Wie beende ich das Ganze?

  • Hallo,

    so ich habe mich nach Jahren mal dazu entschlossen, endlich mal Hilfe zu suchen um irgendeine Lösung zu finden.
    Ich bin 23 Jahre alt und Kind und zugleich auch Schwester einer Alkoholikers.
    Zu meiner Mutter: Laut meinem Vater und anderen Verwandten/Bekannten trinkt meine Mutter schon immer "gerne". Ob Familienfeiern, Geburtstage oder mal als "Ausrutscher".. Wirklich zu einem Problem wurde es als ich ungefähr 10 Jahre alt war. Erst wochenends mal wenn mein Vater arbeiten war bis es dann in meiner Abi-Zeit täglich wurde. Bis heute hat sich nichts geändert. Alkohol gehört zu ihrem Tag und ich glaube leider auch das sich daran nichts mehr groß ändern wird. Mittlerweile wohne ich nicht mehr zuhause sondern studiere in einer anderen Stadt und habe mich leider mit dieser Situation abgefunden. Jegliche Therapievorschläge werden abgelehnt, sie sei ja "kein Penner", zu den AA´s will sie nicht weil die seien ja alle viel schlimmer drauf usw. Sie sieht sich also nicht mal wirklich als Alkoholiker womit also schon jegliche Argumente fallen.. Ihre Entschuldigung für all das ist, dass sie ja arbeiten geht und immerhin tut sie ja keinem weh. Sie trinkt einfach gerne, ist mal bisschen mehr angetrunken usw.
    Was mich an der Sache nur wirklich belastet ist, dass mein Vater an all dem zugrunde geht. Ihre Ehe ist schon längst keine Ehe mehr, sie reden kaum miteinander, wenn meine Mutter von der Arbeit kommt geht sie direkt in mein ehemaliges Kinderzimmer was nun zu ihrem Zimmer geworden ist und wartet bis sie wieder am nächsten Tag arbeiten geht. Ca. zwei Mal im Jahr hat sie dann mal einen Autounfall und dann kümmert sich mein Vater wieder um alles. Er ist also irgendwie der Mülleimer für alles. Ich weiß, dass mein Vater kein perfekter Mann ist und vielleicht hätten sich ihre Wege schon früher trennen sollen aber er hat immer versucht uns ein gutes Leben zu ermöglichen und ich weiß, dass man kein Alkoholiker wegen anderen wird..
    Mittlerweile möchte ich einfach nur, dass das alles ein Ende nimmt. Das meine Eltern getrennte Wege gehen und meine Mutter selbst wissen muss wie sie weiterleben möchte denn ich empfinde schon lange keine bedingungslose Liebe mehr zu ihr. Unser Verhältnis ist wie ihr denken könnt nicht das Beste.
    Als wäre das jedoch nicht genug ist auch mein Bruder stark alkoholkrank und zwar um einiges "schlimmer" als meine Mutter. Bei ihm handelt es sich um wirkliche Exzesse mit Polizei, Handgreiflichkeiten usw. Da er sich von seiner Ex getrennt hat und die Miete für ihn alleine zu teuer wurde, hat mein Vater ihn bei sich aufgenommen und ihr könnt euch vorstellen was da so abgeht. Immer wieder landet er bei der Polizei für eine Nacht und das Spiel geht wieder von vorne los. Er sieht das Elternhaus als Hotel wo er schlafen und essen kann. Mein Vater wäscht ihm sogar die Wäsche usw. Ohne ihn hätte er nur ein paar Freunde die selber Alkoholiker sind, zudem ist er seit einem Jahr arbeitslos. Kein Geld, nicht mal eine Krankenversicherung, Schulden und Probleme mit jeglichen Ämtern und Behörden. Bereits 2x Langzeit-Entzug, 6x Kurzzeit und bei jedem mal entweder am Tag der Entlassung wieder vollkommener Absturz oder paar Tage danach.

    Ja ich weiß, mein Vater ist absolut co-abhängig und ich glaube er weiß es auch und ich will aufjedenfall, dass er auch therapeutische Hilfe in Zukunft annimmt aber ich will momentan einen "Plan" damit das endlich ein Ende nimmt. Meine Familie ist kaputt und ich weiß sie wird vermutlich nie wieder so sein wie sie mal war aber ich will wenigstens mich und meinen Vater retten.
    Habt ihr Ähnliches erlebt? Wie kann man das ganze anfangen? Haus verkaufen, Trennung einreichen und meinen Bruder auf die Straße setzen weil was anderen fällt mir nicht ein.. Und wenn es so sein muss, wie kann ich meinem Vater das verklickern, dass nur so eine "Rettung" in Sicht ist. Ich mache mir wirklich wahnsinnige Sorgen um meinen Vater weil wenn ihm etwas passiert dann habe ich niemanden mehr in der Familie auf den ich bauen kann, mal davon abgesehen, dass kein Mensch so ein Leben verdient hat.

    Tut mir leid für den langen Text aber es ist einfach so viel..

    LG und danke, dass es solche Foren gibt.

  • Guten morgen Hopeful,

    erstmal sehr gut das du hier bist.Ich habe mich vor gut einer Woche hier angemeldet und der Austausch mit Angehörigen und Betroffenen tut mir sehr gut.
    Ich bin 45, mein Vater war Alkoholiker und bis zu seinem Tod viele Jahre trocken. Bis vor ein paar Wochen hatte ich eine 12 jährige Beziehung mit einem Alkoholiker. Aus meiner ersten Ehe habe ich einen 18 jährigen Sohn der seit ca 2 Jahren Drogenabhängig ist. Er hat jetzt seine eigene Wohnung weil es für mich nicht mehr ertragbar war.
    Meine Eltern haben sich damals sehr früh getrennt,ich war etwa 2 Jahre alt. Mein Vater ist dann zu seiner Mutter gezogen. Ich war zum Glück diesem dann nicht täglich ausgesetzt, halt an den Wochenenden wenn ich mit meinem älteren Bruder bei Oma geschlafen habe.
    Es ist schlimm wenn man als Kind dieses erleben muss das ein Elternteil sich selbst so zerstört und die ganze Familie daran kaputt geht.
    Was macht man als kleines Kind? Im Grunde nichts, denn man schämt sich anderen das zu erzählen, sich anzuvertrauen. Hinzu kommt das man als Kind ja gar nicht weiß das es Hilfen gibt. Du hast es aber jetzt geschafft das du weißt das du für dich Hilfe brauchst.

    Wenn dein Papa wie du schreibst bereit ist auch diesen Weg zu gehen, solltet ihr euch vielleicht bei der Caritas oder Diakonie einen Termin holen. Ich selbst gehe jetzt seit ein paar Jahren zur Caritas und habe für mich sehr viel mitgenommen und umgesetzt. Dort bekommt ihr auch Listen mit Selbsthilfegruppen die in eurer Nähe sind . Das ist auch sehr wichtig sich mit Menschen auszutauschen die das gleiche erleben/erlebt haben.Du und dein Vater, ihr müsst aus diesem Teufelskreis raus. Es ist gut das du deine eigene Wohnung hast. Aber dein Vater muss da raus ,schnellstens. Solange er bleibt,macht und tut für deine Mutter und deinem Bruder, geht er mehr und mehr kaputt. Und die beiden sehen ja das sie nichts ändern müssen..der Mann und Papa sorgt ja für sie und die Welt ist in Ordnung.
    So hart es sich anhört, Deine Mutter und dein Bruder müssen dann selber zusehen wie sie klar kommen. Dein Vater kann sich nur selber helfen. Er kann weder seiner Frau noch seinem Sohn helfen.

    Lg Libelle

  • Vielen Dank Liebelle1972 für deine Worte.

    Ja es ist schlimm sowas mit ansehen zu müssen. Man fragt sich immer wieder "was wäre wenn es diesen Alkohol nie gegeben hätte" aber leider gibt es ihn und er hat es geschafft alles kaputt zu machen. Wir hätten ein schönes Leben haben können, meine Eltern verdienen recht gut, wir haben ein Haus, jedes Jahr gabs einmal einen Urlaub am Meer usw. Nun kann man keine Urlaube mehr planen weil wie denn auch, da man ja nie weiß was noch alles passieren wird. Gibts wieder Probleme mit der Polizei, wieder ein Autounfall wo man irgendwie erklären muss wie man denn sowas machen kann usw. Wieviel Geld schon für all diese Dinge drauf gegangen ist und trotzdem ändert es nichts. Nicht man das Schamgefühl, dass jeder es im Ort schon weiß beeinflusst das Denken meines Bruders oder meiner Mutter. Deswegen fehlen mir mittlerweile jegliche Argumente und ich habe mich damit abgefunden, dass dies nur noch bergab gehen kann..
    Mein Bruder wurde gestern aus einem Monat Krankenhausaufenthalt auf der Station für Suchterkrankungen der Psychiatrie entlassen und drei mal dürft ihr raten was passiert ist. Er war so betrunken unterwegs, dass ihn die Polizei mal wieder eingesammelt hat und er eine Nacht dort übernachten konnte. Und das geht immer so weiter.
    Wenn mir jemand solche Geschichten erzählen würde, würde ich glauben die Person hat zuviele Hollywood-Filme gesehen. Man kann sich gar nicht vorstellen wie tief die Spirale wirklich gehen kann wenn jemand in der Familie ein Alkoholproblem hat. Das ein Mensch so tief fallen kann und trotzdem nicht draus lernt, ich kann es nicht verstehen aber vermutlich muss ich das auch gar nicht..
    Mein Vater ist leider ein sehr sturer und auch stolzer Mensch der das alles noch immer nicht hinnehmen will. Er sagt jeden Tag, dass er das nicht verstehen kann wie man so leben kann. Es stellt sich also noch immer die Frage nach dem Warum, wo ich längst schon denke, dass das verschwendete Zeit ist..
    Ich bin am Wochenende mal wieder zuhause, auch wenn es mich jetzt schon davor graut aber ich möchte mit meinem Vater darüber reden wie es weitergehen soll.

    Vielen Dank für die lieben Worte.

  • Hallo, Hopeful, und HERZLICH WILLKOMMEN hier bei uns im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, 55, Alkoholiker und seit einigen Jahren trocken.

    Wie bei uns Betroffenen/Alkoholikern muss es auch von den Co-Abhängigen (Eltern, Kindern, Geschwistern, Freunden ...) kommen, dass sie etwas an ihrem Verhalten und der Beziehung zu dem/der Betroffenen ändern WOLLEN und, wenn sie dies nicht aus eigener Kraft können, Hilfe suchen bzw. diese annehmen.
    Denn wenn sie es nicht WOLLEN, dann kann man als Aussenstehender (und auch Familienmitglieder können dann "aussenstehend" sein) mit Engelszungen und sachlichen Argumenten reden, bis man schwarz wird ... Das habe ich leider nur zu oft auch beruflich C:-) oft genug erlebt.

    Aber hier im Forum gibt es etliche Angehörige, die Dir da praktische Tipps geben bzw. von ihren Erfahrungen berichten können.
    Ansonsten empfehle ich Dir auch unsere Linksammlung - dort findest Du viele nützliche weiterführende Links, wie z.Bsp. diesen oder diesen.

    Auf jeden Fall wünsche ich Dir und uns einen guten Austausch und Dir vor allem viele gute, nützliche Tipps und Anregungen!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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