Alkoholkranker Opa

  • Hallo liebes Forum,

    ich bin Nick 21 Jahre alt und komme aus Baden-Württemberg. Schön, dass es solch einen Ort im Internet gibt, an dem ich mich äußern kann. Ich weiß gar nicht so recht wie und wo ich anfangen soll.

    Mein Opa (69 Jahre) trank sein ganzes Leben schon gerne und viel. Begonnen mit dem täglichen Trinken hat er seit Rentenbeginn. Davor hat er beruflich bedingt in einer anderen Stadt gewohnt, ist aber jedes Wochenende zu uns zurückgekommen. Wieviel und was er dort getrunken hat, wissen wir alle nicht. Seit er keine regelmäßige Beschäftigung hat (Arbeit, Hobbies hatte er noch nie wirklich), verbringt er seinen Alltag besoffen entweder vor dem Fernseher oder in der Kneipe.

    Es ist nun schon so schlimm geworden, dass er seit ca. 2 Jahren täglich 2-3 Weinflaschen + Bier trinkt. Im Jahr 2017 ist er etwa viermal zuhause gestürzt und sich böse blaue Flecken und Prellungen erlitten hat. Dort wurde ihm gesagt, dass er sofort mit dem Alkoholkonsum aufhören müsse, da ansonsten die Leberzirrhose einsetzt. Aus dem Krankenhaus ist er allerdings immer wieder abgehauen, da er nach Hause möchte, trinken will und einfach in seiner "Blase" (Alkohol + Fernsehen) leben möchte. Er wollte sich auch nicht von den Sanitätern und Notärzten ins Krankenhaus mitnehmen lassen, da er ja ansonsten nicht in seiner "Blase" leben kann.

    Sozialen Kontakt mit unserer Familie hat er auch nicht mehr - wir essen auch stets getrennt von einander (Ich, Mama, Onkel, Oma) obwohl wir im selben Haus wohnen. Wir alle haben einen Art Hass auf ihn entwickelt, weil er einfach die Familie zerstört. Er schlägt keinen von uns, aber sein Verhalten und dass, was er sagt, verletzen uns sehr. Er begleitet uns auch nicht zu Familientreffen, Geburtstagen, fährt mit meiner Oma seit etwa 10 Jahren nicht mehr in den Urlaub und viele weitere soziale Anlässe oder einfache Aktivitäten wie spazieren gehen oder schwimmen. Er ist auch sehr uneinsichtig und stur.

    Mein Opa möchte einfach nur vor der Glotze hocken und saufen. Vor einem Monat lag er dann einfach nur den ganzen Tag in seinem Bett und hat die Decke angestarrt. Wir wussten nicht so recht was los war, da er auch sehr verwirrt und dement war. Daraufhin haben wir einen Krankenwagen gerufen, der ihn dann schließlich ins Krankenhaus mitgenommen hat. Dort haben sie festgestellt, dass beide Schultern zertrümmert waren. Er ist vermutlich hingefallen, aber wo und wie weiß er nicht (oder will er nicht wissen).

    Nun ist es soweit gekommen, dass er bereits im Anfangsstadium der Leberzirrhose ist. Darüber hinaus ist seine Bauchspeicheldrüse und Niere am Arsch. Aufgrund seiner eingeschränkten Mobilität (gebrochene Schultern) muss er vorübergehend in Kurzzeitpflege, da meine Oma keine Nerven und Kraft mehr hat, sich um ihn zu kümmern. Nach der Kurzzeitpflege müsste er eine weitere Zeit in die Reha, damit die Schultern wieder vollständig genesen.

    Das einzige was ihm allerdings in den Sinn steht, ist der Alkohol. Er frägt ständig nach Geld und seinem Hausschlüssel, möchte die Reha und Kurzzeitpflege abbrechen und sofort wieder nach Hause in seiner "Blase" leben. Soweit so gut - wir haben alle akzeptiert, dass der Alkohol in seinem Leben Nr. 1 ist und über allem steht - seiner Familie, Freunden, Werten, Normen, Hygiene, Träumen. Wir möchten nun auch alle den Kontakt zu ihm abbrechen, da sein Einfluss auf uns alle als Familie stark negativ ist, uns super stresst und uns aggressiv macht.

    Die einzige Frage die ich habe, ist: Was kann ich für meine Oma tun?
    Sie ist selber 67 und eine kranke Frau. Sie hat ihr ganzes Leben gekocht und geputzt und hat dementsprechend eine winzige Rente. Darüber hinaus hat sie einige Krankheiten, die sie selber stark belasten. Wir als Familie möchten auch nicht mehr, dass meine Oma zusammen mit meinem Opa wohnt. Meine Oma musste in den letzen zwei Jahren ständig seinen Urin und Kot aus der ganzen Wohnung entfernen. Mein Opa duscht sich vielleicht einmal im Monat. Außerdem streiten sich die beiden TÄGLICH. Egal worum es geht, es entsteht IMMER Streit und sie schreien sich an.
    Das sind alles untragbare Zustände für meine Oma und wir alle haben sehr große Sorge, dass sie sich das Leben nimmt, da sie die ganze Situation stark belastet.

    Momentan ist mein Opa NOCH in der Kurzzeitpflege, allerdings könnte er jeden Moment nach Hause kommen( da seine Sucht ihn wohl so stark quält) und auf meine Oma treffen. Wir als Familie machen uns sehr große Sorgen um meine Oma.

    Ich brauche unbedingt eine Wohnung für meine Oma, damit sie nicht mehr mit meinem Opa zusammenleben muss. Wie bereits gesagt verdient sie allerdings nix, so dass es sehr schwer wird es aus eigener Tasche zu finanzieren.

    Wisst ihr wie wir uns in diesem Fall am besten verhalten sollen? Welche Anlaufstellen gibt es oder gibt es einen Verein, der genau so etwas tut? Wir sind alle wirklich sehr verzweifelt, weil mein Opa die ganze Familie zerstört. Wir möchten alle auch keinen Kontakt mehr zu ihm und ihm seinen Selbstmord auf Raten zu ermöglichen. Was mein Opa mit sich über die Zeit angestellt hat, ist wirklich schrecklich.

    Ich hoffe irgendjemand kann mir helfen. Verzeiht etwaige Rechtschreibfehler.
    Vielen lieben Dank im Voraus und herzliche Grüße
    Nick

  • Guten Abend Nick,

    ich komme auch aus Baden-Württemberg, Nähe Stuttgart, bin trockener Alkoholiker und in der Selbsthilfe für Suchterkrankungen tätig.
    Je nachdem, wo Du genau herkommst, gibt es in BW eine relativ gute Versorgung durch Suchtberatungen (Caritas u. Diakonie), aber auch Selbsthilfegruppen, sowohl für betroffene Alkoholiker, wie auch für deren Angehörige. Wenn Du im Forum angemeldet bist und auf meinen Namen klickst, kannst Du mir eine Email schicken, dann kann ich gerne für Dich nachschauen, was sich in Deiner Nähe anbietet. (Natürlich völlig anonym und vertraulich!)

    Das Alkoholproblem Deines Opas ist ein sehr schwieriges Thema, eben weil er schon fast 70 ist, und dazu noch völlig uneinsichtig.
    Das Alter deshalb, weil ab einem gewissen Alter oft auf Motivationsbemühungen die Antwort kommt: „Was soll mir in meinem Alter noch viel passieren.“
    Wichtig ist in der ganzen Situation, dass Ihr, Deine Mutter und Deine Oma sich klar und deutlich, vor allem konsequent solange von Eurem Opa distanzieren, solange er keine Hilfe von sich aus annehmen möchte. Das klingt sehr herzlos, ist es aber nicht.
    Tatsächlich ermöglichen Co-Abhängige und viele gutmeinende Helfer einem Alkoholiker seine Sucht auszuleben und am Laufen zu halten. Wenn das unterstützende Umfeld wegbricht, ist die Chance, dass so ein Alkoholiker Einsicht gewinnt, sehr viel höher.
    Und manchen kann man auch gar nicht helfen, sondern muss sie bis zu ihrem bitteren Ende gehen lassen. (Der Tod durch Alkohol, das sind sich viele Betroffene nicht bewusst, ist kein schöner Tod, sondern ein jämmerliches und elendige, meist auch schmerz- und qualvolles Verrecken.)

    Ich kann nicht beurteilen, ob Ihr ggf. eine rechtliche Handhabe in Form von Zwangsmaßnahmen (z. B. Zwangseinweisung in eine geschlossene Alterspsychiatrie (Zwiefalten, Winnenden, usw.) habt, wenn tatsächlich eine Selbst- und Fremdgefährdung vorliegt.
    Euer Hausarzt, ggf. auch ein Psychiater kann Euch darüber aufklären und Euch behilflich sein.
    Es gibt auch z. B. bei der Caritas und der Diakonie Programme für Senioren, die aufgrund ihrer Alkoholsucht nicht mehr für sich selbst sorgen können.
    Außerdem helfen in solchen Fällen beratend die Krankenkassen und der Medizinische Dienst.

    Ich hoffe, ich konnte Dir schon mal einiges beantworten. Gerne kannst Du Dich bei mir melden.

  • Hallo, Nick!
    Auch von mir (m, Ü50, Alkoholiker, seit einigen Jahren trocken und ebenfalls in der Selbsthilfe aktiv) ein HERZLICHES WILLKOMMEN hier im Forum.

    Schon mal gut, dass Du die richtige Frage stellst: was Du/Ihr für Deine OMA tun kansst/könnt 44. Aber vergesst Euch selbst dabei auch nicht - Du beschreibst ja selbst den negativen Einfluss Deines Opas auf die Familie.

    Dietmar hat Dir schon ein paar sehr gute Tipps gegeben. Und da er aus dem selben Bundesland wie Du/Ihr kommt, kann ich dem als Berliner nichts hinzufügen. Ich hätte Dir auch erstmal nur die Suchtebratung empfohlen.

    Ich hoffe sehr für Euch alle, auch Dein Oma, dass Ihr da weiterkommt.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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