Ich bin Co-Alkoholiker

  • Hallo erst mal. Ich lebe seit 10 Jahren mit einem Alkoholiker zusammen. In den ersten Jahren war mir nicht bewusst, dass mein Partner Alkoholiker ist, ich kannte ihn ja nicht anders. Wir haben uns zusammen unser Leben eingerichtet, eine Firma gegründet und ich habe mich ihm immer mehr angepasst, bzw. seinen Gewohnheiten. Ich habe zwei Kinder mit in die Beziehung gebracht und er ist, wenn er nüchtern war auch sehr gut mit den beiden klar gekommen. Wenn er getrunken hatte, hatte er den Anspruch, dass ich hauptsächlich für ihn da sein sollte, da die Kinder mich ja den ganzen Tag für sich hatten, spätestens da hätte ich die Reißleine ziehen sollen... Mein Partner trinkt nach der Arbeit. Tagsüber trinkt er nie, aber abends holt er alles innerhalb von ein bis zwei Stunden nach, was er sich "verdient" hat. Dann kam der Tag, als er seinen FS verlor und für mich begann eine harte, aber auch sehr schöne Zeit, denn er war anderthalb Jahre trocken. In dieser Zeit bin ich schwanger geworden, gewollt. Für mich war alles gut, er hat nicht getrunken, war er selbst und ich wusste, dass ich diesen Mann liebe.
    Leider hat sich alles wieder geändert, als er seinen FS mit viel Mühen wieder bekam... Alles fing schleichend von vorn an. Ich redete mir den Mund fusslig, demütigte ihn, schrie und immer kamen die Versprechungen. Zig halbherzige Versuche, aufzuhören. Ich wusste, dass er krank ist und wusste aber auch, dass er aufhören kann. Immer wieder habe ich mir gesagt, er hat es einmal geschafft, wenn er will, kann er es wieder schaffen, wie naiv von mir. Unsere Tochter kommt in diesem Jahr in die Schule und ich weiss, dass ich nicht mehr lange so weiter machen kann. Er ist nicht gewalttätig, arbeitet zehn Stunden am Tag ohne zu trinken, dann kommt er nach Hause, arbeitet noch in der Garage und da sind seine Verstecke, denn vor meinen Augen würde er keinen Wodka trinken. Er weiß auch, dass er Alkoholiker ist, findet aber auch immer Ausreden, warum er jetzt keinen Entzug machen kann, dann geht die Firma den Bach runter (stimmt), AA will er nicht, die haben alle nicht so viel erreicht wie er..., Ausreden, Ausreden, Ausreden.
    Seit Monaten suche ich eine Wohnung für mich und meine Kinder, weil ich weiss, es geht nicht mehr, aber das ist echt schwierig. Aber ohne Wohnung komme ich nicht weg, Verwandte habe ich nicht in der Nähe und die Freunde, haben fast alle ein ähnliches Problem zu Hause.
    Den Ausschlag, mich hier anzumelden, hat ein Ereignis dieses Wochenende gegeben, das hat mich so fürchterlich erschreckt, dass ich nun tatsächlich etwas tun muss. Ich bin Samstag Nacht von einem plätschern aufgewacht, da stand er am Kleiderschrank, in der Annahme, es wäre die Toilette und hat seelenruhig an den Schrank uriniert. Seit dem geht mir dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf. (Den Teppich hat er selber gereinigt und es war ihm auch sehr peinlich, aber der Alkohol hat natürlich nicths damit zu tun).
    Jetzt, wo ich das mal aufgeschrieben habe, geht es mir doch schon etwas besser und es klärt sich ein wenig in meinem Kopf.

  • Hallo Minihexla,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum. Eine gute Entscheidung von Dir, Dich hier anzumelden und Deine Gedanken einfach mal nieder zu schreiben. Wie Du selbst schreibst hat es Dir gut getan und ich denke, Du kannst von einem aktiven Austausch hier nur profitieren.

    Nebenher: Vielleicht wäre ja auch eine reale SHG von Angehörigen etwas für Dich. Kannst ja mal darüber nachdenken.

    Zu Deiner Geschichte: Was soll ich sagen, eine recht typische, und wie eigentlich immer, schlimme und tragische Geschichte über den Alltag mit einem nassen Alkoholiker. Was Du von ihm schreibst, seine Ansichten, seine Sprüche, sein Leugnen usw, alles ganz typisch. Ich weiß ja wovon ich spreche, denn ich war bzw. bin selbst Alkoholiker, trinke aber glücklicherweise seit langer Zeit keinen Alkohol mehr.

    Ich finde, Du hast die Situation sehr gut erkannt. Du beschreibst sie sehr klar, bist Dir darüber bewusst das es so nicht weiter gehen kann und hast wohl auch schon einen Weg für Dich geplant. Diese r sieht so aus, dass Du ihn verlässt, also ausziehst, sobald Du eine Wohnung gefunden hast. Da würde ich jetzt mal spontan sagen wollen: Damit bist Du schon weiter als viele Deiner Leidensgenossen.

    Mich beschleicht aber ein wenig das Gefühl (wobei ich mich gerne irre), dass es so einfach und so klar für Dich dann doch nicht ist, oder? Liegt es wirklich "nur" daran, dass Du noch bei ihm wohnst weil bisher keine Wohnung gefunden hast oder "hängt" da noch mehr hinten dran? Gefühle? Ängste? Hoffnung es könnte doch noch klappen?

    Ich will Dir auf keinen Fall irgendwas einreden was es gar nicht gibt. Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du ganz klar bist und Deinen Weg genau kennst. Die Tatsache, dass Du Dich selbst als Co-Abhängig bezeichnest spricht dann aber für mich eine andere Sprache.

    Was ich Dir eigentlich nur sagen wollte: Schreib uns was Dich umtreibt, frag was Du wissen möchtest - wir schildern Dir unsere Sicht der Dinge, aus eigenen Erfahrungen heraus. Hol Dir alle Hilfe die Du sonst noch bekommen kannst, SHG, Suchtberatung, was geht, nimms mit. Du steckst hier in einer Lebenskrise, in einer ganz entscheidenden Phase in Deinem Leben (und eben auch im Leben Deiner Kinder), da hast Du jede Unterstützung verdient.

    Dabei will ich es erst mal belassen. Alles Gute für Dich und ich wünsche Dir einen guten Austausch hier im Forum!

    LG
    gerchla

  • Danke für die nette Begrüßung Gerchle.
    Und Deine Einschätzung ist völlig richtig, ich lebe nicht nur noch mit ihm zusammen, weil ich bisher keine Wohnung gefunden habe. Es sind einfach noch viele Gefühle mit im Spiel. Ich weiß aber auch, dass ich weder ihm noch mir so, wie die Situation ist, helfe und selbst dabei auf der Strecke bleiben werde. Im Kopf ist mein Weg ganz klar, deswegen bin ich hier, vielleicht auch einfach für ein wenig Rückenstärkung. Ich habe mich auch schon nach realen SHG umgeschaut. Ich hab nur das Problem, dass die meistens am Abend sind und ich die Kleine schlecht allein lassen kann. Da heißt es erst mal organisieren.

  • Hallo Minihexla,

    ok, dann kann ich Deine Situation jetzt besser einschätzen. Und ich denke Du liegst dann auch richtig mit Deiner Selbsteinschätzung bezüglich Deiner Co-Abhängigkeit. Ich denke es ist wichtig, dass Du Dir genau diesbezüglich Hilfe holst. Klar, gerne auch hier im Forum aber schau Dich unbedingt auch in der realen Welt um. Es handelt sich ja auch um eine ernste Krankheit, das ist jetzt kein Schnupfen oder so.

    Aber ich denke mal, Du bist auf einem guten Weg. Weil Du die Dinge offen ansprichst und meiner Meinung nach auch erkennst, dass Du ihm nicht helfen kannst. Das ist m. E. eine ganz wichtige Erkenntnis. Und Du bist ja auch dabei gerade nach Alternativen für Dich und Deine Kinder zu suchen. Das zeigt ja auch, dass Du etwas tun möchtest, für DICH und Deine Kinder. Nicht für ihn.

    Ich habe absolutes Verständnis dafür, dass das alles nicht so einfach ist. Selbstverständlich rede ich mich aus nicht Betroffener leicht, es ist einfach Ratschläge zu erteilen, aus der Ferne nüchtern und sachlich zu analysieren und zu sagen "du musst das und das machen". Wenn man aber selbst in so einer besch....eidenen Situation drin hängt, dann ist das alles nicht so einfach. Ich hab's ja selbst erlebt, wenn auch auf der anderen Seite.

    Also, ganz wichtig aus meiner Sicht: Wenn bereits alles gesagt ist, Du bereits (wahrscheinlich mehrmals) offen mit ihm über seine Sucht gesprochen hast, ihm die Konsequenzen seines Handels klar gemacht hast und wenn das alles nichts gebracht oder verändert hat (und genau so schilderst Du es), dann ist es sicher an der Zeit, dass Du einen Plan für Dich und Deine Kinder machst. In diesem Plan geht es um DICH, um DEIN Leben (und das Deiner Kinder natürlich). Es geht nicht um ihn, nicht darum wie es ihm geht, was er denken könnte, ob er sich dann in den Abgrund säuft oder was auch immer. Es geht nur um Dich und um Dein künftiges Leben.

    Du rückst Dich in den Fokus und Du bist (neben Deinen Kindern) der wichtigste Mensch in Deinem Leben. Dein Mann, er ist erwachsen, ist für sein Leben selbst verantwortlich. Er kann sich jederzeit dazu entschließen mit dem Trinken aufzuhören. In die Entgiftung zu gehen, eine Therapie zu machen oder was auch immer. Sollte er das tun, könntest Du die Situation neu überdenken oder auch einfach Dein neues Leben weiter voran bringen. Solange er allerdings weiter trinkt, brauchst Du über solche Dinge erst mal gar keine Gedanken verschwenden.

    Und, was ich Dir noch sagen möchte: Aus eigener Erfahrung weiß, dass irgendwann auch mal ein Punkt erreicht ist, wo es eben kein zurück mehr gibt. Wo es keinen Sinn mehr macht, sich an Hoffnungen oder Erinnerungen zu klammen, zu denken, man könnte einen Zustand wieder erreichen, den man doch mal hatte und der doch so toll und ideal war. Manchmal muss man eine Entscheidung treffen und zu dieser dann auch stehen - Ich musste so eine Entscheidung treffen nachdem ich trocken wurde. Das war die Trennung von meiner damaligen Frau und damit auch vom bisherigen Papasein was meine Kinder betraf. Glaube mir, dass war die Hölle für mich, die schlimmste Zeit meines Lebens. Hätte ich diese Entscheidung damals nicht getroffen, ich bin mir sehr sicher, dass ich längst wieder trinken würde oder nie richtig damit aufgehört hätte.

    Hab Mut! Ich wünsche Dir ganz viel Kraft!

    LG
    gerchla

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