Papa ist Alkoholiker

  • Hallo :)

    Ich möchte mich erstmal vorstellen, ich bin Kerstin, fast 26 Jahre alt und habe einen alkoholkranken Papa (67 Jahre). Wir wohnen zusammen unter einem Dach, haben ein großes Haus und ich wohne seit einem Jahr wieder in der Wohnung im Keller.

    Meine Eltern sind seit 1992 verheiratet. Mein Papa war vor meiner Mama schon 2 Mal verheiratet und hat mit mir insgesamt 5 Kinder von 4 Frauen.
    Er hat früher in einer Band gespielt und als Bauarbeiter gearbeitet. Damals hat er schon immer gesagt, dass er ohne sein Bier keine Kraft hat.
    Im Jahr 2007 hat ihn meine Mama einmal vor die Tür gesetzt und da hat er sich daraufhin entschieden, eine Therapie zu machen und hat danach dann noch eine Chance von meiner Mutter bekommen...

    Nun, fast 11 Jahre später, ist es schlimmer als je zu vor. Wir wissen nicht genau, wann es wieder angefangen hat, denn anfangs hat er wieder heimlich getrunken aber mittlerweile ist es eine Selbstverständlichkeit. Er ist mittlerweile Rentner, mit seinem Leben total unzufrieden, sitzt den ganzen Tag vor der Glotze und säuft nebenher. Das ist seine Tagesbeschäftigung. Er macht nichts mehr am Haus und wenn, muss er sich erstmal seinen Pegel antrinken, ansonsten bekommt er gar nichts mehr auf die Reihe. Er hat auch Probleme mit dem Rücken und bewegt sich deshalb kaum noch.

    Am Meisten unter allem leidet meine Mama. Sie ist absolut co-abhängig (wobei ich glaube, ich bin das mittlerweile auch schon) und unser ganzes Leben dreht sich um ihn und um seine Krankheit. Wir fühlen uns beide machtlos. Mama sagt, sie hat Angst ihn zu verlassen, denn er hat ihr schon paar Mal gedroht sich dann was anzutun usw. Sie hat keine Freunde mehr und ihr ganzes Leben dreht sich nur um ihn. Er hat sie und mich sogar voll unter Kontrolle. Mama kann nicht mal in den Garten gehen, ohne das er ihr hinterher sieht, denn sie könnte ja ein Verhältnis mit dem Nachbarn haben. Wenn ich irgendwohin gehe, muss ich genau sagen wohin ich gehe und wann ich wieder komme. Wenn ich das nicht tue, denkt er, ich habe Geheimnisse vor ihm oder das er irgendwas nicht wissen darf.

    Manchmal hat er im besoffenem Zustand "helle" Momente und entschuldigt sich für seinen Konsum, sagt aber widerrum, was sie ihm damit angetan hat, ihn damals zu verlassen, war das Schlimmste und so einen Entzug wird er nie wieder machen.

    Er ist unberechenbar und aggressiv. Man hat schon Angst nach Hause zu kommen, weil man nie weiß was einen erwartet. Ich empfinde stellenweise nur noch Hass und bin selbst mit meinem Leben total unglücklich und unzufrieden. Jeder Außenstehende sagt, dass ich doch einfach gehen soll, aber das kann ich nicht. So habe ich das Gefühl, alles ein Stück weit "unter Kontrolle" zu haben und kann meiner Mama etwas eine Stütze sein. Wir reden viel und zu 90 % über unser Problem mit ihm, kommen aber auf keinen grünen Zweig. Es wäre sogar schwierig, irgendwelche Beratungsstellen zu besuchen, da er uns ja gefühlt auf Schritt und Tritt verfolgt.

    Es ist ganz schwer, eine passende Lösung zu finden und solange er es nicht kapiert, wird es auch nicht besser werden :(

    Schönen Tag :)

    LG

  • Hallo Kerstin,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Erstaunlich wie klar Du erkennst, dass Ihr (Du und Deine Mama) in der Co-Rolle fest hängt. Du weißt also ganz genau, dass Ihr beide in der Co-Abhängigkeit hängt. Alle "Symptome" die Du beschreibst sprechen auch ganz deutlich dafür. Eigentlich dreht sich doch Euer gesamtes Leben um den alkoholsüchtigen Vater!

    Das musst Du Dir mal überlegen! Das Leben von zwei Menschen dreht sich fast zu 100 % um den saufenden Vater, der noch nicht mal irgendwelche Anstalten macht oder Signale aussendet, dass er daran etwas ändern möchte. Nein, er schließt es sogar aus! Denn es war ja das schlimmste was ihm jemals passiert ist, als er damals Therapie machen "musste" und überhaupt, so einen Entzug wird er nie wieder machen. Ich finde, da macht er doch mal eine ganz klare Ansage, der Herr Papa.

    Im Gegensatz zu Dir und Deiner Mutter. Ihr macht keine klaren Ansagen sondern eiert um ihn herum und versucht es ihm so gut es geht irgendwie recht zu machen. Schön für ihn. Du denkst, Du kannst nicht gehen, weil Du ihn so wenigstens noch ein Stück weit unter Kontrolle hättest?

    Weit gefehlt würde ich mal sagen. Er hat Dich unter Kontrolle, sonst nichts. Du hast gar nichts unter Kontrolle, auch wenn Du Dir das einredest. Am allerwenigsten hast Du Dein eigenes Leben unter Kontrolle, und das finde ich ziemlich bitter. Ein uneinsichtiger alter Alkoholiker bemächtigt sich des Lebens einer jungen 26 Jährigen Frau und nimmt ihr diese Lebensphase einfach weg. Weil er saufen will und sie nicht in der Lage ist für ihr eigenes Leben die Verantwortung zu übernehmen.

    So, jetzt langst aber auch mit meiner leicht ironischen Zusammenfassung. Aber so wie ich Dich einschätze, so klar wie Du die Dinge ja eigentlich siehst, wirst Du mir wahrscheinlich recht geben, oder?

    Ich bin übrigens selbst Alkoholiker, lebe jetzt aber schon länger ohne Alkohol. Deshalb kann ich Dir auch nur sagen, dass Du (und idealerweise auch Deine Mama) nur auf Dich schauen kannst. Also nix wie weg. Das geht nicht so einfach, Du hängst zu tief drin und letztlich wirst Du sicher auch an Deine Mama denken, die dann mit ihm alleine wäre (wenn sie nicht auch geht).

    Ich verstehe das, auch wenn ein Bleiben überhaupt keine Lösung sein kann. Es wird Dich und Dein Leben kaputt machen. Ich denke Du hast ohnehin schon genug psychische Treffer abgekommen. Also bitte lass Dir helfen. Lass Dich beraten, suche Dir eine SHG für Angehörige, berate was Du tun kannst, wie Du da weg kommst.

    Du siehst die Dinge ja schon ganz klar. Du kannst nur NOCH nicht handeln. Das musst Du aber, für Dich und Dein Leben bist nur Du allein verantwortlich. Also weg da, so schnell wie möglich. Und lass Dich psychologisch dabei Begleiten, das ist alles nicht so einfach. Co-Abhängigkeit es ebenfalls eine richtige, ernste Krankheit!

    Es gibt also keine "passende" Lösung, die es allen Recht macht. Die kann es nicht geben, denn dafür müsste Dein Vater folgendes tun:
    Zum Arzt gehen und sich als Alkoholiker outen, eine Entgiftung machen, anschließend eine Therapie antreten und durchziehen, danach entsprechende Nachsorge betreiben und z. B. regelmäßig eine SHG besuchen usw. ufs. Und das alles müsste auch noch von sich aus tun WOLLEN, weil er vom Alkohol wegkommen will.

    Das was Du beschreibst klingt für mich ganz anders. Das klingt nach einen 67-jährigen der keinen wirklichen Sinn mehr in seinem Leben sieht. Der vor sich hin vegetiert und sich mit Alkohol betäubt um sich seine "letzten paar Jahre" noch einigermaßen erträglich zu machen. Jemand, der gar nicht weiß, warum er aufhören sollte mit dem Trinken und der es zwar schon mal versucht hat, jedoch nur aufgrund enormen Drucks von außen.

    Das klingt nicht nach jemanden, der die Kurve noch bekommt. Das tut mir leid, aber so hört sich das für mich an.

    Du hast also zwei Möglichkeiten: Du machst das alles weiter mit, noch ein paar Jahre (und das können durchaus noch sehr viele Jahre werden), so lange Dein Vater eben noch lebt und noch soweit klar im Kopf ist und die Kraft und Macht hat, sich zu besaufen wie er will ODER Du nimmst Dein Recht in Anspruch. Nämlich Dein Recht auf Dein eigenes Leben. Dein Vater ist für sein Leben selbst verantwortlich , so wie Du für Deines verantwortlich bist.

    Ihn kannst Du nicht ändern, Du kannst nur Dich ändern. Idealerweise sieht Deine Mama das auch so, dann soll er eben alleine trinken, wenn er das so will.

    Ich wünsche Dir einen guten Austausch hier im Forum. Lies mal bei den anderen Angehörigen. Deine Geschichte ist nicht einmalig, die Geschichten der Anghörigen gleichen sich oft. Es ist so schlimm, was diese Sucht den Angehörigen an tut und es ist auch schlimm, wie lange viele Angehörige brauchen um sich lösen zu können. Ich wünsche Dir nur das allerbeste!

    LG
    gerchla

  • Hallo Kerstin,

    wenn Gerchla schreibt:

    Zitat

    Das klingt nach einen 67-jährigen der keinen wirklichen Sinn mehr in seinem Leben sieht. Der vor sich hin vegetiert und sich mit Alkohol betäubt um sich seine "letzten paar Jahre" noch einigermaßen erträglich zu machen. Jemand, der gar nicht weiß, warum er aufhören sollte mit dem Trinken und der es zwar schon mal versucht hat, jedoch nur aufgrund enormen Drucks von außen.

    ... dann darf man auch nicht außer Acht lassen, dass sich das Wesen eines Menschen bei anhaltendem Alkoholismus drastisch verändert. In der Regel nicht zum Guten!
    So ist eine wahnhafte Eifersucht, Herrschsucht, aggressives bis hin zu gewalttätigem Verhalten usw. nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel.
    Ich glaube nicht, dass so jemand bewusst nichts mehr tut, nur noch vor dem Fernseher dahinvegitiiert und sich darüber im Klaren ist, was dann - auch in der Regel - die Folge dessen sein wird: Irgendwann sind solche Alkoholiker schwere Pflegefälle, die, wenn sie noch die Wahl hätten, gerne schnell und schmerzlos sterben möchten.

    Solange Ihr, Du und Deine Mutter, das ganze Dilemma mitmacht, solange wird der Herr nach seinem Gusto "Hof halten" und Euch herumkomandieren. Es liegt ganz an Euch, ob Ihr das mitmacht, oder bereits seid in ein neues, befreiendes und friedliches, aber auch qualitativ viel hochwertigeres Leben durch einen strikten Cut durchzustarten.

    Wobei ich aus langjähriger Erfahrung dazufügen möchte: Manchmal ist es einfach einen Alkoholiker davon zu überzeugen, dass er etwas gegen seine Sucht tun muss, als Angehörige davon zu überzeugen, dass sie der Nährboden für seinen Alkoholismus sind.

  • Hallo,
    das mit dem Verhalten was Eifersucht und Aggressivität angeht, wird in der Tat immer schlimmer... und er hat wirklich auch keinen Sinn mehr in seinem Leben. Er hat keine Aufgabe oder Beschäftigung, kein Hobby nichts. Seine restliche Familie, Geschwister, Kinder und sogar Enkelkinder haben keinen Kontakt zu ihm. Er hat nur noch uns beide und manchmal hab ich den Eindruck, sobald er merkt, es könnte was schief gehen, oder wir könnten auf die Idee kommen, ihn im Stich zu lassen, wird er immer noch aggressiver.

    Bestes Beispiel von heute... meine Mama war einkaufen und hat sich getraut, ihm keinen Stoff mitzubringen. Daraufhin war oder ist er stinksauer, redet mit keinem ein Wort und spielt beleidigte Leberwurst. Das Einzige was meine Mama sich anhören durfte, war, dass er ihr wohl nichts wert wäre. Sie war kurz davor nochmal zu fahren und ihm seine Flasche Schnaps zu kaufen.

    Manchmal denkt man sich "wieso wir?" "was haben wir verbrochen, dass man uns so straft?" usw. und es scheint wohlmöglich keinen perfekten Lösungsweg zu geben. Das Beste wäre es, wenn er es selbst einsieht. Wir würden ihn unterstützen wo es nur geht. Wir sind doch auch trotzdem eine Familie, auch wenn er dabei ist, alles zu zerstören und scheint es nicht mal zu merken.

    Hab mir schon überlegt, mit seinem Hausarzt zu sprechen, aber wenn der Arzt ihn drauf anspricht, war er die längste Zeit sein Hausarzt. Ich frag mich auch, wie lange sein Körper das noch packt. Immerhin hat er auch Diabetes, bewegt sich nicht und raucht wie ein Schlot. Dennoch schafft er manchmal seine 10 bis 12 Halbe.
    Hab auch schon gedacht ob ich ihn mal filmen soll, wenn er seinen Ausraster hat und ihm das dann nüchtern zeige.

    Könnte unendlich weiterschreiben und Geschichten erzählen...

    Ich kann auch einfach nicht verstehen, was sein Problem ist. Er hat alles, aber vermutlich schon immer einen psychischen Knacks und ohne Alkohol läuft vermutlich gar nichts mehr... ich weiß es nicht :(

  • Guten Morgen Kerstin,

    ich glaube Du hast es noch nicht verstanden. Oder drängst es weg, willst es nicht verstehen.

    Es gibt keinen "perfekten Lösungsweg" - dieser ist ein Wunschgedanke, vielleicht vergleichbar mit dem 6er im Lotto. Es gibt nur DEINEN Weg und sonst nix.

    Entweder Du bleibst bei ihm und unterstützt ihn damit in seiner Sucht während Du gleichzeitig daran zu Grunde gehst, oder, Du nimmst endlich Dein Leben in Deine eigenen Hände. Was anderes gibt es da nicht.

    Wenn Du bleibst, dann brauchst auch nicht jammern, denn das wird Dir nichts helfen. Wenn Du bleibst musst Du halt schauen, wie Du damit zurecht kommst, dass sich Dein Vater trotz Deiner vermeintlichen Hilfe zu Tode säuft. Es tut mir sehr leid, aber so sieht es wohl aus. Hoffnung, dass sich das irgendwie anders bei Dir und Deinem Vater entwickelt kann ich aus dem was Du schreibst nicht heraus lesen. Da ist wirklich nichts, was auch nur ansatzweise nach Hoffnung klingt.

    Das tut mir sehr leid für Dich. Auf die Frage "was Ihr verbrochen habt, dass man Euch so straft" kann ich nur sagen: Ich denke Ihr habt gar nichts verbrochen. ABER: Ihr lasst es mit Euch machen, das ist das einzige was man Euch vorwerfen könnte. Und das wiederum könnt nur Ihr selbst ändern. Ihr müsst es nur wollen und Euch Hilfe für die sicher nicht einfache Umsetzung holen. Ansonsten, ich wiederhole mich, wird Euch der Süchtige mit in den Abgrund reißen.

    Und wenn er dann gestorben ist, hinterlässt er zwei Co-Abhängige Wracks, die für den Rest ihres Lebens daran zu knabbern haben. Das könnt Ihr doch nicht ernsthaft wollen?

    Mehr habe ich jetzt nicht zu sagen. Wie gesagt, lies die anderen Geschichten von Co-Abhängigen und ziehe dann eigene Rückschlüsse daraus.

    Alles Gute.

    LG
    gerchla

  • Guten Morgen,

    ich glaube, ich habe sehr wohl verstanden um was es hier geht, dennoch tu ich mich mit der Umsetzung unendlich schwer. Mama muss mitziehen, alleine werde ich es sonst nicht schaffen.

    Haben das Thema gestern Abend wieder durchgekaut. Mama meint, es müsste ihn jemand Außenstehendes überzeugen, evtl. der Hausarzt. Wenn wir mit Papa reden, sind wir nur die Blöden, die ihm Böses wollen. Er hat ja schon oft gepredigt, dass er den Entzug kein zweites Mal machen wird. Außerdem wird er uns ständig terrorisieren und von Mama verlangen, dass sie ihn jeden Tag besuchen kommt und wird uns tausend Mal anrufen, Hauptsache, er hat die Kontrolle... oder er nimmt wieder alle Tabletten auf einmal, dass sie ihm wieder den Magen auspumpen müssen, wie beim ersten Mal.

    Wie war das bei dir Gerchla? Wie hast du den "Absprung" geschafft und wie wurde dir klar, dass du was ändern musst?

    Lg

  • Guten Morgen Kerstin,

    Zitat


    ich glaube, ich habe sehr wohl verstanden um was es hier geht ...

    Nein, ich denke nicht, dass Du verstanden hast, was Gerchla Dir sagen wollte!

    Zitat

    … dennoch tu ich mich mit der Umsetzung unendlich schwer. Mama muss mitziehen, alleine werde ich es sonst nicht schaffen.

    Schon daraus geht hervor, dass Du es nicht verstanden hast.
    Von der einen (Co-)Abhängigkeit in die andere.
    Du bist 26 Jahre alt, ein Alter, indem andere junge Frauen *ihr Leben* leben und so gestalten, wie es sie für sich gut und richtig halten. Eigene Verantwortung für sich übernehmen, auch darin, womit sie sich belasten oder eben nicht belasten wollen.
    Bei Dir liest es sich, als willst Du, dass sich alles bei Dir entweder um Deinen saufenden Vater oder um Deine Mutter dreht.

    Ihr müsst beide meines Erachtens dringend und zwingend zu einer Suchtberatung und für Euch – natürlich getrennt! – eine Co-Abhängigkeitstherapie machen.

    Zu Deinem Vater kann ich nichts schreiben, weil er bittet hier ja nicht um Hilfe, sondern Du.

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