Ab und an Kontrollverlust beim Trinken – ernsthaftes Problem?!

  • Hallo zusammen,

    vielleicht könnt ihr mich bei folgendem Problem beratschlagen. Es geht mir darum herauszufinden, ob ich ein Alkoholproblem habe und – falls ja – professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollte.

    Ich trinke gerne hin und wieder ein bis zwei Feierabendbiere (nicht jeden Tag und nicht jede Woche, also recht unregelmäßig), im Sommer auch mal gerne einen Cocktail. Auf Parties, die meist im trinkfreudigen Freundeskreis stattfinden, geht es darüber hinaus: I.d.R. betrinke ich mich dann gemütlich und redselig bis ich müde werde und mir ein Plätzchen zum Schlafen suche. (Als Jugendlicher ging das ab und an so weit, dass ich dann auch mal "Mist" gebaut habe oder unabsichtlich "beleidigend" wurde. Nachdem ich darauf hingewiesen wurde, bekam ich diese "Trinkfolgen" aber in den Griff – anstatt jungendlich-leichtsinnig und unkontrolliert zu trinken, riss ich mich etwas zusammen, trank reduzierter, genoss dadurch länger den Rausch und achtete stärker auf mein Verhalten.) Soweit finde ich daran nichts außergewöhnlich.

    Es ist unter der Woche nach der Arbeit, ich gehe raus auf den Balkon, zünde mir eine Zigarette an und genieße die Abendsonne und z.B. einen Mojito, lese vielleicht eine Zeitschrift. Mal geht das so in Ordnung und nachdem ich den Cocktail leer genippt habe, ist die Sache beendet. Allerdings gibt es auch solche Situationen, in denen ich dann in so eine Art Euphorie verfalle. Dann kenne ich offensichtlich kein Halten mehr, mix mir den nächsten Drink und den übernächsten, wobei der Alkoholanteil des Getränks immer größer wird. Am Ende geht das dann so weit, dass ich den Klaren direkt aus der Flasche trinke, je nachdem was an Alkohol im Haus ist, wird nun wild durcheinander getrunken: Wein, Sekt, Bier, Rum – was eben da ist. Im "Idealfall" werde ich, bevor es eskaliert, einfach nur müde und gehe ins Bett (im weniger idealen "Idealfall" folgt am nächsten Morgen ein Entgiftungsmarathon zum Klo). Im "Nichtidealfall" weiß ich am nächsten Morgen nichts mehr von der "letzten Phase". Dafür zeugt dann z.B. eine geprellte Rippe plus gerissener Toilettendeckel davon, wie ich die letzten Minuten vorm Koma zugebracht haben muss (das war das bisherige "Highlight" dieser "Anfälle").

    Am Montag Abend war es wieder soweit. Ich trank einen Cocktail – obwohl ich wenige Stunden zuvor ein Antiallergikum wegen Heuschnupfen und eine Paracetamol wegen Kopfschmerzen genommen hatte: "Ach, das passt schon." – und ging dann an den PC, meine Freundin ins Bett. Ich bekam den Drang nach mehr Rausch und genehmigte mir noch einen. Danach ging es ungefähr so weiter wie oben beschrieben. Ich schaute fern, trank weiter, überbuk mir in der Mikrowelle was mit Käse. Mehr weiß ich nicht mehr. Dafür meine Freundin, die ich geweckt haben muss und dir mir am nächsten Morgen schilderte, wie erbärmlich ich mich verhalten hätte: Ich wäre nicht besoffen, hätte ich lallend und torkelnd behauptet. Auf meine koordinatorischen Schwierigkeiten hingewiesen, hätte ich angefangen zu weinen und behauptet sie wäre es ja gewesen, die mich mit den Tabletten unter Drogen gesetzt hätte und dass ich dafür nichts könne, dass der Alkohol so angeschlagen habe. Sie hat mich dann ins Arbeitszimmer ausquartiert und den Alkohol versteckt. Jetzt kommt's: Nachdem sie wieder ins Bett gegangen war, habe ich offenbar den Alkohol gesucht, gefunden und weiter getrunken! Und irgendwie noch den Teller mit dem Überbackenen zerdeppert gekriegt.

    So. Ich habe viel gegoogelt und Tests/Fragebögen im Internet (z.B. beim Blauen Kreuz) ausgefüllt bzw. die berühmten sieben Fragen beantwortet. Demnach bin ich – je nach Test – nicht süchtig oder maximal "suchtgefährdet". Naja, ich weiß ja nicht. Ein Problem mit Alkohol scheine ich ja doch zu haben. Oder hat es was mit Selbstkontrolle zu tun? (Was dann auch zu meinen gelegentlichen Fressanfällen passen würde.) Vielleicht bin ich einer dieser sogenannten Epsylon-Säufer? Die Sache ist, dass ich Alkohol nicht vermisse. Ich kann auch ein Mon Cheri essen ohne auszuflippen. Auch ein Bier trinken. Ich kann auch auf einem Trinkgelange anwesend sein und den Fahrer machen. Aber was um alles in der Welt reitet mich dann in diesen unregelmäßig aber doch immer wieder vorkommenden Momenten?!? Jedenfalls weiß ich nicht weiter und will auch nicht wegen sowas meine Beziehung aufs Spiel setzen (wenn man einmal Familie haben will, sollte man sich beherrschen und verantwortungsvoll handeln können).

    Vielleicht habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht oder einen Ratschlag für mich oder eine Meinung dazu? Würde halt ungern völlig auf Alkohol verzichten müssen. Notfalls tu ich aber auch das. Bin gespannt auf eure Antworten und schonmal danke im Voraus!

    Grüße,
    Dyonisos

  • Hallo Dyonisos
    Nach dem was du schreibst, scheinst du noch recht jung zu sein - aber egal - ich finde es toll, dass du dir Gedanken über dein Trinkverhalten machst.
    Mein Rat: mach mal eine zeitlich begrenzte Trinkpause.
    Und guck dir genau an, ob das geht - wie das geht usw.

    Wie auch immer - herzlich Willkommen hier

  • Hi Dyonisos,

    danke für die schonungslos-offene Schilderung Deiner Erfahrungen mit Alkohol. Und ein herzliches Willkommen erst einmal an Dich. :)

    Dass Dein Trinkverhalten nicht "gesund" ist, hast Du schon selber eingesehen. Meiner Einschätzung nach balancierst Du auf einem schmalen Grat und bist suchtgefährdet. Aber noch kannst Du das Ruder rumreißen... Kontrollverlust und Filmrisse - da klingeln bei mir die Ohren - ich spreche aus Erfahrung - sind halt eben kein gutes Zeichen, wie Du schon richtig erahnt hast....

    Damit sich die Kontrollverluste nicht häufen finde ich die Idee von ennasu nicht schlecht. Das Zeugs einfach mal eine Weile weglassen. Dann mal beobachten, was passiert, ob ein Verlangen da ist, ob es schwer ist, darauf zu verzichten und in welchen Situationen Du Lust auf Alkohol hast.

    Vielleicht auch einmal in Dich gehen, was eigentlich passierte, wenn Du Dich bei den Kontrollverlusten nicht mehr im Griff hattest und diese Gier aufkam. Was passiert da? Ist es die pure Lust an der Betäubung? Was erwartest Du vom Rausch? Was trinkst Du weg? Hast Du im Alltag, im Job zu viel Druck/zu viel Stress? Ist da eine nicht bewältigte oder verdrängte Trauer? usw. usf...

    Das sind jetzt mal so meine ersten Gedanken. Es wäre schön, wenn Du die Kurve kriegst und da nicht schleichend in eine ernsthafte Alkoholkrankheit rutschst. Immerhin liest man heraus, dass Du ein ordentliches Paket Verantwortungsbewusstsein hast. Das hatte ich in meinen Anfangsjahren meiner engen Verbindung mit Alkohol noch nicht.... von daher: Respekt, dass Du Dein Trinkverhalten in Frage stellst.

    Grüße von
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Hallo Dyonisos und grüß Dich hier im Forum,

    Meinen Vorrednern möchte ich mich in allen Punkten nur anschließen!

    ich finds gut dass Du was tun willst denn:

    das mit den Kontrollverlustabstürzen ohne Erinnerungsvermögen (Filmriss) fing bei mir im Alter von etwa 20 Jahren herum an definitiv krankhaft zu werden. Ich habe das damals nicht ernst genommen und nach den Abstürzen mir und den Anderen immer nur geschworen: „Nie wieder…“ …bis zu nächsten Mal.

    Seit dem hat sich meine Alkoholproblematik gut 15 Jahre lang weiterentwickelt und gesteigert, abgesehen von dem ´gewohnheitsmäßigen Verbrauch´ der immer mehr wurde (nur Bier und Wein davon aber regelmaßig/viel) blieben mir die ganze Zeit über so alle par Wochen oder Monate diese schlimmen Abstürze erhalten. Obwohl ich im normalen Leben ein äußerst friedlicher, ausgeglichener, fröhlicher und beliebter Mensch bin – in den Abstürzen legt es einen Schalter um, [EDIT,08.05.2014: hier habe ich einen Satzteil nachträgliche herausgenommen da er mir im Nachhinein doch etwas zu persönlich für den öffentlichen Bereich erscheint. Der TE hat ihn sicher mehrmals gelesen und verstanden. Sorry, Ausnahme!]


    Ich denke für mich dass dem u. A. auch ein verletztes und selbstzerstörerisches Seelenleben zugrunde liegt welches in diesen Momenten nach außen hin herausbricht weil die Kontrolle darüber durch den vielen Alkohol nicht mehr gegeben ist.

    Weiterhin geht es schleichend dass der Alkohol nach und nach Macht über Dich gewinnt und steckst Du einmal in der Sucht wird das ganze noch schwieriger. Das ist ein Prozess der nach und nach über Jahre laufen kann…

    Die Tests gibt es zahlreiche und ich habe sie auch öfters mal gemacht. Allerdings habe ich IMMER geschummelt um nicht beim süchtigen Ergebnis zu gelangen! Bis ich irgendwann begriffen habe dass ich nicht das Internet sondern mich selbst verarsche…!

    Ich denke es gibt Punkte im Leben wo man noch umkehren kann bzw. die Kontrolle zurückgewinnen kann. Ich denke auch es gibt sehr viele Aspekte die in die Alkoholsucht und wieder heraus führen können und es ist zumindest sehr selten nur „schwarz“ oder nur „weiß“.


    Beschäftige Dich auf jeden Fall weiter mit dem Thema um festzustellen wo Du stehst,
    Alles Gute und Gruß,
    Euer
    LIS

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (8. Mai 2014 um 22:22)

  • Guten Morgen Dyonisus,

    ich würde das Problem gar nicht so sehr an der Frage festmachen, ob du ein Alkoholproblem hast.

    Die Frage ist doch, ob du weiterhin Gefahr laufen willst, die Kontrolle über dein Verhalten so sehr zu verlieren, dass du in diesem Augenblick nicht weißt, was du tust.
    Wenn du in Zukunft Entgleisungen dieser Art vermeiden willst, wirst du entweder überhaupt keinen Alkohol mehr trinken oder dir vornehmen (müssen), nach einem Glas Schluss zu machen.

    Sollte dir das nicht gelingen, weißt du, dass du ein Alkoholproblem hast.- Dem kann man dann mit oder ohne professioneller Hilfe begegnen.

    Katro

  • Hallo Dyonisus,
    zäume mal dein Pferd nicht von hinten auf: Wie du schreibst, gelingt es dir an der Mehrzahl der Tage offensichtlich ohne Probleme, deinen Konsum in irgendeiner Form zu kontrollieren, also nicht über den Punkt hinaus zu trinken, an dem du die Kontrolle tatsächlich verlierst.
    Natürlich trägt das Antihistamin - ich wette 10:1, dass es Cetirizin war - durch eine Verstärkung der Alkoholwirkung dazu bei, dass eine geringere Menge für einen nicht mehr kontrollierbaren Rausch ausreicht.
    Alle Symptome der Alkoholstörung korrelieren linear mit deiner Trinkmenge, auch der "Kontrollverlust". Du solltest versuchen, deine Vorhandenen Fähigkeiten zur Konsumkontrolle zu verbessern - du bist dem Alkohol nicht völlig hilf- und machtlos ausgeliefert.
    Katro ist ein hervorragendes Beispiel, dass so etwas wirklich funktioniert (und in bester Gesellschaft, 75 % aller Trinker schaffen es, ihr Trinkverhalten nachhaltig zu verändern, 85% davon ohne spezifische Therapie aus eigener Kraft und Fähigkeit).
    Du befindest dich nicht auf einer Einbahnstraße - sieh zu, dass du die Kurve kriegst, bevor dich die organschädigenden Effekt von Alhkohol in Schwierigkeiten bringen

    LG

    Praxx

  • Hallo zusammen!

    Vielen, vielen Dank für eure Antworten, sie haben mir sehr geholfen :)

    Ich habe mich entschieden, als ersten Schritt den gut gemeinten Vorschlag einer Trinkpause umzusetzen. Ich werde jetzt erstmal sechs Wochen völlig darauf verzichten, die erste Woche habe ich heute schon rum. Am Wochenende war ein guter Freund zu Besuch und eigentlich hatten wir ursprünglich geplant uns bei Bier und Grillsteaks eine schöne Zeit zu machen. Die hatten wir auch, nur dass wir das Bier durch Eiskaffee und Saftschorle ersetzt haben. Lustig war es allemal. Und schön fand ich, dass mein Freund spontan mitmachte, als ich ihm von meinem Vorhaben erzählt habe. Vermisst habe ich bislang keinen Tropfen. Am nächsten Wochenende steht eine besondere Familienfeier an, quasi der nächste "Test".

    Wenn die sechs Wochen rum sind, will ich mich genau dabei beobachten wie ich auf Alkohol reagiere, wenn ich ihn trinke. Z.B. will ich auf Parties Leute "beauftragen", die mich darauf hinweisen sollen, wenn ich beginne maßlos zu werden. Wenn vor Ablauf der Trinkpause was denkwürdiges geschieht, werde ich mich hier melden. Ansonsten liest man sich in fünf Wochen.

    Eure Ratschlänge und Meinungen haben mir gut getan! Danke dass ihr mir die Angst genommen habt, die ich noch vor einigen Tagen hatte. Ich bin schon viel entspannter.

    Viele Grüße
    Dyonisos

    P.S.: Da ich mich nun bei jeder Gelegenheit überprüfe, ob ich einen Drang verspüre, denke ich so ja erst recht an Alkohol. Das ist dann schon etwas seltsam.

  • Hallo Dyonisos!

    Sehr schön von Dir zu lesen!
    Deine Vorhaben hören sich sehr gut an vor allem auch dass Du einen Freundeskreis hast der Dich unterstützt.

    Zitat

    P.S.: Da ich mich nun bei jeder Gelegenheit überprüfe, ob ich einen Drang verspüre, denke ich so ja erst recht an Alkohol. Das ist dann schon etwas seltsam.


    Ja, das geht wohl vielen so und is in der Tat auch für bissl ´verzwackt´, is aber denk ich nich so schlimm (dran denken is ja nich verboten oder so) und lässt auch bald nach. Außerdem geht es ja grad genau darum dass Du Dich bewusst damit auseinandersetzt…
    Ich versuche für mich außerdem möglichst Positivziele zu formulieren. Ich sage mir also in etwa „Soundso möchte ich leben….“ Oder „Dasundas möchte ich in Zukunft in meinem Leben…“. Das gibt mir mehr Kraft als mich nur mit `Verboten´ zu belegen und gibt meinem Vorhaben auch eine etwas andere Dynamik.

    Zum Thema >kontrolliertes Trinken< gibt es einige gute Internetinhalte bzw. auch vieles gute an Literatur. Einfach mal in der Suchmaschine und recherchieren. Ein Buch z.B. mit dem Titel „Damit Alkohol nicht zur Sucht wird – kontrolliertes Trinken“ hatte mir mal ein guter Freund, er ist Therapeut, empfohlen.

    Und gib nichts auf die Leute die Dich vielleicht bei einem Anlass überreden wollen! „Ach komm, eins geht doch….“, „Mann oder Memme…“ und Dergleichen… Wenn Du z.B. sagst dass Du derzeit ein Medikament nimmst das unverträglich mit Alkohol ist, oder Du bist mit dem Auto da und trinkst da prinzipiell nicht o.Ä. hast Du da schnell Ruhe und du kommst nicht in Erklärungsnot oder so….

    Für Deine Vorhaben wünsch ich Dir alles erdenklich Gute,
    mit Gruß, Land-in-Sicht

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