letzter Ausweg - Mutter anzeigen?!

  • Hallo liebe Community! :)

    ich bin neu hier und möchte erstmal mit einem Thema beginnen, welches mich derzeit sehr beschäftigt.

    Meine Mutter ist Alkoholikerin , schon seit vielen Jahren. Wielang genau kann ich garnicht sagen und ich vermute, mal ist es akut - mal weniger.
    Ich selbst (w30) wohne schon lange nicht mehr daheim, habe meine eigene kleine Familie und bekomme die Eskapaden daher nur am Rande und über ihren Freund mit, der sich regelmäßig an mich wendet, wenn es mal wieder eskaliert ist. Nach seiner Aussage wird es immer schlimmer und sie trinkt jeden Tag zusätzlich zu mindestens einer Flasche Wein (eher mehr) neuerdings auch noch Schnapps (ca. 1 Flasche alle 2-3 Tage).

    Ich hatte 2013 schon einmal einen Interventionsversuch unternommen. Habe mich beraten lassen, mit der Suchtberatung einen "Plan" ausgearbeitet, ein Gespräch mit ihrem Freund vorbereitet und gemeinsam wollten wir sie zur Einsicht bringen bzw sie überreden, sich helfen zu lassen. Ihr aber auch zu verstehen geben, dass wir es nicht mehr mit ansehen und andernfalls den Kontakt abbrechen.

    Ich versuchte auch den Rest der Familie zur Unterstützung mit ins Boot zu holen, aber all das ist kläglich gescheitert. Der Freund meiner Mutter kroch nach 2 Wochen aus Schulgefühlen und schlechtem Gewissen zu ihr zurück und meine Oma und Tante wollten von alledem sowieso nichts wissen und streiten die Abhängigkeit einfach ab.

    Meine Mutter ist ein starrsinniger Mensch und würde sich ihre Abhängigkeit auch niemals eingestehen. Irgendwann warf auch ich das Handtuch. Ging die letzten Jahr einigermaßen normal mit ihr um. Lies sie aber nie mit meiner Tochter (5 Jahre) alleine. Besuchte sie vielleicht einmal im Monat auf einen Kaffee.

    In letzter Zeit herrscht wieder Funkstille, nachdem die Situation auf meinem 30. Geburtstag wieder unerträglich war. Sie tauchte betrunken auf, hing mir ständig heulend um den Hals, "weil ich schon 30 bin" und verschwand nach einer Stunde, als meine Gäste alle eintrafen. Ich konnte nur noch Wut, überhauptkein Mitleid mehr empfinden. Andererseits hab ich gleichzeitig ein unerträglich schlechtes Gewissen. Ich ertrag ihre Gegenwart und die Ignoranz der anderen gegenüber ihres Alkoholproblems einfach nicht mehr. Ich telefoniere nur hin und wieder mit ihrem Freund, der es auch kaum noch aushält und überlege, was man noch tun könnte, um endlich etwas zu ändern.

    Der einzige Gedanke, der mir noch kam war, zur Polizei zu gehen und diese zu bitten, sie doch mal auf dem Weg zur Arbeit anzuhalten. Wir sind uns sicher, dass sie auch da einen Pegel hat. Auch körperlich zeigt sie mitlerweile so viele Anzeichen eines Leberschadens (denke ich, bin natürlich kein Arzt ;)), was mich bei dem Konsum und der Dauer nicht wundern würde.

    Ich bin mir sicher, sie fährt ständig betrunken und habe auch keine Lust zu warten, bis Schlimmeres passiert. Sie hatte sogar schon einige kleinere Unfälle, aber nie wurde ihr Alkoholpegel überprüft >:(

    Was sagt ihr zu dieser Idee? Ich wäre sehr dankebar für eure Meinungen!

    Viele Grüße
    chillymilly

  • Hallo Chillymilly,

    willkommen im Forum!

    Du warst schon bei der Suchtberatung, und hast dort fachliche Unterstützung erhalten. Dein Vorhaben, Deine Mutter zur Einsicht bringen zu können, ist nicht gescheitert, sondern Deine Bemühungen um das Wohl Deiner Mutter wurden von ihr abgelehnt.
    Ich sehe darin kein Scheitern Deinerseits. Was Du in Deinem Bemühen erlebt hast, ist die Realität in der fachlichen und ehrenamtlichen Suchthilfe.
    Die Ausgangslage ist wohl immer fifty fifty. Manche Süchtige nehmen Hilfe an, manche nicht. Dann ist das einfach so, und sie müssen ihren Weg bis zum Ende gehen. Entweder bis sie selbst zur Einsicht gelangen können, und ihre Sucht zum Stillstand bringen wollen, oder aber bis die gravierenden Folgen der Sucht ein Ende setzen.

    Deine Mutter hat immer noch ein stark co-abhängiges Umfeld (Freund, Oma, Tante), mit dem sie ihre Sucht in der Verleugnung aufrechterhalten kann. Du hast auch dieses Umfeld aufzuklären versucht, und mehr kannst Du jetzt nicht machen.

    Nun überlegst Du, ob Du tätig werden sollst, damit Deine Mutter in ihrer permanenten Trunkenheit nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen kann.
    Das ist ein sehr verantwortungsbewusstes Vorhaben, das aber leider zwei Seiten hat, die Du dabei in Deinem eigenen Interesse „auch“ zu bedenken hast.


      [li]Die eine Seite ist sicher die, dass Du, sollte Deiner Mutter bei einer Trunkenheitsfahrt etwas passieren, oder sie schädigt dabei sogar Unbeteiligte, Dir schwere Selbstvorwürfe machen würdest.[/li]
      [li]Die andere Seite ist die, dass Du auch geschrieben hast „Andererseits hab ich gleichzeitig ein unerträglich schlechtes Gewissen", und dieses „unerträglich schlechte Gewissen“, im Fall, wenn Du sie wegen alkoholisiertem Autofahren melden würdest, nicht kleiner, sondern eher noch „unerträglicher“ werden würde.[/li]


    Aus meiner Sicht, sowohl als betroffener, trockener Alkoholiker, als auch als Freund und Angehöriger von suchtkranken Menschen, ist die Last, die Freunden und Angehörigen durch die Sucht auf die Schulter geladen wird, alleine meist nicht zu tragen.
    Ich empfehle Dir deshalb in dieser Situation, bevor Du erneut tätig wirst, nochmals zur Suchtberatung zu gehen, und Dir dort Unterstützung zu holen. Egal was Du danach machst, Du hast dann „Profis“ an Deiner Seite, die Dir helfen können, die Last zu tragen.
    Ansonsten glaube ich, dass Du die richtigen Konsequenzen gezogen hast, indem Du den Kontakt so weit es geht abgebrochen hast.

    Loslassen kostet zwar weniger Kraft als festhalten – ist aber viel, viel schwerer!

  • Hallo Dietmar!

    Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!

    Ich denke, das "unerträglichste" wäre für mich, garnichts unternommen zu haben. Daraus entstand letztendlich die Idee, es zu melden.

    Nur weiß ich auch nicht, ob so etwas überhaupt Gehör finden würde. Hat jemand vielleicht schonmal Erfahrung damit gemacht?

    Geht die Polizei auf solche Hinweise überhaupt ein? Bin mir nicht sicher, ob es überhaupt etwas bringt...

    Sollte die Polizei den Hinweis ernst nehmen, halten sie sie vielleicht an und können doch keinen Alkohol nachweisen. Falls doch, wird ihr vielleicht der Führerschein für eine Weile entzogen und dann ist alles vergessen. nixweiss0

    Ich könnte mir nur vorstellen, dass so ein Impuls von außen vielleicht nochmal ein anderes Licht auf die Problematik wirft - im günstigsten Fall für sie selbst.

    Eine andere Befürchtung ist, dass, falls ihr eine Trunkenheitsfahrt nachgewiesen wird, evtl. auch ihr Job in Gefahr ist... Wird so etwas an die Arbeitsstelle weitergeleitet? Sie arbeitet mit Kindern zusammen, was eigentlich auch schon Grund genug wäre, es zu melden.

    Fragen über Fragen, aber du hast auf alle Fälle Recht damit, dass ich mir vorher nochmal professionellen Rat suchen werde.

    Hat jemand vielleicht schonmal eine ähnliche Situation erlebt?

    Viele Grüße und einen schönen Tag an alle! :)

  • Guten Morgen Chillymilly,

    Deine Priorität ist, etwas gegen die Trunkenheitsfahrten Deiner Mutter zu unternehmen, und Du hast für Dich damit schon die Entscheidung, die für Dich richtig ist gefunden. Das ist gut so!

    Natürlich geht die Polizei so einer Meldung nach, wenn sie glaubwürdig und ernsthaft vorgetragen wird. So ist es jedenfalls hier in meiner Region.
    Vielleicht kann Dir dazu Greenfox mehr schreiben?

    Und, ja natürlich habe ich damit schon Erfahrungen – sonst würde ich Dir dazu nichts schreiben können.
    U.a. hatten wir solche Fälle schon in unserer Selbsthilfegruppe. Teilnehmer sind betrunken mit ihrem Auto vorgefahren.
    Wir haben – wie ich Dir das prinzipiell schon geschrieben habe – im Voraus die Situation für uns geklärt. Damit wir mit unserer Entscheidung „gut leben konnten“.
    Als erstes erfolgte an die Betroffenen die Aufforderungen jemandem von uns den Autoschlüssel zu geben, und das Auto für diesen Abend stehen zu lassen. Gingen sie darauf nicht ein, riefen wir die Polizei.
    Ich hatte aber auch schon in meinem ganz privaten Umfeld Trunkenheitsfahrten, bzw. die Absicht dazu.

    Natürlich war das meist je nach Promillewert mit dem Einzug des Führerscheins verbunden. Was ja auch Sinn der Sache ist: Dass Betroffene, die erkennbar ein Alkoholproblem aufweisen, nicht mehr aktiv am Straßenverkehr teilnehmen dürfen.
    Was aber bei allen Fällen gleich war: Die Polizei hat stets gefragt, ob jemand von uns gesehen hat, dass unter Alkohol mit dem Auto gefahren wurde.

    Der Arbeitgeber erhält dazu meinem Wissen nach keine Informationen. Ich vermute, dass dabei auf den Beruf ankommt?
    Dass Deine Mutter mit Kinder „arbeitet“ birgt natürlich nochmal eine ganz andere Brisanz in sich!

  • Liebe Chillymilly,

    ich habe hier noch nie geschrieben, lese aber schon ein Weile mit.
    Zufällig hatte ich eine ganz ähnliche Situation mit meinem Vater. Wir hatten sehr begründete Annahmen, dass mein Vater betrunken fährt.
    Einmal hat der Nachbar bei meinem Onkel angerufen, dass mein Vater in seiner Einfahrt im Auto sitzt und so betrunken ist, das er nicht ansprechbar war. Mein Onkel ist dann hingefahren, da war mein Vater mit dem Auto weggefahren.

    Ich habe bei der Polizei angerufen, was man machen kann. Sie haben mir dann gesagt, dass sie weder Zeit noch Personal haben, auf Verdacht jemanden zu überwachen. Man müsste denjenigen schon auf frischer Tat ertappen. Ich könnte ihn nur anzeigen, wenn selbst ich sehen würde, dass mein Vater betrunken losfährt. Wenn ich das nur "aus der Ferne" vermute, kann ich nichts machen. Ich bin dann aber auch rechtlich nicht in der Verantwortung.
    Und die Polizei an seinem Wohnort "sucht" ihn auch nicht und stellt sich auch nicht vor die Einfahrt, um abzuwarten. Sie gehen davon aus, dass er über kurz oder lang bei einem Unfall erwischt wird und vorher machen sie nichts. Das Ganze ist in Baden-Württemberg.

    Ich würde einfach mal bei Deiner Polizei anrufen und fragen, was Du da machen kannst. Vielleicht ist ja dort anders als ich es erlebt habe.

  • Hallo liebe Community,

    danke für die Antworten!

    Euren Erfahrungen zu Folge, muss man also wahrscheinlich direkt beobachtet haben, wie derjenige trinkt und danach in ein Auto steigt und losfährt. Und selbst dann ist es noch fraglich, ob die Polizei reagiert (wie in deinem Fall Susanne68).

    Das kann ich natürlich nicht bezeugen, da ich zu der Zeit garnicht vor Ort bin.

    Sie hatte sogar schon mehrere kleine Unfälle und selbst da wurde kein Alkoholspiegel gemessen. Ich befürchte mein Vorhaben ist eine Sackgasse nixweiss0

    Möchte auch nicht bei der Polizei vorsprechen, um dann belächelt und abgewiesen zu werden (wir wohnen in einer Kleinstadt - jeder kennt jeden :-\ ). Fühl mich ein bisschen rat- bzw. hilflos :(

    Heute hatte ich meinen ersten Termin bei der Suchtberatung. Der Freund meiner Mutter wollte kurzfristig doch nicht mehr mitkommen und hat auch nicht mehr auf meine Anrufe bzw. Nachrichten reagiert, also ging ich allein. Zu meiner Idee hat der Berater sich noch nicht geäußert, war erstmal ein Kennenlerngespräch. Ging auch mehr um Emotionen usw. Bin mir auch nicht ganz sicher, ob es mir weiterhilft, aber ich werde noch ein paar Termine besuchen, um es für mich herauszufinden.

    Viele Grüße!

  • Liebe Chillymilly,


    Euren Erfahrungen zu Folge, muss man also wahrscheinlich direkt beobachtet haben, wie derjenige trinkt und danach in ein Auto steigt und losfährt. Und selbst dann ist es noch fraglich, ob die Polizei reagiert (wie in deinem Fall Susanne68).

    ich glaube schon, dass sie gekommen wären, wenn ich gesagt hätte dass er jetzt gerade losfahren will (so ähnlich wie von Dietmar geschrieben).
    Aber wenn ich sage, passen sie mal auf, morgen fährt er wahrscheinlich betrunken, was sollen sie da machen? Sie können ja keinen Streifenwagen vor die Tür stellen, bis er - vielleicht - mal betrunken losfährt, und sie können auch nicht in der ganzen Stadt Verkehrskontrollen deswegen machen, um ihn zu finden. Das ist ja auch eine Kosten- und Personalfrage.

    Mir hat der Polizist erklärt, sie müssen ihn am Steuer mit Alkohol erwischen. Reine Aussage, dass jemand mal betrunken gefahren ist, hat keine Beweiskraft und wird von keinem Gericht anerkannt.

    Gruß Susanne

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