Hat er eine Chance, auf risikoarmen Konsum umzusteigen?

  • Hallo Ihr Lieben!
    Meine erste Frage als Angehörige.
    Der Konsum meines Partners liegt bei täglich abends mindestens zwei, meistens fünf, ganz manchmal auch mal 8 oder mehr halben Bier. An manchen Tagen isses wohl auch stattdessen Wein, Gesamtalkohol dürfte dann ähnlich sein.
    Tage ohne Alkohol sind so extrem selten, dass sie irrelevant sind.

    Natürlich hofft auch er - wie wohl die meisten - dass er irgendwann ("wenn er nur genug will" - wie er sagt) auf risikoarmen Konsum umschwenken kann. Ein Leben ohne seine - seit ungefähr 25 Jahren so genutzte - Belohnung Bier kann und will er sich nicht vorstellen.

    Nach allem, was ich gelesen habe, ist er nach so langer Zeit und so regelmäßigem Konsum suchtkrank. Und hat nur die Möglichkeit, es irgendwann ganz zu lassen.

    Wie ist Eure Erfahrung mit solchen Mengen? Ist ein runterfahren auf unbedenkliche Mengen möglich?

  • Nach allem, was ich gelesen habe, ist er nach so langer Zeit und so regelmäßigem Konsum suchtkrank.

    Nach allem, was Du so gelesen hast: Welche Antwort erwartest Du?? Eine andere als die, die Du höchstwahrscheinlich schon kennst?

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Ich erwarte keine bestimmte Antwort, ich bin einfach auf der Suche nach unterschiedlichen Erfahrungen, Berichten...

    Mir hilft viel Information über ein Thema unglaublich, um das alles in mir drin zu sortieren.

    Je mehr Leute mir schreiben "bei mir hätte es nicht funktioniert", desto mehr kann ich dem, was ich bisher als Theorie in Büchern gelesen habe, Bestätigungen aus der Praxis hinzufügen.

    Und wenn jemand schreibt, ja, bei mir hat es so geklappt.
    Dann wäre ich neugierig, wie er das gemacht hat.

    Wie soll ich das anders schreiben? Is die Frage wirklich so blöd?

  • Nein, die Frage ist nicht blöd. Ich finde sie nur .... naiv. Sorry.

    Ich weiss nicht, wieviel Du hier im Forum schon gelesen hast. Ich bin geneigt zu sagen, noch nicht all zu viel - denn es gibt hier so viele persönliche Geschichten, in denen steht "Es hat NICHT funktioniert".

    Deswegen empfehle ich Dir, mal in die Geschichten hier reinzulesen.

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  • na dass Dir die Frage naiv vorkommt, ist doch auch schon ne super hilfreiche Antwort für mich!

    Anscheinend ist bei dieser Konsummenge auch Eurem (Betroffenen) Empfinden nach die Grenze zur Sucht schon längst überschritten. Oder?

    Mich verwirren da auch oft die Fragelisten in Büchern. Zum Beispiel die Sache mit dem Kontrollverlust. Ist es Kontrollverlust, wenn jemand es nicht schafft, nur ein Bier zu trinken (sondern mindestens zwei, drei)?
    Oder ist es erst Kontrollverlust, wenn jemand erst aufhört, wenn er sturzbesoffen umfällt?

    Ist es erst Sucht, wenn jemand körperliche Symptome hat?

    Weil in manchen Büchern steht, es wäre erst dann Sucht. Und erst dann gäbe es kein zurück mehr. Vorher wäre es immer noch möglich, zum normalen Konsum zurück zu kehren.

    Aber ich kann mir das eben nicht vorstellen. Ich denke, es gibt auch für meinen Partner nur noch die Entscheidung "ganz aufhören". Aber ich bin ja selbst nicht betroffen, deshalb kann ich da nur intuitiv mitreden.

  • Ja, das ist so eine Sache mit dem "intuitiv" ... Wie heisst es so schön: Wer nie seine Kekse im Bette as, weiß nicht, wie Krümel pieken!
    Und wer nicht selbst süchtig ist ...

    Und ICH habe so meine Probleme mit dem, was in den Büchern steht, ab wann etwas eine Sucht ist. Denn der Übergang ist dermaßen schleichend und an nichts Greifbarem festzumachen. Und Menschen, die dieselbe Menge Alkohol im selben Zeitraum konsumieren sind nicht unbedingt auch beide abhängig bzw. nicht. Der Eine ist/wird abhängig, ein anderer nicht nixweiss0

    Aber Kontrollverlust ist, wenn ich mir vornehme, garnicht/maximal eine bestimmte Menge zu trinken - und dann doch bzw. mehr trinke. Es muss nicht unbedingt bis zum Umfallen gesoffen werden.
    Aber wie oft habe ich mir (damals!) vorgenommen, mal nix zu trinken ... oder nur EIN Bier ... naja, wie Du Dir vorstellen kannst, hat es selten/nie funktioniert ;(

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  • Danke Dir - ja eben, weil ich eben nicht selbst süchtig bin, deshalb frag ich so "naiv". Weil ich mir eben nicht anmaßen möchte, das zu "wissen", nur weil ich es gelesen habe.

    Wie hoch war denn Dein Konsum?

    Und noch ne Frage: laut der Bücher ist davon auszugehen, dass mein Partner irgendwann exzessiv trinken wird. Was sagt Eure Erfahrung dazu?

  • Hallo ichbinich,

    Zitat

    Zum Beispiel die Sache mit dem Kontrollverlust.

    Was ist denn für Dich Kontroll-Verlust? Also hier im Zusammenhang, die Unfähigkeit, seinen Alkoholkonsum, egal bei welcher Menge, "zu kontrollieren" respektive selbst bestimmt zu definieren?
    Ist doch egal, ob ich mir vornehme, 1 Bier zu trinken, und es werden dann (jedes Mal) 2 oder 3, oder ob ich sage, "ich trinke jetzt, bis es mir reicht" - und saufe dann weiter bis ich vom Stuhl falle, oder?

    Es ist immer wieder interessant, wie sich die betroffenen Suchtkranken/Missbraucher, aber auch die Angehörigen auf die Suche nach neuen, einzigartigen Definitionen von Begrifflichkeiten machen.
    Ich vergleiche das mal mit Kleptomanie. Da geht einer in den Laden, und lässt "nur für 10 Euro" was mitgehen - der soll dann angeblich noch voll die Kontrolle über sein zwanghaftes Stehlen haben? Und der andere langt halt richtig zu, räumt die Juwelen aus, und der hat Kontrollverlust?

    Bei der Abhängigkeit (Sucht) ist es dasselbe. Wenn ein Betroffener ohne das Suchtmittel nicht mehr leben kann, egal ob er das jetzt "nur glaubt" oder weil er ohne nicht mehr "funktioniert", oder meinetwegen, weil er "glaubt ohne keinen Spaß mehr zu haben", dann ist es doch definitiv eine Abhängigkeit.
    Zudem von einem Gift (Alkohol), das kein Mensch von Geburt an freiwillig konsumieren würde.

    Ich weiß ja nicht, was für Fachbücher Du zum Thema schon gelesen hast, aber eine stoffgebundene Abhängigkeit kann sowohl psychisch, als auch physisch ihre Ursache und ihren Ausdruck haben.
    Es gibt per Definition Alkoholiker, die sind mit einer so geringen Menge an Alkohol schwerstabhängig, wo andere nicht mal mit dem Trinken anfangen würden. Genauso wie es Alkoholiker gibt, die saufen ein halbes Jahr gar keinen Alkohol - und hauen sich dann für 3 Monate die Birne weg.

    Was stimmt ist, dass aufgrund der Toleranzentwicklung, also dadurch, dass sich der Körper und die Psyche an den Alkohol "gewöhnt", eine immer höhere Dosis notwendig ist, um denselben Effekt zu erzielen.
    Und irgendwann dann kippt das - und die Sucht eskaliert. Auch, weil die Betroffenen aufgrund z. B. der organischen Schäden, Leber (Alkoholabbau, permanente Intoxikation) etc., binnen kurzem mit relativ kleiner Konsummenge besoffen sind.

  • Dietmar, mir geht es eher anders herum. Für mich war völlig klar, dass Kontrollverlust bedeutet, ich kann nicht nach dem mir-vorgenommenen einen Bier aufhören.

    Bis ich ein Buch über Alkohol Sucht gelesen habe. Und da stand drin, von Kontrollverlust spricht man dann, wenn derjenige sich bei jedem Kontakt mit Alkohol definitiv zusäuft.

  • Und nochmals @ Dietmar - deine Definition ist auch die, die ich "intuitiv" hatte.
    Erst die offiziellen Definitionen haben mich durcheinander gebracht.

    Sprich, mir - also meiner Intuition (oder was auch immer es ist) - ist es völlig klar, dass mein Partner keinerlei Chance mehr hat, auf geringen Konsum umzusteigen.

    Nur, wenn er und ich darüber reden, dann fragt er mich eben nach den offiziellen Definitionen und nach meinen Quellen.

    Und irgendwie isses doof, wenn die dann eher "aussagen", so schlimm isses bei ihm nicht.

  • Dann gib ihm doch die offiziellsten und direktesten Quellen ever: UNS!

    Mit UNS meine ich jetzt nicht "UNS" im Sinne von Werbung für unser Forum, sondern: Suchtberatung, SHG, auch dieses (oder andere) Forum/Foren - kurz: Betroffene, die das ganze "Theater" aus eigener Erfahrung KENNEN und WISSEN, wovon sie reden.
    Oder gib ihm ein Buch aus unserer Literatur-Ecke zu lesen: Hier sind die Autobiografien zu empfehlen (Ich persönlich empfehle "Nüchtern", "Trockenzeit. Die stillen Siege eines Trinkers" und "Denn sie wissen nicht, was sie tun: Mein Leben als "nasse" Alkoholikerin: neun Jahre, vier Monate und zwölf Tage")

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  • Jetzt hatte ich so schön lange und ausführlich geantwortet - und dann war alles weg.

    Ich schreib später nochmals mehr!

    Auf jeden Fall ist er bisher noch nicht bei den Hilfangeboten gewesen, er spricht offen mit mir und mit einem guten Freund.
    Ich freu mich, dass er mit mir redet, anstatt mir was vorzumachen. Dennoch weiß ich, dass es viel wichtiger wäre, er macht das bei den Profis. Und es wäre auch besser, ich wäre aus der Rolle raus.

  • Das Buch Nüchtern von Daniel Schreiber habe ich zum Beispiel gelesen. Das bestätigt meine Gedanken in Bezug auf Sucht.
    Manche Bücher schreiben aber dann wieder Definitionen, nach denen nur dann jemand wirklich süchtig wäre, wenn er auch körperlich abhängig wäre ect.

    Der Hausarzt von meinem Partner hat ihm wohl gesagt, wenn er zwischendurch auch mal drei Wochen nix trinken könnte, dann wäre alles okay und er wäre nicht süchtig.

    Sowas macht mich wütend. Was für ein Quatsch! Es ist doch egal, ob süchtig oder nicht, ein täglicher, hoher Alkoholkonsum über viele Jahre hinweg ist definitiv schädlich für den Körper!

    Dennoch verwirren mich solche Aussagen und daher habe ich diese Frage hier gestellt.

  • Meine Hausärztin hat mir, als ich ihr sagte, ich sei Alkoholiker und bräuchte Hilfe, Ähnliches gesagt. Daraufhin sagte ich ihr, dass sie wohl keine Ahnung von der Materie habe und ich mir einen anderen Arzt suche. Seitdem ist sie meine EHEMALIGE Hausärztin.

    Sucht/Abhängigkeit ist ein ziemlich spezielles Feld und natürlich/leider hat nicht jeder (Haus-)Arzt wirklich Ahnung davon. Und auch nicht jeder Psychologe.

    Natürlich hast Du recht in Bezug auf die Schädlichkeit von täglichem Alkoholkonsum. Und doch gibt es Menschen, die sind aus mir unerfindlichen Gründen trotzdem nicht abhängig - hier ist es eben nicht wie in der Mathematik, wo 2+2 IMMER 4 ergibt.

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    können wir nur selber tun!

  • okay, also stimmt das doch, dass "man" nicht automatisch abhängig ist, wenn "man" über Jahre hinweg jeden Abend einige Bier tinkt.

    Wie kommt das zustande? Bin da auch einfach wissenschaftlich neugierig.

    Was ist im Hirn von dem einen anders, als im anderen?

    Ich bin da in gewissen Maße auch ein interessantes Beispiel. Denn es gibt sehr wohl Phasen in meinem Leben, in denen ich viel Spaß daran hatte, mich zumindest einmal die Woche leicht zu betrinken. Über zwei, drei Jahre hinweg.
    Und dann war es plötzlich vorbei. Keinen Bock mehr drauf gehabt und gelassen. Keinen Gedanken mehr ans trinken gehabt. Einfach weg.

    Ich hab auch als Teenager und junge Erwachsene verschiedenes konsumiert, war experimentierfreudig. Hatte auch mal nen Vollrausch oder hab mir mit was anderem die Birne weg geblasen. Bin aber nie von etwas abhängig geworden.

    Aber ich habe auch nie irgendetwas TÄGLICH konsumiert.

    Daher auch die Frage hier. Geht das bei manchen Menschen wirklich? Dass die über Jahre täglich mindestens 3 Bier trinken und einfach so plötzlich beschließen: ach das will ich jetzt nicht mehr, ich lass das mal.


  • Wie kommt das zustande? Bin da auch einfach wissenschaftlich neugierig.

    Was ist im Hirn von dem einen anders, als im anderen?

    Wenn Du DIE Frage beantworten kannst, bekommst Du höchstwahrscheinlich einen Nobel-Preis ...

    Aber solange es Menschen gibt, die trotz hohem Alkoholkonsum NICHT abhängig sind, werden die Menschen weitersaufen und sich einreden, auch zu diesem kleinen Prozentsatz zu gehören ...

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    können wir nur selber tun!

  • Was ist denn nun "abhängig"?

    Erst wenn körperliche Entzugserscheinungen auftreten?
    Wenn jemand schon morgens Alkohol braucht, um seinen Spiegel aufrecht zu erhalten?
    Wenn jemand schon nach dem ersten Glas nicht mehr aufhören kann, bevor er volltrunken ist?

    Oder schon, wenn er etwas mehr Alkohol als früher braucht, um die gleiche Beschwipsheit zu erreichen? Und dazu nach einer Flasche nicht aufhören kann, sondern frühestens nach drei, oft erst nach fünf?

    Mich verwirren einfach echt diese unterschiedlichen Ausführungen in unterschiedlichen Büchern / Schriften.

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