Neuer Partner trinkt heimlich

  • Hallo,
    ich bin neu hier und brauche euren Rat.
    Ich (51) bin seit rund 2 Jahren mit meiner Freundin (50) zusammen. Wir sind - eigentlich - richtig glücklich miteinander. Es passt fast alles.
    Wir sind beide aus einer langen Beziehung (beide Trennung nach über 20 Jahren) zusammen gekommen. Haben uns erst nach zeitlichen Abstand zu den alten Beziehungen kennengelernt. Sie hat sich dann hier in meiner einen neuen Arbeitsplatz gesucht und ist vor rund 3 Monaten zu mir gezogen, hat aber ihre Wohnung in 50 km Entfernung erstmal noch parallel behalten. Beruflich und auch privat läuft nach meinem Empfinden alles super. Wir haben keine Geldprobleme, unternehmen viel zusammen, haben gleiche Interessen, nette Freunde und jeder von uns schon große Kinder, die allerdings ab und zu mal Stress machen. Alles im Allen also nur die ganz normalen Probleme. Streit gab es bislang noch nie zwischen uns. Wenn wir etwas mal unterschiedlich sehen, reden wir ruhig miteinander und finden immer einen vernünftigen Kompromiss. Ich mische mich nicht in Ihre "alten" Familiendinge ein, und Sie nicht bei mir. Es gibt also wenig Konfliktpotential. Allerdings hat sie bei der Trennung aus ihrer alten Beziehung viele soziale Kontakte verloren, auch die zu Ihrer Familie die ihr in schweren Zeiten nie geholfen hat. Daraufhin hat sie irgendwann den Kontakt abgebrochen.
    Jetzt komme ich mal zum Thema: wir trinken beide gerne Abends mal ein Gläschen Rotwein. Meist 1 bis 2 Glas. Aber auch nicht jeden Abend. Im Laufe der Zeit verbrachten wir immer mehr Zeit miteinander und so bekam ich mit, das sie neben dem Weinchen (dem ich keine Bedeutung zugemessen hatte) ab und zu auch harte Sachen heimlich trinkt. Sie tut dann so als ginge sie auf Toilette oder so und hat dann irgenwo Vodka oder ähnliches versteckt. Dann kommt sie etwas wesensverändert zurück und ich weiß nicht wie ich darauf reagieren soll. Erstmal fällt einem das garnicht auf, sie redet dann etwas anders, ist aber nicht aggressiv oder so. Erst beim 2. oder 3. heimlichen Gang wird es richtig auffällig. Irgendwann habe ich zufällig einen Flachmann und dann auch eine ganze Flasche gefunden. Hatte es anfangs auf den Wein geschoben. Ich dachte wenn sie zu mir zieht und wir uns jeden Tag sehen passiert das nicht mehr. Aber alle 1 bis 2 Wochen kommt es wieder vor. Vielleicht auch häufiger und ich kriege es nicht mit. Sie trinkt dann heimlich etwas und geht wenn es zuviel, bzw. auffällig wird (merkt sie wohl selber), direkt schlafen, ohne Bescheid zu sagen. Heute habe ich aber wirklich einen großen Scheck bekommen: ich habe zufällig beim Wechseln der Bettwäsche heute morgen (da war sie schon auf Arbeit) ihr "Lager" gefunden. 6 leere Schnapsflaschen im Kleiderschrank. Jetzt weiß ich, dass ich es hier mit einer Abhängigen zu tun habe. Ich habe sie bislang nicht damit konfrontiert und auch sonst haben wir das Thema immer sorgfältig umschifft ... Das geht aber jetzt nicht mehr, ich liebe sie und darum muss jetzt irgendwie reagiert werden. Aber hier will ich keinen Fehler machen. Wie spreche ich Sie darauf an und was könnten die nächsten Schritte sein? Ich bin für jeden Rat dankbar - auch per PN.

  • Hallo Holgax,

    willkommen im Forum.
    Du schreibst, dass Ihr immer einen vernünftigen Kompromiss findest und ruhig (verständnisvoll?) miteinander redet.
    Das ist schon mal die beste Voraussetzung für ein klärendes Gespräch bzgl. der eventuellen Abhängigkeit Deiner Partnerin.

    Wenn Betroffene heimlich trinken, ist das ein Zeichen dafür, dass sie selbst schon um ihr Problem im Umgang mit Alkohol wissen. Sie wissen dann, dass „da irgendetwas“ etwas nicht mehr stimmt und versuchen es zu verbergen.
    Dieses heimliche Trinken birgt die Gefahr eines sogenannten „Sturzttrunkes“ in sich. Die Betroffenen trinken dann, um auf den notwendigen Promillepegel zu kommen, in kurzer Zeit zu viel, sodass sie danach schlagartig betrunken wirken, bzw. sind.

    Ich würde auf eine gute, gesunde und vertrauensvolle Partnerschaft bauen. Dazu gehört auch, dass die Partner ehrlich zueinander sind und unstimmige Situationen ansprechen.
    Du hast jetzt das Versteck Deiner Partnerin gefunden. Würdest Du ihr das jetzt verheimlichen, würdest Du im Grunde nichts anderes machen, wie sie es mit ihrem heimlichen Trinken und dem verstecken von Flaschen tut.
    Spreche sie konkret an, sag ihr, was Dir aufgefallen ist und biete ihr gleichzeitig Deine volle Unterstützung und Hilfe an.
    Lass Dich dabei nicht mit Aussagen wie „ich habe das unter Kontrolle“ (dann würde sie nicht heimlich trinken müssen) und „das bekomme ich schon wieder in den Griff“ (dann hätte sie es schon im Griff).

    Es gibt gottlob hier bei uns hervorragende Hilfen bei einem Alkoholproblem. Da sind die Suchtberatungsstellen, in denen Fachleute tätig sind, die Alkoholismus aus allen Perspektiven und in allen Milieus kennen. Dort werden sowohl Abhängige, aber auch Angehörige von Abhängigen beraten.
    Biete Deiner Partnerin liebevoll Hilfe und Optionen an, und erarbeitet gemeinsam die weitere Vorgehensweise.
    Es ist meist so, dass Süchtige ihre Sucht zunächst nur unter dem Gesichtspunkt eines Stigmas, eines Makels sehen, und sich deswegen regelrecht schämen.
    An dem Punkt kannst Du viel für Deine Partnerin tun: Sucht ist kein Makel und hat nichts mit Willensschwäche zu tun. Es ist keine Schande, wenn jemand süchtig geworden ist, aber es ist eine Schande nichts dagegen zu unternehmen.

  • Hallo Holgax,

    auch von mir herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Ich bin Alkoholiker und nun einige Jahre trocken. Und ich habe genau das getan, was Deine Partnerin auch tut. Ich habe heimlich getrunken. Und zwar komplett heimlich. Mich hat fast nie jemand in der Öffentlichkeit Alkohol trinken sehen. Selbst bei offiziellen Anlässen z. B. in Restaurants habe höchstens mal ein Bier getrunken, oft aber auch nichts. Im Auto, das draußen auf dem Parkplatz stand, hatte ich aber einen wunderbaren Vorrat versteckt. Und so musste ich halt häufig zur Toilette oder mal schauen ob ich nicht "vergessen" habe das Auto abzusperren.... Von meinen sehr kreativen Geheimverstecken im und um unser Haus herum (bis hin zu Bierkästen die ich im Wald gebunkert hatte) will ich jetzt mal gar nicht sprechen.

    Und dann passierte genau das, was Dietmar sehr treffend beschrieben hat. Ich stürzte den Alkohol in mich hinein. Denn ich brauchte ja meinen Pegel und ich hatte keine Zeit. Sturztrinken at its best sozusagen.
    Noch ein Beispiel: Von der Arbeit nach Hause hatte ich etwa 15 Minuten mit der S-Bahn. In diesen 15 Minuten trank ich mindestens 2 Bier, meist jedoch 3 oder 4 Bier. In 15 Minuten! Dann lief ich nochmal etwa 10 - 15 Minuten nach Hause. Auch da liefen normalerweise nochmal 2 Bier in mich hinein. Ich bin also ca. 30 Minuten vorher nüchtern von meinem Arbeitsplatz los gegangen und kam dann nach eine guten halben Stunde zuhause mit 5 Bier intus an! Und keiner hat was gemerkt.

    Ich will Dir damit nur verdeutlichen wieviel Gefahr und "Potenzial" dahinter stecken kann. Als nicht trinkender oder süchtiger Mensch kann man das gar nicht glauben. Es kann also sein, dass Deine Partnerin noch viel mehr trinkt als Du jetzt schon vermutest. Wobei die gefundenen Schnapsflaschen ja schon eine sehr deutliche Sprache sprechen. Es ist letztlich auch ganz egal wie viel sie trinkt, süchtig ist süchtig.

    Deshalb kann und möchte ich mich komplett Dietmar anschließen. Du solltest sie unbedingt ansprechen. Das kann wach rütteln (muss aber nicht). Biete ihr Hilfe an, erkundige Dich vielleicht vorher noch wohin sie sich bei Euch in der Nähe wenden kann (z. B. Suchtberatung). Und dann musst Du sehen wie sie reagiert. Eine langfristige Chance habt Ihr nur, wenn sie bereit ist etwas zu unternehmen. Dann kannst Du auch eine gute und wichtige Rolle spielen. Sollte sie aber abstreiten oder Dir das Blaue vom Himmer herunter versprechen ohne sich gleichzeitig helfen zu lassen, wird es schwierig werden. Dann wird es immer wieder zu Enttäuschungen und Vertrauensbrüchen kommen.

    Ich wünsche Dir alles Gute und einen guten Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

  • Hallo Dietmar, Hallo Gerchla,
    Vielen lieben Dank erst einmal für eure Hinweise, Erfahrungsberichte und auch für den Rat es vorsichtig aber bestimmt anzugehen.
    Sie macht bestimmt auch das beschriebene "Sturztrinken". Vorletzte Woche war ich beruflich eine Nacht mal nicht zuhause. Den nächsten Tag hatte Sie eine Verletzung im Gesicht und ist dann morgens nicht zur Arbeit gegangen. Sie erzählte mir sie sei im Dunkeln in der Wohnung gestürzt und unglücklich auf die Bettkante gefallen. Mit der heutigen Wissen lag das bestimmt auch am Alkohol und am nächsten Morgen war sie bestimmt einfach nicht in der Lage ins Büro zu gehen. Wenn sich das wiederholt kann es bestimmt auch mal schlimm ausgehen, zumal sie vielleicht selber nicht mehr genau weiß was mit ihr war.
    Ich werde eure Ratschläge also jetzt umsetzen und mit ihr reden. Ich berichte dann auch hier über die Reaktion und Ergebnisse und benötige im weiteren Verlauf bestimmt weiterhin euren Rat.
    Bis bald, Holgax2

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!