Abhängig, Co-Abhängig oder Angehörige?

  • Hallo Katerle und all Ihr Anderen,

    Zitat

    Vielleicht willst du uns die Ursache des Trinkens näher beschreiben?

    Warum hast Du zum Alkohol gegriffen?

    Spontan fiel mir dazu mal wieder „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry ein:

    »Was machst du hier?«, sprach er zu dem Säufer, den er stumm sitzend vor einer Reihe leerer und einer Reihe voller Flaschen vorfand.
    »Ich trinke«, antwortete der Säufer mit düsterer Miene.
    »Und warum trinkst du?«, fragte der kleine Prinz.
    »Um zu vergessen«, antwortete der Säufer.
    »Was willst du vergessen?«, fragte der kleine Prinz, der ihm schon leid tat.
    »Ich will vergessen, dass ich mich schäme«, gestand der Säufer und ließ den Kopf hängen.
    »Über was schämst du dich?«, fragte der kleine Prinz beharrlich weiter, denn er wollte ihm helfen.
    »Ich schäme mich, weil ich saufe!«, sagte der Säufer abschließend und hüllte sich in tiefes Schweigen.

    Ich glaube nicht, dass ich damals, als ich wie Katerle nach ein paar Tagen Nüchternheit wieder zur Flasche griff, eine Antwort darauf geben können hätte „warum ich wieder mit dem Trinken anfange“.
    Mir hat aber zunächst sehr viel geholfen, was Gerchla schreibt:

    Zitat

    Wie willst Du künftig mit solchen Situationen umgehen?

    Später, sehr viel später, haben mich erfahrene trockene Alkoholiker (und auch Therapeuten) an das Thema „warum habe ich getrunken“ – „was war die Ursache“ usw. herangeführt. Damit ich mich tiefer mit meiner Suchtgeschichte auseinandersetze.
    Aber zuerst war es für mich wichtig, dass ich eine „Strategie“, ganz auf mich zugeschnitten, gefunden habe, wie ich im Fall von Suchtdruck (erster Griff nach der Flasche) umgehen konnte.

    Dass Du jetzt Deine Trinkpause (so sagt man dazu, wenn nach wenigen Tagen wieder getrunken wird), unterbrochen hast und erneut zum Glas gegriffen hast, Katerle, ist (leider) am Anfang eher die Realität, wie die Ausnahme. Vielleicht werden noch einige solche Momente kommen, in denen Du schwach wirst, vielleicht hast Du auch das große Glück und es macht „Klick“ und Du wirst nie wieder schwach.
    Aber auch jeder schwache Moment stärkt Dich in Deiner Widerstandkraft zur Sucht.

    Du hast jetzt die Situation „Ein Streit am Wochenende und ich trinke ..“ kennengelernt.
    Dein schwacher Punkt.
    Dass es nochmals zum Streit kommen kann, wirst Du wahrscheinlich nicht verhindern können. Aber das Nachfolgende wirst Du ändern können – wenn Du im Voraus gewappnet bist und Dir eine Strategie zulegst.
    Ich habe zum Beispiel die Strategie: Belastende Situation > jetzt gönne ich mir etwas Gutes, das ich schon lange mal haben oder angehen wollte.
    Und ganz wichtig war für mich: Raus aus der Situation, wenn es sein muss sogar durch abrupten Abbruch eines Gesprächs. Schließlich geht es an „mein Eingemachtes“.

    Ich weiß jetzt nicht, ob Du den Stoff zuvor einkaufen musstest oder noch Zuhause Vorrat gebunkert hattest. Wenn das Letztere der Fall war, dann nur mein Hinweis: Je näher der Alkohol in schwachen Momenten verfügbar ist, umso größer ist auch die Gefahr danach zu greifen. Je länger es dauert, bis man ihn sich beschaffen kann, umso länger wägt man ab.

    Auf jeden Fall toll und positiv: Du hast den Vorfall so schnell es für Dich ging beendet!
    Das ist, gemessen an dem, was Du über „vorher“ geschrieben hast, eine toller Fortschritt!!

  • Hallo Katerle,


    zuerst einmal, es ist Wunderbar das du dein trinken, vom Alkohol hier im Forum offen gemacht hast.
    Das ist ein wichtiger Schritt auf deinem Weg, dich mit dem Thema Sucht auseinander zu setzten
    und dauerhaft trocken zu werden.
    Meine Rückfälle nach kurzen Trink Pausen waren für mich sogar in gewisser weise nicht ohne Wert.
    Festigte sich doch nach jeder neuen Trink Runde, ein Gefühl in mir, der Alkohol tut seine Dienste nicht mehr.
    Also meine Gedanken, die Wünsche oder der Grund wofür oder wogegen ich den Alkohol eingesetzt hatte, wurden immer weniger erfüllt.
    Aber die Neben Wirkungen blieben bestehen, wurden auch mit jedem trinken größer. Die Psyche immer kleiner, der Körper immer weniger brauchbar.
    Da ich eher vom Kopf als von Gefühlen gesteuert bin, habe ich auch die Möglichkeit Schlüsse daraus zu ziehen.
    Aber die Sucht ist hinterhältig und nicht leicht erkennbar, das wird mir dann wieder bewusst, wenn ich nach guten Gründen Ausschau halte noch eine kleine Ehrenrunde mit meinem Helfer Alkohol zu drehen.
    Das ist eben unsere Sucht.
    Du bist auf einem guten Weg, das spüre ich beim lesen deiner Zeilen, Rückschläge sind unangenehm gehören aber dazu.
    Bitte behalte deinen Mut und deine Zuversicht.
    Im übrigen schaffen es die wenigsten alleine aus dem Sucht Kreislauf auszubrechen.
    Mir hat damals die Suchthilfe der Caritas sehr geholfen.
    Nach Beendigung der ambulanten Therapie schloss ich mich erst einer Shg an.

    wie du siehst jeder kann nur seinen eigenen Weg gehen.

    Wäre schön auch deinen zu verfolgen,

    es Grüßt die Birgit.

  • Guten Morgen, ihr Lieben.

    Ich habe mich einige Zeit nicht gemeldet, aber nicht, weil ich in eine neue Trinkphase gerutscht bin sondern das Gegenteil war der Fall.

    Eure Beiträge haben mich verängstigt. Aber nur in dem Sinne, dass ich noch kritischer auf mich geblickt habe und mir die Frage gestellt habe, will ich dieses alkoholertränkte Leben wirklich?

    Ich bin zu meiner Hausärztin gegangen, habe offen über meinem Alkoholmissbrauch berichtet und wir haben die erforderlichen Tests gemacht. Ultraschall war okay, die Leberwerte in der ersten Blutuntersuchung leicht verändert in dem nachfolgenden Test Gott sei Dank in einem vertretbaren Bereich.

    Körperlich bin ich also noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen. Das ist ja aber nicht alles.

    Zwischenzeitlich hatte ich einen alkoholfreien Geburtstag. Gestern bin ich das erste Mal wieder mit Freunden "einen Trinken" gewesen. Ich blieb bei meiner Rabarberschorle und es hat weder mir noch den anderen etwas ausgemacht. Natürlich sagte mein Kopf: "ein Bier könntest du dir genehmigen, nur eins ..." aber ich habe es nicht gemacht.
    Auch ohne Alkohol (oder gerade, weil ich einen klaren Kopf behielt) hatte ich soviel Spaß wie schon lange nicht mehr.

    Insgesamt geht es mir seit etwas über 1 Woche viel besser. Meine wohl alkoholbedingten trüben Gedanken (insbesondere die, die mir immer sagen wollen, was soll dir das Leben noch geben können) sind viel leiser geworden. Es ist noch nicht alles gut, ich befinde mich ja in einer bevorstehenden Trennung, weil mein Lebensgefährte die Notwendigkeit nicht einsieht, auch seinen Alkoholkonsum zu verringern oder einzustellen, aber mit meiner neu gewonnenen Kraft werde ich es schaffen.
    Ich muss mich nur den Problemen stellen - mit klarem, erhobenen Hauptes und dann finde ich schon eine Lösung.

    Ich habe sogar wieder angefangen zu joggen - ganz langsam, moderat (5 km in 40 Minuten), habe deshalb auch schon angefangen abzunehmen (sehr motivierender Nebeneffekt) und ich fühle mich soviel lebendiger und wacher ...

    Übermütig will ich nicht werden. Ich habe mir eine SHG herausgesucht, angerufen und mich für das erste Treffen in knapp 14 Tagen "angemeldet". So ist es für mich verbindlicher. Auch das werde ich noch schaffen - alleine! Ja, dass macht mich traurig. Die Angst vor dem Alleinsein bleibt aber die Angst, ALLES an den Alkohol zu verlieren ist noch soviel größer.

    Danke, dass ihr mich auf diesen Weg, meine ersten Schritte begleitet habt und mir Mut gemacht habt, mich dem zu stellen. Ich habe hier gesehen, dass Menschen die trinken ganz normale Menschen wie du und ich sind ... es ist keine Schande, gestrauchelt und vom rechten Weg abgekommen zu sein. Es wäre nur eine Schande sich dem Ganzen nicht stellen zu wollen.

    Ich habe noch einen weiten Weg vor mir, das weiß ich, aber ein Anfang ist gemacht.

    Herzliche Woxhenensgrüße

    Katerle66

  • Wow - na das liest sich doch mal super 44.

    Auch Dir ein wunderschönes, innerlich trockenes Wochenende (soll ja regnen :( )

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Guten Morgen Karterle66,

    erfreuliche Nachrichten sind das von Dir!


    Auch ohne Alkohol (oder gerade, weil ich einen klaren Kopf behielt) hatte ich soviel Spaß wie schon lange nicht mehr.

    Und das ist noch steigerungsfähig: Auch die Erinnerung an solche erlebnisreichem Momente bleibt trocken lange erhalten. Zudem hast Du jetzt kein schlechtes Gewissen mehr, weil Du nicht weißt, was Du an so einem Abend angestellt hast. ;)

    Zitat

    Auch das werde ich noch schaffen - alleine! Ja, dass macht mich traurig. Die Angst vor dem Alleinsein bleibt aber die Angst, ALLES an den Alkohol zu verlieren ist noch soviel größer.

    Das ist leider das Paradox bei vom Alkoholismus begleiteten Partnerschaften: Die richtige Vorgehensweise - Distanz zum weitertrinkenden Partner - verursacht Verlust- oder sogar Existenzangst. Gleichzeitig lassen sich die ja immer noch bestehenden Gefühle nicht so einfach mit dem Verstand steuern.
    Gleichzeitig ist es aber die einzig richtige Entscheidung, um sowohl Dir als auch Deinem Partner einen Ausstieg aus dem Suchtkreislauf zu ermöglichen.
    Weil bisher wart Ihr beide in diesem Suchtkreislauf gefangen.
    Jetzt braucht es Zeit und Geduld. Aber angesichts dem Gewinn, den Du durch Dein trockenes Leben erhältst, lohnt es sich!

    Danke für Deine lieben Worte!
    Und ja, angesichts der heute überall angebotenen Hilfe zu einem Suchtausstieg ist es beschämend, wenn Betroffene sie nicht ergreifen.

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