neu hier....

  • Ein freundliches Hallo in die Runde,

    das Lesen der so vielfältigen Lebensgeschichten, die ab einem bestimmten Punkt meist zum gleichen, irgendwann sehr problematischen und oft aussichtslos erscheinenden Ergebnis führen, spornt mich an, meine Story hier auch einmal nieder zu schreiben - in der Hoffnung, vielleicht auch mal den ein oder anderen guten Tipp zu bekommen, der mit helfen kann, den Willen zu festigen, der nötig ist, dem Alkohol adieu sagen zu können - mit anderen Worten, den nun endlich gefassten Entschluss dauerhaft umzusetzen.
    Ich bin inzwischen 65 Jahre - und mein Problem fing rückblickend bereits im Alter von ca. 18 an ! Ich wuchs in, wie man so schön sagt "geordneten Verhältnissen" auf - sehr dominanter Vater, liebevolle Mutter, 9 Jahre ältere Schwester. Vater hatte vernünftigen Job, Mutter Hausfrau, Großeltern Unternehmer, alle in großem Stadt-Grundstück dicht beisammen wohnend.

    Die Familienbande wurden gepflegt:
    Oft gab es Familienfeiern. In den 60er- bis 80er-Jahren gehörte Alkohol in ordentlichen Mengen zu jeder Feier wie selbstverständlich dazu. - Ich durfte dann so ab 12,13 auch das eine oder andere Mal ein kleines Gläschen Wein mit trinken, mal 2-3 Eierlikör schlabbern etc. - Das waren dann so die ersten Kontakte mit Alk. Einmal eskalierte es, als mir eine Tante bei einer Feier so lange Eierlikör vorsetze, bis ich umfiel, anschließend ordentlich kotzte und danach wie im Koma lag.
    So etwa im Alter von 15-18 gab es 1-2 x wöchentlich - meist in meinem Zimmer in der großen elterlichen Wohnung - mit meinen Freunden "Skatabende", bei denen dann jeder so drei 0,5l-Flaschen Bier verköstigte. Alles noch irgendwie relativ harmlos, denn an den restlichen Tagen wurde ja keinerlei Alk getrunken. Man machte sich also keinerlei Gedanken... Etwas häufiger wurde das erst, als die Schule abgeschlossen war und eine Ausbildung begann. An den Tagen mit Berufsschule hatte es sich eingebürgert, zusammen mit ein paar Kumpels erstmal in eine nachgelegene Kneipe zum "Flippern" o.ä. zu gehen und dabei natürlich 2-3 Bierchen zu trinken und Freitag-Abend "ist in unserer Straße immer was los"... klar - gab's dann natürlich auch Alk... Dennoch hielt sich das alles in Grenzen und ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass wir in dieser Zeit zu viel Alk getrunken hätten.

    Seit der Ausbildungszeit gab es bei mir aber ein Problem, das mich bis heute - mit nur einer einzigen 18-monatigen Unterbrechung - verfolgt und das m.E. rückblickend die Grundlage für die weitere Entwicklung zum Alkoholiker darstellt: Ich hatte schon seit früher Jugend immer Angst, mich auf welche Art auch immer zu blamieren. Während meiner Lehrzeit saß man z.B. immer in den Pausen zum Frühstücken mit Angestellten und Abteilungsleiter mit 4-6 Leuten zusammen zum "Klönschnack" und es gab natürlich Kaffee. - so bekloppt es auch klingen mag: Ich hatte Angst, bei einer vollen Kaffeetasse zu zittern - und allein schon dadurch zitterte meine Hand, so dass ich, um nicht negativ aufzufallen, den Kaffee immer stehen ließ und erst nach Auflösung der Runde (ohne direkten Blickkontakt Anderer) meinen Kaffe trank. - Ohne diesen Blickkontakt gab es auch kein Zittern... (Klingt lächerlich - heute würde man sagen: Abstruse, aber behandelbare Angststörung".) Schnell stellte ich damals fest, dass selbst eine geringe Menge Alkohol (z.B. 1 Bier) dafür sorgte, dass dieses Problem nicht mehr bestand. Gelöst schien die Problematik nach Abschluss der Berufsausbildung, als ich zur Bundeswehr eingezogen wurde. Die Grundausbildung stellte mich wie alle anderen auch vor allem körperlich vor eine ungewohnte Härte. Der um 5.00h beginnende Tag war geprägt vor allem von Sport, langen Märschen usw. Abends war man froh, in die Koje zu kommen und man wäre zumindest in den ersten drei Monaten dieser Ausbildung nicht auf die Idee gekommen, "Party" zu machen. Heimfahrten waren nur alle 2-3 Wochen möglich. Somit war das zumindest in Bezug auf nicht stattfindenden Alkoholkonsum ein "gesundes" Leben. Nach Beendigung dieser Dienstzeit war das Problem damit erstmal vom Tisch.

    Der Ernst des Lebens, eine kurze Ehe, dann Scheidung, sehr aufreibender Job, der zwar einen guten beruflichen Aufstieg und gutes Geld mit sich brachte, erneute Heirat, Hausbau usw., führte aber dazu, oft "Streß abbauen" zu müssen und zu meinen, dass das unter Zuhilfenahme von Alkohol einfacher zu bewältigen ist. Resultat war, dass sich dieses "Zittern" wieder einstellte, prägnanter als zuvor. Schließlich war es irgendwann unabdingbar, vor jedem wichtigen Termin, Geschäftsessen 1-2 gut eingeschenkte Gläser Remy Martin o.ä. zu sich zu nehmen, schnell noch etwas gegen Mundgeruch zu tun und dann entspannt und gelöst in die Gesprächsrunde zu gehen. Etwa 10 Jahre hielt ich das durch - dann war ich veranlasst, den Arbeitgeber zu wechseln. Mein Image war zu dieser Zeit noch völlig perfekt und ich hatte ein sehr gutes Angebot, das ich jedoch ausschlagen musste, da der dortige Arbeitsbereich noch intensiver mit derartigen Situationen behaftet gewesen wäre und ich Angst hatte, dann irgendwann "aufzufliegen". Meine Lösung war, mich mit einem Unternehmen selbstständig zu machen, denn damit hatte ich alle Fäden selbst in der Hand. Auch dieses Business lief, wenn auch mit ein paar Höhen und Tiefen, 15 Jahre lang gut und ernährte meine seinerzeit 4-köpfige Familie sehr gut. - Alkohol war zwar auch damals allabendlich dabei, aber i.d.R. waren das 3 x 0,33l Bier, 1 Glas Wein und vielleicht mal ein Cognac nach dem Abendessen, was ich seinerzeit für völlig normal hielt. (..nach heutigen Erkenntnissen ebenfalls viel zu viel.)

    Nichts währt ewig, nach diesen Jahren änderten sich die Märkte, Umsätze gingen zurück, Margen wurden schmäler, private Probleme, wie z.B. pflegebedürftige Angehörige kamen hinzu, belasteten die Ehe und letztlich gab es wieder eine Ehescheidung, die nun ca. 11 Jahre zurück liegt. Plötzlich war ich allein - die beiden Kinder hatten längst ihr eigenes Leben und man sieht sie nur sehr selten. Im Zuge der Scheidung wurde das Haus verkauft und eine kleine Wohnung ist das neue Domizil. Allein im Leben war ich noch nie - zwei beste Freunde waren leider bereits verstorben, online-Partneragenturen konnten nicht zu einer wirklich guten und festen neuen Verbindung führen, was sicherlich auch mit dem fortgeschrittenen Alter zu tun hatte und finanziell wurde es ebenfalls immer enger. Um die Lebenshaltungskosten, Miete usw. bestreiten zu können, war ich trotz noch immer leider nur noch auf ganz kleiner Flamme laufender selbstständiger Tätigkeit nach ein paar Jahren gezwungen, zusätzlich Hartz-IV anzumelden. (Die schlimmste und menschenverachtendste Behörde, die ich jemals erlebt habe!) Mit Mitte 50 bekommt man, egal welchen Status man früher einmal hatte, leider keinen normalen Job mehr - nicht mit hunderten Bewerbungen, geschweige denn durch das Job-Center...) Ich befand mich sozusagen "am Boden". - Eine ideale Situation, um sich mit Alkohol zu betäuben. Ich hatte nach drei Jahren, die von Frustration über das Alleinsein, die finanzielle Not, den ständigen Ärger mit dem Job Center (das Selbständige überhaupt nicht mag!) und vielen Selbstzweifeln schließlich eine neue Geschäftsidee, die sich wie ein neuer Frühling auswirkte und bis heute zumindest finanziell wieder ein lebenswertes Leben beschert, wenn auch der damit verbundene Streß nicht mehr so leicht zu bewältigen ist, wie das in jüngeren Jahren der Fall war. Aber was eben geblieben ist und sich noch verstärkt hat, ist das Zittern. Die üblen vergangenen Jahre gingen an die Substanz - und der Alkoholkonsum nahm zu. Stand der letzten zwei Jahre - wenn ich nicht gerade geschäftlich mit dem Auto unterwegs bin, was an 2-3 Wochentagen der Fall ist: Beginn immer so zwischen 17.00 und 18.00 Uhr: 4 x 0,33l Bier, dann 2-3 Gläser Wein, nach dem Essen 1-2 x 4-5cl Schnaps/Whisky o.ä. Spätestens um 22.00 Uhr bin ich dann zwar nicht betrunken, aber müde und falle in's Bett. Einschlafen dauert jedoch sehr lange und nachts dann 5 - 10 x wach. Morgens natürlich entsprechend müde.... Seit ein paar Monaten merke ich, dass meine Leistungsfähigkeit, Ausdauer, Konzentrationsfähigkeit und Kraft extrem nachlässt. Schubweise kommen erhebliche Magen/Darmprobleme dazu. Ständig schmerzt es irgendwo - im Rücken (Nierengegend), Oberbauch bis zu Brust, nachts Wadenkrämpfe und einiges mehr. Ich denke darum, wenn es nicht eh schon zu spät ist, so ist es allerhöchste Zeit, das Leben komplett umzustellen. Auf meinen selbständigen Job bin ich angewiesen und den kann ich in diesem Zustand bald nicht mehr ausführen. Jämmerlich krepieren oder die letzten Monate, viell. Jahre in einem Pflegeheim verbringen möchte auch niemand. Selbst ein Suizid wäre dann m.E. noch die sinnvollere Lösung. Vor 8 Tagen habe ich darum (mit zwei Unterbrechungen je 3 Bier) begonnen, diese Umstellung einzuleiten. Seit vergangenen Samstag, 23.11.19, trinke ich gar keinen Alkohol mehr und im Moment habe ich das Gefühl, dass das auch zu schaffen sein müsste, wenn man sich die Konsequenzen vor Augen hält, was es bedeutet, wenn es nicht gelingen sollte. Vielleicht gibt sich das Zittern der Finger auch irgendwann. - Ein wenig lindern, wenn auch nicht vollständig beseitigen, kann das Zittern Diazepam 10mg, allerdings habe ich mir vorgenommen, dieses Zeugs nur vor bestimmten Situationen, aber keinesfalls regelmässig zu nehmen, denn dann hätte ich gleich die nächste Abhängigkeit. Abgesehen davon muss ich durch meinen Job oft Auto fahren und im Straßenverkehr ist für mich sowohl Alk als auch Benzo's inzwischen völlig tabu. ...wenigstens das !

    Es wäre ganz prima, wenn mir Menschen mit dem gleichen Problem gute Hinweise und Empfehlungen aus den eigenen Erfahrungen geben könnten, die vielleicht helfen, das Ziel, in Zukunft ganz ohne Alkohol leben zu können, zu erreichen.

  • Hallo, Calup, Und HERZLICH WILLKOMMEN hier in unserer Runde :welcome:

    Auch wenn Du schon 65 Jahre alt bist - so bist Du hier beileibe nicht der Älteste. Und ich bin der Meinung: Es ist nie zu spät, sich noch eine schöne Zeit zu bereiten!

    Ich bin 56, noch voll im Beruf stehend, Alkoholiker und nun schon einige Jahre trocken. Zufrieden trocken.
    Mir hat meine reale Selbsthilfegruppe (SHG) sehr geholfen, weil ich mich dort mit Menschen austauschen konnte, die das gleiche Problem haben bzw. hatten wie ich. Insbesondere am Beginn meiner Abstinenz war es enorm hilfreich.
    Vielleicht ist ja auch dieses - im Gegensatz zum Forum - direkte Feedback etwas für Dich. Das Forum ist ja doch etwas zeitverzögerter. Ich finde, Beides ergänzt sich.
    Andere mögen nur Eines.

    Schön, dass Du von der lesenden in die schreibende Fraktion gewechselt bist! 44.
    Auf einen guten Austausch!

    Gruß
    Greenfox

    PS: Ich vermute mal, Du hast Deinen Thread aus Versehen selbst gesperrt - und habe ihn daher entsperrt. Solltest Du ihn aber absichtlich gesperrt haben, dann gib uns hier einen entsprechenden Tipp!

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