Wie der Vater so die Tochter

  • hallo an Alle,
    Ich muss es jetzt mal loswerden! Selbsterkenntnis soll ja schon ein Schritt zur Besserung sein.

    Ich bin 28 Jahre alt und habe definitiv ein Alkoholproblem. Ich freue mich auf Alkohol. Am liebsten mind. Jeden zweiten Tag nach der Arbeit. Wein oder wenn etwas von einer Party noch übrig ist, dann auch Whisky Cola oder sogar havanna cola (obwohl mir davon sonst immer übel wurde) egal Hauptsache etwas zum "Entspannen". Das geht nun schon seit ca. Einem halben Jahr so.
    Manchmal übergebe ich mich auch nach zu viel Wein am Abend (Manchmal eine Flasche) und schwöre mir jetzt erst mal nichts zu trinken. 2 bis 3 Tage später "och, so ein Feierabendweinchen wäre ganz schön."

    Frau wir man ist, versuch ich mich ja selbst zu refleltieren. Also meine Hintergrundgeschichte:
    Meine Eltern haben schon als ich erinnerungstechnisch 5-6 Jahre alt war nicht zusammengepasst. Permanent gestritten, meine Mutter beißte meinen Vater, noch heute ist es schwer gegen meine Mutter anzukommen, so lieb ich sie habe. Mit 6 Jahren nahm ich mir eine Nagelschere und lief damit ins Wohnzimmer, wo sich meine Eltern lautstark mal wieder stritten. "Wenn ihr jetzt nicht aufhört, zu streiten, schneide ich mich hier" und hielt die Nagelschere an meine Pulsadern. Meine Mutter, wie sie war, konnte nicht aufhören. Mein Vater reagierte auf mich.
    Mein Vater ist mein ein und alles! Auch wenn es damals mal "Povoll" von ihm gab. Besser als meine Mutter zu hören, wie sie nach einem Streit, als ich Teenie war, sagt:" die ist wohl nicht richtig durchgevögelt worden" da ist man erst mal baff.
    Naja einige Jahre, während ich noch in der Mittelschule war, rief und morgens die Polizei an. Mein Vater,Wachschutz in der Nachtschicht, ist um ca. 2 Uhr morgens, am Bahnhof umgekippt. Herzkammerflimmern, dir Helfer mussten 10 mal reanimieren. 10%ige Chance, das er KEIN Pflegefall wird.
    Er wurde es nicht, ich war stark für meine Mutter und sagte ihr, er käme so zurück wir vorher. An dem Tag als er das erste mal wieder reagierte, war es nur ein Tschüss nach einem Besuch. Nach tagelanger Reaktionslosigkeit, drehte er seinen Kopf und stöhnte in meine Richtung. Ich bin im Krankenhausflur zusammengebrochen...
    Aber 2 Jahre lanh, war er so wie vorher.
    Doch dann kam er wegen seinen Beinproblemen in die Charite. Der Zeh ist abgestorben.
    Okay, wie ich bin, ich schotte mich von meinen Gefühlen ab. Bin taff, realistisch,rational, zunächst emotionslos. Dann wurde es das Bein. Wir mussten umziehen. Meine Mutter, mit der ich mich ziemlich schwer verstand, war ein frack. Natürlich war ich für sie da, keine Zeit für meine Gefühle, musste Hoffnung geben. 2 Zimmetwohnung suchen. Ich ziehe mit meinem Freund zusammen, Nach dem ich eine Arbeitsstelle gefunden habe. Es ging ziemlich zügig. So bald mein Vater halbwegs versorgt war, sollte er schon nach Hause. In die neue Wohnung. Bein amputiert. Protestenübung ja klar. Mein Vater ist hochintelligent und musste außerdem immer in Bewegung bleiben. Das war alles gegen seine Natur. Es wurde trombosefaktor 5 diagnostiziert homozygot. D.h. eine 50 -100 fache chance an einer thrombose zu erkranken. Hinzu kommt eine lipidstoffwechselstörung, alles zu spät erkannt.
    2 jahre später:
    Mein Vater, der damals , wie heute täglich 2 - 3 Bier trank, kam mit allem nicht klar, verdrängte es offensichtlich. Sprach nicht darüber, hatte hochs und tiefs. Er fand einen guten protestenanfertiger und war stolz darauf. Einer dort, wollte eine für ihn angefertigte Proteste machen, als Masterarbeit. Die brauchte mein Vater, denn die Charite hat ihm das Bein so merkwürdig kürzen müssen (inklusive Krankenhauskeim), dass keine normale Protese gegangen wäre.
    Aber mein Vater war zu stolz. Keine Protese. Er hat ja keinen Schmerz alles ist gut.
    2 jahre später, hält er es vor Schmerzen nicht mehr aus. Er geht freiwillig wieder ins Krankenhaus.
    Es muss ein beipass gelegt werden an einer Bauchaorta.
    Das war im Mai 2017. Das war der Monat andem ich wirklich dachte, mein Vater wird nun sterben.
    Ich konnte meiner Mutter keine Hoffnung mehr geben.

    Die Operationsnarbe ging immer wieder auf, sobald er sich bewegte, in der Aufwachstation. Die Aorta verkalkte immer wieder.
    Das andere Bein wurde immer wieder kalt. Seine Nieren versagten. Sie mussten ihn verlegen, weil es in diesem Krankenhaus keine verfügbaren Dialyseheräte mehr gab.
    Er war an der Lungenmaschiene. Vor der Verlegung nahm ich Abschied und wieder regte er sich plötzlich in meine Richtung und stöhnte. Ich brach zusammen.
    Ich wurde wieder taff und emotionslos. Wir hatten keine pazientnenverfügung und ich konnte nur zu schauen. Seine Hand wurde blau und sein Ohr. Wie damals sein Zeh. Er hatte eine fortgeschrittene Blutvergiftung und es lief bergab.
    Ich kann automatisch und unbeabsichtigt in Solchen Situationen extrem gefühllos sein. Ich sah es wie es realistisch war und fragte den Arzt, wie weit sie gehen. Wie viel würden sie abschneiden, bis sie aufhören müssten? Seine Hand sein Ohr? Beinlos? Er würde uns hassen, das zugelassen zu haben. Aber es steht nicht in unserer Macht. Der Arzt bekam Tränen in den Augen nach meiner Frage und ich wunderte mich, wieso ich keine hatte.
    Sie kamen später, nachdem er, nach einem zweiten Wunder, wieder lebte. Ohne Beine und nun mit Windeln. Der Kopf noch so schlau wie vorher.
    Ich liebe ihn.
    Im August 2017 kam er wieder nach Hause. Sie schmeißen ihn raus, sobald er selbständig essen kann. Alles andere ist wurscht.
    Anfang septmeber verstarb plötzlich mein Opa.
    Der Witz daran ist, dass genau mein Vater mir das mitteilte. Witzig ist es nicht aber wenn man noch vor einem Monat dachte er würde sterben und dann sagt dieser dir, jemand anderes, der täglich aktiv ist und alle Vorsorgeuntersuchungen getätigt hat und kerngesund ist, sei Tod, ist das kaum zu glauben. Ich fragte sogar:" ne oder? " ....als ob darüber jemand scherzen würde, und mein Vater erst recht nicht.
    Nun ist mein Opa, den ich auch sehr liebe, schon ein Jahr tot, gefühlte 3 Wochen. Und seit einem halben Jahr trinke ich nun regelmäßig.
    Ich möchte unbedingt schwanger werden. Und ein dummer Grund aber ich möchte dass mein Vater noch seinen Enkel erlebt. Es war nun alle 2 Jahre etwas.mit meinem Papa und allzuviel Zeit hat er nicht mehr.

    Ich mache nun seit einem halben Jahr dieselben Fehler wie mein Vater. Ich trinke, manchmal heimlich und rauche mit thrombose faktor 5 (ich.hab heterozygot, d.h. nicht soooo schlimm 10%ige chance eine Thrombose zu bekommen)
    Ich weiß ganz genau das es falsch und schlimm ist. Aber mein Kopf sagt, es sei entspannend eine zu Rauchen mit einem Glas Wein oder 2 oder 3.....

    Ich hoffe der Ausweg ist die Schwangerschaft. Dann verzichte ich auf alle diese Dinge.

    Genau das ist dumm, genau deshalb schreibe ich hier.


  • Hallo Mikasa,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Eine sehr traurige Lebensgeschichte, die Du uns hier schreibst. Ich frage mich häufiger, warum manche Menschen in ihrem Leben vermeintlich mehr mitmachen müssen als andere. Und ob man selbst eine Chance hat, das irgendwie zu beeinflussen.

    Sicher hattest Du keine Chance, Deine Kindheit und Jugend zu beeinflussen. Wie ich auch, hat man doch Eltern die man sich weder aussuchen kann noch kann man sie als Kind irgendwie "erziehen". Du hast das ja sogar versucht, mit Deiner Nagelscherenaktion. Traurig, dass ein kleines Mädchen keinen anderen Weg sieht um auf ihre Bedürfnisse hinzuweisen. Also, wenn ich dann an die Bemerkung Deiner Mutter denke, als Du Teenie warst. Wow, da ist jeder Hauch von Niveau aber gaaaanz weit weg. Aber das alles hast nicht Du zu verantworten und Du hast Dir das auch nicht aussuchen können.

    Jetzt allerdings bist Du erwachsen. Diese Kindheit und diese Jugend ist nicht spurlos an Dir vorüber gegangen. Du hast durch diese Kindheit bestimmte Verhaltensmuster aufgebaut, z. B. das Du stark sein musst, dass Du Hoffnung geben musst usw. Das ist etwas ganz normales für Kinder, die zu früh erwachsen werden mussten. Ohne hier auf diesem Gebiet tiefer gebildet zu sein möchte ich Dir raten, dass Du Deine Kindheit und Jugend aufarbeitest. Vielleicht hast ja auch schon mal etwas unternommen, warst mal bei einem Psychologen, hast versucht aufzuarbeiten. Falls das so ist, würde ich mich freuen, wenn Du von Deinen Erfahrungen berichtest. Falls nicht, ich glaube das würde Dir helfen. Auf jeden Fall bist Du ein Mensch, der stark auf andere fokussiert ist und stellt sich natürlich die Frage: Und wo bleibst Du? Was ist mit Deinem Leben?

    Was Dir nicht hilft, ist eine "Aufarbeitung" mit Hilfe des Alkohols. Er beamt Dich temporär weg, anschließend sind aber alle Probleme noch da. Und je häufiger Du Dich temporär weg beamst, desto höher ist die Suchtgefahr. Und wenn Du erst mal süchtig bist (Du zeigst bereits deutliche Anzeichen), dann ist der Spaß sowieso vorbei. Denn dann bleiben nicht nur die Probleme vor denen Du eigentlich entfliehen wolltest, sondern es kommen noch neue, alkoholbedingte Probleme dazu. Letztere werden Dich auf die Länge hin gesehen kaputt machen.

    Aber ich denke, dass Du das alles schon weißt, sonst wärst Du wahrscheinlich nicht hier.

    Ich bin jetzt mal ehrlich, ganz ehrlich:

    Es ist wirklich eine sche**ß Idee schwanger werden zu wollen um mit dem Trinken aufhören zu können. Ich bin tatsächlich erschüttert, wie man auf so eine Idee überhaupt kommen kann. Ich sage Dir das als Alkoholiker und Vater von drei Kindern. Zum einen, kannst Du es natürlich schaffen, während der Schwangerschaft keinen Alkohol zu trinken, vielleicht stillst Du dann und kannst auch während dieser Zeit keinen Alkohol trinken. Mag sein, liest man oft. Wenn Du aber süchtig bist, dann ist die Gefahr, dass Du danach wieder säufst, enorm hoch. DAS liest man übrigens sehr oft. Das liest sich dann ungefähr so: "während meiner Schwangerschaft habe ich es doch auch geschafft keinen Tropfen anzurühren, danach habe ich aber dummerweise wieder mit dem Trinken begonnen" - diese Geschichten habe ich schon oft gelesen.

    Dazu kommt, dass so ein Kind, welches eines der wunderbarsten Geschenke ist, die man bekommen kann, seeeeehr anstrengend sein kann und ich sage jetzt mal auch sehr anstrengend ist. Egal wie lieb Dein Kind sein wird. Da kommen auch harte Zeiten auf Dich zu. Ich kann das mit 3 Kindern ganz gut beurteilen und eines meiner 3 ist noch "ganz frisch", also erst knapp 2 Jahre alt. Sie ist ein wunderbares und völlig unkompliziertes Mädchen, trotzdem hat man so seine Herausforderungen. Wenn alles passt, bekommt man das gut hin. Am Anfang meiner Abstinenz hätte nie Entschluss für ein Kind gefällt. Zu sehr war ich mir selbst beschäftig, zu instabil war meine Trockenheit, zu groß war schon mein Verantwortungsgefühl um einen kleinen Menschen in die Welt zu setzen und nicht zu wissen, ob man überhaupt in der Lage ist, sich (nüchtern) um ihn zu kümmern.

    Weißt Du, mein erstes Kind bekam meine Ex-Frau, als wir frisch verheiratet und glücklich waren, da war ich noch nicht süchtig. Das zweite bekamen wir, da war ich schon süchtig, stand aber noch recht am Anfang, ungefähr so wie Du jetzt, vielleicht sogar noch ein bisschen weniger. Damals, als meine Tochter zur Welt kam, ahnte ich schon das ich süchtig sein könnte. Und ich legte mit der Geburt meiner Tochter eine mehrmonatige Trinkpause ein. Gar kein Problem, hat fast ein Jahr angedauert. Ich machte das deshalb, weil ich Angst hatte, ich könnte mich im Suff auf sie drehen, wenn sie bei uns im Bett mit schläft. Da unser Großer öfter bei uns in der Mitte geschlafen hat und er sich prächtigst entwickelt hat, war das auch für unsere Tochter so gesetzt. Aus dieser Angst heraus und nur deswegen, habe ich diese Trinkpause gemacht. Natürlich habe das nicht als Trinkpause gesehen, ich wollte damals nichts mehr trinken, wegen meiner Tochter.

    Was ich aber "vergessen" hatte war, dass ich süchtig war. Und das ein Süchtiger normal nicht einfach nix mehr trinkt. Ich meine das geht schon, besonders am Anfang, aber die Sucht bleibt. Es fehlt die Aufarbeitung, es fehlt das Bewusstsein, es fehlt eigentlich das komplette Rüstzeug für ein trockenes Leben. Und trank ich also fast ein Jahr lang keinen Tropfen um dann wieder anzufangen. Und meine Tochter durfte ihre Kindheit mit einem alkoholkranken Papa verbringen. Herzlichen Glückwunsch, da habe ich ordentlich versagt.

    Ganz erschüttert hat mich auch, dass Du ein Kind wegen Deines Papas bekommen möchtest. Oh, das hört sich nicht gut an. Also einen Enkel bevor er stirbt. Da möchte ich wieder auf die Aufarbeitung Deiner Kindheit zu sprechen kommen. Warum willst Du das? Damit er stolz auf Dich ist? Oder damit Du ihm nochmal was gutes, positives tust? Und wo bleibst Du bei der ganzen Geschichte und wo bleibt Dein Kind? Ich meine, wenn Du ihm einen Porsche kaufen möchtest, weil das immer sein Traumauto war und Du ihm so einen letzten Wunsch erfüllen wollen würdest, ok, hätte ich kein Problem, das nötige Kleingeld verausgesetzt. Aber hey, Du sprichst hier von einen KIND, einem kleinen Menschen für den Du allein die Verantwortung trägst. Diese Verantwortung solltest Du erst dann übernehmen, wenn Du Dir sicher bist, dass Du die Verantwortung für Dein eigenes Leben übernehmen kannst.

    Ich hoffe Du bist mir nicht böse, ich schreibe wirklich nur was ich denke. Aber eine Schwangerschaft als Ausweg aus der Sucht, oh mann, das ist echt eine ziemlich abegefahrene und auch dem Kind gegenüber verantwortungslose Idee.

    Wie wäre es denn, wenn Du erst mal Deine Sucht in den Griff bekommst? Also Du gehst zum Arzt, sprichst offen über Dein Problem. Du gehst zur Suchtberatung, sprichst offen über Dein Problem. Beim Arzt darfst Du auch gerne über Deine Kindheit sprechen. Gemeinsam überlegt ihr was zu tun ist. Du entgiftest erst mal unter ärztlicher Begleitung, dann gehst vielleicht zu einen Psychologen, vielleicht ist auch eine Therapie das richtige für Dich, vielleicht sogar eine stationäre. Geht ja alles noch ganz gut, ist ja noch kein kleines Kind da. Egal wie, Du ergreifst Maßnamen um Dein Leben wieder in die eigenen Hände zu bekommen, um Dein Leben wieder selbst zu leben, so dass künftig Du die Chefin im Ring bist und nicht der Alkohol.

    Und wenn Du das dann über einen längeren Zeitraum, gerne mal 2 Jahre (innerhalb dieser Zeit ist die Rückfallquote nämlich besonders hoch) gut gemeistert hast, zufrieden und glücklich abstinent lebst, dann steht dem Kinderwunsch doch überhaut nichts mehr im Wege. Und die Chance, dass Dein Kind oder gar Deine Kinder ;) dann eine alkoholfreie Kindheit und Jugend erleben dürfen, ist enorm gestiegen.

    Gut, dass Du hier schreibst! Ich hoffe Du bekommst ganz viele Anregungen um Deinen Weg zu finden. Viele hier haben die Sucht besiegt, ich glaube aber niemand davon mit Hilfe einer Schwangerschaft. Falls doch, würde mich diese Geschichte sehr interessieren.

    Alles alles Gute wünsche ich Dir.

    LG
    gerchla

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