Beiträge von Hama

    Grüß Dich Gerchla,

    gestern hatte ich den Eindruck, dass ich das Problem "Alkohol" bei meiner Schwester mit mehr Abstand sehen kann, heute sieht das schon wieder anders aus. Irre hoher Blutdruck, Panikattacken, gegen beides wieder Pillen geschluckt! Ich habe mich nun doch entschlossen, in eine Selbsthilfegruppe für Angehörige zu gehen. Ein unmittelbarer Austausch mit anderen Betroffenen ist vielleicht eine Chance, mein allmählich gravierender werdendes eigenes Problem, auf die Dauer von Medikamenten abhängig zu werden, verhindern zu können. Ich brauche wohl wirklich ein Ventil, wo ich Luft ablassen kann und ein unmittelbares Echo bekomme. Ich danke allen, die mir geantwortet haben, besonders auch Dir, dass ihr auf mein Problem so detailliert eingegangen seid. Vielleicht melde ich mich demnächst wieder, um über meine Erfahrungen in der Gruppe zu berichten. Dir wünsche ich, dass Du auf dem Weg bleiben kannst, den Du seit so langer Zeit jetzt gehst und hoffe, dass Du ein unterstützendes intaktes Umfeld hast.

    Ganz liebe Grüße
    Hanna

    AmSee, ich grüße dich herzlich,

    und vielen Dank für das freundliche Willkommen hier im Forum. Zunächst lass mich sagen, wie leid es mir tut, dass du MS hast und dazu noch eine schwere Depression kommt. Deine Geschichte hat mich sehr berührt, sowohl die Abhängigkeit, in die du durch das Beispiel deines Vaters geraten bist, als auch das ablehnende Verhalten deiner Schwester dir gegenüber. Ich wünsche dir sehr, dass du es schaffst, ganz aus der Sucht herauszukommen. Wie schwer so etwas ist, erfahre ich täglich durch meine Schwester, wobei diese ganz offenbar gar nicht ernsthaft da herauskommen will. Sie konnte schon immer schlecht für sich selbst sein und brauchte immer eine Art Publikum, wenn man so will. Durch Corona war sie, wie ich ja auch, wegen ihres/unseres Alters schon sehr gefährdet und gezwungenermaßen mehr oder weniger isoliert. Das war bestimmt mit ein Auslöser, dass sie wieder angefangen hat zu trinken. Trotz unserer täglichen Telefonate habe ich nicht erfahren, wie sie an so eine Menge Alkohol kam, da sie ja selbst ihn gar nicht hätte besorgen können. Sie hat wohl dauernd reichliche Vorräte davon; jeden Tag hatte ich mehr und mehr den Eindruck - unsere Anrufzeit ist ca 15 Uhr - dass sie schon wieder ordentlich zugelangt hatte, ihre Sprache war verwaschen, die Zunge schwer, wie man sagt und ihre Gedanken sehr sprunghaft. Am Anfang wollte ich das nicht wahrhaben "bitte nicht schon wieder!" Ich habe es also wie sie selbst gemacht, den Kopf in den Sand gesteckt, weil ich wusste, dann kommen bei mir auch wieder die Depressionen, dann steigt mein Blutdruck an, dann fühle ich mich wie gelähmt. Gerade eben das Gespräch ging auch wieder voll daneben: "lass mich in Ruhe! Kannst du nicht mal was Vernünftiges sagen? Lass uns Schluss machen, ich leg jetzt auf." Ich würde sie ja gar nicht mehr anrufen, da sie aber allein lebt, habe ich Sorge, dass sie stürzt und dann hilflos in der Wohnung liegt. Ich bin jetzt fest entschlossen, es mir nicht mehr "unter die Haut" gehen zu lassen. Ich WILL nicht mehr abends eine Schlaftablette nehmen müssen, damit ich abschalten kann und ich will keinesfalls von Tabletten abhängig werden. Gerchla`s und deine Vorschläge zum Umgang mit Gefühlen wie Mitleid und Wut werde ich beherzigen und für mich einen Weg finden, weil ich ja ohne Schuldgefühle meine Haut "retten" darf. Es muss mir also gelingen, mich ihr gegenüber nicht schuldig zu fühlen. Das wird schwer genug, denn wenn ich einen Rückblck auf unser beider Leben werfe , so muss ich zugeben, dass mir lange nicht so dicke Brocken in den Weg gelegt wurden wie ihr, die viele schwere Hürden nehmen musste. Daher resultiert bei mir auch das Mitleid, das die Wut immer wieder überspielt.
    Ich bedanke mich ganz herzlich bei dir für die Offenheit und die hilfreichen Worte und wünsche dir alles Liebe und Gute!

    Herzliche Grüße
    Hanna

    Lieber Gerchla,

    ja, Deine Worte haben etwas in mir bewirkt; ich fühle mich nicht mehr so isoliert mit meinem Problem. Ich stimme Dir zu, Alkohol ist wirklich ein Verhängnis, nicht nur ist er überall toleriert und zu haben, sondern die Gesellschaft - also eigentlich wir - haben ihn salonfähig gemacht und , wie Du richtig sagst, zum Kulturgut erhoben. Bis er dann jemand - und das sind offenbar viele - zum Verhängnis wird und ein Gebäude aus Lügen und Vertuschung um dieses "offene Geheimnis" zum Schutz des/der Betroffenen errichtet wird, bis auch das zusammenbricht. Genau so erlebe ich das gerade auch. Was Du über die Gefühle von Ohnmacht , Wut und Verzweiflung sagst, hat mich sehr beeindruckt, besonders wie Du damit umgegangen bist. Sie zuzulassen, sie zu durchleben, da besteht bei mir noch viel Lernpotential. Ich hoffe, dass mir das eines Tages - nicht erst, wenn es zu spät ist - auch gelingen kann. Jedenfalls macht mir dieser Gedanke Mut.
    Dein Vorschlag, vielleicht in eine Selbsthilfegruppe zu gehen, wäre schon möglich, in meiner Stadt gibt es so etwas. Allerdings hat das bis jetzt für mich eine riesige Hürde bedeutet, mich dort anzumelden. Deshalb habe ich es auch erst einmal anonym über dieses Forum versucht und hatte das Glück, dass Du mir geantwortet hast. Vor allem Deine Empathiefähigkeit hat mich sehr beeindruckt und mir gut getan. Dafür danke ich Dir; es ist mir heute Abend etwas leichter ums Herz.

    Liebe Grüße und alles Gute
    Hanna alias Hama

    Grüß Dich ganz herzlich Gerchla,

    als ich Deinen Beitrag gelesen hatte, habe ich erst mal geheult. Wenn man sich so allein und isoliert mit dem Problem fühlt und dann kommt von irgendwo ein Echo, eine echte Antwort, ein Trost, eine Hilfe, egal wie man das jetzt nennen will, dann spürt man plötzlich, dass man nicht allein auf weiter Flur dasteht, es entspannt sich der gesammelte Stress erst mal und das Heulen tut sooo gut! Ich danke Dir schon allein dafür und auch, dass Du Deine eigene Situation so offen beschrieben hast. Wie schön, dass Du es geschafft hast, obwohl Du Deine Lage ja auch damals wohl als aussichtslos angesehen hast. Dieser "Klick", der Dich gerettet hat, vielleicht wirklich eine Botschaft und ein Anker von irgendwo da oben!? Wer weiß das schon... . Ja, wie sehr die Sucht einen Menschen im Griff haben kann, das sehe resp. höre ich jetzt auch wieder täglich. Und das habe ich schon x-mal mit Unterbrechungen oft sogar von einem Jahr mitbekommen. Man hofft und denkt, es ist vorbei, sie hat es geschafft!, und dann kommt die kalte Dusche unweigerlich irgendwann wieder. Ich kann den Beteuerungen "nächste Woche höre ich auf" nie mehr glauben, obwohl es ja auch Beispiele wie das von Dir gibt, die fast an ein Wunder grenzen. An einem Punkt hast Du den Willen aufgebracht, das Wunder geschehen zu lassen. Dafür hast Du meine ganze Achtung und Anerkennung. Ich danke Dir auch für die Hilfestellung, die Du mir für künftige Entscheidungen gegeben hast, wenn Du betonst, dass ich auch eine Pflicht mir gegenüber habe, dass ich mein Leben wegen des Dramas meiner Schwester nicht entgleisen lassen sollte. Ich hoffe, dass ich mich daran halten kann, damit ich die Ablösung von ihr schaffe, in Liebe sie loslassen kann. Vielleicht löst sich dann auch dieses Wutknäuel auf, dass ich neben dem Mitleid immer wieder spüre. Ihr soziales Umfeld existiert praktisch nicht mehr; FreundInnen haben Abstand genommen und die Nachbarschaft hat sie durch ihr abweisendes Verhalten wohl auch verschreckt. Wenn ich sie danach frage, wird sie aggressiv. Sie macht sich vor, dass niemand von ihrer Abhängigkeit weiß, dabei ist sie sturzbetrunken auch schon gestürzt und man musste ihr wieder auf die Beine helfen.

    Vielen Dank noch einmal und für Dich und Deine Dir Nahestehenden alle meine guten Wünsche!
    Hama

    Liebe Camina,

    vielen Dank für deine freundliche und klare Antwort, die mich auch etwas ruhiger macht. Es ist so, dass ich psychisch durch den Verlust meines Mannes selbst noch sehr angeschlagen bin und glaube, dass ich das Elend nicht verkraften würde, das ich antreffen würde, wenn ich zu meiner Schwester reiste. Spontan hatte ich ihr das am Telefon ja angeboten. Aber sie hat vehement abgelehnt: Bleib bloß da, ich lasse dich nicht rein. Sie weiß, dass ich dann etwas unternehmen würde, damit sie in eine Klinik kommt. Sie sagte, sie könne alles selbst entscheiden, sie sei nicht unmündig. Ich fühle mich inzwischen auch gefährdet und nehme Beruhigungsmittel, weil ich die Angst und die Spannung sonst kaum ertrage und auch nachts keine Ruhe bekomme. Ich will aber nicht selbst von irgendetwas abhängig werden, von Alkohol sowieso nicht, weil ich ihn überhaupt nicht vertrage und sofort spucken muss. Ich bin zwischen Mitleid mit meiner Schwester und echte Wut auf sie hin und her gerissen. Ich KANN meiner Schwester nicht helfen, ich ginge über kurz oder lang selbst drauf! Das spüre ich ganz deutlich.

    Liebe Camina, alles Gute für dich und nochmals vielen Dank für deine Antwort!

    Herzliche Grüße
    Hama

    Hallo Daun,
    danke für deine Begrüßung und deine Antwort. Meine Schwester hat wie immer vorgesorgt und Dosen mit Prosecco gelagert. Sie war ja schon mindestens vier- bis fünfmal zum Entzug und irgendwann bevor der neue Rückfall kommt, lagert sie schon ein. Sie will also eigentlich überhaupt nicht aufhören zu trinken, den Entzug hat sie jeweils nur widerwillig gemacht, um damit einem Organversagen zuvor zu kommen. Meine Meinung ist wirklich: sie will im Unterbewusstsein nicht aufhören . Aber sie inszeniert das alles so, dass sie mir und auch ihrer Bekannten dauernd ein schlechtes Gewissen macht: " Ich hab schon vier Wochen nichts mehr gegessen" usw. Sie weidet sich ebenso unbewusst daran, dass wir dann natürlich besorgt sind. Ich versuche, mich gefühlsmäßig von ihr abzukoppeln, aber das ist sehr schwer, sie ist immerhin meine Schwester. Bei einer Suchtstation an meinem Wohnort habe ich auch schon angefragt; mir hat man dort gesagt, dass ich mich zurükziehen sollte, wenn mich dieser Zustand so belastet und meinen Blutdruck in die Höhe treibt. Aber das ist nicht leicht.. andererseits macht sie mir den Rest meines Lebens - ich bin auch schon 78 - kaputt. Das möchte ich mir nicht gefallen lassen, zumal ich in den letzten fünf Jahren meinen Mann zu Hause bis zu seinem Tod gepflegt habe und mich jetzt mal wieder um mich kümmern könnte. Aber mein Mann war ein umgänglicher und lieber Mensch, der es mir zu erleichtern versuchte, wie er konnte.
    LG Hama (Hanna)

    Guten Tag, ich nehme mal an, dass ich mich auf dieser Seite vorstellen kann. Ich bin Hanna, eine Angehörige einer schwerst alkoholabhängigen Person und am Ende meiner Weisheit, aber vor allem auch meiner Kraft. Vielleicht kann mir jemand einen Rat geben, was ich tun kann, meiner Verwandten doch noch zu helfen, ohne dabei psychisch selbst draufzugehen oder sogar selbst abhängig zu werden.
    Am besten ich schildere hier gleich, was mich so verzweifeln lässt. Ich habe eine Schwester, sie ist 79 Jahre alt, hat schwere Krankheiten gehabt (Magenkrebs, Brustkrebs) und ist seit Jahren eigentlich alkoholabhängig. Immer wenn sie Probleme hatte, war der Alkohol mit im Spiel. Sie war selten in der Lage, Probleme mal im Kopf zu lösen. Mit der Flasche wurden ihre Probleme aber noch schlimmer. Ich lebe im Norden Deutschlands , sie im Süden. Wir haben aber täglich Telefonkontakt. Seit ca 4 Wochen trinkt sie wieder ganz schlimm - sie hatte schon mehrere Entzüge hinter sich, immer eingewiesen in einer Situation, die sie gar nicht mehr checken konnte. Es ist nun wieder so weit, ich versuche seit wenigstens einer Woche, so auf sie einzuwirken, dass sie sich einweisen lässt. Aber sie verweigert es, isst angeblich nicht mehr, lallt nur noch. Wenn ich ihr sage, dass ich von hier aus einen Arzt an ihrem Ort anrufen werde, der sie in die Klinik einweist, beschimpft sie mich oder wirft den Hörer auf. An manchen Tagen hebt sie nicht ab und ruft dann später bei mir an, um mir gleich wieder zu drohen: wehe, du schickst einen Arzt zu mir. Ich kenne die Zustäde bei ihr, sie ist dann nicht mehr in der Lage, sich zu waschen, kontrolliert Stuhl und Urin auszuscheiden,, ist auch schon gestürzt und hat sie den Oberschenkelhals gebrochen. Da sie allein lebt, hat sie eine gute Bekannte von ihr angerufen, die dann dafür gesorgt hat, dass sie in die Klinik und anschließend in eine Reha kam. Danach war sie wieder für ein knappes Jahr halbwegs trocken. Ich habe ihr gestern auch angeboten, zu ihr zu kommen, obwohl ich durch das ganze Drama selbst eigentlich dringend Hilfe brauchte (Blutdruck steigt, immer wieder Herzrasen, Angst vor den Gesprächen) Auf keinen Fall soll ich kommen! Ich habe vor einem halben Jahr meinen Mann verloren und bin eigentlich auch gar nicht in der Verfassung, mir das Elend live anzusehen. Bitte, was soll, was muss ich tun? Mache ich mich irgendwie strafbar, wenn ich nichts tue? Für einen Rat wäre ich dankbar!
    LG Hanna