... die Tür ist zu

  • Die Tür ist zu. Das ist für mich und meine Familie das Zeichen, wenn meine Mutter Ruhe will.

    Sie trinkt nun wieder seit etwa 3 Jahren und im Moment ist es wieder täglich und es wird immer mehr. Sie ist viele Jahre trocken gewesen. Als sie sich das letzte Mal entschlossen hat aufzuhören, war ich 10 Jahre alt. Ich war damals sehr stolz auf sie, weil ich weiß, dass man einen unglaublichen Willen braucht sich ohne fremde Hilfe da durchzuboxen. Deshalb ist mir auch bewusst, dass es ihr sehr wehtut, wieder mit dem Trinken angefangen zu haben. Sie hat mir gesagt, sie schämt sich.

    Meine Mutter ist natürlich eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Person in meinem Leben und deshalb fällt es mir so schrecklich schwer mit anzusehen, wie sie immer tiefer in diesen Sumpf gerät, ohne dass ich ihr wirklich helfen kann. Ich habe schon so viel versucht. Als sie anfing hin und wieder zu trinken, habe ich sie daran erinnert, wie schwer es ihr damals gefallen ist aufzuhören, wie schlecht es ihr ging und wie froh sie war, als sie diese Zeit endlich hinter sich gebracht hatte. Ich habe versucht herauszufinden, was der Auslöser ist, warum sie wieder trinkt. Sie sagte, dass sie sich alleine fühlt, dass es sie so unglücklich macht, dass ihre Beziehung zu meinem Vater so kaputt ist. Dann fängt sie an schlecht über ihn zu reden. Hin und wieder kann ich das ertragen und bin auch ihrer Meinung aber er ist halt mein Vater und es tut mir dann wiederum weh, wenn sie so schlecht über ihn redet. Er unterstützt mich allerdings auch überhaupt nicht, um eine Lösung für die Situation zu finden. Er sieht auch nicht ein, dass Alkoholismus eine Krankheit ist und meine Mutter nicht aus Absicht so handelt. "Nur, weil man sich schlecht fühlt kann man sich doch nicht ständig einen reinzwirbeln. Dann müssten wir das ja auch so machen.", war seine Meinung dazu. Von der Seite kann ich also keine Hilfe erwarten.

    Ich habe versucht mit meinem Opa, dem Vater meiner Mutter, über das Problem zu reden. Aber er ist direkt in seine Erzieherrolle gesprungen, hat fürchterlich mit ihr geschimpft. Das Ergebnis war, dass sie sich noch mehr dem Alkohol zugewandt hat und ich mir wahnsinnige Vorwürfe gemacht habe, dass ich mit meinem Opa darüber geredte habe. Ich hätte wissen müssen, dass er so reagiert.

    Ich habe sie vor einigen Monaten dazu überredet bekommen, ihre Hausärztin einzuweihen. Natürlich war ich nicht dabei und weiß nicht, wie ehrlich sie ihr Problem geschildert hat. Ihr wurden jedenfalls nur Tabletten verschrieben, die mögliche Entzugserscheinungen mildern sollten. Ich denke, sie hat sie vielleicht zwei Wochen genommen und dann wieder abgesetzt, weil sie von den Tabletten zugenommen hat. Danach wurde es merklich extremer mit ihrem Trinkverhalten.

    Als ich so langsam mitbekam, dass meine Noten unter der Situation leiden und ich auch einfach mal mit jemandem reden musste, habe ich mich an meine Hausärztin gewandt. Sie hat mir nicht weiterhelfen können. Also habe ich mich an eine Organisation gewandt, die kostenlose Beratungen auch für Angehörige von Suchtkranken anbot. Der junge Mann war zwar sehr nett, konnte mir aber nicht weiterhelfen. Sein Tipp war, ich solle mich soweit wie möglich zurückziehen, um mich vor den negativen Einflüssen zu schützen. Da ich aber zu Hause wohne und sie meine Mutter ist und ich mich deshalb für sie verantwortlich fühle, war dieser "Tipp" für mich einfach nur lächerlich. Ich folgte aber seinem Rat meinen Freund mit einzubeziehen, um mir die Seele etwas zu erleichtern. So könnte ich wenigstens erklären, warum ich immer erst zu Hause anrief, um ein mögliches Vorbeikommen anzumelden. Ich habe ihm also erzählt, dass meine Mutter trinkt, habe ihm erklärt, aus welchem Grund sie meint, dass sie trinkt und, was ich glaube, warum sie trinkt. Ich habe ihm von meinen Sorgen erzählt. Und er hat das Thema gewechselt, weil er sich absolut nichts darunter vorstellen kann. Vielleicht, und ich hoffe, dass ich in der Vermutung falsch liege, will er sich mit so etwas nicht belasten. Ich habe es hin und wieder versucht über meine Ängste zu reden aber er blockt es ab.

    Diese ständigen Sorgen, dass etwas passiert, die allgegenwärtige Angst nach Hause zu kommen und sie völlig betrunken irgendwo rumliegen zu sehen, macht mich wahnsinnig. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen, weil ich mir jede Sekunde die Frage stelle, wo das enden soll. Vor einigen Monaten ist sie die Treppe heruntergefallen. Nachdem sie sich überschlagen hatte, lag sie mit offenen Augen unten am Treppenabsatz. Ich habe gedacht, sie sei tot. Ich habe solche Angst sie früher oder später, durch Stürze, Autounfall oder Folgeschäden zu verlieren, dass diese Angst mein Leben prägt. Ich merke, wie ich mich verändere, unsicher werde und an Selbstbewusstsein verliere. Das alles will ich nicht. Es muss doch auch einen Zwischenweg geben. Ich möchte für sie da sein aber muss gleichzeitig taub gegenüber ihrem Verhalten werden. Bisher ist mir allerdings noch kein Weg eingefallen, wie ich das schaffe.

    Schnurzel

  • Hallo Schnurzel und grüß Dich hier im Forum :)!

    Dein Beitrag ergreift mich sehr. Und ich finde es sehr gut dass du dich mit deinen Problemen auch nach außen wendest und Hilfe suchst weil ich sehr gut nachvollziehen kann dass die Situation dich oft überfordert. Zumal du ja auch wie es scheint noch sehr jung bist.
    Lass dich nicht davon entmutigen dass du bisher an der ein oder anderen Beratungsstelle enttäuscht wurdest und suche weiter bis du die Informationen und Ratschläge bekommst die für dich wichtig sind. Berater sind auch nur Menschen und es gilt für dich halt den/diejenigen zu finden der für dich in deiner Situation der/die Richtige ist und auch die richtigen Worte findet. Suche dir auch weiter Leute mit denen du reden und dich austauschen kannst damit du mit der Sache nicht alleine für dich da stehst! Das dein Freund damit vielleicht überfragt ist oder es nicht versteht kann ich irgendwie zum Teil verstehen …zuhören, denk ich, sollte er dir aber.

    Beratungsstellen gibt es sehr viele bei den unterschiedlichsten Trägern. Und z.B. auch das Internet bietet ein breites Feld bei der Informationssuche. Sicher kommen hier auch noch Beiträge mit genaueren Hinweisen dazu! Hier im Forum sind einige fitte Leute unterwegs. Ich bin noch nicht so lange hier aber in den Threads habe ich auch einige Beiträge von betroffenen Angehörigen gelesen, such dich doch auch da mal durch…

    Ich selbst kann dir grad nur aus der ´anderen´ Sichtweise heraus schreiben weil ich jahrelang ´der Trinkende´, also nicht Angehöriger war. Darum wie es meinen Angehörigen geht habe ich mir bis vor Kurzem, also bis zu meinem Ausstieg, aufgrund meiner Suchtkrankheit leider herzlich wenig Gedanken gemacht :(. Obwohl ich sie sehr, sehr lieb habe...
    Direkte Hilfeversuche, also zum Beispiel Streits und Zureden meiner damaligen Freundin bin ich stets vehement mit Ablehnung begegnet. Selbst als sie mich nach mehreren Androhungen verlassen hatte hat mich dies nicht wachgerüttelt. Dies nur als Beispiel.
    Auch von Eltern, Geschwistern und guten Freunden kamen zahlreiche fruchtlose Versuche mir zu Helfen. Meine Besserungsversprechen waren dazumal eher ´Versprecher´… Wenn sie mir wegen Geldmangel was liehen hab ich, zwar schlechten Gewissens aber dennoch, auch Alkohol davon gekauft. ……..et cetera pp. …………. Heute würde ich anders handeln…

    Unendlich dankbar bin ich ihnen allerdings dafür dass sie mir IMMER das Gefühl gaben dass sie an mich glauben und mir Mut für eine bessere Zukunft machten, auch wenn ich grad den größten Mist gebaut hatte.

    Nun Schnurzel, die Art deiner geschriebenen Gedanken, und wie du sie schreibst und formulierst zeigen mir dass du ein sehr intelligenter Mensch bist und sicher mit großem Selbstbewusstsein durch die Welt gehen kannst!!

    Ich wünsche Dir viel gute Kraft für alles,
    und es gibt IMMER einen Weg, immer einen Funken Hoffnung!

    Alles Gute und Gruß
    Land-in-Sicht

    PS.:
    Einzwei Gedanken noch:

    Ich hab mal gelesen dass es für einen alkoholkranken Menschen heilsam sein kann wenn man ihn in seinem Vollrausch filmt und dies später zeigt wenn er nüchtern ist. Als Spiegel sozusagen. Ich habe einiges an Alkoholabstürzen hinter mir bei denen ich die übelsten Dinge tat am nächsten Tag aber nicht im Geringsten wusste, absolut keinerlei Erinnerung hatte was da eigentlich gelaufen war…(Filmriss) Irgendwie wünschte ich mir selbst einer meiner Bekannten hätte mein zweites Ich mal gefilmt und mir gezeigt… wer denkt da in solchen Momenten aber schon an so was…

    Hab auch mal irgendwo am Rande aufgeschnappt das es möglich ist jemanden der nicht mehr zurechnungsfähig ist, sich und andere stark gefährdet zur Entgiftung (und Therapie?) zwangseinweisen zu lassen…das ist aber nicht ganz so einfach und von mir her jetzt auch ´ne ganz unsichere Info! Andere, hier oder anderswo, wissen diesbezüglich sicher besser Bescheid.

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (31. März 2014 um 01:45)

  • Hallo Schnurzel,


    Sein Tipp war, ich solle mich soweit wie möglich zurückziehen, um mich vor den negativen Einflüssen zu schützen. Da ich aber zu Hause wohne und sie meine Mutter ist und ich mich deshalb für sie verantwortlich fühle, war dieser "Tipp" für mich einfach nur lächerlich.

    Ich bin der Meinung, dass du dich überforderst, wenn du versuchst, Verantwortung für das Handeln deiner Mutter zu übernehmen. Du kannst sie nicht daran hindern oder davor bewahren, sich zu betrinken. Du kannst sie nicht davor schützen, auf der Treppe zu stürzen, du kannst nicht…

    Vielleicht ist es eine Möglichkeit, dass du Verantwortung an deine Mutter zurück gibst.
    Vielleicht kann dazu der folgende Link eine erste Hilfe sein.

    http://www.alkoholsucht.eu/praktische-rat…uer-angehoerige

    Alles Gute
    Katro

  • Hallo Schnurzel,
    das mit der Zwangseinweisung wird nicht funktionieren, die Messlatte liegt da viel zu hoch: Jeder Mensch hat hierzulande das Recht, sich "unvernünftig" zu verhalten. Selbstgefährdung bezieht sich nur auf akute Suizidalität, "Gemeingefahr" sezt erheblich gefährdende Handlungen für andere voraus. Eine "Zwangstherapie" hat zudem einen weiteren Nachteil: Sie würde nicht funktionieren, deshalb macht das auch niemand. Du kannst deiner Mutter die Entscheidung nicht abnehmen, ob sie trinkt oder nicht, du kannst ihr durch deine Verhalten aber Gründe liefern, weiter zu trinken, auch wenn du das Gegenteil bezweckst.
    Also: Nicht kontrollieren, nicht kritisieren, nichts abnehmen, nichts entschuldigen, klare Regeln: Wenn du betrunken bist, rede ich nicht mit dir, ich lasse mich von dir nicht benutzen, ich kümmere mich um mich selbst, tu du das gleiche für dich...

    LG

    Praxx

  • hallo, ich weis noch nicht genau wie man ein neues Thema öffnet, sorry. ich habe eine allgemeine frage zum Thema Alkoholmissbrauch o. abhängikeit. meine Vorgeschichte ist die das ich vor zwei jahren mit dem Alkohol angefangen habe, von ein paar gläser wein bis zum schluss eine flasche jeden abend. dies ging ca. ein jahr. danach bin ich in die Klinik hauptsächlich wegen meinen Medikamenten, die ich zwischendurch auch noch genommen habe. eben um die abzusetzen. da war ich bis August 2013. ich habe in der Klinik nie getrunken was mir auch nicht sonderlich schwer fiel, trotzdem meinte die ärtztin ich sei abhängig. im August ging es dann wieder heim, seit dem habe ich mal auf dem Weihnachtsmarkt ein paar Glühwein getrunken aber eben nicht aus sucht sondern weil die Stimmung schön war. dann mal wieder im Januar beim skifahren. seit 5 Wochen trinke ich gar nix, der weinkorb steht bis oben hin voll trotzdem interessiert es mich gar nicht. meine frage ist nun, wie kann ein mensch der ein jahr jeden abend eine flasche wein getrunken hat, nicht abhängig werden? und ich fühle mich wirklich nicht abhängig kein bedarf nach Alkohol. ein freund von mir in der Klinik hat über den selben Zeitraum auch wein getrunken und ist total abgestützt. gibt es sowas wie suchtresistenz? danke für antworten

  • Hallo
    Suchtresistenz gibt es meiner Meinung nach nicht.
    Es gibt aber Leute, die schneller süchtig werden als andere. Warum auch immer.
    Insofern kannst du dich freuen, dass du nicht zu diesen dazu gehörst.
    Du kannst mit dem Thema wohl ganz entspannt umgehen - es sei denn, du würdest hier flunkern.
    Wir erleben hier nämlich auch immer wieder Kandidaten, die es lustig finden, andere zu verscheißern.
    Du bist aber sicher keiner von denen...

  • Hallo Ennasu,


    Suchtresistenz gibt es meiner Meinung nach nicht.

    ich bin mir da nicht so sicher. Wenn du meine Geschichte gelesen hast, dann weißt du, daß ich jahrezehntelang starken Alkoholmißbrauch getrieben habe, auch körperlich abhängig geworden bin, aber trotzdem keinerlei Suchtgefühle entwickelt habe.

    LG Walker

  • Walker
    Wieso hast du dann getrunken bis du körperlich abhängig warst?
    Ohne Suchtgefühle - aus Jux und Dollerei?


  • Wieso hast du dann getrunken bis du körperlich abhängig warst?
    Ohne Suchtgefühle - aus Jux und Dollerei?

    Ja, könnte man so sagen. Man muß ja nicht süchtig sein, um gerne Alkohol zu trinken...

  • Sorry,
    dass wir hier abgeschweift sind.

    @Walker
    Ich such mal deinen thread um dir zu antworten.

  • Hallo, Schnurzel!

    Ich habe Deinen Bericht gelesen und er hat mich sehr berührt. Und da er ja nun schon ein Weilchen her ist, wollte ich mal vorsichtig nach dem derzeitigen Stand der Dinge fragen ...

    Ich kann katro nur zustimmen, wenn er schreibt, dass Du keine Verantwortung für das Handeln Deiner Mutter übernehmen kannst. Vielleicht hast Du ja auch die Möglichkeit, mal zu einer Selbsthilfegruppe für Angehörige (z.Bsp. Al-Anon) zu gehen und Dich dort mit Menschen, die dieselben/ähnliche Erfahrungen wie Du gemacht haben, auszutauschen. So ein Forum wie hier ist zwar sehr nützlich, trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass ein persönliches Gespräch mit Betroffenen viel intensiver helfen kann - denn meist wirft die Antwort auf eine Frage 100 neue auf...
    Vielleicht hilft ja auch dieser Link etwas: http://www.a-connect.de/hilfea.php

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

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