noch ein Neuling

  • Guten Abend.
    Ich versuche mich kurz zu fassen, hier meine Story:

    ich trinke regelmäßig, seit ich im Berufsleben stehe. Das sind jetzt ca. 13 Jahre, heute bin ich 33.
    Am Anfang nur an den Wochenenden, seit ich bei den Eltern ausgezogen bin immer mehr. Wobei "mehr" hier sehr relativ ist. Ich denke es liegt am Stress im Job und weil ich viel allein bin. Sicher bin ich mir natürlich nicht. Es kann auch ein Stück Langeweile sein.

    Ich trinke seit ca. 3 Jahren täglich entweder 1-1,5 Liter Wein, 0,5 Liter Ouzo oder 4-5 Liter Bier. Je nach Lust und Laune. Gesteigert hat sich der Konsum seit langer Zeit nicht mehr. Ich bin also niemand, der überhaupt in Erwägung zieht 1-2 Flaschen Wodka und/oder einen Kasten Bier zu trinken. Auf 30 Tage habe ich vielleicht 2-3 Tage, an denen ich nichts trinke. Meistens, weil der Tag davor zu heftig war.

    Ich bin viel im Außendienst tätig, trinke niemals bei Mandanten. Sehr selten im Büro. (wenn ich weiß, dass ich alleine bin und es kurz vor Feierabend ist). Eigentlich immer nur früh am Abend ab 17 Uhr für ein paar Stunden und penne dann ein.

    Inzwischen kann ich die Kopfschmerzen und alles was dazu gehört am nächsten morgen sehr gut ignorieren.

    Natürlich merke ich inzwischen auch körperlich, dass es bergab geht. Aber auch das habe ich lange ignoriert. Bis letzte Woche Sonntag, dem Tag vor Silvester.

    Ich habe jetzt 7 Tage nicht mehr getrunken und bin inzwischen völlig verwirrt. Denn: es fällt mir leicht!!
    Natürlich denke ich an Alkohol, aber das Verlangen war in den letzten Tagen nie richtig schlimm.
    Deshalb eine Frage zum Schluss: Bin ich überhaupt Alkoholiker? Natürlich, klar. Ich habe über Jahre jeden Tag gesoffen. Aber wenn ich mich hier mit anderen "vergleiche" dann ist mein Konsum eher überschaubar. Ich habe auch keine richtigen Entzugserscheinungen. Ich kann schlecht schlafen, aber das war mit Alkohol genau so. Ich achte im Moment darauf, sehr viel Tee und Wasser zu trinken, sicher 4 Liter pro Tag. Ich glaube das hilft mir.

    Mehr fällt mir im Moment nicht ein. Wenn jemand Fragen hat, gerne her damit.

    PS: auf die nächsten 7 Tage...

  • Guten Abend Daniel177,

    willkommen im Forum!

    Mal wieder Zeit faktisch zu relativieren, damit Du ein Verhältnis zu den Alkoholmengen hast, wenn Du täglich trinkst:

    1,5 L Wein = 132 gr reiner Alkohol
    0,5 L Ouzo = 152 gr reiner Alkohol
    5 0,5 L Bier = 98 gr. reiner Alkohol
    1 L Wodka = 304 gr reiner Alkohol

    Die von Fachleuten gerade noch zu tolerierende tägliche Menge/Tag sind 24gr. beim Mann. Bei gleichzeitiger Empfehlung zu mindestens 2 komplett Alkoholfreien Tage in der Woche.
    Die Gründe, warum jemand (weiter)trinken muss, der bereits alkoholabhängig ist, sind eigentlich beliebig austauschbar. Stress im Job, Stress in der Ehe, Stress mit den Eltern, Langeweile, keine anderweitige Befriedung der Bedürfnisse, usw. Manchmal schlechtes Wetter – und auch bei schönem Wetter „schmeckt“ es.
    In Wirklichkeit aber ist halt die Sucht, die Betroffene dazu zwingt.

    Zitat von "Daniel177"

    Inzwischen kann ich die Kopfschmerzen und alles was dazu gehört am nächsten morgen sehr gut ignorieren.
    Natürlich merke ich inzwischen auch körperlich, dass es bergab geht. Aber auch das habe ich lange ignoriert.


    Das nennt man Toleranzentwicklung gegenüber dem Nervengift Alkohol. Und erfahrungsmäßig findet in der Phase, in der Du Dich noch zu befinden scheinst, auch keine großartige Mengenerhöhung statt, weil Du „Deinen Pegel“ erstmal erreicht hast.

    Toll, dass Du jetzt die Gefahr erkannt hast, in die Du bisher hineingeschlittert bist. Das ist eine großartige Chance, jetzt noch das Ruder herumzureißen – und mit dem Missbrauch des Suchtmittels aufzuhören, bevor Du die hauchdünne Grenze zur Sucht überschreitest.

    Zitat

    Natürlich denke ich an Alkohol, aber das Verlangen war in den letzten Tagen nie richtig schlimm.


    Dagegen hilft, wenn Du Dir klarmachst, was Du Dir und Deinem Körper so viele Jahre schon zugemutet hast, und dass Du es nur wahnsinnig viel Glück zu verdanken hast, wenn Du jetzt noch abspringen kannst.

    Zitat

    Deshalb eine Frage zum Schluss: Bin ich überhaupt Alkoholiker? Natürlich, klar. Ich habe über Jahre jeden Tag gesoffen.


    Nein, überhaupt nicht klar. Selbst Fachleute könnten Dir darauf keine 100%tige Diagnose stellen. Missbrauch war es garantiert, weil die Mengen deutlich über den Grenzwerten liegen. Aber Sucht ist oft auch sehr stark von psychischen Faktoren abhängig.
    Letztlich spielt das aber keine Rolle. Wichtig ist ja, wie Du selbst darüber denkst, und ob Du das hohe Risiko einer lebenslangen Suchterkrankung eingehen möchtest. Oder eben jetzt, wo es Dir noch ohne großartige Nebenwirkungen und Konsequenzen möglich ist damit aufzuhören, mal eine Zeitlang – so wie Du es offenbar schon machst – komplett auf Alkohol zu verzichtest. Das tut Deinem Kopf gut und Deiner Leber so wieso.

    Viel alkoholfreie Getränke, egal ob Wasser, Tee oder Säfte helfen tatsächlich bei der Entgiftung und Entschlackung Deiner Organe. Also alles richtig gemacht.
    Im Übrigen schwören manche trockene Alkoholiker sogar darauf, bei Suchtdruck viel Wasser zu trinken, bis er wieder weg ist.

  • Hallo Daniel,

    herzlich Willkommen im Forum.

    Gleich mal ein paar Anmerkungen meinerseits:

    Zitat

    Deshalb eine Frage zum Schluss: Bin ich überhaupt Alkoholiker? Natürlich, klar.


    Immer wieder die zentrale Frage, bin ich überhaupt schon süchtig? Was wäre, wenn Dir ein fachlich qualifizierter Mensch sagen würde "nein, Du bist noch kein Alkoholiker"? Würdest Du dann so weiter trinken wie bisher? Oder würdest Du dann versuchen reduziert weiter zu trinken? Sicher wärst Du erst mal erleichtert, weil Du noch nicht süchtig bist aber was hätte das für Konsequenzen für Dein weiteres Leben mit oder ohne Alkohol?
    Denk mal darüber nach, das ist spannend.

    Wie Dietmar schon schrieb, ist die Grenze zwischen Missbrauch und Sucht fließend und individuell unterschiedlich. Es gibt Menschen die mit 2 Bier regelmäßig getrunken innerhalb kurzer Zeit in die Sucht rutschen, andere können längere Zeit sehr viel mehr regelmäßig trinken und sind nicht süchtig. Sie schädigen natürlich trotzdem ganz enorm ihren Körper, jedoch können sie mit dem Trinken aufhören und müssten nicht trinken.

    Niemand wird Dir genau, also 100%ig sagen können, wo Du jetzt gerade stehst. Irgendwann wirst Du es aber dann mal wissen. Und zwar dann, wenn es längst zu spät ist.

    Was heißt das also jetzt? Egal ob Du süchtig bist oder missbrauch betreibst, Du solltest etwas an Deinem Alkoholkonsum verändern. Wenn Du süchtig bist, dann bleibt Dir wahrscheinlich nur die totale Abstinenz. Wenn Du Missbrauch betrieben hast, dann kannst Du vieleicht zu einem moderaten, unbedenklichen Konsumverhalten zurück finden. Was unbedenklich bedeutet, hat Dietmar Dir ja geschrieben.

    Was aus meiner Sicht aber klar ist: Du bzw. Dein Körper und Deine Psyche wissen, wie Alkohol funktioniert und wofür man ihn "gut" einsetzen kann. Deshalb wirst Du wohl immer, auch wenn Du noch nicht süchtig bist, sehr darauf achten müssen, wie Du mit ihm umgehst. Denn, wie man so schön sagt: "gelernt ist gelernt".

    Ich glaube also, dass es auch für einen Missbräuchler nicht so ganz einfach ist zu sagen: "naja, jetzt trinke ich halt nur noch maximal ein Bier am Tag und an zwei Tagen gar nichts". Da gehört trotzdem einiges an Disziplin dazu und wohl einiges an "Umdenken". Trinktagebücher könnten da auch hilfreich sein, also hier kommt dann aus meiner Sicht auch das kontrollierte Trinken wieder ins Spiel, dass m. E. bei noch nicht süchtigen Menschen funktionieren kann.

    Ich denke, ich würde an Deiner Stelle jetzt erst mal eine sehr lange Zeit komplett auf Alkohol verzichten. Mal ein paar Monate. Wenn Du nicht süchtig bist, sollte Dir das relativ einfach gelingen. Beobachte dabei dann vor allem auch Deine Gedanken. Wie sehr drehen sie sich um Alkohol? Wie gerne und oft würdest Du Dir eins aufmachen und zu welchen Anlässen? Vielleicht hast Du gar keine Gedanken in diese Richtung, das wäre natürlich wunderbar.

    Wenn Dir das problemlos gelingt, Du weiter keine Gedanken an trinken hast, dann könntest Du der Sucht nochmal von der Schippe gesprungen sein. Wenn nicht, dann musst Du mal überlegen wie es für Dich weiter gehen soll.

    Ach und übrigens: So ein Leben ganz ohne Alkohol ist kein Verzicht. Ich habe zu keiner Zeit Verzicht empfunden und lebe wirklich sehr gerne so. Der einzige Vorteil den ich heute für mich sehen würde, wenn ich nicht süchtig wäre und Alkohol gefahrlos trinken könnte, wäre, dass ich nicht mehr aufpassen müsste. Also z. B. bei Speisen oder bei Medikamenten. Ansonsten würde ich aus heutiger Sicht und den nur positiven Erfahrungen meines Lebens ohne Alkohol noch nicht mal an Silvester mit Alkohol anstossen wollen. Mir fehlt wirklich nichts ohne.

    Alles Gute wünsche ich Dir.

    LG
    gerchla

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