verzweifelt, unsicher und unschlüssig

  • Guten Morgen Husky,

    ich will Dich nicht bequatschen, denn dann laufe ich Gefahr, dass ich beginne Dich zu nerven. Zu dem was Du geschrieben hast würde ich Dir aber gerne noch kurz meine Meinung sagen:

    Zitat

    dass mein (Ex?)Freund derzeit gar nicht in der Lage ist, Probleme zu erkennen, geschweige denn Lösungen dafür zu finden.


    Wenn ich an meine Trinkerzeit zurück denke, dann muss ich sagen, dass ich sehr wohl sogar relativ früh erkannt hatte, dass ich ein Problem hatte (wenngleich ich es lange als "bekomme ich locker wieder in den Griff" angesehen habe). Ich glaube auch nicht, dass das nur bei mir so war sondern ich habe mich jetzt schon mit vielen trockenen Alkoholikern ausgetauscht und alle erzählen, dass ihnen irgendwann mal bewusst wurde, dass sie ein Problem haben. Was jedoch nicht bedeutet, dass ich ernsthaft was dagegen unternommen hätte. Immer dann, wenn es mir mal besonders bewusst wurde, z. B. weil ich im Suff großen Mitst gebaut hatte, war ich motiviert etwas zu tun. Das führte dann meist entweder zu einer Trinkpause (paar Wochen ohne) oder zu einer Reduzierung der Menge (paar Tage / Wochen nur 3 oder 4 Bier). Letztlich fiel ich dann aber immer recht schnell wieder in mein altes Muster zurück. Mein Gewissen war dann aber erst mal beruhigt, dann ich hatte mir ja bewiesen, dass ich reduzieren kann bzw. dass ich auch mal ohne sein kann. Somit konnte ich ja kein Problem haben.

    Mit zunehmender Dauer der Sucht fiel mir das dann immmer schwerer und zum Ende hin musste ich immer trinken. Ich weiß nicht wie das bei Deinem Freund ist, aber Du machst es ihm natürlich verdammt leicht, wenn Du sagst "er ist nicht in der Lage Probleme zu erkennen". Das er sie als nasser Alkoholiker nicht lösen, da stimme ich Dir zu. Darum schiebt er sie vor sich her, versucht sie abzuwälzen (z. B. auf Dich), zu verdrängen usw.. Ich will Dir damit eigentlich nur sagen, dass viele nasse Alkoholiker sehr wohl wissen das sie ein gewaltiges Problem haben, dieses aber je schlimmer es wird, desto mehr verleugnen. Immer wieder nach Situationen suchen, die ihnen zeigen, dass es so schlimm ja gar nicht ist. Sehr beliebt sind hier dann auch Vergleiche mit anderen Trinkern die noch mehr konsumieren. Dagegen ist man dann ja ein Milchbubi. Letztlich geht es dabei aber ja immer nur darum, die Sucht entweder vor sich selbst oder auch vor anderen zu rechtfertigen und zu verharmlosen. Und so lange man das tut, kann man weiter trinken, was man ja eigentlich auch unbedingt möchte.

    Zitat

    Und in einer Partnerschaft ist man meiner Meinung nach füreinander da - auch in schlechten Zeiten.


    Da gebe ich Dir ausnahmslos Recht. So sollte es sein. Z. B. dann, wenn Dein Partner ein Pflegefall wäre und sich nicht mehr selbst helfen könnte, wenn er einen schweren Unfall erlitten hätte, oder vielleicht an einer Krebserkrankung leiden würde durch die Du ihn begleitest. Bei all diesen Fällen kann Dein Partner nichts dafür, hatte vielleicht Pech und kann nun aus eigener Kraft wirklich nicht mehr aus dieser Situation heraus oder mit dieser Situation leben.

    Im Falle eines Alkoholikers sieht die Geschichte aber ganz anders aus. Er ist in der luxuriösen Situation seine Krankheit SELBST stoppen zu können. Er ist sogar in der Situation, dass NUR er sie stoppen kann. Er muss es nur "einsehen" und wollen. Seine "schlechten Zeiten", die Du so treu begleitest, müssten also gar keine sein. Und durch Deine Begleitung trägst Du sogar nicht unerheblich dazu bei, diese schlechten Zeiten zu verlängern. Naja, dazu habe ich ja schon alles gesagt.

    Zitat

    Aber ich hab ihm ja auch gesagt, dass ich ihn gerne unterstütze, wenn ich darf und kann.


    Weißt Du, das finde ich z. B. absolut ok. Du bietest ihm Deine Hilfe an. Aber dazu muss er sich bewegen. Das ist doch nur fair, oder. Wenn er was unternimmt, wenn er z. B. in Therapie geht, dann stehst Du an seiner Seite und unterstützt ihn. Wunderbar. Du tust das obwohl Du weißt, dass die Gefahr eines Rückfalls sehr hoch ist, Du tust das obwohl Du die Statistiken kennst, wie viele Alkoholiker innerhalb des ersten Jahren wieder zu trinken beginnen und wieviele dann spätestens nach 2 Jahren wieder an der Flasche hängen. Damit bist Du sicher keine schlechte Partnerin sondern eine, die für ihren Partner sehr viel auf sich nehmen würde. Denn es wäre auch absolut verständlich wenn Du sagen würdest: Ich kann das nicht, ich will das nicht, ich will nicht in ständiger Angst leben, dass er irgendwann wieder mit dem Trinken beginnt und alles von vorne los geht - Ich finde, so könnte man das auch sehen.

    Aber um ihn überhaupt zu unterstüzten sollte er WENIGSTENS selbst in die Gänge kommen. Naja, auch dazu habe ich schon alles gesagt.

    Zitat

    Ich würde mir einfach wünschen, dass er genauso zur Vernunft kommt wie du und wie Andere hier in diesem Forum, die den Weg aus der Sucht gesucht und gefunden haben und dann auch gegangen sind!


    Liebe Husky, ich muss Dir sagen: mit Vernunft hatte das bei mir gar nichts zu tun. Eher mit damit, dass ich völlig am Ende war, ein absolutes Wrack, psychisch und teilweise auch schon physisch. Ich hatte wohl meinen persönlichen Tiefpunkt erreicht. Hätte es was mit Vernuft zu tun gehabt. hätte ich mindestens 10 Jahre früher mit dem Trinken aufgehört.

    Du darfst gerne darauf hoffen, dass er zur Vernunft kommt oder sonstirgendwie aufhört.Aber auch hier kannst Du gerne mal in den Statistiken stöbern. Von all den nassen Alkoholikern sind es meines Wissen nur etwa 10 % die sich überhaupt behandeln lassen. Und die Rückfallquote ist enorm. Damit will ich Dir keinesfalls die Hoffnung nehmen, Dich aber in die Realität zurück holen. Natürlich gibt es auch wenige, die tatsächlich wie aus dem Nichts und ohne großes zuTun mit dem Trinken aufhören (persönlich kenne ich da aber niemanden). Nicht selten trinken Alkoholiker einfach so lage bis sie irgendwann sterben. Entweder an direkten Folgen der Sucht, an daraus resultierenden schweren Erkrankungen oder manchmal auch an irgendwas anderem. Manche können viele Jahrzehnte auf hohem Niveau trinken bevor es zu Symptomen kommt, andere werden schon nach kurzer Zeit schwer krank. Egal wie, diese schlechte Zeiten von den Du sprichst, sind wirklich schlechte Zeiten. Die Du freiwillig mit ihm durch machst, denn es müsste nicht sein, wenn er etwas unternehmen würde.

    Warum hat es dann bei mir also "geklappt"? Und warum bei so vielen anderen nicht? Keine Ahnung, letztlich war ich derart tief unten, dass ich nur noch raus wollte. Einfach nur noch weg von dem Zeug. Endlich wieder leben. Mir ging es derart schlecht, dass mir plötzlich all die Konsequenzen die sich durch mein Outing ergeben würden und die es mir voher "unmöglch" gemacht hatten diesen Schritt zu gehen, als weniger schlimm vorkamen als wenn ich weiter trinken würde. Ich habe also diesen Punkt erreicht und wollte nicht mehr. Viele erreichen diesen Punkt nicht und trinken, trinken, trinken..... Wenn Du Dich dauerhauft von ihm trennst, und wenn Du wichtig für ihn bist, dann könnte das für ihn einen Tiefpunkt bedeuten. Der ihn vielleicht zur Umkehr bringt. Kommt in sehr intensiven Partnerschaften manchmal vor. Wenn nicht, dann ...... - stellst Du Dir vielleicht die Frage ob er es wert ist! Denn Liebe ist keine Einbahnstraße...

    So, das war's jetzt aber von mir. Ein letzter Versuch meinerseits Dir meine Erfahrungen mitzugeben. Ich wünsche Dir nur das allerbeste, Deinem Freund natürlich auch. Achte auf DICH, Du hast nur dieses eine Leben. Alles alles Gute.

    LG
    gerchla

  • Liebe Husky,

    Zitat von “Husky“

    ich kann mir vorstellen, dass für Viele das Verhalten und die Denkweise von Angehörigen von Alkoholikern unverständlich klingen mag.


    Ich glaube, dass Du Dich mit dieser Annahme irrst!
    Sonst gäbe es keine geschätzte 8 Millionen Co-Abhängige! Und jeden Tag kommen, genauso wie bei den Süchtigen, Neue hinzu.

    Zitat von “Husky“

    Ich denke, ich verstehe Alles was du schreibst - du bist ja auch ziemlich deutlich geworden


    Auch hier: Ich glaube, dass Du Dich irrst, wenn Du glaubst „verstanden zu haben“, was Dir Gerchla schrieb!
    Vor allem aber: Verstehen allein wird Dir überhaupt nichts nützen.
    Solange Du „den Sinn“ hinter den Worten nicht verstehst, die Empfehlungen nicht bei Dir selbst anwendest, wie Du mit Dir und Deiner Co-Abhängigkeit umgehen kannst, damit Du sie ablegen kannst, ist das Ganze reine Theorie.

    Solange bei Dir die positiven Aspekte Deines Verhältnisses zu Deinem Freund überwiegen, solange wirst Du co-abhängiges Verhalten an den Tag legen. Das ist wie beim Süchtigen: Solange die Sucht noch positive Aspekte hat, wird weitergetrunken …

    Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Cos in erster Linie „wohlfühlen“ wollen. Manche fühlen sich wohl, wenn sie sich ganz ihrem co-abhängigen Verhalten hingeben können, finden einen Million Ausreden, warum das, was andere von außen als „krankhaft“ beurteilen, für sie zur Normalität gehört, und gehen mit einer krankhaften Lust mit in den Untergang mit dem trinkenden Partner.
    Und andere, die hier Hilfe suchen, fühlen sie sich in der co-abhängigen Beziehung so unwohl, dass sie alle Möglichkeiten und Hilfsangebote ergreifen, um raus zu kommen.

    Aus meiner Sicht, als ehemals betroffener Alkoholiker meine ich behaupten zu können: Die oben zuerst erwähnten Cos haben mir dabei geholfen, meine Sucht, so lange wie möglich, aufrecht zu erhalten.
    Die an zweiter Stelle erwähnten haben mir dabei geholfen, ein Umdenken zu bewirken, und schließlich dann aktiv gegen meine Sucht vorgehen zu können …

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