• guten Morgen und Hallo an alle,

    ich bin Lilo und nicht ganz neu hier, hatte mich schon letztes Jahr registriert und mich danach nicht mehr gemeldet.
    Weil alles gut schien. Ist es aber nicht.

    Ich bin 64 Jahre alt, weiblich und komme aus einer Alkoholikerfamilie: mein Vater hat getrunken, Entzug gemacht, danach hat meine Mutter zu trinken begonnen. Meine beiden Brüder sind im Alkoholrausch verunglückt, mein erster Mann und Vater meiner Kinder ist im Rausch mit dem Auto verunglückt. Alle sind seit Jahren tot.
    Nur meine beiden Kinder und ich leben noch.

    Nun habe ich seit 15 Jahren meinen eigenen Alkoholiker. Mein Partner ist lieb und süß - aber trinkt. Täglich und regelmäßig. Manchmal bis zum Vollrausch. Meistens aber nur bis angeheitert.

    ich trinke auch - seit Jahren - mit ihm mit.
    Aber ich will es nicht.
    es zerstört uns und unsere Beziehung.

    Häufig kommt es zum Streit. Es eskaliert (noch) nicht, aber wir werfen uns Schimpfwörter an den Kopf. Kürzlich war ich nahe daran ihm eine zu scheuern, weil er im trunkenen Zustand nicht aufgehört hat, zu ätzen.

    Letztes Wochenende gab es Riesenstreit wegen seiner Tochter, die er nur einmal im Jahr sieht und die bei uns zu Besuch war.
    Weil ich da erkannt hab, was noch mit ihm noch alles möglich wäre. Nämlich Ausflüge machen, gemeinsame Unternehmung usw.
    Das haben wir beide schon lang nicht mehr.
    Die Tage erschöpfen sich in Essen, Trinken, Fernsehen.
    Ansonsten ist mit ihm nicht mehr viel möglich. Wegen Rückenproblemen, denen er nicht entgegensteuert, wegen Kreislaufproblemen, etc.

    Die letzten Tage waren schmerzhaft verzweifelt, bei beiden.
    Gestern hatten wir eine gute Aussprache.
    Aber ich weiss mittlerweile, dass das nur ein paar Tage hält und sobald sich der Alltag einschleicht, wir wieder in unser altes Muster verfallen: Vorwürfe, streiten, gegenseitige Fehler und Schuld suchen, verzweifelt sein.

    Ich habe ihm angekündigt, dass SO nicht mehr weitermache und mir Hilfe suchen werde.

    Nun, hier bin ich, ich möchte mich mit Euch austauschen, mir Kraft und Rat holen.

    Vielen Dank, Lilo

  • Hallo lilo,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum. Schön, dass Du Dich entschlossen hast hier aktiv zu schreiben.

    Ich stelle mich mal ganz kurz vor: Ich bin Ende 40, Alkoholiker und lebe jetzt schon länger ohne Alkohol.

    Du hast ja leider in Deinem Leben schon reichlich sehr schlimme Erfahrungen mit der Alkoholsucht sammeln müssen. Das liest sich alles sehr schlimm und tragisch und diese alkoholbedingten Schicksalsschläge waren oder sind für Dich bestimmt nicht so einfach zu verkraften. Hast Du da jemals irgendwas gemacht, ich meine Dir z. B. psychologische Hilfe gesucht um mit diesen Dingen umgehen zu können oder machst Du das alles mit Dir selbst aus?

    Vorab auch noch die Frage: Siehst Du Dich selbst als Alkoholikerin? Du schreibst, dass Du seit 15 Jahren Deinen "eigenen Alkoholiker" hast aber ebenauch, dass Du seit Jahren mit ihm trinkst. Deshalb meine Frage. Das macht dann schon nochmal einen Unterschied, ob man "nur" einen trinkenden Partner hat oder ob man selbst auch abhängig trinkt. Wie schätzt Du denn da Deine Situation selbst ein?

    Ich stelle jetzt mal noch ein paar Fragen, damit ich Deine Situation besser verstehen kann. Ob Du mir / uns hier im Forum diese Fragen beantworten möchtest liegt natürlich allein bei Dir:

    Wie steht Dein Partner zu dieser ganzen Geschichte? Sieht er sich selbst als Alkoholiker? Erkennt er, dass er ein Problem hat? Will er was dagegen tun oder hat er vielleicht schon mal versucht etwas dagegen zu tun? Ist es so, dass ihr beide aktuell nicht mehr arbeitet und den kompletten Tag miteinander zuhause verbringt? Es liest sich so.

    Vielleicht hast Du Lust, diese Fragen zu beantworten. Dann könnten wir hier Deine Situation noch ein wenig besser einschätzen und unsere Meinung etwas klarer formulieren. Ich würde mich freuen wieder von Dir zu lesen.

    Ansonsten wünsche ich Dir natürlich einen guten und hilfreichen Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

  • lieber Gerchla, guten Morgen

    gern beantworte ich Deine Fragen. Ich habe mir ja vorgenommen, den täglichen Besuch im Forum zum Ritual zu machen, um einen Anker zu haben bzw. einen Platz, an dem ich stehenbleiben kann, um vorwärts zu kommen.

    zu Deiner ersten Frage:
    Jein: ich habe mir keine direkte Hilfe gesucht. Als Kind übernahm ich die Helferrolle, später studierte ich einen Helferberuf (Sozialarbeit) und lernte so rein theoretisch das Wissen über Alkoholsucht in ihrem ganzen Ausmaß.

    Emotional habe ich alles mit mir selbst ausgemacht, war in keiner Therapie oder Beratung. Daher stehe ich gefühlsmäßig nicht immer über den Dingen.

    Mein Partner sieht das Problem auch. Er weiss, dass er Alkoholiker ist, glaubt aber, es im Griff zu haben. Er kann auch lang vorher eine Zeit der Abstinenz planen und zieht das dann durch. Letztes Jahr war er ein halbes Jahr lang trocken.

    Wir arbeiten beide noch, ich als selbständige Beraterin, er ist 69 Jahre alt, Künstler/Musiker und viel und oft in der ganzen Welt unterwegs.
    Oft sehen wir uns wochenlang nicht. Obendrein hat er eine Wohnung fernab von hier und unser Zusammensein komprimiert sich auf ca. 6 Monate im Jahr. Ich denke, dass der räumliche Abstand und dass jeder eine Weile für sich allein sein kann, das Problem dann immer wieder einschlafen lässt.

    Ich will es aber nicht schlafen lassen, denn es holt uns immer wieder ein.

    Ich selbst sehe mich auch als Alkoholikerin. Ich trinke in Stresssituationen, wenn ich das Gefühl habe, überfordert zu sein und mit etwas nicht fertig zu werden, oder wenn ich verzweifelt und traurig bin. Und natürlich auch in Gesellschaft und wenn wirs lustig haben.

    Einstweilen einen guten Tag an alle, die es lesen.
    Bis morgen, lieben Gruß, Lilo

  • Guten Morgen lilo,

    vielen Dank für Deine offene Beantwortung meiner Fragen. Jetzt kann ich mir Eure Situation schon viel besser vorstellen.

    Ok, er sieht sich selbst als Alkoholiker aber eigentlich ja nicht so richtig, denn sonst würde er wissen, dass ein Alkoholiker es eben nicht mehr im Griff hat. Was Du von seinem Trinkverhalten beschreibst, erinnert mich an meine ersten Alkoholikerjahre. Da konnte ich das auch ganz gut, also das mit den längeren Trinkpausen. Und tatsächlich kenne ich auch Menschen, die das gefühlt ihr Leben lang so praktizieren können. Ich kenne Menschen, die aus meiner Sicht schon immer (also so lange ich sie kenne) kritisch getrunken haben. Immer so, dass es eindeutig zu viel war, machmal auch über einen längeren Zeitraum um dann jedoch wieder die Kurve zu bekommen und wieder eine Zeit moderat oder auch mal gar nichts mehr zu trinken.

    Ich kenne zwei solche Menschen, die jetzt auch schon ein höheres Alter erreicht haben (allerdings gesundheitlich nicht im besten Zustand) und nie richtig abgestürzt sind, also nie diese klassische Alkoholikerkarriere hingelegt haben. Sowas gibt es also auch, hat vielleicht was mit der individuellen Suchtveranlagung jedes Einzenlen zu tun. Wobei, wie schon gesagt, die beiden sind deutlich gezeichnet von den gesundheitlichen Nebenwirkungen des langjährigen Alkoholkonsums. Egal ob süchtig oder nicht!

    Da stellt sich dann die Frage, ob diese Menschen wirklich Alkoholiker sind oder ob sie "nur" ihr Leben lang Missbrauch betrieben haben. Diese Menschen haben z. B. ein kein Problem, wenn sie z. B. Auto fahren müssen (auch spät abends), den ganzen Tag nichts zu trinken. Müssen sie aber nicht fahren, trinken sie. Sie können aber verzichten, ohne dass auf den ersten Blick irgendwelche Nebenwirkungen zu erkennen wären. Ich meine da nicht mal die körperlichen Symptome sondern auch so Dinge wie miese Laune oder so. Alles kein Problem.

    Was ich sagen will: Es ist also ganz ganz schwer von außen zu bestimmen, ob jemand Alkoholiker ist oder nicht. Bei Deinem Partner kann ich das auch nicht sagen. Was man aber wohl sagen kann ist, dass er nicht den dringenden Wunsch verspürt dauerhaft abstinent leben zu wollen, auch wenn er ein Problem sieht. Denn er hat es ja seiner Meinung nach im Griff und es scheint (ich intrepretiere das mal), dass es für ihn soweit ok ist. Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn es etwas weniger oder anders wäre aber es klingt für mich so, dass sein Leidensdruck jetzt nicht so enorm ist.

    Und jetzt kommst Du: Du siehst Dich als Alkoholikerin. Auch bei Dir könnte man das von außen jetzt nicht so einfach sagen. Aber Du siehst Dich selbst so und Du kannst das selbst auch als einzige richtig einschätzen. D. h. Du kannst in bestimmten Situationen nicht auf Alkohol verzichten, musst dann trinken. Du scheinst jetzt aber keine Spiegeltrinkerin zu sein, die jeden Tag trinken muss um einen gewissen Alkoholpegel im Blut zu haben.

    Aber auch das ist jetzt mal alles egal. Entscheidend ist jetzt aus meiner Sicht, dass DU mit Deiner aktuellen Situation, mit Deinem Leben nicht mehr zufrieden bist. Du willst etwas ändern, Du willst so nicht mehr weiter machen.

    Was Du bisher noch nicht geschrieben hast ist, wie weit dieser Änderungswunsch eigentlich geht. Strebst Du ein dauerhaft alkoholfreies Leben an? Willst Du, dass Dein Partner auch dauerhaft alkoholfrei lebt? Oder ist es "nur" Dein Wunsch, dass ihr wieder besser zusammen findet und das sich das mit dem Alkohol vielleicht etwas minimiert jedoch eigentlich würde es Dich nicht stören wenn das andere wieder stimmen würde?

    Ich sag jetzt mal so: Letzteres wird nicht auf Dauer funktionieren, wenn Ihr beide Alkoholiker sein solltet. Es wird auch nicht funktionieren, wenn einer von Euch beiden Alkoholiker ist.

    Wenn Du den Wunsch hast dauerhaft alkoholfrei zu leben, dann kannst Du das auch schaffen. Allerdings hat das dann erst mal nichts mit Deinem Partner zu tun. Was der macht, ist seine Sache. D. h. Du müsstest Dir dann auch überlegen, wie Du damit umgehen möchtest, wenn er weiter trinkt, Du jedoch nicht mehr.

    Das ist jetzt alles ein wenig viel von mir geschrieben hier, aber ich hoffe Du kannst meine Gedanken nachvollziehen. Das sind alles Dinge, über die Du selbst auch nachdenken solltest. Wahrscheinlich hast Du das schon längst gemacht aber ich weiß es ja nicht. Denn je nachdem wo Du hin möchtest, wird sich entscheiden, welchen Weg Du gehen könntest und ob wir Dir hier dabei überhaupt mit Rat zur Seite stehen können. Denn das können wir hier nur, wenn Du den Plan hast vom Alkohol weg zu kommen. Dann können wir Dir berichten, wie wir das gemacht haben, was uns geholfen hat, was nicht usw.

    Ich bin sehr gespannt, wie Du Deinen weiteren Lebensweg idealerweise siehst. Ich freue mich sehr wieder von Dir zu lesen.

    Schönes Wochenende und bis bald.

    LG
    gerchla

  • lieber Gerchla,

    jetzt hast Du mich aber ordentlich verwirrt.
    Habe ich vielleicht aufgrund meiner Familiengeschichte etwas übertrieben mit meinen Sorgen und sind wir vielleicht "nur" Missbraucher??

    Eventuell könntest Du recht haben und ich wäre darüber sehr erleichtert.

    ich vergleiche es mit Nikotinsucht: ich bin starke Raucherin (so etwa an die 30 täglich und oft mehr) und wünsche mir seit Jahren, von diesem Zwang wegzukommen.
    Interessanterweise habe ich mich vorgestern entschlossen: ich höre auf. Ich bin bereit wie nie zuvor, von der Nikotinsucht wegzukommen. Ich habe nun in den letzten 48 Stunden statt 60 Zigaretten nur 5 geraucht.

    Und nun habe ich einen Vergleich die Sucht betreffend: der Zwang und das Verlangen nach einem Glas Alkohol war und ist bei mir nie so stark wie der nach einer Zigarette. Ich kann gut ohne Alkohol leben. Ich liebe es, einen freien und klaren Kopf zu haben.

    Aber ich kann mir nicht vorstellen, gänzlich und den Rest des Lebens nie mehr etwas zu trinken. Ich meine, ich lebe hier im Burgenland inmitten der weltweit schönsten Weingegenden, es gibt fröhliche gesellige Anlässe zum Anstossen, meine Freunde sind zB Sommeliers und Weinbauern, etc. und wir geniessen oft ein schönes Glas Wein auf der Terasse.

    Nö, weg will ich nicht. Aber der Umgang mit Alk in Stresssituationen macht mir schon Sorge.
    Vielleicht geh ich in Therapie, um einen anderen Weg zu finden, mit Stress umzugehen.

    Was meinen Partner betrifft: er sieht das ähnlich. Er ist ein Geniesser und kann dem Zwang durchaus widerstehen.

    Vieleicht sind daher unsere Probleme nicht unbedingt auf den Alkohol zurückzuführen.
    Vielleicht mache ich es mir mit meiner Erklärung, woher unsere Probleme kommen, etwas zu einfach.
    Wer weiss - ich denke nach.

    Vielleicht kannst Du und das Forum tatsächlich nix für mich tun.
    Wer weiss - ich lass es jedenfalls wirken und meld mich sicher noch mal.

    Vielen Dank einstweilen und alles Gute dieser Welt

  • Guten Morgen lilo,

    jetzt verwirrst Du mich ehrlich gesagt etwas. Eigentlich bin ich fast schon etwas erschüttert.

    Ich meine, da lese ich Deine Geschichte, die ja fast nicht tragischer sein kann (beide Elterteile Alkoholiker, zwei Brüder um Suff verunglückt, Dein erster Mann im Suff verunglückt) und Du bist erleichtert weil Ihr vielleicht "nur" Missbräuchler seid? Das kann ich besonders aufgrund Deiner Geschichte jetzt überhaupt nicht nachvollziehen.

    Grundsätzlich ist erst mal egal, ob Du im Suff als Alkoholiker oder Missbräuchler verunglückst. Es ist auch egal ob Du im Suff als Alkoholiker oder als Missbräuchler einen anderen Menschen schaden zufügst. Das nur mal als Denkanstoss - möglicherweise gehörst Du und Dein Partner zu den Menschen, die nicht Auto fahren wenn sie getrunken haben. Ich hoffe das es so ist und das es auch so bleibt.

    Im Normalfall ist der Übergang von Missbrauch zu Sucht erst mal nicht zu bemerken. D. h. wenn man es merkt, dann ist es zu spät, dann ist man bereits süchtig. Deine Erleichterung macht also nur dann Sinn, wenn Du (und Dein Partner) 1. wirklich noch nicht süchtig bist (was ich wie gesagt, nicht beurteilen kann) und 2. falls es so wäre, Du (Ihr) Eurer Trinkverhalten trotzdem komplett umstellt.

    Punkt 2 ist erfahrungsgemäß nicht ganz einfach.

    Wenn ihr beide risikolos trinken möchtet, dann würde das folgendes bedeuten:

    Du als Frau, darfst pro Tag maximal 12 gr. reinen Alkohol zu Dir nehmen. Da Du ja im schönen Burgenland lebst und wahrscheinlich eher Wein als Bier trinkst, wäre das am Tag etwa ein 1/8 Wein. Wobei Du in der Woche an 2 - 3 Tagen pro Woche gar nichts alkoholisches konsumieren "darfst". Für Deinen Partner wäre die doppelte Menge noch ok, d. h. er "dürfte" 1/4 Wein trinken pro Tag, hat aber natürlich auch die alkohlfreien Tage einzuhalten.

    Das in etwa gilt aktuell als risikoarmer Konsum. Wobei es mittlerweile schon Studien gibt, die auch diese Mengen als zu hoch einschätzen. Aber ok, Alkohol ist halt einfach ein Zellgift, egal in welcher Menge und wie bei allen anderen Giften gibt es offizielle Grenzwerte bis wohin diese Gifte für den Menschen unbedenklich sind. Die o. g. Werte sind in etwas der aktuelle Stand. Und ich denke mal, wenn man so trinkt, dann wird auch nicht viel passieren.

    Leider ist Alkohol eines der Gifte, wo die Menschen fröhlich und aus freien Stücken heraus regelmäßig deutlich mehr als "erlaubt" konsumieren. Das würden sie bei anderen Giften, wo es ja z. B. auch welche gibt die in sehr geringen Mengen zu Therapiezwecken eingesetzt werden, die jedoch in zu hohen Dosen sofort zum Tod führen, nie machen. Aber beim Alkohol passiert ja nix, außer dass man mal einen Kater hat....

    Ich bin etwas ironisch, wie Du vielleicht bemerkst, aber ich fühle mich einfach an meine eigenen Trinkerzeit erinnert und ich lebe nicht im schönen Burgenland sondern in einer Gegend, wo die "Biertradition" einen sehr hohen Stellenwert hat, wo es sehr viele kleine Brauereinen gibt und wo ein Biersommelier und ein Bierseminar nach dem anderen aus dem Boden sprießen. Immer mit dem Ziel, das Bier als traditionelles Kulturgut, als Spezialität usw. zu präsentieren. Und ich habe damit früher vorwiegend vor mir selbst immer meinen Konsum gerechtfertigt. Ein Feierabendbier gehört doch zum Kulturgut, zur Tradition. Dann wurden es irgendwann mal zwei aber was sind schon zwei Bier am Tag. Ganz normal in unserer Gegend. Dann wurden es drei, ach Gott, das ist doch nix. Dann wurden es vier.... dann fünf, dann sechs irgendwann waren es 10 oder 12, pro Tag. Uuups, plötzlich war's nicht mehr lustig. Aus die Maus, schluss mit Kultur und Tradition.

    Es ist Deine Sache wie Du damit umgehst. Es ist auch durchaus möglich, dass Eure Probleme nicht auf den Alkoholkonsum zurück zu führen sind sondern evtl. wo anders liegen. Vielleicht führen diese Probleme auch dazu, dass Ihr zu viel Alkohol konsumiert, weil Ihr nicht gelernt habt, wie man Probleme ohne Alkohol löst bzw. sich der Alkohol ja erst mal wunderbar als Problemlöser anbietet. Und genau da liegt die Gefahr für Missbräuchler: Ein Missbräuchler hat die Wirkung des Alkohol zur Genüge erfahren dürfen. Er weiß, wann und wie ihm der Alkohol "hilft". Zwar ist er noch nicht süchtig, kann also jederzeit Pausen einlegen oder auch mal nur geringe Mengen trinken, jedoch kennt der die vermeintlich positiven Eigenschaften des Alkohols sehr genau! Kommen schlechte Zeiten, ist die Gefahr sehr hoch, dass er sich der Wirkung des Alkohols bedient. Und dann kann das ganze recht einfach und schnell kippen.

    Nun, ich schreibe das nicht nur so, ich habe das selbst so erfahren. Ich trank mein Feierabendbierchen, jahrelang. Nur dieses, sonst nix. Vielleicht an manchen Wochenenden bei Feiern ein wenig mehr, halt "ganz normal", würde man bei uns sagen. Dann wurden es auch mal zwei Feierabendbierchen, aber ich konnte auch mal ein paar Tage nichts trinken. Und dann gab es Probleme. Wir verkauften eine Wohnung, der Käufer ließ uns hängen, zahlte nicht. Wir hatten aber schon was neues gefunden und haben mit dem Geld natürlich gerechnet und geplant. Plötzlich kamen wir in erhebliche finanzielle Schieflage. Tja, wie meinst Du wohl habe ich diese Problem gelöst? Genau, ich habe mir den ganzen Druck weggetrunken. Einfach mal am Abend statt 2 Bier 4 Bier und schon waren die Ängste ganz weit weg, die Zuversicht stieg. Am nächsten Tag waren alle Probleme wieder da! Aber hey, dagegen konnte ich ja was unternehmen.

    Das ganze löste sich positiv auf. Nach ca. 6 Monaten zahlte der Typ dann doch inkl. Zinsen und Zinseszinsen. Ich allerdings hatte in dieser Zeit meinen Konsum von etwa 2 Bier pro Tag auf etwa 4 Bier pro Tag hochgefahren. Und auch noch regelmäßiger getrunken als vorher. Dieses Niveau habe nicht mehr zurück gefahren. Sollte ich vorher vielleicht noch Missbrauch betrieben haben, so war ich jetzt ganz sicher süchtig geworden.

    Diese Geschichte auch nur als Denkanstoss.

    Wie Du jetzt mit meinen Zeilen umgehst bleibt natürlich Dir überlassen. Ich hoffe, Du nimmst mir meine Ehrlichkeit nicht übel. Es hat mich einfach sehr überrascht, wie Du dem Alkohol scheinbar doch noch so viel Positives abgewinnen kannst, bei dem was Du alles erleben hast müssen. Das will einfach nicht in mein Hirn.

    Ich wünsche Dir und Deinem Partner alles alles Gute. Findet Euren Weg und ich hoffe für Euch, dass es der Richtige sein wird!

    LG
    gerchla

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