viel mit diesem Mönch (hatte übrigens nix mit Glauben zu tun), mit dem Therapeuten (dessen Ansätze mir damals falsch vorkamen die ich heute aber verstehe) und einem sehr guten Freund gemacht.

    Zusammengefasst: Nur nicht mehr trinken reicht auf Dauer nicht aus. Und genau diese Erfahrung hast Du ja letztlich bereits gemacht. Du hast ewig lange nicht getrunken und trotzdem bist Du wieder reingerutscht. Darum meine ich, dass man sich mit den Trinkgründen (die hat meiner Meinung nach jeder) beschäftigen muss um diese dann idealerweise zu beseitigen. Natürlich trinkt man irgendwann mal, weil man süchtig ist und trinken mus. Das meine ich nicht. Ich meine die ursprünglichen Gründe, z. B. weil man es nicht gelernt hat Probleme zu lösen und diese versucht Alkohol "wegzutrinken". Oder weil man sich selbst nicht liebt und versucht mit Alkohol ein anderes Gefühl sich selbst gegenüber zu erreichen, etc. Da gibt es ganz viel.

    Ich habe dann im Laufe der Zeit gelernt all die Situationen, die ich mir vorher nur mit Alkohol vorstellen konnte, auch ohne Alkohol zu genießen. Da denke ich jetzt z. B. auch an Dein Telefonproblem. Bei mir war's z. B. das Kochen. Kochen ohne nebenher den "Kochwein" zu leeren ging ja gar nicht. Aber auch andere Geschichten, den Sonnenuntergang ohne das Glas Rotwein, auf der Feier abtanzen und noch Spaß dabei haben OHNE die entsprechende Enthemmung durch Alkohol. All das geht und es geht sogar noch viel besser als mit. Denn es ist dann einfach echter, ohne Filter.

    Aber das kommt dann erst am Schluss.

    So, jetzt habe ich Dich zugetextet. Ich hätte noch ganz viele Gedanken. Ich weiß aber nicht, ob ich Dich überhaupt erreichen kann. Wenn Du irgendwas wissen möchtest von mir, von meinem Weg meine ich, dann frage mich einfach. Vielleicht sind es andere hier, die besser zu Dir passen, die andere für Dich bessere Gedanken haben. Du wirst es ja sehen. Das ist das gute und schöne hier am Forum, dass es so viele unterschiedliche Meinungen / Wege / Menschen gibt die immer aus ihrer Sicht berichten.

    In jeden Fall wünsche ich Dir das Du da raus kommst. Ich wünsche es mir auch für Deine Tochter. Das ist ein andere Kapitel, aber was meine Kinder erleiden mussten.... Diese Schuld hat mich lange sehr stark belastet und war für mich eine Kernaufgabe bei der Aufarbeitung meiner Sucht.

    Lass es erst gar nicht so weit kommen. Zieh die Reißleine jetzte. Wir unterstützen wo wir können. Alles alles Gute und eine guten Austausch hier im Forum wünsche ich Dir.

    LG
    gerchla

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