"Plötzlich" Entzugserscheinungen bzw süchtig?

  • Guten Abend allerseits,

    erstmal zu mir. Ich bin 25j. alt und arbeite im kaufmännischen Bereich (45Std. pro Woche).

    Zu meinen Trinkgewohnheiten:

    Ich trinke jeden Freitag, häufig dazu auch noch Samstags (hauptsächlich Bier und einen bekannten Kräuterlikör).
    Jeden Montag bin ich in der örtlichen Kneipe, da ich im Dartverein spiele (Montags ist Training).
    Soll heißen, dass ich 2-3Tage pro Woche zuviel trinke.
    An den anderen Tagen trinke ich entweder gar nicht (habe teils einfach keinen Brand) oder "nur" 1-3 Bier (0,33l) nach dem Feierabend.

    Bis vor kurzem habe ich mir nichts dabei gedacht.
    Dann habe ich aber vor ungefähr einer Woche bemerkt, dass meine Hände leicht zittern, wenn ich sie ruhig halten möchte.

    Ich dachte mir erstmal, dass das vielleicht eine Begleiterscheinung meines Katers ist (habe den Tag davor auf einer Geburstagsfeier Bier und sehr viel Kräuterlikör getrunken).
    Die nächsten zwei Tage nach der Party habe ich nichts getrunken, da der Kater zu heftig war.

    Während dieser zwei Tage ist mir desöfteren aufgefallen, dass meine Hände, wenn ich sie ruhig halten möchte, ständig zittern (mal mehr, mal weniger, teils auch gar nicht).
    Und tatsächlich hört das zittern auf, wenn ich Bier getrunken habe (Menge variiert).

    So viel dazu.
    Leider fällt es mir extrem schwer, nicht in die Kneipe zu gehen und zu trinken (zuhause habe ich es weit besser unter Kontrolle). Denn ich lebe alleine und so gut wie alle Freunde sind aus beruflichen Gründen umgezogen.
    Die Kneipe ist für mich der Ort, wo ich sehr viele Leute kenne, mit denen ich gerne quatsche, lache und trinke.

    Aufgrund des oben genannten zitterns, würde ich gerne eine lange Pause einlegen. Oder am besten wäre es, ganz aufzuhören.
    Ich dachte immer, das könnte ich locker, da ich vor einem Jahr das Rauchen ohne Probleme aufgeben konnte. Da habe ich mich leider geirrt.

    Da sich mein Sozialleben rund um die Kneipe und meine handvoll Freunde (die auch alle trinken wie die Wilden) dreht, weiß ich nicht wie ich das packen soll.

    Hat jemand zufälligerweise ähnliches durchgemacht oder kann mir ein paar Ratschläge erteilen?
    Entschuldigt den langen Text :)

    Vielen Dank schonmal. :)

  • Guten Morgen allstar92,

    zuerst das Positive:
    Du bist erst 25 Jahre jung und hast das Problem erkannt.
    Leider ist es eher selten, dass sich jemand, der droht in die Sucht abzurutschen so früh ernsthafte Gedanken darüber macht. Meist wird gedacht „Das gibt sich schon wieder“.
    Du hast m. E. Deinen Schilderungen nach noch alle Chancen Stopp zu sagen, bevor die Sucht sich bei Dir manifestiert und Dein gesamtes Leben bestimmt.

    Zum eher Negativen:
    Dein Alkoholkonsum ist schon so weit fortgeschritten, dass Du offenbar (für Dich) deutlich sichtbare Spuren, wie den bekannten Alkoholtremor (Hand zittern) bekommst, wenn Dein Körper entzügig wird, also Dein Alkoholpegel soweit abgesunken ist, dass Du, um den „Normalzustand“ wieder zu erreichen, erneut Alkohol konsumieren müsstest.
    Wenn Du an dem Punkt dem Suchtdruck (dem Zwang wieder zu trinken) nachgibst, wird der Suchtkreislauf geschlossen.

    Die Frage ist jetzt auch, inwieweit Du auch psychisch abhängig bist.
    Du kannst Dir mal die Trinkertypologie von Jellinek anschauen, um Dich selbst einzuordnen.

    Einen „Ratschlag“ kann ich Dir nicht geben, aber die Empfehlung beim Kneipenbesuch und Dartspielen auf alkoholfreie Getränke umzusteigen. Ein guter Anfang wäre z. B. in Deinem Fall tatsächlich alkoholfreies Bier.
    Das würde vermutlich auch die Treffsicherheit beim Dart erhöhen. ;)

    Kräuterlikör, Jägermeister, u. alle süßen Schnäpse sind brandgefährlich und für die Leber und Bauchspeicheldrüse, aber auch die Magenschleimhaut pures Gift. Zum einen weil gerade junge Menschen aufgrund des süßen Geschmacks die Wirkung völlig unterschätzen, zum anderen, weil die Süße Durst und Verlangen nach mehr verursacht. Und dann natürlich durch den relativ hohen Alkoholgehalt.

    Zur Deiner Frage, ob jemand Ähnliches erlebt hat: Ja.
    Ich bin sehr jung und sehr naiv und unwissend zum Alkoholiker geworden. Damals gab es niemand in meinem Umfeld, der mich vor den Folgen gewarnt hätte. Bei mir war es, als ich den Punkt erreicht hatte, an dem meine Hände morgens zitterten und ich zur „Normalisierung“ gleich wieder zum Alkohol greifen musste, bereits so weit, dass ich süchtig war.
    Es dauerte dann noch viele Jahre, in denen ich meinem Beruf nachging, Familie gründete, und gut funktionierte – halt immer unter Stoff – bis der Totalzusammenbruch kam.
    Heute weiß ich: Eine von vielen Alkoholiker-Lebensgeschichten. Keine Ausnahme, sondern eher die Regel.

  • Guten Morgen allstar92,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Es ist eher selten das jemand, der noch so jung ist wie Du hier aufschlägt. Nicht weil es in Deinem Alter noch keine Alkoholiker gibt sondern, wie Dietmar Dir schon schrieb, weil sich die meisten Menschen in Deinem Alter des Problems gar nicht bewusst sind.

    Somit muss ich mal sagen, dass Du goldrichtig gehandelt hast indem Du Dich hier angemeldet hast und dass Du Dich überhaupt mit Deinen Trinkgewohnheiten außeinander setzt.

    Jetzt geht es darum Taten folgen zu lassen. Ich sehe es genauso wie Dietmar: Du hast noch alle Chance schnell die Kurve zu bekommen. Was ich Dir allerdings nicht sagen kann ist, ob Du bereits Alkoholiker bist oder nur Missbräuchler. Letzteres könnte dazu führen, dass Du evtl. irgendwann mal wieder ein normales Trinkmaß finden könntest. Vielleicht.... Bist Du bereits psychisch Abhänging ist der Zug abgefahren. Einmal süchtig - immer süchtig. Dann heiß die Zauberformel dauerhafte Abstinenz. Hört sich wahrscheinlich grauenhaft für Dich an, in der Praxis ist das aber eine wunderbare Sache. Besonders dann, wenn man erlebt hat was die Sucht mit einem anstellt, wenn man sie lässt.

    Deine Frage bezüglich "ob wir sowas auch erlebt haben" kann ich nur sagen: ja, klar. Ich denke ich war ungefähr in Deinem Alter als es bei mir so langsam anfing. Mit deutlich geringeren Mengen alsdie, die Du von Dir beschreibst. Ich war quasi jahrelang, viele Jahre lang nur knapp über dem was man offiziell als unbedenklich bezeichnet. Ein Feierabendbier, mal zwei. Dazwischen auch mal einen Tag ohne usw. Ich habe damals nicht erkannt, dass ich damit den Grundstock für meine Sucht gelegt habe. Tatsächlich habe ich schon damals irgendwann (motiviert durch meine Frau) mal längere Zeit nichts getrunken. Sie war der Meinung, dass mein regelmäßiges Biertrinken, wenn auch auf niedrigem Niveau, doch ein wenig zu viel sein könnte. Also habe ich gesagt: Kein Problem, trink ich halt erst mal nix mehr. Ging auch, Zittern usw. war damals sowieso noch gar kein Thema. ABER: bereits damals habe ich den Alkohol vermisst. Habe mich darauf gefreut wieder trinken "zu dürfen". Habe also schon Kraft aufwenden müssen um nicht zu trinken. Ich war also eigentlich schon psychisch abhängig oder zumindest sehr nahe dran.

    Hätte ich damals nun tatsächlich mal sehr lange verzichtet, mein Trinken mehr hinterfragt usw, evtl. hätte ich die Kurve noch bekommen können. Tat ich aber nicht. Ich trank halt mal ein paar Monate nix und fing dann wieder an. Schwupp war ich da wo ich vorher war und ganz schnell auch darüber. Nach jeder längeren Pause bin ich mit gesteigertem Gundlevel zurück gekommen, so war das bei mir.

    Nun ist es so, dass man mit dieser Sucht recht lange (seeehr lange) recht gut leben kann. Man trinkt halt seine 4 oder 5 Bier am Tag und keiner merkt was. Man trinkt nur abends, kein Problem und am nächsten Tag ist man auch soweit ganz fit. Geht doch ganz gut.

    Das ist der Grund warum junge Menschen eben nicht so oft hier auftauchen. Das Problem ist einem nicht bewusst, man funktioniert sehr gut und ein Alkoholiker ist ja eh nur der, der total besoffen auf der Parkbank liegt. Ich, der ich Familie, genügend Kohle, ein soziales Umfeld und einen guten Job habe, ich kann ja gar kein Alkoholiker sein - tja, falsch gedacht.

    Und dann kommt sie mit Wucht, die Sucht. Irgendwann kippt das ganze. Z. B. ausgelöst durch eine schlechte Phase im Leben oder auch einfach weil die Sucht lange genug angedauert hat. Denn geht es los. Zeitlich kann das ewig dauern, es kann aber auch sehr schnell gehen. Manche Menschen stürzen innerhalb einer sehr kurzen Zeit komplett ab, andere trinken 15 Jahre lange viel zu viel und stürzen dann ab. Wieder andere trinken ihr Leben lang viel zu viel, ruinieren nebenbei die Gesundheit und stürzen rein alkoholtechnisch aber gar nicht ganz ab. Es gibt die unterschiedlichsten Varianten.

    Wo Du jetzt stehst, ich weiß es nicht. Es ist aber auf jeden Fall sehr gut, dass Du Dich damit beschäftigst. Wenn Du Fragen hast, dann raus damit. Ansonsten wünsche ich Dir erst mal alles Gute und einen guten Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!