Ich weiß nicht wirklich weiter..

  • Hey liebe Community,

    Vorerst würde ich euch gerne die Situation schildern, in der ich mich zurzeit befinde.
    Im laufe der letzten Monate hat sich herausgestellt, dass mein Vater alkoholabhängig ist. Da meine stiefmutter wegen seiner trinkerei und seinem verhalten wenn er betrunken ist mit meiner kleinen Schwester ausgezogen ist, hat er sich dazu entschlossen einen Entzug in einer Klinik zu machen. Da mein Vater ein sehr stolzer Mensch ist, hat er mir und meiner stiefmutter das versprechen abgenommen es niemanden zu erzählen, einschließlich meines älteren Bruders der schon vor einigen Jahren ausgezogen ist.
    Er hat den Termin in der klinik immer wieder verschoben weil er meinte er müsse noch einige berufliche und private Dinge klären.
    Vor einer Woche hatte er dann ein "tief". Er sollte meine stiefmutter von der Arbeit abholen, weil er sich ihr Auto geliehen hatte. Er hatte jedoch wieder getrunken und war scheinbar so betrunken, dass glücklicherweise ein Nachbar aufmerksam darauf wurde und ihn nicht hinters Steuer gelassen hat. Daraufhin hatte er auf offener Straße, vor der gesamten Nachbarschaft ein emotionales tief und hat nur noch geweint.

    Als ich schließlich zuhause ankam, war er am Boden zerstört. Er hat nur noch geweint und gesagt er wolle nicht mehr leben und das es ihm schon lange so geht. Zu dem Zeitpunkt hatte er schon 1 1/2 Flaschen Vodka getrunken.

    Da ich selbst komplett überfordert war rief ich meinen Bruder an. Er wusste bis dato nichts von den Problemen meines Vaters und kam sofort mit dem Taxi zu uns nachhause.

    Als mein Vater wieder nüchtern war redeten wir lange und ausführlich miteinander. Er versicherte uns, dass er sich ändern will und das nächste freie bett in der Klinik nimmt.

    Seither verschiebt er seine Einweisung jeden Tag aufs Neue. Wir haben alles getan was wir konnten. Wir haben ihm Mut zugesprochen, ihm Klamotten und Bücher und snacks für den klinikaufenthalt gekauft und ihm beim Koffer packen geholfen.

    Nun ist morgen ein Platz in der Klinik für ihn frei und er will scheinbar wieder absagen. Vorhin hat er in einem Gespräch versucht mich davon zu überzeugen, dass es am besten wäre wenn er den Aufenthalt wieder um 2 Tage verschiebt und das wir ihm zu viel Druck machen. Er hat gesagt, dass er zurzeit einige Dinge mit dem Finanzamt klären muss die er wegen seiner trinkerei jahrelang vernachlässigt hat und das er wenn er jetzt geht dort nachts nicht schlafen könnte mit all dem Druck der auf ihm lastet.

    Einerseits kann ich ihn verstehen.. andererseits befürchte ich das es wieder nur eine ausrede ist. Ich weiß zwar, dass er wirklich Probleme mit den behörden hat aber ich bezweifle, dass er in seinem Zustand überhaupt irgendwas geregelt bekommt geschweige denn Probleme bewältigt, die er schon jahrelang vor sich hinschiebt.

    Ich weiß echt nicht was ich machen soll und ich bin mir auch nicht sicher, wie lange ich das noch aushalte. Jeden Tag hoffe ich aufs Neue, dass er nicht komplett betrunken ist wenn ich nachhause komme. Zusätzlich habe ich noch mit Problemen in der 12.Klasse zu kämpfen und ich habe schon einiges verpasst weil ich selber keine Kraft mehr habe morgens aufzustehen und zur Schule zu gehen..

    Ps: Sorry für den langen und wirren Text.. die Situation ist schwer in Worte zu fassen für mich.

    MfG - wasabi

  • Hallo wasabi,

    kurzum: Eine Scheißsituation in der Du Dich durch die Sucht Deines Vaters allein durch seine Schuld befindest!
    Die „Spielchen“, die Dein Vater treibt, sind wahrscheinlich allen Alkis gut bekannt, meist sogar aus dem eigenen Erleben heraus: Morgen, morgen, nur nicht heute …
    Das „Problem“, die Alkoholkrankheit, wird solange vor sich her geschoben, bis sie


      [li]nicht mehr zu verleugnen ist[/li]
      [li]meist ein Totalzusammenbruch, psychischer und physischer Art kommen muss[/li]
      [li]arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen[/li]
      [li]sich alle, die es – noch! – gut mit dem Betroffenen meinen abgewandt haben[/li]

    Das Argument mit dem Finanzamt ist natürlich Quatsch. Egal was man über Finanzbeamte sagt, auch sie sind Menschen und zudem an die Regeln des Lebens und die Gesetze gebunden.
    Wenn jemand erkrankt ist, und Alkoholsucht ist seit 1952 von der WHO offiziell als Krankheit anerkannt, und 1968 zog auch das Bundessozialgericht nach, wenn also Steuerpflichtige aufgrund dieser Krankheit momentan nicht in der Lage sind eine Steuererklärung einzureichen, dann wird sie vorläufig problemlos ausgesetzt.
    Nur im Fall, dass „da schon mal etwas war beim Finanzamt“, wird das Finanzamt einen Nachweis verlangen.
    Ich denke auch, dass andersherum ein Schuh daraus wird: Solange Dein Vater säuft, wird er nicht in der Lage sein einen vernünftige Steuererklärung aufzusetzen, oder?

    Wenn Du schreibst „mein Vater ist ein sehr stolzer Mensch“, dann muss ich Dir als betroffener Alkoholiker sagen: Im Zusammenhang mit der Offenlegung des Alkoholismus ist das nicht Stolz, sondern die dem nassen Wesen zugrunde liegende Heimlichtuerei, Unehrlichkeit, das Versteckspielen, Großspurigkeit, usw.
    Meist stellen betroffene Alkoholiker im Nachhinein, wenn sie also entgiftet haben und abstinent leben, fest, dass das gesamte Umfeld von ihrem Alkoholproblem Kenntnis hatte, und nur sie selbst glaubten, wes merke niemand.

    Dass Du Dich jetzt hier an das Forum wendest, sollte auch heißen, dass es jetzt „um Dich geht“. Schon alleine deswegen, weil niemand einen anderen trocken legen kann. Solange der Betroffene nicht von sich aus will, ist leider jede Hilfe vergebens.
    Du hast bereits Probleme in der Schule und schreibst hier von dem bekannten Verhalten angehöriger Kindern von Alkoholikern.
    Das ist gar nicht gut!
    Ich empfehle Dir ausdrücklich, Dich an die nächste Suchtberatungsstelle zu wenden. Die nennt sich in der Regel nicht umsonst „Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtkranke und ihre Angehörige“.
    Dort gibt es auch speziell für Dein Problem, als angehöriges Kind und Jugendliche, Fachleute, die sich bestens damit auskennen. Du wirst jede Unterstützung erfahren, die Du in dieser Situation für Dich brauchst.
    Wahrscheinlich, wenn irgendwie möglich, wird man Dir im Fall, dass Dein Vater freiwillig nicht in Entgiftung geht, empfehlen woanders unterzukommen.
    Auch dabei wird man Dir behilflich sein!
    Ich wünsche Dir Alles Gute und – bitte! – noch die Kraft diesen Weg zur Beratungsstelle zu beschreiten!

  • Hallo, wasabi :welcome:

    Eigentlich kann ich mich Dietmar nur anschließen: Scheiß Situation, alles Ausreden, es geht jetzt um Dich etc ...

    In Deiner Situationsschilderung ist mir etwas aufgefallen:

    Da meine stiefmutter wegen seiner trinkerei und seinem verhalten wenn er betrunken ist mit meiner kleinen Schwester ausgezogen ist, hat er sich dazu entschlossen einen Entzug in einer Klinik zu machen.

    Wie sieht es aus - könntest Du nicht (zumindest zeitweise) zu Deiner Stiefmutter ziehen (wenn es Euer Verhältnis zulässt - aber nicht alle Stiefmütter sind schrecklich)? Einfach, damit DU auch wieder mal zur Ruhe kommen kannst.
    Und wenn Dein Vater wieder einen Rückzieher machen will, dann kannst Du ihm ja sagen, dass Du dann auch weg bist - eben weil Du Dich nicht von ihm und seinem Verhalten "fertig machen" lassen willst.
    Du schreibst, er ist ein "sehr stolzer Mensch". Vielleicht ist dies dann für ihn der Anstoß, nicht nur über eventuelle Maßnahmen/Änderungen zu reden, sondern auch endlicjh etwas zu tun!?

    Übrigens: Ich selbst bin Alkoholiker, seit einigen Jahren trocken. Ich kenne also die "Spielchen" Deines Vaters ... so wie Dietmar schon schrieb:

    Die „Spielchen“, die Dein Vater treibt, sind wahrscheinlich allen Alkis gut bekannt, meist sogar aus dem eigenen Erleben heraus: Morgen, morgen, nur nicht heute …

    Ich wünsche Dir alles Gute und viel Kraft!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Wasabi

    Dein Text macht mich einfach nur traurig (bin Co-Abhängige).

    Meiner Meinung nach wird dein Vater sich nicht freiwillig in den Entzug begeben, er wird immer wieder Ausreden finden.
    Auch mein Mann wollte sich keine Hilfe holen.

    Ich habe mich dann irgendwann an seinen (und auch meinen) Hausarzt gewandt, der mir zusicherte: Wenn die Situation
    mit der Trinkerei (1-2 Flaschen Wodka täglich) und auch die Depressionen (Suizidgedanken) zu stark werden, soll ich ihm Bescheid sagen. Das habe
    ich letztes Jahr getan und der Hausarzt hat eine Einweisung in die Klinik veranlasst. Er ist somit in seinen 1. Entzug gekommen.

    Vielleicht sprichst du auch mal mit dem Hausarzt deines Vaters...

    Du hast jetzt schon viel mehr Last auf dich genommen, als du solltest und du ertragen kannst. Bitte überschätze deine Kräfte nicht (den Fehler
    habe ich gemacht und hatte bekam dadurch Nervenzusammenbrüche und Panikattacken).

    Du bist einfach zu jung für solche Sachen. Sicherlich machst du dir Gedanken um deine Vater und
    möchtest ihm helfen. Kann ich sehr gut nachvollziehen. Aber bitte suche dir schnellstmöglich Hilfe, damit du nicht psychisch kaputt gehst.
    Du musst jetzt an deine Zukunft denken!!!

    Ich wünsche dir viel Kraft und Mut. Vergiss nicht: Es tut auch gut, sich hier in diesem Forum den Kummer von der Seele zu reden.

    Seestern

  • Hallo Wasabi!

    Herzlich willkommen hier!

    Dein Text macht mich traurig und es kommen alte Erinnerungen hoch. Ich habe selbst in einem Umfeld gelebt als Kind/Jugendliche in dem sehr viel gesoffen wurde. Du kannst Deinem Vater nicht wirklich helfen, aber DIR!

    Wenn Du irgendeine Möglichkeit hast bei Deinem Vater auszuziehen: tue es! Du bist gerade in einer schwierigen Phase in der Schule und Dein jetziges Verhalten kann Dein ganzes Leben beeinflussen.

    Ganz lieben Gruß von Caroline - Kind aus einer Alkoholikerfamilie und selbst abhängig. Ich wünsche Dir viel Kraft!

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